15.05.2017 · IWW-Abrufnummer 193857
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg: Beschluss vom 31.03.2017 – OVG 1 N 41.15
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG
BESCHLUSS
OVG 1 N 41.15
VG 3 K 2738/13 Potsdam
In der Verwaltungsstreitsache
Klägerin und Antragstellerin,
bevollmächtigt:
g e g e n
die Industrie- und Handelskammer Potsdam,
vertreten durch den Hauptgeschäftsführer,
Breite Straße 2 a-c, 14467 Potsdam,
Beklagte und Antragsgegnerin,
hat der 1. Senat durch die Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Oerke und
Hömig sowie Richterin am Oberverwaltungsgericht Süchting am 31. März 2017
beschlossen:
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts Potsdam vom 10. März 2015 wird abgelehnt.
Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt die Klägerin.
Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 15.000,00 EUR festgesetzt; insoweit
wird die erstinstanzliche Wertfestsetzung geändert.
Gründe
I. Die Klägerin, deren Alleingesellschafter zugleich alleiniger Gesellschafter
und Geschäftsführer der „R_____ GmbH“ und der „J_____ GmbH“ - zweier
Versicherungsmaklergesellschaften - ist, begehrt die Erlaubnis, als
Versicherungsberater gemäß § 34e Gewerbeordnung (GewO) tätig zu werden. Diese
war ihr von der Beklagten versagt worden, weil die von § 34e Abs. 1 Satz 1 GewO
geforderte wirtschaftliche Unabhängigkeit der Klägerin infolge der Verbindung
zu den beiden Versicherungsmaklergesellschaften nicht gegeben sei.
Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 10. März
2015 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, zwar sei der
für die Versicherungsberatertätigkeit geregelte Erlaubnisvorbehalt eine die
Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG betreffende subjektive
Zulassungsvoraussetzung. Diese sei jedoch zum Schutz der überragend wichtigen
Gemeinschaftsgüter des Verbraucher- und Kundenschutzes sowie der Sicherung
einer geordneten Rechtspflege gerechtfertigt und verhältnismäßig. Der
Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG werde auch nicht dadurch verletzt,
dass Versicherungsmakler, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen
Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den europäischen
Wirtschaftsraum niedergelassen seien und in das Register über
Versicherungsvermittlungen eingetragen seien, keine derartige Erlaubnis für
eine Tätigkeit als Versicherungsberater benötigten, ihre Unabhängigkeit von
Versicherungsunternehmen also nicht nachweisen müssten. Diese
Ungleichbehandlung von im Inland ansässigen Versicherungsvermittlern gegenüber
den im EU/EWR-Ausland niedergelassenen stelle nur eine sogenannte
Inländerdiskriminierung dar, die sachlich begründet und verhältnismäßig sei.
Nur auf diese Weise hätten sich einerseits die bindenden Vorgaben der
unionsrechtlichen Versicherungsvermittlerrichtlinie in nationales Recht
umsetzen lassen, ohne andererseits die gerechtfertigten nationalen
Qualitätsanforderungen an den zum Bereich der rechtsberatenden Berufe
gehörenden Beruf des Versicherungsberaters aufgeben zu müssen. Die Sicherung
der Unabhängigkeit der Rechtspflege stelle insofern neben dem Verbraucherschutz
ein legitimes Ziel für die Ungleichbehandlung dar. Ein Verstoß gegen Art. 18
AEUV läge ebenso wenig vor, weil Ausländer hier gegenüber Inländern nicht
schlechter gestellt würden.
Da es der Klägerin an dem Merkmal der „Versicherungsunabhängigkeit“ fehle,
scheide eine Erlaubniserteilung aus. Versicherungsberater dürfe nach der
Vorstellung des Gesetzgebers nur der sein, der frei von jedem
Provisionsinteresse völlig unabhängig sei und auch ansonsten nicht irgendwie in
eine Vertriebsorganisation eingegliedert sei. Diese Unabhängigkeit sei nicht
gegeben, wenn die die Erlaubnis als Versicherungsberaterin begehrende
Gesellschaft mit einer Versicherungsmaklergesellschaft verbunden sei, denn Versicherungsmakler
könnten für erfolgreiche Vermittlungen grundsätzlich Courtagen gegenüber den
Versicherungen beanspruchen. Dass im konkreten Einzelfall abweichende
Fallgestaltungen möglich seien, ändere an der grundsätzlich möglichen
Abhängigkeit des Maklers von Versicherungsunternehmen nichts.
Die Erteilung der Beratererlaubnis sei eine gebundene Entscheidung. Da die
Klägerin das erforderliche Merkmal der Unabhängigkeit nicht aufweise und damit
den Tatbestand der Erlaubniserteilung nach § 34e Abs. 1 Satz 1 GewO schon nicht
erfülle, sei die die Möglichkeit einer Erlaubniserteilung unter Auflagen nach §
34e Abs. 1 Satz 2 GewO nicht weiter zu prüfen gewesen.
II. Der hiergegen gerichtete Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat
keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen
Richtigkeitszweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der besonderen tatsächlichen
oder rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), der grundsätzlichen
Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und des Vorliegens eines der Beurteilung
des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 3 Nr. 5
VwGO) sind auf der Grundlage der Ausführungen der Klägerin, die wegen des
Darlegungserfordernisses (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) allein maßgeblich sind, nicht
gegeben.
1. Der geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit
des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht
gegeben. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines Urteils bestehen dann,
wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche
Tatsachenfeststellung der angegriffenen Entscheidung mit schlüssigen
Gegenargumenten in Frage gestellt wird und nicht nur die Begründung der
angefochtenen Entscheidung oder nur einzelne Elemente dieser Begründung,
sondern auch die Richtigkeit des Ergebnisses der Entscheidung derartigen
Zweifeln unterliegt. Daran fehlt es hier.
a) Die Klägerin wendet ein, das Verwaltungsgericht habe das Merkmal der
„Unabhängigkeit“ nur aufgrund verallgemeinernder und pauschaler Annahmen
beurteilt, ohne eine Prüfung anhand des konkreten Einzelfalles vorgenommen zu
haben. Die verwaltungsgerichtliche Würdigung gehe an der Rechtswirklichkeit der
Berufsbilder des Versicherungsmaklers und des Versicherungsberaters vorbei.
Versicherungsmakler stünden nämlich nicht in einem wirtschaftlichen
Abhängigkeitsverhältnis zu Versicherungsunternehmen, sondern vielmehr im Lager
ihrer Mandanten, der Versicherungsnehmer, deren Interessen sie gegenüber den
Versicherern zu vertreten hätten. Die Zusammenarbeit zwischen Mandanten und
Versicherungsmaklern sei deshalb von einem besonderen Vertrauensverhältnis
geprägt und könne daher nicht zu einer Interessenkollision führen.
Versicherungsberater würden hingegen nahezu ausschließlich unternehmensbezogen arbeiten
und ihr Auskommen durch Mandanten aus dem Bereich der Industrie, des Gewerbes
und der Kommunen sichern. Daher seien zu schützende Verbraucherinteressen in
diesem Bereich nicht vorhanden. Das Unabhängigkeitsgebot könne deshalb für den
Bereich der Versicherungsberatung von Unternehmen nicht gelten.
Versicherungsberater und Versicherungsmakler hätten beide ausschließlich die
Interessen ihrer Mandanten - der Versicherungsnehmer – wahrzunehmen, was eine
Interessenkollision ausschließe. Die Verantwortlichkeit des
Versicherungsmaklers und des Versicherungsberaters gegenüber den
Versicherungsnehmern würde sich daher nicht unterscheiden; einziger Unterschied
sei insofern das für den Versicherungsberater bestehende
Provisionsannahmeverbot. Dafür habe der Gesetzgeber jedoch gesetzliche
Kontrollmechanismen durch entsprechende Verordnungsbestimmungen
geschaffen.
Dieses Vorbringen führt nicht zu einer vom Verwaltungsgericht abweichenden
Beurteilung, denn der Umstand, dass sowohl Versicherungsmakler als auch Versicherungsberater
grundsätzlich im Interesse ihrer Kunden zu handeln haben, schließt nicht aus,
dass ein Makler zugleich eigene Verdienstinteressen verfolgt, weil ihm ggf.
eine Abschlussprovision von Versicherungsunternehmen in Aussicht steht.
Die Klägerin verkennt insofern, dass der zur abgrenzenden Legaldefinition des
Versicherungsberaters gehörende Begriff der Unabhängigkeit von der
Versicherungswirtschaft (vgl. Ennuschat in: Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, 8.
Aufl. 2011, § 34e Rn. 11,14) nicht unterstellt, der Versicherungsmakler sei ein
von Versicherungsinteressen geleiteter Vermittler und insofern eine
Interessenkollision von Versicherung und Kunden befürchtet. Die maßgebliche
Interessenkollision besteht vielmehr zwischen dem Kundeninteresse und einem
etwaigen eigenen Verdienstinteresse des Beraters, durch die ihm vom
Versicherungsunternehmen in Aussicht stehende Provision bei Vertragsschluss.
Dass es insoweit auf im konkreten Einzelfall abweichende Fallgestaltungen nicht
ankommt, hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt.
Durch das potentiell gegebene eigene Verdienstinteresse, ist die latente Gefahr
einer nicht mehr neutralen und objektiven Beratung gegeben, die das Berufsbild
des Versicherungsberaters jedoch kennzeichnet und ihm abverlangt wird (vgl.
BVerfG, Beschluss vom 5. Mai 1987 - 1 BvR 981/81 - juris Rn. 25; BVerfG,
Nichtannahmebeschluss vom 8. Mai 2007 - 1 BvR 999/07 - juris Rn. 43; Ennuschat
in: Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, 8. Aufl. 2011, § 34e Rn. 16). Die eine
neutrale und objektive Beratung erfordernde „Versicherungsunabhängigkeit“
entfällt dabei - anders als die Klägerin offenbar meint nicht erst, wenn eine
Abhängigkeit von Versicherern besteht. Insofern genügt - entgegen der Ansicht
der Klägerin - das bloße Provisionsannahmeverbot des § 34e Abs. 3 Satz 1 GewO
nicht, um die Neutralität der Beratung zu sichern. Vielmehr bedarf es des
insofern umfassenderen, jede wirtschaftlich messbare Begünstigung erfassenden
(Will in: Pielow, GewO, 2. Aufl. 2016, § 34e Rn. 8) legaldefinierenden Begriffs
der Versicherungsunabhängigkeit.
Das Erfordernis der „Versicherungsunabhängigkeit“ schließt daher eine
Mischtätigkeit als Versicherungsberater und Versicherungsvermittler (-Makler)
aus. Ein Gewerbetreibender darf nicht in unterschiedlichen Rechtsformen oder
Stellungen einerseits einer Tätigkeit im Bereich der Versicherungsberatung und
andererseits im Bereich der Versicherungsvermittlung nachgehen (Will in:
Pielow, GewO, 2. Aufl. 2016, § 34e Rn. 10;
Adjemian/Dening/Klopp/Kürn/Morath/Neuhäuser, GewArch 2009, 137, 140). Der
klägerische Hinweis darauf, dass die Trennung von Makler- und Beratertätigkeit
und die hierfür erforderliche Unabhängigkeit vorliegend dadurch gesichert sei,
dass es sich um unterschiedliche juristische Personen handele, geht fehl, weil
die vertretungsberechtigten Geschäftsführer der Gewerbetreibenden
personenidentisch sind und sich die personengebundene innere Tatsache eines
latenten Verdienstinteresses nicht ausblenden lässt.
b) Der weitere Einwand, Verbraucherschutzinteressen seien nicht berührt, weil
Versicherungsberater in der Praxis keine Verbraucher, sondern „nahezu
ausschließlich“ Unternehmen berieten, ist ohne Belang. Zum einen bezieht sich
die nach § 34e Abs. 1 Satz 1 GewO zu erteilende Erlaubnis auf die Beratung „Dritter“,
d.h. stets auf jedermann (Ennuschat in: Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, 8.
Aufl. 2011, § 34e Rn. 22). Zum anderen übersieht dies Vorbringen, dass das
Verwaltungsgericht als weiteres legitimes, einen Eingriff in die Berufsfreiheit
rechtfertigendes Ziel die Sicherung einer geordneten Rechtspflege angesehen
hat.
c) Soweit die Klägerin vorträgt, die Erlaubnis hätte nach den „Grundsätzen des
behördlichen Übermaßverbotes“ jedenfalls mit Auflagen erteilt werden müssen.
setzt sie sich nicht mit dem insofern tragenden Argument des
Verwaltungsgerichts auseinander. Dies hat zu Recht darauf abgestellt, dass eine
Auflage schon deshalb nicht in Betracht komme, weil die von der Klägerin
angestrebte Tätigkeit nicht der Legaldefinition des Versicherungsberaters entspricht.
Dies ist jedoch zentrale Tatbestandvoraussetzung für die Anwendbarkeit des §
34e GewO (Ennuschat in: Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, 8. Aufl. 2011, § 34e
Rn. 11).
d) Das Vorbringen zur Doppelbelastungund zu den Informationspflichten beim
ersten Geschäftskontakt führt auch nicht zur Unrichtigkeit des Urteils, denn
diese Randfragen sind angesichts der fehlenden Unabhängigkeit nicht
entscheidend.
e) Soweit die Klägerin erneut eine unionsrechtswidrige Ungleichbehandlung
geltend macht, setzt sie sich mit den insoweit tragenden Gründen des
Verwaltungsgerichts, die darauf hinweisen, dass es sich um eine von Art. 18
AEUV nicht erfasste (Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.
Oktober 2013 - OVG 12 B 42.11 – juris Rn. 29) Inländerdiskriminierung handelt,
nicht auseinander.
Gleiches gilt für den gerügten Verstoß gegen Art. 20 AEUV, denn die Klägerin
geht in keiner Weise auf die nach Ansicht des Verwaltungsgerichts
verhältnismäßige und sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlung ein.
2. Die Berufung ist nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen besonderer
tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten zuzulassen. Der Zulassungsgrund
besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten setzt eine solche
qualifizierte Schwierigkeit der Rechtssache mit Auswirkung auf die Einschätzung
der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung voraus, dass sie sich in
tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht signifikant von dem Spektrum der in
verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu entscheidenden Streitfälle unterscheidet.
Diese Anforderungen sind erfüllt, wenn aufgrund des Zulassungsvorbringens keine
Prognose über den Erfolg des Rechtsmittels getroffen werden kann, dieser
vielmehr als offen bezeichnet werden muss. Dass dies vorliegend nicht der Fall
ist, ergibt sich bereits aus den vorstehenden Ausführungen.
3. Es liegt auf der Grundlage des Zulassungsantrags auch kein der Beurteilung
des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel vor, auf dem die
Entscheidung beruhen kann, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO. Die Rüge, dass
Verwaltungsgericht hätte sich eingehender mit der konkreten Arbeitsweise von
Versicherungsmaklern und -beratern auseinandersetzen müssen, enthält keinen
solchen Mangel. Da es auf die konkrete Tätigkeit im Einzelfall nach Auffassung
des Verwaltungsgerichts nicht ankam, war eine tiefere Prüfung nicht
erforderlich.
4. Die Klägerin legt schließlich keine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von
grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO dar, die zu
ihrer Klärung der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf. Insoweit
versäumt sie schon, entgegen den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz
4 VwGO eine solche Rechtsfrage zu formulieren.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die
Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52
Abs. 1 und Abs. 3 GKG. Dabei hat sich der Senat an Nr. 54.1. des
Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit orientiert. Gründe
hiervon abzuweichen, sind nicht zu erkennen. Dementsprechend war die
erstinstanzliche Wertfestsetzung zu ändern.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68
Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).