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  • 10.04.2024 · IWW-Abrufnummer 240809

    Oberlandesgericht Dresden: Beschluss vom 27.02.2024 – 4 U 2055/23

    1. Ein Widerspruchsrecht des Zessionars einer Lebensversicherung kann nicht zu einer Unwirksamkeit des Versicherungsvertrags führen, wenn sich die Widerspruchserklärung auf den Versicherungsvertrag als solchen und nicht auf dessen Übernahme bezieht.

    2. Werden mit dem Policenbegleitschreiben die wesentlichen Vertragsunterlagen übersandt, kann sich der Versicherungsnehmer über dessen Einzelheiten ausreichend informiert; dass die Widerspruchsbelehrung die übersandten Unterlagen nicht im Einzelnen benennt, hindert ihn daher nicht daran, sein Widerspruchsrecht unter im Wesentlichen denselben Bedingungen auszuüben wie bei zutreffender Belehrung.


    Oberlandesgericht Dresden 

    Beschluss vom 27.02.2024


    Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden hat in dem Verfahren 4 U 2055/23 am 27. Februar 2024 beschlossen:

    Tenor:
    1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
    2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
    3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 02.04.2024 wird aufgehoben.
    4. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert des Berufungsverfahrens auf 18.528,67 EUR festzusetzen.

    Gründe

    I.

    Der Kläger begehrt die Rückabwicklung einer Kapitallebensversicherung mit Todesfallschutz.

    Am 30.06.1998 beantragte die vormalige Versicherungsnehmerin den Abschluss einer Kapitallebensversicherung. Der Kläger war versicherte Person. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten übersandt ihr am 10.07.1998 mit dem Policenbegleitschreiben eine Versicherungsurkunde, die fest verbunden die Leistungsübersicht, die Allgemeine Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen enthielt. Die Versicherung begann zum 01.07.1998 und sah eine Laufzeit von 26 Jahren und eine halbjährliche Beitragszahlung von zunächst 500 DM und ab 01.07.2019 von 478,50 DM vor. Das Policenbegleitschreiben enthielt folgende eingerückte Widerrufsbelehrung:

    Die nach § 10 a VAG erforderlichen Verbraucherinformationen sind in der Versicherungsurkunde enthalten.

    Sie können innerhalb von 14 Tagen nach Zugang dieses Briefes dem Vertrag schriftlich widersprechen.

    Die Frist ist gewahrt, wenn der Widerspruch rechtzeitig abgesendet wird.

    Die Prämien wurden in den Folgejahren in Höhe von jedenfalls 12.694 EUR bezahlt. Im Dezember 2011 vereinbarten die Beklagte und die vormalige Versicherungsnehmerin eine Vorauszahlung von 1.500 EUR. Im Juli 2013 trat die vormalige Versicherungsnehmerin ihre Rechte an den Kläger ab, der Versicherungsnehmer wurde. Er änderte zugleich das Bezugsrecht.

    Am 16.02.2023 erklärte die h...... GmbH namens des Klägers den Widerspruch. Die Beklagte wies die Rückzahlungsansprüche des Klägers zurück.

    Das Landgericht Leipzig hat die Klage mit Urteil vom 23.11.2023 abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzliche Forderung weiterverfolgt.

    II.

    Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

    Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrages zu.

    1.

    Der Anfang des Jahres 2023 ausgesprochene Widerspruch des Klägers ist unwirksam, denn die Widerspruchsbelehrung entspricht den Anforderungen von § 5 a VVG a.F.

    Ein möglicherweise bestehendes Widerspruchsrecht des jetzigen Versicherungsnehmers ist von vornherein nicht geeignet, eine Beseitigung des Vertragsverhältnisses herbeizuführen, wenn sich die Widerspruchserklärung nach ihrer Zielrichtung - wie hier - auf den Versicherungsvertrag als solchen und nicht auf die Übernahme desselben bezieht (vgl. BGH, Beschluss vom 21.12.2016 - IV ZR 365/13 - juris; vgl. Senat, Beschluss vom 05.12.2018 - 4 U 1393/18 - juris).

    Der Kläger kann sich auch nicht auf ein auf ihn gemäß §§ 415, 417 BGB übergegangenes Widerspruchsrecht stützen, denn die Belehrung ist wirksam.

    Die Belehrung ist ausreichend drucktechnisch hervorgehoben. Sie ist auf dem zweiseitigen Anschreiben als einziger Text auf der zweiten Seite eingerückt und in einem gesonderten Absatz abgedruckt. Sie kann auf dem zweiseitigen Policenbegleitschreiben schlechterdings nicht übersehen werden.

    Sie ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden - wie das Landgericht zutreffend angenommen hat. Es ist im vorliegenden Fall ausreichend, dass die Widerspruchsbelehrung für den Beginn der Widerspruchsfrist auf den "Zugang dieses Briefes" anknüpft und nicht den Versicherungsschein, die Versicherungsbedingungen und die maßgeblichen Verbraucherinformationen namentlich aufzählt. Es handelt sich bei der Versicherungsurkunde um ein fest verbundenes, linksseitig geöstes Dokument, das den Versicherungsschein, die Allgemeinen Versicherungsbedingungen sowie die Verbraucherinformationen umfasst. Dieser "Brief" enthält aber, wie sich aus dem Policenbegleitschreiben ergibt, die Versicherungsurkunde und diese enthält wiederum sämtliche Unterlagen deren Überlassung für den Beginn der Widerspruchsfrist erforderlich sind (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 27.12.2018 - 9 U 139/18 - Anlage B 4; vgl. OLG Stuttgart, Urteil 7 U 184/20 - Anlage B 6; OLG Celle, Beschluss vom 09.05.2022 - 8 U 91/22 - Anlage B 8).

    Dies steht auch nicht im Widerspruch zu der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Das Oberlandesgericht Celle (Beschluss vom 09.05.2022 - 8 U 91/22 - Anlage B 8) hat hierzu ausgeführt:

    "Insofern liegt der vorliegende Fall anders als der Sachverhalt in den vom BGH in seinen Urteilen vom 24. Februar 2016 (IV ZR 142/15) beurteilten Fällen. Dort wurde der Fristbeginn nämlich nicht in unmissverständlicher Weise auch an den Erhalt des Versicherungsscheins, der Allgemeinen Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformation geknüpft, der ersichtlich nicht nur aus einem "Schreiben" besteht oder nur ein "Schreiben" - das Policenbegleitschreiben - enthält, sondern, wie sich aus dem Inhalt dieses Policenbegleitschreibens klar und unmissverständlich ergibt, auch noch die "Versicherungsurkunde" mit allen für den Beginn der Widerspruchsfrist mit zu übersendenden Unterlagen. Hierdurch wird für jeden Versicherungsnehmer in unmissverständlicher Weise klar, dass der Beginn der Widerspruchsfrist den Erhalt des gesamten Briefinhalts, insbesondere den Erhalt der Versicherungsurkunde mit den dort enthaltenen Unterlagen voraussetzt."

    Dem schließt sich der Senat an.

    2.

    Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers unterstellt, dass die vorliegende Belehrung unzureichend ist, weil sie nicht alle Unterlagen benennt, die den Lauf der Frist auslösen, wurde dem Kläger nicht die Möglichkeit genommen, sein Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen auszuüben wie bei zutreffender Belehrung (vgl. BGH Urteile vom 15.02.2023 - IV ZR 353/21 - juris; 17.01.2024 - IV ZR 19/23 - juris).

    Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (vgl. Urteil vom 19.12.2019 - C - 355/18 - juris) ist nicht jede unrichtige Information über die Form der Erklärung des Widerspruches, die in der Belehrung enthalten ist, als fehlerhafte Belehrung anzusehen. Wird dem Versicherungsnehmer durch die Belehrung, auch wenn diese fehlerhaft ist, nicht die Möglichkeit genommen, sein Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben, wäre es unverhältnismäßig, es ihm zu ermöglichen, sich von den Verpflichtungen aus einem in gutem Glauben geschlossenen Vertrag zu lösen (vgl. EuGH, Urteil vom 19.12.2019 - C - 355/18 -, Rn 79 - juris; vgl. BGH Urteil vom 15.02.2023 - IV ZR 353/21 - juris; vgl. Senat, Beschluss vom 28.04.2022 - 4 U 2762/21 - juris). Im vorliegenden Fall waren die Angaben über die Unterlagen, die den Lauf der Widerspruchsfrist auslösen allenfalls lückenhaft. Die Unterlagen wurden jedoch mit dem Policenbegleitschreiben übersandt, so dass die vormalige Versicherungsnehmerin alle wesentlichen Informationen in Händen hielt und sich über die Einzelheiten des Vertrages ausreichend informieren konnte, um eine Entscheidung über den Widerspruch zu fällen. Das Ziel der Lebensversicherungsrichtlinie, dem Versicherungsnehmer auf informierter Grundlage die Auswahl des seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrages zu ermöglichen, wurde nicht gefährdet (vgl. BGH Urteil vom 15.02.2023 - IV ZR 353/21 -, Rn 37 - juris). Daher wurde der vormaligen Versicherungsnehmerin nicht die Möglichkeit genommen, ihr Widerspruchsrecht unter im wesentlichen gleichen Bedingungen auszuüben.

    Der Bundesgerichtshof hat in einem vergleichbaren Fall (Urteil vom 17.01.2024 - IV ZR 19/23 - juris) folgendes ausgeführt:

    "Keinen Rechtsfehler lässt auch die Annahme des Berufungsgerichts erkennen, der hier zu beurteilende Belehrungsfehler habe der Versicherungsnehmerin diese Möglichkeit nicht genommen. Die Bewertung des Tatrichters, ob ein nur geringfügiger Belehrungsfehler vorliegt, kann in der Revisionsinstanz generell nur daraufhin überprüft werden, ob sie auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht, alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder von einem falschen Wertungsmaßstab ausgeht (Senatsurteile vom 15. März 2023 - IV ZR 40/21, VersR 2023, 631 Rn. 13; vom 15. Februar 2023 - IV ZR 353/21, BGHZ 236, 163 Rn. 19).

    Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung zu Recht maßgeblich darauf abgestellt, dass trotz des Belehrungsmangels für die Versicherungsnehmerin eine richtige Berechnung der Frist ohne weiteres möglich gewesen sei. Auf der ersten Seite des nur zwei Seiten umfassenden Begleitschreibens wird hier ausdrücklich auf die Übersendung von Versicherungsschein, Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen hingewiesen und der Beginn der Widerspruchsfrist dann an den "Zugang dieses Schreibens" geknüpft. Auch die vollständige Beifügung dieser Unterlagen konnte das Berufungsgericht im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums zur Klärung der Frage heranziehen, ob die Versicherungsnehmerin ihr Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen ausüben konnte wie bei einer ordnungsgemäßen Belehrung. Soweit sich aus den Entscheidungen des Senats vom 24. Februar 2016 (IV ZR 142/15, r+s 2016, 170 Rn. 12) und 20. Mai 2015 (IV ZR 502/14, juris Rn. 10) hinsichtlich der Bewertung des hier zu beurteilenden Belehrungsmangels etwas anderes ergeben sollte, wird hieran nicht festgehalten. ...

    Entgegen der Ansicht der Revision kam es für die Entscheidung des Berufungsgerichts mit Blick auf die neuere Senatsrechtsprechung (vgl. Senatsurteile vom 15. März 2023 - IV ZR 40/21, VersR 2023, 631 Rn. 13; vom 15. Februar 2023 - IV ZR 353/21, BGHZ 236, 163 Rn. 16) und die vom Berufungsgericht in Bezug genommene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil vom 19. Dezember 2019 Rust-Hackner u.a., C-355/18, C-356/18, C-357/18 und C-479/18, EU:C:2019:1123 = NJW 2020, 667) auch nicht mehr auf die Frage an, ob die Belehrung nur einen "marginalen Fehler" enthält, so dass das Berufungsgericht nicht gehalten war, sich mit zu dieser Problematik verhaltender älterer Senatsrechtsprechung auseinanderzusetzen. Soweit die Revision insoweit auf die Senatsentscheidungen vom 29. Juli 2015 (IV ZR 384/14, VersR 2015, 1101; IV ZR 448/14, VersR 2015, 1104) verweist, lagen diesen Entscheidungen jeweils andere - zudem mehrfache - Belehrungsmängel zugrunde. In den dort zur Beurteilung anstehenden Widerspruchsbelehrungen war allein auf den Erhalt des Versicherungsscheins als fristauslösenden Umstand verwiesen worden und die Belehrung war zudem auch hinsichtlich der einzuhaltenden Form unzutreffend (vgl. Senatsurteile jeweils vom 29. Juli 2015 - IV ZR 384/14 aaO Rn. 3 und 32; IV ZR 448/14, aaO.)."

    Diesem Ergebnis steht die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 09.09.2021 (C - 33/20 - juris) nicht entgegen, denn sie beschäftigt sich mit der Verbraucherkreditlinie und der Frage, ob die Berufung auf einen Widerruf rechtsmissbräulich ist, wenn zwingende Angaben im Kreditvertrag fehlen. Dies ist mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Denn hier geht es um die Lebensversicherungsrichtlinie und die Frage der Verwirkung des Widerspruchsrechts trotz fehlerhafter Belehrung. Die Entscheidung ist zur Verbraucherkreditrichtlinie ergangen und auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar (vgl. BGH Urteile vom 15.02.2023 - IV ZR 353/21 - juris; 19.07.2023 - IV ZR 268/21 - juris). Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 19.12.2019 (C - 355/18 - juris) bereits klargestellt, dass eine fehlerhafte Belehrung nicht in jedem Fall zu einem "ewigen Widerspruchsrecht" führt.

    3.

    Auch wenn es letztendlich nicht mehr darauf ankommt, wird darauf hingewiesen, dass der Anspruch jedenfalls verwirkt wäre, § 242 BGB.

    Auch bei einer fehlenden oder fehlerhaften Widerspruchsbelehrung kann die Geltendmachung des Widerspruchsrechtes ausnahmsweise Treu und Glauben widersprechen und damit unzulässig sein (vgl. BGH, Beschluss vom 08.09.2021 - IV ZR 133/20 - juris). Allgemeingültige Maßstäbe dazu, ob und unter welchen Voraussetzungen eine fehlende oder unzureichende Belehrung über das Rücktritts- oder Widerspruchsrecht einer Anwendung von § 242 BGB entgegensteht, hat der Bundesgerichtshof nicht aufgestellt. Ein schutzwürdiges Vertrauen kann der Versicherer schon deshalb nicht für sich in Anspruch nehmen, weil er die Situation selbst herbeigeführt hat, indem er den Versicherungsnehmer keine ordnungsgemäße Belehrung erteilt hat (vgl. BGH, Urteil vom 01.06.2016 - IV ZR 343/15 - juris). Das Widerspruchsrecht kann aber verwirkt sein, wenn besonders gravierende Umstände des Einzelfalls vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 27.09.2017 - IV ZR 506/15 - juris; vgl. BGH, Beschluss vom 08.09.2021 - IV ZR 133/20 - juris; vgl. Senat, Urteil vom 22.11.2022 - 4 U 740/22 - juris). Solche Umstände liegen hier vor.

    Das Zeitmoment ist erfüllt, da zum Zeitpunkt des Widerspruches und Rücktrittes im Februar 2023 seit dem Vertragsabschluss im Juli 1998 mehr als 24 Jahre vergangen waren. Dem Vertragsschluss wurde nur ca. 1 1/2 Jahre vor dessen regulärem Ablauf widersprochen.

    Die Beklagte durfte im Hinblick auf die vorliegenden Gesamtumstände darauf vertrauen, dass der Kläger sein Widerspruchsrecht nicht mehr ausüben wird. Das Umstandsmoment ist erfüllt, wenn der Verpflichtete aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen wird (vgl. Senat, Beschluss vom 30.11.2020 - 4 U 2014/20 - juris). Bei der Gesamtschau aller relevanten Umstände des Einzelfalles kann es - wie hier - gerechtfertigt sein, ausnahmsweise die Verwirkung eines grundsätzlich fortbestehenden Widerspruchsrechtes anzunehmen (vgl. Hanseatischen OLG Hamburg, Beschluss vom 16.06.2020 - 9 U 35/20 - juris). Im vorliegenden Fall hat die vormalige Versicherungsnehmerin im Jahr 2011 eine Vorauszahlung in Anspruch genommen. Sie hat ihre Ansprüche 2013 an die versicherte Person abgetreten und der Kläger hat das Bezugsrecht geändert. Zwar ist die reguläre Vertragsdurchführung für sich gesehen noch kein Umstand, der eine Verwirkung begründen kann. Dies gilt ebenso für die Abtretung der Ansprüche. Jedoch konnte die Beklagte in der Gesamtschau aller Umstände (Vorauszahlung, Abtretung und Änderung des Bezugsrechtes) darauf vertrauen, dass der Kläger an dem Vertrag unbedingt festhalten will. Wenn das Umstandsmoment sich auch nicht durch Zeitablauf erübrigt, besteht gleichwohl eine Wechselwirkung zwischen Umstands- und Zeitmoment: Je länger der abgelaufene Zeitraum ist, umso geringer dürfen die Anforderungen an das Umstandsmoment sein (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 16.06.2020 - 9 U 35/20 - juris). Im Hinblick auf die lange Vertragsdurchführung - auch nach der Abtretung - durfte die Beklagte auf den Fortbestand des Vertrages vertrauen.

    4.

    Der Senat empfiehlt die Berufungsrücknahme, die zwei Gerichtsgebühren erspart.

    RechtsgebieteVVG a.F., BGBVorschriften§ 5 a VVG a.F., § 415 BGB, § 417 BGB