16.03.2005 · IWW-Abrufnummer 050714
Europäischer Gerichtshof: Urteil vom 03.03.2005 – C-472/03
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Erste Kammer)
3. März 2005(1)
In der Rechtssache C‑472/03
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) mit Entscheidung vom 7. November 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 12. November 2003, in dem Verfahren
Staatssecretaris van Financiën
gegen
Arthur Andersen & Co. Accountants c.s.
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann, des Richters K. Lenaerts (Berichterstatter), der Richterin N. Colneric sowie der Richter K. Schiemann und E. Juhász,
Generalanwalt: M. Poiares Maduro,
Kanzler: M.-F. Contet, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. November 2004,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Arthur Andersen & Co. Accountants c.s., vertreten durch R. Vos und P. J. B. G. Schrijver, advocaten,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster und N. A. J. Bel als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal, A. Weimar und L. Ström‑van Lier als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 12. Januar 2005,
folgendes
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Artikel 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ? Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie).
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits wegen der Weigerung des Staatssecretaris van Financiën (niederländischer Staatssekretär für Finanzen), für die von der Arthur Andersen & Co. Accountants c.s. (im Folgenden: Beklagte) im Bereich der Lebensversicherung ausgeführten Backoffice-Tätigkeiten eine Befreiung von der Mehrwertsteuer zu gewähren.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
Nach Artikel 4 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie gilt als Steuerpflichtiger, wer eine der in Absatz 2 dieses Artikels genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis.
Absatz 4 dieses Artikels bestimmt, dass der in Absatz 1 verwendete Begriff ?selbständig? die Lohn- und Gehaltsempfänger und sonstige Personen von der Besteuerung ausschließt, soweit sie an ihren Arbeitgeber durch einen Arbeitsvertrag oder ein sonstiges Rechtsverhältnis gebunden sind, das hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsentgelts sowie der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers ein Verhältnis der Unterordnung schafft.
Artikel 13 Teil B der Sechsten Richtlinie lautet:
?Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:
a)
die Versicherungs- und Rückversicherungsumsätze einschließlich der dazugehörigen Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und ‑vertretern erbracht werden;
??
Artikel 2 der Richtlinie 77/92/EWG des Rates vom 13. Dezember 1976 über Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für die Tätigkeiten des Versicherungsagenten und des Versicherungsmaklers (aus ISIC‑Gruppe 630), insbesondere Übergangsmaßnahmen für solche Tätigkeiten (ABl. 1977, L 26, S. 14), die zur Zeit des Sachverhalts galt, bestimmte:
?(1) Diese Richtlinie gilt für folgende Tätigkeiten, soweit sie zu der Gruppe aus 630 ISIC des Anhangs III des Allgemeinen Programms zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit gehören:
a)
die Berufstätigkeit von Personen, die zum Zweck der Herstellung eines Versicherungs- oder Rückversicherungsschutzes als Vermittler zwischen Versicherungsnehmern und frei von ihnen gewählten Versicherungs- oder Rückversicherungsunternehmen auftreten, den Abschluss von Versicherungsverträgen vorbereiten und gegebenenfalls bei ihrer Verwaltung und Erfüllung, insbesondere im Schadensfall, mitwirken;
b)
die Berufstätigkeit von Personen, die auf Grund eines oder mehrerer Verträge oder von Vollmachten damit betraut sind, im Namen und für Rechnung oder nur für Rechnung eines oder mehrerer Versicherungsunternehmen Versicherungsverträge anzubieten, vorzuschlagen und vorzubereiten oder abzuschließen oder bei deren Verwaltung und Erfüllung, insbesondere im Schadensfall, mitzuwirken;
?
(2) Die vorliegende Richtlinie gilt insbesondere für nachstehende Tätigkeiten, die in den Mitgliedstaaten unter folgenden branchenüblichen Bezeichnungen ausgeübt werden:
?
b) die in Absatz 1 Buchstabe b) bezeichneten Tätigkeiten:
?
? in den Niederlanden:
? Gevolmachtigd agent
? Verzekeringsagent
??
Nationales Recht
Artikel 11 der Wet op de omzetbelasting 1968 (Umsatzsteuergesetz von 1968) sieht vor:
?1. Unter durch Verordnung festzulegenden Voraussetzungen sind von der Steuer befreit:
?
k) Versicherungen und Dienstleistungen, die von Versicherungsvertretern erbracht werden.?
Sachverhalt und Vorlagefrage
Zur Zeit des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens gehörte zu der in Rotterdam (Niederlande) niedergelassenen Beklagten die niederländische privatrechtliche Gesellschaft Andersen Consulting Management Consultants (im Folgenden: ACMC).
Am 26. Mai 1997 schlossen die Royal Nederland Verzekeringsgroep NV, die Universal Leven NV (im Folgenden: UL), eine Gesellschaft, die über Versicherungsvertreter auf dem Lebensversicherungsmarkt tätig ist, und ACMC einen Vertrag über eine Zusammenarbeit, der vorsah, dass ACMC im Auftrag von UL verschiedene Tätigkeiten ausführt, die in diesem Vertrag als Backoffice-Tätigkeiten bezeichnet wurden. ACMC übertrug die Ausführung dieser Tätigkeiten ihrer in demselben Gebäude wie UL ansässigen Abteilung Accenture Insurance Services (im Folgenden: AIS).
Die in Rede stehenden Backoffice-Tätigkeiten werden im Vorlagebeschluss wie folgt beschrieben: Entgegennahme von Versicherungsanträgen, Bearbeitung von Vertrags- und Tarifänderungen, Ausstellung, Verwaltung und Kündigung von Policen, Bearbeitung von Schadensfällen, Festsetzung der Provisionen und ihre Auszahlung an die Versicherungsvertreter, Organisation und Verwaltung der Informationstechnologie, Weitergabe von Informationen an UL und die Versicherungsvertreter, Erstellung von Berichten an die Versicherungsnehmer und Dritte wie den Fiscale Inlichtingen- en Opsporingsdienst (Dienst für Steuerauskünfte und ‑ermittlungen). Wenn sich aufgrund der Angaben einer Person, die den Abschluss einer Versicherung beantragt, eine ärztliche Untersuchung als notwendig erweist, entscheidet UL über die Annahme des Risikos, während im umgekehrten Fall ACMC die Entscheidung trifft, die dann UL bindet. AIS obliegen nahezu alle Kontakte mit den Versicherungsvertretern.
UL hat einen Personalbestand von 2,9 Vollzeitäquivalenten (im Folgenden: VZÄ), während AIS 17 VZÄ für die Backoffice-Tätigkeiten einsetzt. Das Personal von AIS hat eine Ausbildung im Bereich Lebensversicherung.
Der Vertrag über die Zusammenarbeit sieht die Errichtung von zwei Ausschüssen vor, des ?Review Committee? und des ?Operating Committee?, die sich aus Vertretern von UL und ACMC zusammensetzen und deren Aufgabe es ist, die Zusammenarbeit zwischen UL und AIS zu bewerten, darüber zu wachen, dass die Bedingungen der Zusammenarbeit beachtet werden, einen Plan für die Backoffice-Tätigkeiten zu erstellen, die Entwicklungen im Versicherungsbereich und deren Auswirkungen auf diese Tätigkeiten zu erörtern und möglicherweise entstehende Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Vertrag zu schlichten. Er sieht die Ernennung eines ?Service Managers? und eines ?Operational Managers? vor, denen es obliegt, eine tägliche Abstimmung zwischen UL und AIS sicherzustellen, um die Effizienz der Backoffice-Tätigkeiten zu gewährleisten. Er enthält eine Ausschließlichkeitsklausel, die es ACMC untersagt, für Dritte Backoffice-Tätigkeiten auszuführen, die mit denen vergleichbar sind, die sie zugunsten von UL ausführt. Er sieht für die Backoffice-Tätigkeiten eine nach dem Versicherungsbestand und den Prämieneinnahmen berechnete Vergütung und eine Mindestvergütung vor.
In ihrer Steuererklärung für den Monat September 1998 gab die Beklagte an, dass sie Umsatzsteuer in Höhe eines Betrages von 10 000 NLG entrichtet habe. Diese Summe ergebe sich aus der Differenz zwischen der Umsatzsteuer auf die UL in diesem Zeitraum für die Backoffice-Tätigkeiten in Rechnung gestellte Vergütung einerseits und der für diesen Posten abgezogenen Umsatzsteuer andererseits.
Da sie der Auffassung war, dass die für UL ausgeführten Backoffice-Tätigkeiten nicht der Umsatzsteuer unterliegen, beantragte die Beklagte beim zuständigen Inspecteur die Erstattung der 10 000 NLG, was abgelehnt wurde. Gegen diese ablehnende Entscheidung erhob sie Klage beim Gerechtshof te ?s-Gravenhage (Niederlande), der dieser mit Urteil vom 23. Oktober 2001 stattgab. Dieses Gericht war der Ansicht, dass UL und ACMC mit ihrer Zusammenarbeit ihre jeweilige Sachkunde zusammenführen wollten, um sie in den Dienst desselben Zieles zu stellen, des gemeinsamen Betriebs eines Versicherungsunternehmens. So könnten die von ACMC für UL ausgeführten Tätigkeiten nicht als der Umsatzsteuer unterliegende wirtschaftliche Dienstleistungen angesehen werden.
Der niederländische Staatssekretär für Finanzen legte gegen das Urteil des Gerechtshof te ?s-Gravenhage Kassationsbeschwerde beim Hoge Raad der Nederlanden ein. Die Beklagte legte ein Anschlussrechtsmittel ein.
Der Hoge Raad der Nederlanden ist der Ansicht, dass die in Rede stehenden Tätigkeiten nicht als Versicherungsumsätze von der Mehrwertsteuer befreit werden könnten. Zum einen ergebe sich aus den Akten und den Feststellungen des Gerechtshof te ?s-Gravenhage, dass allein UL die mit der Ausübung von Versicherungstätigkeiten verbundenen Risiken trage, und zum anderen würden die Versicherungsverträge im Namen von UL und nicht von ACMC geschlossen.
Dagegen hat er Zweifel hinsichtlich des Begriffes der ?Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden?, im Sinne des Artikels 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie. Zwar schienen bestimmte charakteristische Merkmale dieses Begriffes, wie das Erfordernis einer unmittelbaren Verbindung zwischen dem Steuerpflichtigen und den Versicherten im vorliegenden Fall nicht gegeben zu sein. Die in Rede stehenden Tätigkeiten seien jedoch zu Versicherungsumsätzen gehörende Dienstleistungen, in deren Rahmen ACMC weitgehend als Vermittlerin auftrete. Als solche werde ACMC zunächst zwischen den Versicherungsvertretern und UL tätig, indem sie die von jenen übermittelten Versicherungsanträge bearbeite und sie meistens im Namen von UL abschließe, dann zwischen UL und den Versicherungsnehmern, indem sie gegenüber diesen während der Laufzeit des Vertrages und im Fall seiner Kündigung im Namen von UL auftrete.
Unter diesen Umständen hat der Hoge Raad der Nederlanden beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Wenn ein Steuerpflichtiger mit einer (Lebens-)Versicherungsgesellschaft einen Vertrag wie den hier in Rede stehenden Vertrag zwischen ACMC und UL geschlossen hat, der u. a. vorsieht, dass dieser Steuerpflichtige gegen eine bestimmte Vergütung und mit Hilfe diplomierter Fachkräfte des Versicherungswesens den größten Teil der mit Versicherungsumsätzen verbundenen tatsächlichen Handlungen ausführt ? darunter in der Regel die Fassung von für die Versicherungsgesellschaft bindenden Beschlüssen über den Abschluss von Versicherungsverträgen und der Kontakte zu den Vermittlern und gegebenenfalls den Versicherten ?, während die Versicherungsverträge im Namen der Versicherungsgesellschaft geschlossen werden und diese das Versicherungsrisiko trägt, fallen dann die zur Durchführung dieses Vertrages von diesem Steuerpflichtigen ausgeführten Tätigkeiten unter den Begriff der ?dazugehörigen Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden?, im Sinne von Artikel 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie?
Mit Schreiben vom 5. Januar 2004 hat das vorlegende Gericht die Parteien gefragt, ob sie der Ansicht seien, dass die Vorlagefrage angesichts des Urteils des Gerichtshofes vom 20. November 2003 in der Rechtssache C‑8/01 (Taksatorringen, Slg. 2003, I‑0000) zurückgezogen werden sollte. Nach Eingang der Antworten der Parteien hat es mit Schreiben vom 11. Februar 2004 mitgeteilt, dass es sein Vorabentscheidungsersuchen aufrechterhalte.
Zur Vorlagefrage
Vorab ist das Vorbringen der Beklagten in ihren schriftlichen Erklärungen zurückzuweisen, wonach ACMC in einem Unterordnungsverhältnis zu UL stehe, so dass die fraglichen Tätigkeiten nach Artikel 4 Absatz 4 der Sechsten Richtlinie von der Mehrwertsteuer ausgeschlossen seien.
Die Verwendung der Begriffe ?Lohn- und Gehaltsempfänger? und ?Arbeitgeber? in dieser Bestimmung zeigt nämlich, dass der dort vorgesehene Ausschluss von der Besteuerung ein Arbeitsverhältnis voraussetzt, das zwischen ACMC und UL offenkundig nicht vorliegt.
Außerdem besteht, wie im Vorlagebeschluss ausgeführt wird und von der Beklagten nicht bestritten wurde, keine Vertragsbeziehung zwischen ACMC und den Versicherungsnehmern, da die Versicherungsverträge im Namen von UL geschlossen werden. Das vorlegende Gericht geht somit zu Recht davon aus, dass die Tätigkeiten von ACMC keine Versicherungsumsätze im Sinne des Artikels 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. März 2001 in der Rechtssache C‑240/99, Skandia, Slg. 2001, I‑1951, Randnrn. 41 und 43).
Folglich geht es in der vorliegenden Rechtssache ausschließlich darum, den Begriff der ?zu Versicherungsumsätzen gehörigen Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden?, im Sinne des Artikels 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie auszulegen und zu klären, ob dieser Begriff, der in der Richtlinie nicht definiert wird, Tätigkeiten wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden erfasst.
Die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiungen nach Artikel 13 der Sechsten Richtlinie umschrieben sind, sind eng auszulegen, da diese Steuerbefreiungen Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt (Urteile Skandia, Randnr. 32, und Taksatorringen, Randnr. 36).
Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung sind diese Steuerbefreiungen autonome gemeinschaftsrechtliche Begriffe, die eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems vermeiden sollen und bei denen der Gesamtzusammenhang des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems zu beachten ist (Urteil Skandia, Randnr. 23).
Im vorliegenden Fall betont die Beklagte, dass es sich bei dem Personal von AIS, dem ACMC die Ausführung der in Rede stehenden Tätigkeiten übertragen hat, um Fachkräfte im Bereich der Lebensversicherung handele und dass diese Tätigkeiten zu Versicherungsumsätzen gehörten.
Wie die Beklagte selbst in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, genügen diese beiden Faktoren jedoch nicht, um aus ACMC einen Versicherungsvertreter zu machen. Zu prüfen ist nämlich auch, ob die in Rede stehenden Tätigkeiten denen eines Versicherungsvertreters entsprechen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass dies der Fall sei. ACMC stehe sowohl zum Versicherer UL als auch zu den Versicherungsnehmern und den Empfängern der Versicherungsleistungen in Beziehung.
Nach den Angaben im Vorlagebeschluss ist ACMC bei der Ausführung ihrer Tätigkeiten durch eine Ausschließlichkeitsklausel zugunsten von UL gebunden (vgl. Randnr. 12 dieses Urteils). Sie verfügt somit nicht über die Wahlfreiheit in Bezug auf den Versicherer, die für die in Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 77/92 beschriebene Berufstätigkeit eines Versicherungsmaklers kennzeichnend ist.
Die Beklagte trägt vor, dass die Tätigkeiten von ACMC identisch seien mit denen des ?gevolmachtigd agent? (bevollmächtigter Vertreter) nach Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b der Richtlinie 77/92, die in Absatz 1 Buchstabe b dieses Artikels beschrieben seien. In der mündlichen Verhandlung hat sie hervorgehoben, dass ACMC sowohl bei der Unterzeichnung des Vertrages als auch bei dessen Durchführung die Befugnis habe, UL gegenüber den Versicherungsnehmern und den Empfängern der Versicherungsleistungen zu verpflichten.
Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass im Zusammenhang mit der Sechsten Richtlinie zwar entschieden worden ist, dass die in Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 77/92 beschriebene Berufstätigkeit ?die Befugnis [umfasst], den Versicherer gegenüber dem Versicherten, dem ein Schaden entstanden ist, zu verpflichten? (Urteil Taksatorringen, Randnr. 45).
Aus dieser Rechtsprechung kann jedoch, wie der Generalanwalt in Nummer 31 seiner Schlussanträge ausführt, nicht geschlossen werden, dass die Befugnis, den Versicherer zu verpflichten, das entscheidende Kriterium dafür ist, eine Person als Versicherungsvertreter im Sinne des Artikels 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie anzusehen. Die Anerkennung der Eigenschaft eines Versicherungsvertreters setzt vielmehr eine Prüfung des Inhalts der in Rede stehenden Tätigkeiten voraus.
Unabhängig von der Frage, ob ACMC im Rahmen dieser Tätigkeiten zugleich zum Versicherer und zu den Versicherungsnehmern in Beziehung steht, was nach der Rechtsprechung Voraussetzung für die Anerkennung als Versicherungsvertreter ist (Urteil Taksatorringen, Randnr. 44), ergibt sich in dieser Hinsicht aus den Angaben im Vorlagebeschluss, ergänzt durch die Erläuterungen der Beklagten in ihren schriftlichen Erklärungen, dass die Tätigkeiten der ACMC darin bestehen, Versicherungsanträge zu bearbeiten, die zu versichernden Risiken zu bewerten, die Notwendigkeit einer ärztlichen Untersuchung zu beurteilen, über die Annahme des Risikos zu entscheiden, wenn sich eine solche Untersuchung als nicht erforderlich erweist, Versicherungspolicen auszustellen, zu verwalten und zu kündigen sowie Tarif- und Vertragsänderungen vorzunehmen, die Prämien zu erheben, Schadensfälle zu bearbeiten, die Provisionen der Versicherungsvertreter festzusetzen und auszuzahlen, die Kontakte zu diesen zu halten, Rückversicherungsangelegenheiten zu bearbeiten sowie Versicherungsnehmern und Versicherungsvertretern ebenso wie anderen Interessierten, wie den Finanzbehörden, Informationen zur Verfügung zu stellen.
Angesichts dieser Angaben ist festzustellen, dass die von ACMC an UL erbrachten Dienstleistungen, die, obwohl sie zum wesentlichen Inhalt der Tätigkeiten eines Versicherungsunternehmens beitragen, keine Versicherungsumsätze im Sinne des Artikels 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie sind (vgl. Randnr. 22 dieses Urteils), auch keine für einen Versicherungsvertreter charakteristischen Leistungen darstellen.
Diese Dienstleistungen weisen nämlich Besonderheiten auf, wie die Festsetzung und die Auszahlung der Provisionen der Versicherungsvertreter, das Halten der Kontakte mit diesen, die Verwaltung von Rückversicherungsangelegenheiten und die Weitergabe von Informationen an die Versicherungsvertreter und die Finanzverwaltung, die offenkundig nicht zu den Tätigkeiten eines Versicherungsvertreters gehören.
Wie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften in ihren schriftlichen Erklärungen vorgetragen hat und wie der Generalanwalt in Nummer 32 seiner Schlussanträge ausführt, sind im vorliegenden Fall wesentliche Aspekte der Versicherungsvermittlungstätigkeit, wie Kunden zu suchen und diese mit dem Versicherer zusammenzubringen, offensichtlich nicht gegeben. Aus dem Vorlagebeschluss ergibt sich nämlich, ohne dass dies von der Beklagten bestritten worden wäre, dass ACMC erst mit der Bearbeitung der Versicherungsanträge tätig wird, die ihr von den Versicherungsvertretern geschickt werden, mit deren Hilfe UL auf dem niederländischen Lebensversicherungsmarkt Kunden anwirbt.
Wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen und in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, ist der zwischen ACMC und UL geschlossene Vertrag über die Zusammenarbeit als Subunternehmervertrag zu werten, aufgrund dessen ACMC UL die dieser fehlenden Arbeitskräfte und Verwaltungsmittel zur Verfügung stellt und für sie eine Reihe von Dienstleistungen erbringt, um sie bei den mit ihren Versicherungstätigkeiten zusammenhängenden Aufgaben zu unterstützen. Von Bedeutung ist in dieser Hinsicht, dass nach den Erläuterungen des vorlegenden Gerichts das Personal von UL nur 2,9 VZÄ entspricht, während AIS 17 VZÄ zur Ausführung der Backoffice-Tätigkeiten einsetzt, und dass das Personal von AIS und das von UL in demselben Gebäude untergebracht ist.
Die von ACMC für UL erbrachten Dienstleistungen müssen folglich als eine Form der Zusammenarbeit gesehen werden, die darin besteht, UL gegen Vergütung bei der Ausführung der dieser normalerweise obliegenden Tätigkeiten zu helfen, ohne Vertragsbeziehungen zu den Versicherten zu unterhalten. Bei derartigen Tätigkeiten handelt es sich um eine Ausgliederung der Tätigkeiten von UL und nicht um Dienstleistungen, die von einem Versicherungsvertreter erbracht werden (vgl. entsprechend Urteil vom 13. Dezember 2001 in der Rechtssache C‑235/00, CSC Financial Services, Slg. 2001, I‑10237, Randnr. 40).
Nach alldem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Artikel 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass Backoffice-Tätigkeiten, die darin bestehen, gegen Vergütung Dienstleistungen für ein Versicherungsunternehmen zu erbringen, keine zu Versicherungsumsätzen gehörende Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern oder ‑vertretern erbracht werden, im Sinne dieser Vorschrift darstellen.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:
Artikel 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ? Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, dass Backoffice‑Tätigkeiten, die darin bestehen, gegen Vergütung Dienstleistungen für ein Versicherungsunternehmen zu erbringen, keine zu Versicherungsumsätzen gehörende Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern oder ‑vertretern erbracht werden, im Sinne dieser Vorschrift darstellen.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg
3. März 2005(1)
In der Rechtssache C‑472/03
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) mit Entscheidung vom 7. November 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 12. November 2003, in dem Verfahren
Staatssecretaris van Financiën
gegen
Arthur Andersen & Co. Accountants c.s.
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann, des Richters K. Lenaerts (Berichterstatter), der Richterin N. Colneric sowie der Richter K. Schiemann und E. Juhász,
Generalanwalt: M. Poiares Maduro,
Kanzler: M.-F. Contet, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. November 2004,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Arthur Andersen & Co. Accountants c.s., vertreten durch R. Vos und P. J. B. G. Schrijver, advocaten,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster und N. A. J. Bel als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal, A. Weimar und L. Ström‑van Lier als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 12. Januar 2005,
folgendes
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Artikel 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ? Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie).
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits wegen der Weigerung des Staatssecretaris van Financiën (niederländischer Staatssekretär für Finanzen), für die von der Arthur Andersen & Co. Accountants c.s. (im Folgenden: Beklagte) im Bereich der Lebensversicherung ausgeführten Backoffice-Tätigkeiten eine Befreiung von der Mehrwertsteuer zu gewähren.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
Nach Artikel 4 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie gilt als Steuerpflichtiger, wer eine der in Absatz 2 dieses Artikels genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis.
Absatz 4 dieses Artikels bestimmt, dass der in Absatz 1 verwendete Begriff ?selbständig? die Lohn- und Gehaltsempfänger und sonstige Personen von der Besteuerung ausschließt, soweit sie an ihren Arbeitgeber durch einen Arbeitsvertrag oder ein sonstiges Rechtsverhältnis gebunden sind, das hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsentgelts sowie der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers ein Verhältnis der Unterordnung schafft.
Artikel 13 Teil B der Sechsten Richtlinie lautet:
?Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:
a)
die Versicherungs- und Rückversicherungsumsätze einschließlich der dazugehörigen Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und ‑vertretern erbracht werden;
??
Artikel 2 der Richtlinie 77/92/EWG des Rates vom 13. Dezember 1976 über Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für die Tätigkeiten des Versicherungsagenten und des Versicherungsmaklers (aus ISIC‑Gruppe 630), insbesondere Übergangsmaßnahmen für solche Tätigkeiten (ABl. 1977, L 26, S. 14), die zur Zeit des Sachverhalts galt, bestimmte:
?(1) Diese Richtlinie gilt für folgende Tätigkeiten, soweit sie zu der Gruppe aus 630 ISIC des Anhangs III des Allgemeinen Programms zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit gehören:
a)
die Berufstätigkeit von Personen, die zum Zweck der Herstellung eines Versicherungs- oder Rückversicherungsschutzes als Vermittler zwischen Versicherungsnehmern und frei von ihnen gewählten Versicherungs- oder Rückversicherungsunternehmen auftreten, den Abschluss von Versicherungsverträgen vorbereiten und gegebenenfalls bei ihrer Verwaltung und Erfüllung, insbesondere im Schadensfall, mitwirken;
b)
die Berufstätigkeit von Personen, die auf Grund eines oder mehrerer Verträge oder von Vollmachten damit betraut sind, im Namen und für Rechnung oder nur für Rechnung eines oder mehrerer Versicherungsunternehmen Versicherungsverträge anzubieten, vorzuschlagen und vorzubereiten oder abzuschließen oder bei deren Verwaltung und Erfüllung, insbesondere im Schadensfall, mitzuwirken;
?
(2) Die vorliegende Richtlinie gilt insbesondere für nachstehende Tätigkeiten, die in den Mitgliedstaaten unter folgenden branchenüblichen Bezeichnungen ausgeübt werden:
?
b) die in Absatz 1 Buchstabe b) bezeichneten Tätigkeiten:
?
? in den Niederlanden:
? Gevolmachtigd agent
? Verzekeringsagent
??
Nationales Recht
Artikel 11 der Wet op de omzetbelasting 1968 (Umsatzsteuergesetz von 1968) sieht vor:
?1. Unter durch Verordnung festzulegenden Voraussetzungen sind von der Steuer befreit:
?
k) Versicherungen und Dienstleistungen, die von Versicherungsvertretern erbracht werden.?
Sachverhalt und Vorlagefrage
Zur Zeit des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens gehörte zu der in Rotterdam (Niederlande) niedergelassenen Beklagten die niederländische privatrechtliche Gesellschaft Andersen Consulting Management Consultants (im Folgenden: ACMC).
Am 26. Mai 1997 schlossen die Royal Nederland Verzekeringsgroep NV, die Universal Leven NV (im Folgenden: UL), eine Gesellschaft, die über Versicherungsvertreter auf dem Lebensversicherungsmarkt tätig ist, und ACMC einen Vertrag über eine Zusammenarbeit, der vorsah, dass ACMC im Auftrag von UL verschiedene Tätigkeiten ausführt, die in diesem Vertrag als Backoffice-Tätigkeiten bezeichnet wurden. ACMC übertrug die Ausführung dieser Tätigkeiten ihrer in demselben Gebäude wie UL ansässigen Abteilung Accenture Insurance Services (im Folgenden: AIS).
Die in Rede stehenden Backoffice-Tätigkeiten werden im Vorlagebeschluss wie folgt beschrieben: Entgegennahme von Versicherungsanträgen, Bearbeitung von Vertrags- und Tarifänderungen, Ausstellung, Verwaltung und Kündigung von Policen, Bearbeitung von Schadensfällen, Festsetzung der Provisionen und ihre Auszahlung an die Versicherungsvertreter, Organisation und Verwaltung der Informationstechnologie, Weitergabe von Informationen an UL und die Versicherungsvertreter, Erstellung von Berichten an die Versicherungsnehmer und Dritte wie den Fiscale Inlichtingen- en Opsporingsdienst (Dienst für Steuerauskünfte und ‑ermittlungen). Wenn sich aufgrund der Angaben einer Person, die den Abschluss einer Versicherung beantragt, eine ärztliche Untersuchung als notwendig erweist, entscheidet UL über die Annahme des Risikos, während im umgekehrten Fall ACMC die Entscheidung trifft, die dann UL bindet. AIS obliegen nahezu alle Kontakte mit den Versicherungsvertretern.
UL hat einen Personalbestand von 2,9 Vollzeitäquivalenten (im Folgenden: VZÄ), während AIS 17 VZÄ für die Backoffice-Tätigkeiten einsetzt. Das Personal von AIS hat eine Ausbildung im Bereich Lebensversicherung.
Der Vertrag über die Zusammenarbeit sieht die Errichtung von zwei Ausschüssen vor, des ?Review Committee? und des ?Operating Committee?, die sich aus Vertretern von UL und ACMC zusammensetzen und deren Aufgabe es ist, die Zusammenarbeit zwischen UL und AIS zu bewerten, darüber zu wachen, dass die Bedingungen der Zusammenarbeit beachtet werden, einen Plan für die Backoffice-Tätigkeiten zu erstellen, die Entwicklungen im Versicherungsbereich und deren Auswirkungen auf diese Tätigkeiten zu erörtern und möglicherweise entstehende Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Vertrag zu schlichten. Er sieht die Ernennung eines ?Service Managers? und eines ?Operational Managers? vor, denen es obliegt, eine tägliche Abstimmung zwischen UL und AIS sicherzustellen, um die Effizienz der Backoffice-Tätigkeiten zu gewährleisten. Er enthält eine Ausschließlichkeitsklausel, die es ACMC untersagt, für Dritte Backoffice-Tätigkeiten auszuführen, die mit denen vergleichbar sind, die sie zugunsten von UL ausführt. Er sieht für die Backoffice-Tätigkeiten eine nach dem Versicherungsbestand und den Prämieneinnahmen berechnete Vergütung und eine Mindestvergütung vor.
In ihrer Steuererklärung für den Monat September 1998 gab die Beklagte an, dass sie Umsatzsteuer in Höhe eines Betrages von 10 000 NLG entrichtet habe. Diese Summe ergebe sich aus der Differenz zwischen der Umsatzsteuer auf die UL in diesem Zeitraum für die Backoffice-Tätigkeiten in Rechnung gestellte Vergütung einerseits und der für diesen Posten abgezogenen Umsatzsteuer andererseits.
Da sie der Auffassung war, dass die für UL ausgeführten Backoffice-Tätigkeiten nicht der Umsatzsteuer unterliegen, beantragte die Beklagte beim zuständigen Inspecteur die Erstattung der 10 000 NLG, was abgelehnt wurde. Gegen diese ablehnende Entscheidung erhob sie Klage beim Gerechtshof te ?s-Gravenhage (Niederlande), der dieser mit Urteil vom 23. Oktober 2001 stattgab. Dieses Gericht war der Ansicht, dass UL und ACMC mit ihrer Zusammenarbeit ihre jeweilige Sachkunde zusammenführen wollten, um sie in den Dienst desselben Zieles zu stellen, des gemeinsamen Betriebs eines Versicherungsunternehmens. So könnten die von ACMC für UL ausgeführten Tätigkeiten nicht als der Umsatzsteuer unterliegende wirtschaftliche Dienstleistungen angesehen werden.
Der niederländische Staatssekretär für Finanzen legte gegen das Urteil des Gerechtshof te ?s-Gravenhage Kassationsbeschwerde beim Hoge Raad der Nederlanden ein. Die Beklagte legte ein Anschlussrechtsmittel ein.
Der Hoge Raad der Nederlanden ist der Ansicht, dass die in Rede stehenden Tätigkeiten nicht als Versicherungsumsätze von der Mehrwertsteuer befreit werden könnten. Zum einen ergebe sich aus den Akten und den Feststellungen des Gerechtshof te ?s-Gravenhage, dass allein UL die mit der Ausübung von Versicherungstätigkeiten verbundenen Risiken trage, und zum anderen würden die Versicherungsverträge im Namen von UL und nicht von ACMC geschlossen.
Dagegen hat er Zweifel hinsichtlich des Begriffes der ?Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden?, im Sinne des Artikels 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie. Zwar schienen bestimmte charakteristische Merkmale dieses Begriffes, wie das Erfordernis einer unmittelbaren Verbindung zwischen dem Steuerpflichtigen und den Versicherten im vorliegenden Fall nicht gegeben zu sein. Die in Rede stehenden Tätigkeiten seien jedoch zu Versicherungsumsätzen gehörende Dienstleistungen, in deren Rahmen ACMC weitgehend als Vermittlerin auftrete. Als solche werde ACMC zunächst zwischen den Versicherungsvertretern und UL tätig, indem sie die von jenen übermittelten Versicherungsanträge bearbeite und sie meistens im Namen von UL abschließe, dann zwischen UL und den Versicherungsnehmern, indem sie gegenüber diesen während der Laufzeit des Vertrages und im Fall seiner Kündigung im Namen von UL auftrete.
Unter diesen Umständen hat der Hoge Raad der Nederlanden beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Wenn ein Steuerpflichtiger mit einer (Lebens-)Versicherungsgesellschaft einen Vertrag wie den hier in Rede stehenden Vertrag zwischen ACMC und UL geschlossen hat, der u. a. vorsieht, dass dieser Steuerpflichtige gegen eine bestimmte Vergütung und mit Hilfe diplomierter Fachkräfte des Versicherungswesens den größten Teil der mit Versicherungsumsätzen verbundenen tatsächlichen Handlungen ausführt ? darunter in der Regel die Fassung von für die Versicherungsgesellschaft bindenden Beschlüssen über den Abschluss von Versicherungsverträgen und der Kontakte zu den Vermittlern und gegebenenfalls den Versicherten ?, während die Versicherungsverträge im Namen der Versicherungsgesellschaft geschlossen werden und diese das Versicherungsrisiko trägt, fallen dann die zur Durchführung dieses Vertrages von diesem Steuerpflichtigen ausgeführten Tätigkeiten unter den Begriff der ?dazugehörigen Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden?, im Sinne von Artikel 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie?
Mit Schreiben vom 5. Januar 2004 hat das vorlegende Gericht die Parteien gefragt, ob sie der Ansicht seien, dass die Vorlagefrage angesichts des Urteils des Gerichtshofes vom 20. November 2003 in der Rechtssache C‑8/01 (Taksatorringen, Slg. 2003, I‑0000) zurückgezogen werden sollte. Nach Eingang der Antworten der Parteien hat es mit Schreiben vom 11. Februar 2004 mitgeteilt, dass es sein Vorabentscheidungsersuchen aufrechterhalte.
Zur Vorlagefrage
Vorab ist das Vorbringen der Beklagten in ihren schriftlichen Erklärungen zurückzuweisen, wonach ACMC in einem Unterordnungsverhältnis zu UL stehe, so dass die fraglichen Tätigkeiten nach Artikel 4 Absatz 4 der Sechsten Richtlinie von der Mehrwertsteuer ausgeschlossen seien.
Die Verwendung der Begriffe ?Lohn- und Gehaltsempfänger? und ?Arbeitgeber? in dieser Bestimmung zeigt nämlich, dass der dort vorgesehene Ausschluss von der Besteuerung ein Arbeitsverhältnis voraussetzt, das zwischen ACMC und UL offenkundig nicht vorliegt.
Außerdem besteht, wie im Vorlagebeschluss ausgeführt wird und von der Beklagten nicht bestritten wurde, keine Vertragsbeziehung zwischen ACMC und den Versicherungsnehmern, da die Versicherungsverträge im Namen von UL geschlossen werden. Das vorlegende Gericht geht somit zu Recht davon aus, dass die Tätigkeiten von ACMC keine Versicherungsumsätze im Sinne des Artikels 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. März 2001 in der Rechtssache C‑240/99, Skandia, Slg. 2001, I‑1951, Randnrn. 41 und 43).
Folglich geht es in der vorliegenden Rechtssache ausschließlich darum, den Begriff der ?zu Versicherungsumsätzen gehörigen Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden?, im Sinne des Artikels 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie auszulegen und zu klären, ob dieser Begriff, der in der Richtlinie nicht definiert wird, Tätigkeiten wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden erfasst.
Die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiungen nach Artikel 13 der Sechsten Richtlinie umschrieben sind, sind eng auszulegen, da diese Steuerbefreiungen Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt (Urteile Skandia, Randnr. 32, und Taksatorringen, Randnr. 36).
Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung sind diese Steuerbefreiungen autonome gemeinschaftsrechtliche Begriffe, die eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems vermeiden sollen und bei denen der Gesamtzusammenhang des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems zu beachten ist (Urteil Skandia, Randnr. 23).
Im vorliegenden Fall betont die Beklagte, dass es sich bei dem Personal von AIS, dem ACMC die Ausführung der in Rede stehenden Tätigkeiten übertragen hat, um Fachkräfte im Bereich der Lebensversicherung handele und dass diese Tätigkeiten zu Versicherungsumsätzen gehörten.
Wie die Beklagte selbst in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, genügen diese beiden Faktoren jedoch nicht, um aus ACMC einen Versicherungsvertreter zu machen. Zu prüfen ist nämlich auch, ob die in Rede stehenden Tätigkeiten denen eines Versicherungsvertreters entsprechen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass dies der Fall sei. ACMC stehe sowohl zum Versicherer UL als auch zu den Versicherungsnehmern und den Empfängern der Versicherungsleistungen in Beziehung.
Nach den Angaben im Vorlagebeschluss ist ACMC bei der Ausführung ihrer Tätigkeiten durch eine Ausschließlichkeitsklausel zugunsten von UL gebunden (vgl. Randnr. 12 dieses Urteils). Sie verfügt somit nicht über die Wahlfreiheit in Bezug auf den Versicherer, die für die in Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 77/92 beschriebene Berufstätigkeit eines Versicherungsmaklers kennzeichnend ist.
Die Beklagte trägt vor, dass die Tätigkeiten von ACMC identisch seien mit denen des ?gevolmachtigd agent? (bevollmächtigter Vertreter) nach Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b der Richtlinie 77/92, die in Absatz 1 Buchstabe b dieses Artikels beschrieben seien. In der mündlichen Verhandlung hat sie hervorgehoben, dass ACMC sowohl bei der Unterzeichnung des Vertrages als auch bei dessen Durchführung die Befugnis habe, UL gegenüber den Versicherungsnehmern und den Empfängern der Versicherungsleistungen zu verpflichten.
Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass im Zusammenhang mit der Sechsten Richtlinie zwar entschieden worden ist, dass die in Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 77/92 beschriebene Berufstätigkeit ?die Befugnis [umfasst], den Versicherer gegenüber dem Versicherten, dem ein Schaden entstanden ist, zu verpflichten? (Urteil Taksatorringen, Randnr. 45).
Aus dieser Rechtsprechung kann jedoch, wie der Generalanwalt in Nummer 31 seiner Schlussanträge ausführt, nicht geschlossen werden, dass die Befugnis, den Versicherer zu verpflichten, das entscheidende Kriterium dafür ist, eine Person als Versicherungsvertreter im Sinne des Artikels 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie anzusehen. Die Anerkennung der Eigenschaft eines Versicherungsvertreters setzt vielmehr eine Prüfung des Inhalts der in Rede stehenden Tätigkeiten voraus.
Unabhängig von der Frage, ob ACMC im Rahmen dieser Tätigkeiten zugleich zum Versicherer und zu den Versicherungsnehmern in Beziehung steht, was nach der Rechtsprechung Voraussetzung für die Anerkennung als Versicherungsvertreter ist (Urteil Taksatorringen, Randnr. 44), ergibt sich in dieser Hinsicht aus den Angaben im Vorlagebeschluss, ergänzt durch die Erläuterungen der Beklagten in ihren schriftlichen Erklärungen, dass die Tätigkeiten der ACMC darin bestehen, Versicherungsanträge zu bearbeiten, die zu versichernden Risiken zu bewerten, die Notwendigkeit einer ärztlichen Untersuchung zu beurteilen, über die Annahme des Risikos zu entscheiden, wenn sich eine solche Untersuchung als nicht erforderlich erweist, Versicherungspolicen auszustellen, zu verwalten und zu kündigen sowie Tarif- und Vertragsänderungen vorzunehmen, die Prämien zu erheben, Schadensfälle zu bearbeiten, die Provisionen der Versicherungsvertreter festzusetzen und auszuzahlen, die Kontakte zu diesen zu halten, Rückversicherungsangelegenheiten zu bearbeiten sowie Versicherungsnehmern und Versicherungsvertretern ebenso wie anderen Interessierten, wie den Finanzbehörden, Informationen zur Verfügung zu stellen.
Angesichts dieser Angaben ist festzustellen, dass die von ACMC an UL erbrachten Dienstleistungen, die, obwohl sie zum wesentlichen Inhalt der Tätigkeiten eines Versicherungsunternehmens beitragen, keine Versicherungsumsätze im Sinne des Artikels 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie sind (vgl. Randnr. 22 dieses Urteils), auch keine für einen Versicherungsvertreter charakteristischen Leistungen darstellen.
Diese Dienstleistungen weisen nämlich Besonderheiten auf, wie die Festsetzung und die Auszahlung der Provisionen der Versicherungsvertreter, das Halten der Kontakte mit diesen, die Verwaltung von Rückversicherungsangelegenheiten und die Weitergabe von Informationen an die Versicherungsvertreter und die Finanzverwaltung, die offenkundig nicht zu den Tätigkeiten eines Versicherungsvertreters gehören.
Wie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften in ihren schriftlichen Erklärungen vorgetragen hat und wie der Generalanwalt in Nummer 32 seiner Schlussanträge ausführt, sind im vorliegenden Fall wesentliche Aspekte der Versicherungsvermittlungstätigkeit, wie Kunden zu suchen und diese mit dem Versicherer zusammenzubringen, offensichtlich nicht gegeben. Aus dem Vorlagebeschluss ergibt sich nämlich, ohne dass dies von der Beklagten bestritten worden wäre, dass ACMC erst mit der Bearbeitung der Versicherungsanträge tätig wird, die ihr von den Versicherungsvertretern geschickt werden, mit deren Hilfe UL auf dem niederländischen Lebensversicherungsmarkt Kunden anwirbt.
Wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen und in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, ist der zwischen ACMC und UL geschlossene Vertrag über die Zusammenarbeit als Subunternehmervertrag zu werten, aufgrund dessen ACMC UL die dieser fehlenden Arbeitskräfte und Verwaltungsmittel zur Verfügung stellt und für sie eine Reihe von Dienstleistungen erbringt, um sie bei den mit ihren Versicherungstätigkeiten zusammenhängenden Aufgaben zu unterstützen. Von Bedeutung ist in dieser Hinsicht, dass nach den Erläuterungen des vorlegenden Gerichts das Personal von UL nur 2,9 VZÄ entspricht, während AIS 17 VZÄ zur Ausführung der Backoffice-Tätigkeiten einsetzt, und dass das Personal von AIS und das von UL in demselben Gebäude untergebracht ist.
Die von ACMC für UL erbrachten Dienstleistungen müssen folglich als eine Form der Zusammenarbeit gesehen werden, die darin besteht, UL gegen Vergütung bei der Ausführung der dieser normalerweise obliegenden Tätigkeiten zu helfen, ohne Vertragsbeziehungen zu den Versicherten zu unterhalten. Bei derartigen Tätigkeiten handelt es sich um eine Ausgliederung der Tätigkeiten von UL und nicht um Dienstleistungen, die von einem Versicherungsvertreter erbracht werden (vgl. entsprechend Urteil vom 13. Dezember 2001 in der Rechtssache C‑235/00, CSC Financial Services, Slg. 2001, I‑10237, Randnr. 40).
Nach alldem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Artikel 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass Backoffice-Tätigkeiten, die darin bestehen, gegen Vergütung Dienstleistungen für ein Versicherungsunternehmen zu erbringen, keine zu Versicherungsumsätzen gehörende Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern oder ‑vertretern erbracht werden, im Sinne dieser Vorschrift darstellen.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:
Artikel 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ? Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, dass Backoffice‑Tätigkeiten, die darin bestehen, gegen Vergütung Dienstleistungen für ein Versicherungsunternehmen zu erbringen, keine zu Versicherungsumsätzen gehörende Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern oder ‑vertretern erbracht werden, im Sinne dieser Vorschrift darstellen.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg
RechtsgebietUmsatzsteuerVorschriftenArt. 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten EU-Richtlinie 77/388 EWG