Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 07.11.2023 · IWW-Abrufnummer 238166

    Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 17.01.2023 – 7 W 3/23

    1. Eine Beschwerde gegen die Festsetzung des Zulässigkeitsstreitwerts ist unstatthaft.

    2. Eine Beschwerde gegen die vorläufige Festsetzung des Gebührenstreitwerts ist unstatthaft, solange daraus nicht ein höherer vom Kläger zu zahlender Kostenvorschuss resultiert.

    3. Eine Streitwertfestsetzung für eine Klage im Rahmen des sogenannten „Scrapingkomplexes“ („Meta“) auf 1.000,00 EUR (Schmerzensgeld), auf 250,00 EUR (Feststellungsantrag), auf 2.000,00 EUR (Unterlassungsanspruch) und auf 250,00 EUR (Auskunftsanspruch) begegnet keinen Bedenken.


    Oberlandesgericht Hamm


    Tenor:

    Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 7.12.2022 gegen die Streitwertfestsetzung des Landgerichts Arnsberg mit Beschluss vom 25.11.2022 (Az.: 1 O 202/22) wird auf Kosten der Beschwerdeführer als unzulässig verworfen.

    1
    Gründe

    2
    I.

    3
    Die Prozessbevollmächtigten des Klägers wenden sich mit ihrer Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung des Landgerichts.

    4
    Der Kläger nimmt im vorliegenden Rechtsstreit die Beklagte, die die Social Media-Plattform „a.com“ betreibt, auf Zahlung immateriellen Schadensersatzes, Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden, Unterlassung und Auskunftserteilung sowie auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Anspruch. Mit der Klageschrift hat der Kläger den Streitwert mit 11.000,00 EUR angegeben.

    5
    Das Landgericht Arnsberg hat nach Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens mit Beschluss vom 25.11.2022 den Streitwert für den Klageantrag zu 1) auf 1.000,- EUR (Schmerzensgeld), für den Klageantrag zu 2) auf 250,- EUR (Feststellungsantrag), für den Klageantrag zu 3) auf 2.000,- EUR (Unterlassungsanspruch) und für den Klageantrag zu 4) auf 250,- EUR (Auskunftsanspruch), insgesamt 3.500,- EUR festgesetzt.

    6
    Mit der Übersendung des vorgenannten Beschlusses hat das Landgericht den Kläger darauf hingewiesen, dass der Streitwert nicht die Zuständigkeitsgrenze des Landgerichts nach §§ 71, 23 Nr. 1 GVG erreiche und um Mitteilung gebeten, ob Verweisung an das Amtsgericht Arnsberg beantragt werden solle.

    7
    Gegen den Streitwertbeschluss vom 25.11.2022 haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 7.12.2022 im eigenen Namen Beschwerde eingelegt und die Heraufsetzung des Streitwerts auf insgesamt 11.000,- EUR beantragt.

    8
    Dies haben sie damit begründet, dass zwar der Wert des Klageantrags zu 1) durch das Landgericht zutreffend mit 1.000,- EUR bemessen worden sei.

    9
    Der Wert des Klageantrags zu 2) betrage hingegen mindestens 500,- EUR.

    10
    Der Wert des Klageantrags zu 3) sei aufgrund der Schwere des Falls und der gravierenden Beeinträchtigungen des Klägers mit mindestens 5.000,- EUR zu bemessen, wenngleich der Kläger die abgegriffenen Daten teilweise selbst auf A veröffentlicht habe. Das Oberlandesgericht Dresden setze die einzelnen Streitwerte für entsprechende Klageanträge ausweislich eines Beschlusses vom 28.9.2022 (Az.: 17 AR 36/22, eGA I-126 ff.), auf welchen verwiesen werde, ähnlich an, wie dies von Klägerseite geschehe. Der Wert des Klageantrags zu 4) betrage mindestens 4.500,- EUR.

    11
    Mit Schriftsatz vom 9.12.2022 haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers ihre Beschwerde weiter begründet und ausgeführt, der Streitwert bei nicht vermögensrechtlichen Streitigkeiten sei anhand aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere auch anhand der Einkommensverhältnisse und der Bedeutung der Sache zu bemessen. Bei der Beklagten handele es sich um einen multinationalen Konzern mit hohem Einkommen, die Bedeutung der Sache sei auf Grund der schwerwiegenden Folgen für die Klägerseite gravierend. Zudem orientiere sich der Streitwert des Unterlassungsanspruchs am Unterlassungsinteresse des Anspruchsstellers. Dieses Interesse bestehe hier in der Abstellung unberechtigter Veröffentlichungen. Es handele sich vorliegend um einen mittelschweren Fall. So sei das Datenleck durchaus gravierend und eine Beeinträchtigung des Klägers nicht von der Hand zu weisen. Allerdings werde nicht verkannt, dass die abgegriffenen Daten teilweise durch den Kläger selbst auf A teilveröffentlicht worden seien, sodass der angegebene Streitwert des Unterlassungsanspruchs als angemessen erscheine. Auch decke sich dies mit den gesetzlichen Vorgaben der §§ 52 Abs. 2 GKG, 23 Abs. 3 RVG, die bei nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten im Zweifel einen Streitwert von 5.000,- EUR annähmen.

    12
    Das Landgericht Arnsberg hat die Parteien mit Schreiben vom 14.12.2022 darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, an der Streitwertfestsetzung festzuhalten. Der Verweis auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden rechtfertige keine andere Entscheidung. Diese befasse sich vorwiegend mit Verfahrensmängeln des dortigen Falles.Die Festsetzung des Zuständigkeitsstreitwertes dürfe zudem nicht mit einer Beschwerde anfechtbar sein.Zugleich hat das Landgericht um Mitteilung gebeten, ob das Beschwerdeverfahren durchgeführt werden solle und angekündigt, dass für den Fall, dass die Beschwerde nicht aufrechterhalten bleibe und auch keine Verweisung beantragt werde, beabsichtigt sei, gem. § 280 Abs. 1 ZPO Termin ausschließlich zur Entscheidung über die Zulässigkeit der Klage anberaumen.

    13
    Nachdem die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 20.12.2022 mitgeteilt haben, das Beschwerdeverfahren solle durchgeführt werden, hat das Landgericht Arnsberg der Beschwerde mit Beschluss vom 3.1.2023 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

    14
    II.

    15
    Die durch die Klägervertreter im eigenen Namen erhobene Beschwerde ist unstatthaft und war daher als unzulässig zu verwerfen.Es fehlt bereits an einer beschwerdefähigen Entscheidung des Landgerichts.

    16
    1.

    17
    Die angefochtene Streitwertfestsetzung des Landgerichts ist ‒ wenngleich sie nicht ausdrücklich so bezeichnet ist ‒ als Festsetzung des für die sachliche Zuständigkeit des Gerichts maßgeblichen Streitwerts (§ 62 GKG) auszulegen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass das Landgericht mit dem Begleitschreiben zu der Übersendung des angefochtenen Beschlusses darauf hingewiesen hat, dass der Streitwert nicht die Zuständigkeitsgrenze des Landgerichts erreiche. Gegen die Festsetzung des Zuständigkeitsstreitwerts ist allerdings ‒ worauf die Beschwerdeführer bereits durch das Landgericht mit Schreiben vom 14.12.2022 hingewiesen worden sind ‒ die Beschwerde nicht statthaft (OLG Köln Beschl. v. 17.7.2019 ‒ 13 W 25/19, BeckRS 2019, 15648 Rn. 20; OLG Celle Beschl. v. 6.8.2012 ‒ 2 W 206/12, BeckRS 2012, 17361 [unter 2.]; OLG Düsseldorf Beschl. v. 10.6.2008 ‒ 24 W 40/08 BeckRS 2008, 14697 Rn. 4; OLG Karlsruhe Beschl. v. 16.5.2006 ‒ 15 W 21/06, BeckRS 2007, 6948 [unter II. 1.]; Gerold/Schmidt/Mayer, 25. Aufl. 2021, RVG § 32 Rn. 84).

    18
    2.

    19
    Etwas anderes ergibt sich auch nicht, soweit man den angefochtenen Beschluss als Festsetzung des Gebührenstreitwerts auslegen wollte.

    20
    Der zugrunde liegende Rechtsstreit ist bislang nicht abgeschlossen. Die mit Beschluss vom 25.11.2022 erfolgte Streitwertfestsetzung könnte sich damit allenfalls als vorläufige Festsetzung des Gegenstandswerts i.S.d. § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG darstellen.

    21
    Die vorläufige Wertfestsetzung ist indes nicht anfechtbar.

    22
    Die Vorschrift des § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG regelt ausschließlich die Beschwerde gegen die endgültige Streitwertfestsetzung (OLG Braunschweig Beschl. v. 13.6.2022 ‒ 4 W 16/22, BeckRS 2022, 13272 Rn. 18; OLG Dresden, Beschl. v. 6.10.2020 - 4 W 678/20, BeckRS 2020, 28363 Rn. 2; OLG Köln Beschl. v. 17.7.2019 ‒ 13 W 25/19, BeckRS 2019, 15648 Rn. 29; OLG Hamm Beschl. v. 11.3.2005 ‒ 2 WF 49/05, BeckRS 2005, 11124 Rn. 3Gegen die vorläufige Streitwertfestsetzung findet die Beschwerde nach § 63 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 GKG nur im Verfahren nach § 67 GKG statt, wenn sich der Beschwerdeführer gegen die Höhe des, aufgrund des vorläufig festgesetzten Streitwertes erhobenen, von ihm zu zahlenden Kostenvorschusses für das gerichtliche Verfahren wendet (OLG Brandenburg Beschl. v. 2.6.2020 ‒ 1 W 16/20, NJOZ 2021, 28 Rn. 3; OLG Koblenz Beschl. v. 28.12.2018 ‒ 12 W 661/18, NJW-RR 2019, 694 Rn. 3; OLG Hamm Beschl. v. 11.3.2005 ‒ 2 WF 49/05, BeckRS 2005, 11124 Rn. 3).

    23
    Eine solche Konstellation liegt hier indes nicht vor.

    24
    Es begehrt nicht der Kläger eine Herabsetzung des vorläufig festgesetzten Streitwertes und die damit einhergehende Herabsetzung des von ihm zu zahlenden Kostenvorschusses, sondern die Klägervertreter möchten eine Erhöhung des Streitwertes auf mindestens 11.000,- EUR erreichen.

    25
    Insoweit verleiht § 32 Abs. 2 RVG einem Rechtsanwalt zwar grundsätzlich ein eigenes Beschwerderecht. Ein schutzwürdiges Interesse des Rechtsanwalts, welches er mit einer Beschwerde verfolgen können soll, besteht indes erst bei einer endgültigen Streitwertfestsetzung, nicht schon bei der hier im Raum stehenden vorläufigen. § 32 Abs. 2 RVG räumt dem Rechtsanwalt kein im Vergleich zur Partei weitergehendes Beschwerderecht ein (OLG Braunschweig Beschl. v. 13.6.2022 ‒ 4 W 16/22, BeckRS 2022, 13272 Rn. 21; OLG Brandenburg Beschl. v. 2.6.2020 ‒ 1 W 16/20, NJOZ 2021, 28 Rn. 3; OLG Dresden, Beschl. v. 6.10.2020 - 4 W 678/20, BeckRS 2020, 28363 Rn. 3; OLG Koblenz Beschl. v. 28.12.2018 ‒ 12 W 661/18, NJW-RR 2019, 694 Rn. 4; OLG Hamm Beschl. v. 11.3.2005 ‒ 2 WF 49/05, BeckRS 2005, 11124 Rn. 7).

    26
    Dem wird zwar in der Literatur vereinzelt unter Verweis darauf entgegengetreten, dass der Rechtsanwalt ansonsten das Insolvenzrisiko seiner Partei trüge (Hartung/Schons/Enders/Enders, 3. Aufl. 2017, RVG § 32 Rn. 9; Toussaint/Toussaint, 52. Aufl. 2022, RVG § 32 Rn. 14).

    27
    Es ist aber nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber im Hinblick auf dieses Insolvenzrisiko eine Ausnahme von der Regelung des § 63 Abs. 1 Satz 2 GKG schaffen wollte. Einem solchen Risiko kann der Rechtsanwalt ohnehin dadurch begegnen, dass er vor Klageerhebung und Festsetzung eines vorläufigen Gegenstandswerts durch das Gericht einen Vorschuss nach der nach seiner Auffassung zutreffenden Wertbestimmung erhebt, der auch bei abweichender nachträglicher vorläufiger Festsetzung durch das Gericht zunächst Bestand hat (OLG Dresden, Beschl. v. 6.10.2020 - 4 W 678/20, BeckRS 2020, 28363 Rn. 3; OLG Braunschweig Beschl. v. 13.6.2022 ‒ 4 W 16/22, BeckRS 2022, 13272 Rn. 25).

    28
    3.

    29
    Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers ist im Übrigen auch unbegründet. Die Streitwertfestsetzung des Landgerichts begegnet aus Sicht des Senats keinen Bedenken. Auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses vom 25.11.2022 wird insoweit Bezug genommen.

    30
    III.

    31
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die gesetzlich bestimmte Gebührenfreiheit (§ 66 Abs. 8 Satz 1, § 68 Abs. 3 Satz 1 GKG) gilt nur für statthafte Verfahren. Eine ‒ wie vorliegend ‒ kraft Gesetzes ausgeschlossene Beschwerde ist daher kostenpflichtig (BGH Beschl. v. 23.3.2022 ‒ I ZB 12/22, BeckRS 2022, 8078 Rn. 3; BGH Beschl. v. 1.9.2016 ‒ I ZB 70/16, BeckRS 2016, 17383 Rn. 7; OLG Köln Beschl. v. 17.7.2019 ‒ 13 W 25/19, BeckRS 2019, 15648 Rn. 30; OLG Braunschweig Beschl. v. 13.6.2022 ‒ 4 W 16/22, BeckRS 2022, 13272 Rn. 29).

    RechtsgebietStreitwertVorschriften§ 63 Abs. 1 S. 1 GKG; § 68 Abs. 1 S. 1 GKG