10.11.2023 · IWW-Abrufnummer 238251
Amtsgericht München: Urteil vom 28.04.2023 – 1290 C 17690/22
AG München
1290 C 17690/22 WEG
Urteil
28.04.2023
In dem Rechtsstreit wegen Forderung erlässt das Amtsgericht München aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 31.03.2023 folgendes Endurteil
- Die Klage wird abgewiesen.
- Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
- Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 8.639,21 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Schadenersatzansprüche aus einem Vorfall in der Tiefgarage der Wohnanlage.
Die Klägerin ist als Eigentümerin einer der Wohnungen, verbunden mit dem Eigentum am Tiefgaragenstellplatz Nr. 25, Mitglied der Beklagten, der Wohnungseigentümergemeinschaft xxx München.
Die Klägerin macht geltend, ihr PKW, ein Porsche Coupe 911, amtliches Kennzeichen xxx sei am 28.02.2022 gegen 9.00 Uhr / 9.30 Uhr auf folgende Art und Weise beschädigt worden:
Die Klägerin sei zur genannten Zeit in ihr auf dem o.g. Stellplatz geparktes Fahrzeug gestiegen. Der Stellplatz Nr. 25 sei in der Tiefgarage der Beklagten so gelegen, dass die Klägerin von dort aus mit ihrem Fahrzeug frontal zur Ausfahrt stehe, also geradeaus die Ausfahrt der Garage hinauf und aus der Tiefgarage hinaus fahren könne.
Zum Zeitpunkt des Vorfalls habe sich die Klägerin allein in der Tiefgarage befunden. Das Ausfahrtstor sei geschlossen gewesen.
Im Fahrzeug habe die Klägerin ihren Sensorschlüssel zum Öffnen des Tores betätigt. Während der Öffnungsphase des Tors zeigt die seitlich unmittelbar vor dem Tor an der Wand der Tiefgarage befindliche Lichtzeichenanlage „rot“. Die Öffnungsphase habe die Klägerin abgewartet.
Als die Ampel auf „grün“ gewechselt und damit signalisiert habe, dass das Ausfahrtstor ganz geöffnet und damit passierbar sei, was auch der Fall gewesen sei, habe die Klägerin sofort den Motor angelassen und sei ohne zeitliche Verzögerung losgefahren, die Ausfahrtsrampe hinauf. Völlig unerwartet sei, als sich die Klägerin gerade fahrend mit ihrem Fahrzeug im Bereich des Rolltores befand, das Tor auf dem Dach des klägerischen Fahrzeugs aufgeschlagen. Es habe zuvor keinen sichtbaren beginnenden Schließvorgang des Tores gegeben.
Die Klägerin sei nach dem Aufprall mit ihrem Fahrzeug schockiert stehengeblieben und ausgestiegen. Das Rolltor habe das Dach des Porsche mittig getroffen und in dieser Position leicht auf und ab vibriert. Aufgrund dieses Auf- und Abvibrierens sei es der Klägerin möglich gewesen, mit ihrem Fahrzeug langsam die Fahrt die Rampe hinauf ins Freie fortzusetzen und sich so aus der Situation zu befreien.
Oben angekommen habe die Klägerin ihr Fahrzeug abgestellt und anschließend den Hausmeister der Anlage informiert. Das Rolltor habe sich weiter in der Position befunden, in der es im Moment des Anpralls zum Stehen gekommen sei, also in halb geöffneter Position. Am Tor jeweils seitlich seien dünne Metallschnüre herabgehangen.
Der Hausmeister habe mit Hilfe eines weiteren Eigentümers das Rolltor manuell nach oben gezogen und fixiert.
Zum Zeitpunkt des eigentlichen Vorfalls habe sich niemand in Sichtnähe befunden.
Am Tag nach dem Vorfall habe die Klägerin von einem Mann in Bezug auf das Tor den Begriff „Verschleißung“ gehört.
Die Verantwortung und auch das Verschulden für das Geschehen liege ausschließlich bei der Beklagten.
Möglicherweise sei die Haltevorrichtung des Rolltores gerissen und dieses dadurch unkontrolliert auf das Fahrzeugdach gefallen. Der Beweis des ersten Anscheins spreche vorliegend für die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten seitens der Beklagten. Daher treffe die Beklagte eine sekundäre Darlegungspflicht, insbesondere dahingehend, dass für das Versagen eines Tragmittels des Tores eine Abrollsicherung bzw. Fangvorrichtung bzw. Absturzsicherung ordnungsgemäß vorhanden und einsatzfähig gewesen sei.
Die Klägerin macht geltend, dass sich der durch das Garagentor am Dach des klägerischen Fahrzeugs verursachte Schaden für Reparaturkosten auf netto Euro 8.639,21 belaufe. Auch sei die Beklagte, die sich mit der Erstattung des Schadens in Verzug befinde, zur Zahlung der vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten verpflichtet.
Die Klägerin beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei einen Betrag von Euro 8.639,21 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 288 I BGB seit dem 21.05.2022 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei vorgerichtliche nicht festsetzbare Rechtsanwaltsvergütung in Höhe von Euro 455,41 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 288 I BGB seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt Klageabweisung.
Die Beklagte bestreitet den streitgegenständlichen Vorfall einschließlich der daraus geltend gemachten Schäden mit Nichtwissen.
Weiter trägt die Beklagte vor, das Tor habe zum Zeitpunkt des behaupteten Unfallgeschehens den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprochen und fehlerfrei funktioniert. Es seien wie die Beklagte im Einzelnen ausführt ‒ alle notwendigen Sicherungssysteme am Rolltor der Tiefgarage vorhanden, regelmäßig gewartet und auch zum Zeitpunkt des Vorfalls einwandfrei funktionsfähig gewesen. Die letzte Wartung und Inspektion am Tor sei am 15.11.2021 durchgeführt worden. Hierbei seien keine Mängel festgestellt worden, die den von der Klägerin behaupteten Schadensfall hätten befürchten lassen.
Zum Mechanismus trägt die Beklagte vor, die Öffnung des Tores dauere 13 Sekunden, anschließend bleibe das Tor vor 40 Sekunden geöffnet und schließe dann, sofern die vorhandenen Lichtschranken frei seien.
Die Fixierung des Tores durch den Hausmeister sei nach der Schadensmeldung rein vorsorglich erfolgt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze mit Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.04.2023 Bezug genommen.
Die Klägerin erhob die Klage mit Schriftsatz vom 10.11.2022 zunächst zum Landgericht München I und beantragte nach dessen Hinweis auf die ausschließliche sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Verweisung an das Amtsgericht München. Hierher wurde das Verfahren mit Beschluss vom 16.12.2022 (Bl. 14/16) gem. § 281 Abs. 1 ZPO abgegeben. Das Verfahren ging am 19.12.2022 ein.
Mit der Klageerwiderung vom 26.01.2023 (Bl. 21129) verkündete die Beklagte der ### GmbH, die gegenüber der Beklagten zur Wartung des streitgegenständlichen Garagentors verpflichtet ist, den Streit. Die Streitverkündung wurde mit entsprechender Belehrung der Streitverkündeten am 08.02.2023 zugestellt. Diese ist dem Rechtsstreit bislang nicht beigetreten.
Am 31.03.2023 fand Termin zur Güteverhandlung und sich anschließender mündlicher Verhandlung statt. Hierbei wurde die Klägerin informatisch zum streitgegenständlichen Vorfall angehört (Protokoll Bl. 47/48).
Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.
Entscheidungsgründe
1) Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Amtsgericht München ist für die erhobene Zahlungsklage der Klägerin gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft örtlich und sachlich ausschließlich zuständig, §§ 43 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 WEG, 23 Nr. 2c GVG.
2) Der Klägerin obliegt der Nachweis des schadensersatzanspruchsbegründenden Ereignisses, wobei vorliegend allenfalls Ansprüche nach §§ 823 Abs. 1 / 831 BGB im Raum stehen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin spricht vorliegend kein Beweis des ersten Anscheins für eine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten seitens der Beklagten. Denn es liegt keineswegs auf der Hand, dass das schädigende Ereignis nur auf einem Versagen von Haltevorrichtung und/oder Sicherheitssystemen des Ausfahrtstores beruhen kann. Hierauf hat das Gericht bereits mit Verfügung vom 03.03.2023 hingewiesen.
Rein hypothetisch könnte Vorfall durch ein irgendwie geartetes Versagen der Halte- und/oder Sicherungssysteme des Tores ausgelöst worden sein. Ebenso wahrscheinlich und nach der Darstellung seitens der Klägerin bei ihrer informatorischen Einvernahme am 31.03.2023 sogar zur Überzeugung des Gerichts naheliegend, kam es zu dem schädigenden Ereignis, weil die Klägerin die Auffahrtsrampe erst bei sich schließendem Tor befahren hat.
Der Klägerin obliegt die Beweislast dafür, dass sie bei auf „Grün“ stehender Lichtzeichenanlage ihre Fahrt die Auffahrtsrampe hinauf angetreten hat und das Rolltor ohne Verzögerung passiert hat bzw. passieren wollte.
Diesen Beweis hat die Klägerin nicht erbracht.
Der angebotenen Parteieinvernahme der Klägerin gem. § 447 ZPO hat die Beklagte ausdrücklich widersprochen.
Aber auch aus der informatorischen Anhörung vom 31.03.2023 konnte sich das Gericht keine vorläufige Überzeugung dahingehend erarbeiten, dass die Klägerin das Tor ordnungsgemäß, also bei „Grün“ passiert hat, es folglich zu dem Schaden kam, weil ‒ umgangssprachlich ‒ ein Seil gerissen ist und das Rolltor unkontrolliert herabfiel.
Dies impliziert die Klägerin, wenn sie schildert, ein beginnendes Schließen des Tores sei nicht sichtbar gewesen, das Tor sei plötzlich auf das Dach des klägerischen Fahrzeugs aufgeschlagen, sie habe anschließend zwei Drahtseile herabhängen sehen, ein Mann habe am Tag danach von „Verschleißeng“ gesprochen.
Dem widerspricht es, dass das Tor nach der eigenen Darstellung der Klägerin nicht auf dem Fahrzeugdach aufsaß, sondern gehalten war, es in dieser Position auf- und abfederte. Nur so konnte die Klägerin unmittelbar nach dem Geschehen mit ihrem PKW weiter aus der Tiefgarage ausfahren. Das Tor befand sich auch noch in der gehaltenen Position, als die Klägerin es unmittelbar nach dem Ausfahren in Augenschein nahm.
Das Gericht geht daher nicht von einem herabstürzenden Tor aus.
Es geht auch nicht von einem herabstürzenden Tor aus, dass ausgerechnet genau beim Aufschlag auf das Dach des klägerischen Fahrzeugs von der Absturzsicherung gehalten wurde nicht früher, nicht später.
Da die Klägerin angibt, es sei kein Sichschließen des Tores zu beobachten gewesen, scheidet auch ein Defekt der Zeitschaltung aus, also dass sich das Tor noch bei auf „Grün“ stehender Ampel aus unerfindlichen Gründen kontrolliert schloss. Aus gleichem Grund scheidet ein Defekt der Lichtzeichenanlage aus, also dass diese noch immer „Grün“ zeigte, ob die Öffnungszeit des Tores bereits abgelaufen war und das Tor bereits begann, sich zu schließen.
Damit bleibt als Ursache, sollte sich das Schadensereignis an besagtem Tag zugetragen haben, dass die Klägerin bei auf schon „Rot“ stehendem Lichtzeichen und sich beginnend schließendem Tor noch versucht hat, Rampe und Tor zu passieren.
In diesem Fall bestehen keinerlei Ansprüche gegen die Beklagte.
Abschließend klären muss das Gericht die Frage, ob die Klägerin bei „Grün“ oder bei „Rot“ die Ausfahrt hinauffuhr, nicht, da eine Klageabweisung bereits dann im Raum steht, wenn die Klägerin für den Nachweis des Umstandes, dass sie ordnungsgemäß bei „Grün“ gefahren ist, beweisfällig bleibt. Dies ist der Fall.
Für den Fall, dass die Klägerin Rampe bei „Rot“ angefahren hat und das Tor passieren wollte, muss die Beklagte nach Auffassung des Gerichts im Rahmen ihrer Verkehrssicherungspflichten keine Sicherungssysteme bereithalten.
Damit muss auch nicht geklärt werden, ob die Sicherungssysteme, die laut Beklagter funktionsfähig vorhanden waren, auch bei einem vorschriftswidrigen Verhalten des Fahrzeugführers greifen. Grundsätzlich sind an sich senkenden Garagentoren die Sicherungssysteme dahingehend ausgelegt, den Schließvorgang zu stoppen / hinauszuzögern, wenn sich noch ein (unbewegtes) Objekt im Bereich der in Bodennähe befindlichen Lichtschranken befindet. Sie können ggf. nicht schnell genug reagieren, wenn bei sich bereits schließenden Toren ein Fahrzeug mit Geschwindigkeit in den Schließbereich des Tores hineinbewegt. Eine Verletzung der grundsätzlich bestehenden Verkehrssicherungspflichten ist darin nicht zu sehen.
Selbst wenn darin eine Verletzung gesehen würde, was nach Ansicht des Gerichts nicht zutreffend ist, müsste sich die Klägerin sowohl die Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs als auch ihr Verschulden am Zustandekommen des Unfalls zurechnen lassen. Eine etwaige schuldhafte Verantwortung der beklagten tritt dahinter vollständig zurück.
2) Gemäß § 91 Abs. 1 ZPO trägt die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits.
3) Das Urteil ist gem. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO vorläufig vollstreckbar.
4) Der Streitwert ist entsprechend der Hauptforderung auf Euro 8.639,21 festzusetzen.