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  • 29.09.2021 · IWW-Abrufnummer 224912

    Landessozialgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 16.07.2021 – L 4 BA 75/20

    1. Zum sozialversicherungsrechtlichen Status eines Physiotherapeuten (hier: abhängig beschäftigt).

    2. Durch die Verbindung mehrerer Klageverfahren gemäß § 113 Abs. 1 SGG erstreckt sich die Kostenpriviliegierung eines Klägers (§ 183 SGG) auch auf nicht kostenprivilegierte Kläger, sodass die Kostenentscheidung für diesen Rechtsszug einheitlich auf §193 SGG beruht.


    Landessozialgericht Baden-Württemberg

    Urteil vom 16.07.2021


    Tenor:

    Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 28. November 2019 aufgehoben. Die Klagen werden abgewiesen.

    Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.

    Tatbestand

    Zwischen den Beteiligten ist der sozialversicherungsrechtliche Status des Klägers zu 2 in seiner für die Klägerin zu 1 vom 16. Mai 2017 bis 30. Juni 2019 ausgeübten Tätigkeit als Physiotherapeut streitig.

    Die Klägerin zu 1 ist eine Praxis für Physiotherapie in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die u.a. Krankengymnastik, manuelle Therapie, Massagen, Elektrotherapie, Heißluft- und Schlingentischbehandlungen und auch Hausbesuche anbietet. Gesellschafter der Klägerin sind St. G. (G.) und K.-I. Sch. (Sch.). Diese sind ausgebildete Physiotherapeuten und waren im streitigen Zeitraum jeweils in Vollzeit in ihrer Praxis tätig. Die Klägerin zu 1 ist zur Erbringung von Leistungen der Physiotherapie nach § 124 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassen, und zwar mit einer Praxiskapazität von fünf Physiotherapeuten.

    Die Praxis der Klägerin zu 1 besteht aus sechs Behandlungsräumen mit entsprechender Ausstattung, wie Behandlungsliegen, Lagerungsmaterial und Trainingsgeräten, wobei einzelne Räume über eine darüberhinausgehende Ausstattung für spezielle Behandlungsarten, wie bspw. Rotlicht- oder Schlingentischbehandlungen verfügen. Die Klägerin zu 1 beschäftigt keine Mitarbeiter, auch keine Rezeptionskräfte. Im streitigen Zeitraum waren neben dem Kläger zu 2 vier bzw. fünf weitere Physiotherapeuten für die Klägerin zu 1 tätig (vgl. Terminplan vom 17. Januar 2019; Bl. 64 Senatsakte).

    Die Terminvergabe an Patienten, die an die Klägerin zu 1 herantraten, erfolgte organisatorisch der Gestalt, dass Name, Telefonnummer und gewünschte Behandlung des Patienten in einer Liste erfasst und nachfolgend auf die tätigen Physiotherapeuten jeweils abhängig von ihrer fachlichen Qualifikation verteilt wurden. Die Physiotherapeuten traten dann telefonisch an die jeweiligen Patienten heran und vereinbarten mit diesen einen konkreten Behandlungstermin. Soweit Patienten die Behandlung durch einen ganz bestimmten Physiotherapeuten wünschten, wurde die Behandlung von diesem übernommen. Ggf. setzten sich die Patienten zur Vereinbarung eines Termins auch unmittelbar mit dem gewünschten Physiotherapeuten in Verbindung.

    Die Belegung der Behandlungsräume durch die jeweiligen Physiotherapeuten erfolgte abhängig von der Behandlungsart. Begrenzender Faktor für die Belegung war im Übrigen die maximale Belegungskapazität der Praxis von fünf Therapeuten gleichzeitig. Zur Koordinierung wurde kein Raumbelegungsplan geführt, sondern ein Terminplan, der tageweise auswies, zu welcher Zeit jeder einzelne Therapeut für welche Behandlungsart am jeweiligen Tag einen Termin vereinbart hatte.

    Der 1984 geborene S. M. (M., im folgenden Kläger zu 2) ist ausgebildeter Physiotherapeut. Er betreibt seit 1. Mai 2017 in H. eine Privatpraxis für biokybernetische Physiotherapie.

    Am 8. Mai 2017 schloss er mit der Klägerin zu 1 einen "Vertrag über freie Mitarbeit" mit folgendem Inhalt:

    "§ 1

    Herr/Frau [M.] nimmt am 16.05.2017 eine Tätigkeit als freie/r Mitarbeiter/in in der Gemeinschaftspraxis für Krankengymnastik [G.] und [Sch.] auf.

    § 2

    Der/die freie Mitarbeiter/in bestimmt seine/ihre Arbeitszeit in der Praxis bzw. im Rahmen von Hausbesuchen für die Praxis selbst. Eine Eingliederung in den Praxisbetrieb findet nicht statt. Mit den Praxisinhabern erfolgt lediglich eine Abstimmung im Rahmen der Terminvereinbarung im Hinblick auf die Belegungsmöglichkeiten der Therapieräume.

    Die Erteilung des Urlaubs sowie anderweitige Fehlzeiten erfolgt durch den/die freie/n Mitarbeiter/in. Über Fehlzeiten (krankheitsbedingt oder sonstige Fehlzeiten) sollen Patienten und Praxisinhaber benachrichtigt werden.

    Der/die freie Mitarbeiter/in ist nicht weisungsgebunden, sondern handelt in jeglicher Art und Weise selbst verantwortlich. Insbesondere ist er/sie berechtigt, eigenes Personal zu beschäftigen bzw. für andere Auftraggeber tätig zu werden.

    § 3

    Der/die freie Mitarbeiter/in führt für die Praxisinhaber physiotherapeutische Behandlungen an den Patienten der Praxis durch. Der/die freie Mitarbeiter ist nicht zur Behandlungsübernahme verpflichtet; er/sie kann ohne Angabe von Gründen eine Behandlungsübernahme im Einzelnen ablehnen.

    Erforderliche Termine vereinbart der/die freie Mitarbeiter/in im Rahmen der unter § 2 getroffenen Regelung zur Belegung der Praxisräume selbstständig mit den Patienten. Die Praxisinhaber sind nicht berechtigt für den/die freie Mitarbeiter/in Termine zu vereinbaren. Erforderliche Arbeitsmittel, die nicht in der Praxis vorhanden sind, hat der/die freie Mitarbeiter/in auf eigene Kosten selbst zu beschaffen. Sie verbleiben im Eigentum des/der freien Mitarbeiter/in.

    § 4

    Die Praxisinhaber zahlen dem/der freien Mitarbeiter/in für die unter § 3 beschriebenen Leistungen ein Entgelt pro erbrachte Behandlungsleistung in Höhe von 70 % der abgerechneten Vergütungen mit den gesetzlichen Kostenträgern oder Privatpatienten. Sollten die Praxisinhaber im Einzelfall von den gesetzlichen Kostenträgern oder Privatpatienten keine Vergütung erhalten, entfällt auch der Vergütungsanspruch des/der freien Mitarbeiters/in.

    Der/die freie Mitarbeiter/in hat keinen Anspruch auf Gehalt oder die Übernahme von Versicherungspflichten seine/ihre Person betreffend durch die Praxisinhaber. Anfallende Steuern und Sozialversicherungsbeiträge, Urlaubsgeld oder sonstige Gratifikationen werden von den Praxisinhabern nicht gezahlt. Eine Entgeltzahlung im Krankheitsfall und Zahlungen nach dem Mutterschutz- bzw. Erziehungsgeldgesetz werden ebenfalls nicht durch die Praxisinhaber gewährt.

    Für den Fall einer entsprechenden Inanspruchnahme durch Dritte stellt der/die freie Mitarbeiter/in die Praxisinhaber insoweit von allen Ansprüchen frei; dies gilt insbesondere für die sich aus den §§ 630a ff BGB ergebenden Verpflichtungen.

    § 5

    Den Praxisinhabern sind der Nachweis über die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie über den Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung, die Anmeldung bei der Berufsgenossenschaft für Gesundheit und Wohlfahrtspflege und die Meldung beim Finanzamt vorzulegen.

    § 6

    Der/die freie Mitarbeiter/in verpflichtet sich, seine selbstständige Tätigkeit bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens prüfen zu lassen. Ein entsprechender Antrag ist innerhalb von zwei Wochen nach Aufnahme der Tätigkeit bei der Clearingstelle zu stellen. Die Praxisinhaber verpflichten sich ihrerseits zur gesonderten Antragstellung.

    Für den Fall, dass rechtskräftig eine abhängige Beschäftigung festgestellt werden sollte, vereinbaren die Parteien, dass den Praxisinhabern über die in § 3 vereinbarte Vergütung hinaus keinerlei weitere Kosten entstehen; dies gilt insbesondere für Sozialversicherungsbeiträge (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile), anfallende Steuern, etc. Soweit die Praxisinhaber aufgrund gesetzlicher Regelungen (z.B. § 28e Abs. 1 S. 1 SGB IV) direkt zur Zahlung verpflichtet sein sollten, stellt der/die freie Mitarbeiter die Praxisinhaber im Innenverhältnis davon frei. Sollte das Verfahren vor der Clearingstelle der DRV Bund und ggf. sich anschließende Widerspruchs- und Klageverfahren nicht innerhalb von sechs Monate nach Antragstellung beendet sein, verpflichtet sich der/die freie Mitarbeiter/in von den nach § 3 gezahlten Vergütungen ausreichende Rücklagen für mögliche Ausgleichsansprüche zwischen den Parteien zu bilden.

    Der/die freie Mitarbeiter/in ist verpflichtet, den Praxisinhabern Auskünfte über Tatbestände zu geben, die eine Sozialversicherungspflicht begründen können. Ferner hat er Auskünfte zu erteilen, soweit die zulassenden Krankenkassen gemäß der bestehenden Rahmenverträge (§ 125 SGB V) an die Praxisinhaber herantreten.

    § 7

    Der/die freie Mitarbeiter/in haftet für alle vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführten Körper- und/oder Vermögensschäden. Für den Fall einer Inanspruchnahme durch Dritte stellt der/die freie Mitarbeiter/in die Praxisinhaber von allen Ansprüchen frei.

    § 8

    Der/die freie Mitarbeiter/in verpflichtet sich zur Verschwiegenheit gegenüber Dritten hinsichtlich aller praxisrelevanten Vorgänge.

    § 9

    Das Vertragsverhältnis kann von beiden Vertragsparteien mit einer Frist von 3 Monaten zum Monatsende gekündigt werden.

    § 10

    1. Änderungen des Vertrags und Nebenabsprachen bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Mündliche Vereinbarungen über die Aufhebung der Schriftform sind unwirksam.

    2. Sollte eine Bestimmung dieses Vertrages unwirksam sein, so berührt dies nicht die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen.

    3. An die Stelle einer unwirksamen Bestimmung tritt eine wirksame Regelung, die dem in der unwirksamen Bestimmung zum Ausdruck gekommenen Willen der Vertragsparteien am nächsten kommt."

    Am 15. Juni 2017 beantragte der Kläger zu 2 die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status in seiner Tätigkeit als Physiotherapeut für die Klägerin zu 1 mit dem Ziel festzustellen, dass eine Beschäftigung nicht vorliege. Hierzu gab er auf entsprechende Fragen der Beklagten an, er arbeite selbstständig im Rahmen seiner Ausbildung als Physiotherapeut und entsprechenden Zusatzqualifikationen mit seinen Patienten in der Praxis G. und Sch. Er terminiere selbst seine Patienten, verwalte seinen Terminplan und korrespondiere mit den Ärzten. Patienten, die sich in der Praxis anmelden möchten, würden durch Aufnahme der Telefonnummer und der Heilmittelverordnung in eine Liste eingetragen. Der Erstkontakt werde mit den Praxisinhabern hergestellt, danach erfolgte die Weitergabe der Kontaktdaten an ihn. Er entscheide, ob er diese Behandlung übernehmen möchte. Er setze sich dann mit diesen Patienten selbst in Verbindung und vergebe Termine. Empfehlungspatienten oder wiederkehrende Patienten setzten sich in der Regel direkt mit ihm in Verbindung; ein Direktkontakt über sein Handy sei möglich. Es lägen eigene Visitenkarten in der Praxis aus. Seine Arbeitszeiten könne er frei festlegen. Es gebe einen Terminplan, aus dem ersichtlich sei, wie viele Therapeuten an welchen Tagen und zu welcher Zeit in der Praxis tätig seien. Die sechs Behandlungsräume würden je nach Behandlungsart belegt; so müssten Patienten mit Verordnung von Heißluft in diesen Räumen behandelt werden. Im Krankheitsfall melde er sich in der Praxis und sage - wenn möglich - seinen Patienten selbst ab und biete ihnen Ersatztermine an. Eine Urlaubsvertretung organisiere er selbst oder er sage die Termine ab. Eine Verpflichtung zur Übernahme von Urlaubs- und Krankheitsvertretung bestehe nicht. Er arbeite nicht mit anderen Mitarbeitern des Auftraggebers zusammen. Einheitliche Arbeitskleidung werde nicht getragen; auch stelle der Auftraggeber keine Arbeitskleidung. Er führe neben der Patientenakte des Auftraggebers eine eigene Patientenkartei. Betriebsmittel, wie Liegen, Lagerungsmaterial und Trainingsgeräte würden von der Praxis gestellt. Kinesiotape sowie weitere Behandlungswerkzeuge und eine portable Liege stelle er selbst. An den laufenden Kosten der Praxis sei er nicht beteiligt. Diese Kosten, wie Miete, Praxisausstattung, Praxissoftware und Abrechnung über das Abrechnungszentrum würden mit 30 % der Heilmittelvergütung beglichen. Seit Beginn seiner Tätigkeit habe er sieben Honorarausfälle wegen kurzfristiger Absage zu beklagen. Zur Abrechnung mit den gesetzlichen Krankenkassen sei er nicht befugt. Auch mit den Privatpatienten rechneten die Praxisinhaber ab, da in den Musterverträgen der privaten Krankenversicherer, die oftmals Vertragsbestandteil der Versicherungsverträge seien, vorgegeben sei, dass der Heilmittelerbringer in eigener Praxis niedergelassen sein müsse.

    Auf die entsprechende Nachfrage der Beklagten führten G. und Sch. mit Schreiben vom 17. Juli 2017 aus, der Kläger arbeite selbstständig im Rahmen seiner Ausbildung als Physiotherapeut und der entsprechenden Zusatzqualifikationen mit Patienten in ihrer Praxis und bei Hausbesuchen in deren Wohnung. Er terminiere seine Patienten selbst, verwalte seinen Terminplan und korrespondiere mit Ärzten. Sie beschäftigten keine fest angestellten Physiotherapeuten und auch keine Rezeptionskräfte. Von Patienten, die sich neu in der Praxis anmelden wollten, werde die Telefonnummer und die vom Arzt verordnete Behandlung aufgenommen. Diese Neuanmeldungen würden in einer Liste erfasst. Der Kläger zu 2 könne dann bei Übereinstimmung der erforderlichen fachlichen Qualifikation mit dem vom Arzt verordneten Heilmittel einen Telefonkontakt herstellen und im Gespräch darüber entscheiden, ob er diesem Patienten Behandlungen anbieten wolle. Patienten, die schon einmal vom Kläger zu 2 behandelt worden seien oder auf Empfehlung gerne von ihm behandelt werden wollten, setzten sich in der Regel direkt mit ihm in Verbindung. Der Kläger zu 2 könne seine Arbeitszeiten frei festlegen. Ein begrenzender Faktor sei alleine die maximale Praxisbelegungskapazität von fünf Therapeuten. Ein Raumbelegungsplan existiere nicht, jedoch ein Terminplan, aus dem ersichtlich sei, wie viele Therapeuten an welchen Tagen und zu welcher Zeit in der Praxis tätig seien. Im Krankheitsfall melde sich der Kläger zu 2 in der Praxis und sage die Termine seiner Patienten - wenn möglich - selbst ab. Er sei selbst dafür verantwortlich, seinen Patienten Ersatztermine anzubieten. Auch für Urlaubstage sage er seinen Patienten ab und organisiere eventuell selbst eine Vertretung. Eine Verpflichtung zur Übernahme von Urlaubs- und Krankheitsvertretung bestehe für den Kläger zu 2 nicht. Er arbeite auch nicht mit anderen Mitarbeitern zusammen. Einheitliche Arbeitskleidung gebe es nicht. Arbeitskleidung werde auch nicht gestellt. Der Erstkontakt von Patienten erfolge mit der Praxis, wobei sie - die Praxisinhaber - überprüften, ob sie die Behandlung angesichts fachlicher Qualifikation und Kapazitäten persönlich übernehmen könnten. Sei dies nicht der Fall, so würden sie die Behandlung nach einer weiteren Qualifikationsprüfung ihren freien Mitarbeitern anbieten. Der freie Mitarbeiter könne dann selbst entscheiden, ob er die Behandlung übernehmen möchte. Er kontaktiere dann bei positiver Entscheidung auch den Patienten zur Terminvereinbarung. Patienten, die schon einmal von einem freien Mitarbeiter behandelt worden seien oder auf Empfehlung gerne von einem solchen behandelt werden möchten, setzten sich direkt mit diesem in Verbindung. Für spezielle Therapieformen, wie bspw. Kinesiotape bringe der Kläger zu 2 eigene Arbeitsmittel mit. Auch im Rahmen von Hausbesuchen nutze er eigene Arbeitsmittel, wie z.B. eine transportable Therapieliege, Massagemittel und Kleingeräte. An den laufenden Kosten der Praxis sei der Kläger zu 2 nicht beteiligt. Es würden jedoch 30 % der Therapieleistung, die mit den Krankenkassen abgerechnet werden, für die Nutzung der Räumlichkeiten, der Praxisausstattung, der Praxissoft- und -hardware, der Vermittlung der Patienten über die Praxis und die Abrechnung der Verordnung über das Rechenzentrum erhoben. Der Kläger zu 2 erstelle gegenüber der Praxis für die erbrachten Leistungen eine Honorarrechnung. Nur sie als Praxisinhaber dürften mit den Krankenkassen abrechnen. Sie schlössen auch mit den Privatpatienten die Behandlungsverträge ab. Dies sei notwendig, weil in den Musterverträgen der privaten Krankenversicherer, die oftmals Vertragsbestandteil der Versicherungsverträge seien, vorgegeben sei, dass der Heilmittelerbringer in eigener Praxis niedergelassen sein müsse. Um zu verhindern, dass Privatpatienten des freien Mitarbeiters Schwierigkeiten bei der Kostenerstattung bekommen, würden die Behandlungsverträge ausschließlich mit ihnen als Praxisinhaber geschlossen. Entsprechend rechneten sie als Praxisinhaber auch mit diesen Patienten ab. Die von den gesetzlich krankenversicherten Patienten zu leistenden Zuzahlungen würden im Anschluss an die Behandlung vom Kläger zu 2 eingezogen und über die Praxissoftware verbucht. Werde eine Forderung erfolglos geltend gemacht, erhalte auch der Kläger zu 2 kein Honorar.

    Mit Anhörungsschreiben vom 12. September 2017 informierte die Beklagte die Kläger, dass sie beabsichtige, einen Bescheid über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung zu erlassen. Sie legte die Kriterien für die Abgrenzung einer Beschäftigung und einer selbstständigen Tätigkeit dar und führte die Merkmale auf, die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprächen (Übernahme der Behandlung von Patienten des Auftraggebers in dessen Räumlichkeiten im Wesentlichen mit der dort zur Verfügung stehenden Betriebsausstattung; die freien Räumlichkeiten könnten nur nach Absprache mit der Praxis genutzt werden; die Terminierung der Patienten erfolge über die Praxis des Auftraggebers, ein eigenes Terminbuch werde nicht geführt; die Tätigkeit werde unter betrieblicher Eingliederung in die Praxis des Auftraggebers ausgeübt; angestellte Mitarbeiter führten die gleiche Tätigkeit aus, er übernehme Auftragsspitzen der Praxis; Abrechnung und Forderungsmanagement erfolgten über den Auftraggeber; umfangreiches eigenes Kapital, das ein unternehmerisches Handeln begründe, werde nicht eingesetzt; für Privatpatienten schließe der Auftraggeber die Behandlungsverträge und rechne diese ab). Als Merkmale für eine selbstständige Tätigkeit führte sie an, dass Aufträge abgelehnt werden könnten und Termine im Verhinderungsfall selbst abgesagt würden. Nach einer Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen überwögen die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis.

    Gegen diese Beurteilung erhoben G. und Sch. mit Schreiben vom 29. September 2017 Einwände und führten aus, der Kläger zu 2 behandle eigene Patienten in ihren Praxisräumen und nutze die Praxiseinrichtung als freier Mitarbeiter. Hierfür erhalte er eine Provision von 70 % seines Umsatzes. Sie als Praxisinhaber arbeiteten vollzeitig in der Praxis und behandelten ihre eigenen Patienten. Weiterhin tätige der Kläger zu 2 Hausbesuche und behandle diese Patienten in deren Wohnung. Die Praxis habe durch Rahmenverträge der Krankenkassen aufgrund ihrer Größe eine Zulassung für maximal fünf Therapeuten, die gleichzeitig arbeiten dürften. Somit könnten freie Mitarbeiter nur bis zu einer Maximalbelegung von fünf Therapeuten tätig sein. Der Kläger zu 2 könne seine Arbeitszeiten frei im Rahmen der Maximalbelegung ohne Rücksprache mit ihnen belegen. Die Kläger zu 2 führe ein eigenes Terminbuch. Er sei nicht in den Praxisbetrieb fest eingegliedert, da er seine Arbeitszeiten vollkommen frei im Rahmen der Kapazitäten der Praxis festlegen könne. Auch seine Urlaubszeiten könne er frei und ohne Rücksprache mit ihnen planen. Sie beschäftigten keine festangestellten Mitarbeiter. Das Abrechnungs- und Forderungsmanagement könne nur über sie als Praxisinhaber erfolgen. Der Kläger zu 2 zahle monatliche Beiträge zur Kranken-, Renten-, Unfall- und Berufshaftpflichtversicherung und müsse ein Fahrzeug bereithalten und die laufenden Kosten tragen, um überhaupt für sie Aufträge durchführen zu können. Er habe keinen Anspruch auf Beschäftigung in der Praxis und falls sie ihm weniger Aufträge anbieten könnten, müsse er die laufenden Kosten trotzdem tragen. Damit trage er ein Unternehmerrisiko.

    Mit am 9. Oktober 2017 eingegangenem Schreiben (ohne Datum) führte der Kläger zu 2 aus, er betreibe - wie bereits erläutert - in H. simultan zu seiner Tätigkeit bei der Klägerin zu 1 als freier Physiotherapeut eine Privatpraxis für Physiotherapie. An G. und Sch. schreibe er monatliche Rechnungen, ebenso wie er es auch mit seinen Patienten in der eigenen Praxis handhabe. Daraus ergebe sich, dass er durchaus eigenes Kapital einbringen müsse, um seine eigene Praxis aufzubauen. Da es sich bei seiner Praxis lediglich um eine Privatpraxis handele, nutze er die Tätigkeit bei den Klägern zu 1, um auch die Möglichkeit zu haben, gesetzlich versicherte Patienten behandeln zu können.

    Mit an die Kläger zu 1 und den Kläger zu 2 gerichteten Bescheiden vom 27. November 2017 führte die Beklagte sodann aus, dass die Tätigkeit des Klägers zu 2 bei der Klägerin zu 1 seit 16. Mai 2017 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. In dem Beschäftigungsverhältnis bestehe Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die Versicherungspflicht beginne am 16. Mai 2017. Die Beklagte wiederholte im Wesentlichen die im Anhörungsschreiben aufgeführten Merkmale, die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis und eine selbstständige Tätigkeit sprächen und führte weiter aus, die im Rahmen der Anhörung geltend gemachten Gesichtspunkte rechtfertigten keine abweichende Beurteilung. Da Physiotherapeuten überwiegend auf ärztliche Verordnung arbeiteten, obliege ihnen ein Teil der Durchführung einer vom Heilkundigen (Arzt) gelenkten Gesamtbehandlung. Innerhalb dieses Rahmens könnten sie aufgrund ihrer Ausbildung den Inhalt der Therapie und die Auswahl der Therapiemittel in eigener Verantwortung bestimmen. Weisungen des Praxisinhabers seien daher nicht erforderlich. Der Kläger zu 2 behandle die Patienten der Klägerin zu 1 und könne nur die Praxisräume nutzen, die ihm seitens der Klägerin zu 1 zur Nutzung zur Verfügung gestellt werden. Ein gewichtiges Indiz für eine selbstständige Tätigkeit sei das mit dem Einsatz eigenen Kapitals verbundene erhebliche Unternehmerrisiko. Die Zuweisung von Risiken an den Arbeitenden, spreche jedoch nur dann für Selbstständigkeit, wenn damit größere Freiheiten und größere Verdienstmöglichkeiten verbunden seien, die nicht bereits in der Sache selbst angelegt seien. Allein die Zuweisung zusätzlicher Risiken mache einen abhängig Beschäftigten noch nicht zum Selbstständigen. Die vom Kläger zu 2 eingesetzten eigenen Arbeitsmittel seien nur von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung; auch angestellte Mitarbeiter nutzten ein eigenes Kraftfahrzeug für den Weg zur Betriebsstätte. Die pauschale Abgeltung der aufgeführten Kostenbeteiligungen stelle kein unternehmerisches Risiko dar, das sie nur fällig würden, wenn der Kläger zu 2 tatsächlich tätig werde. Mit den Kosten für Anschaffung und Unterhalt von Betriebsräumen und Arbeitsmitteln sei dies nicht vergleichbar. Der Kläger zu 2 könne seine Tätigkeit im Übrigen nur ausüben, sofern die Praxis einen entsprechenden Bedarf habe und den Zugang zur Praxis und den Zugriff auf die Arbeitsmittel gewähre. Er könne seine Arbeitszeit daher im Wesentlichen nicht frei einteilen; er sei auf die Öffnungszeiten der Praxis, deren Bedarf und von der Verfügbarkeit der Räume und Arbeitsmittel abhängig. Hinsichtlich der Einteilung der Arbeitszeit sei er daher im Wesentlichen nicht weisungsfrei. Kein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit sei, wenn die Annahme bestimmter Aufträge abgelehnt werden könne, bei Annahme jedoch eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers erfolge. Der Kläger zu 2 führe Arbeiten für die Praxis aus, die Abrechnung der Behandlungen erfolge ausschließlich durch die Praxis und die Vergütung erfolge an die Praxis. Auch eine direkte Abrechnung zwischen dem Kläger zu 2 und den Privatpatienten finde nicht statt. Sie stützte ihre Rechtsauffassung auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24. März 2016 - B 12 KR 20/14 R -.

    Hiergegen erhoben die Kläger jeweils Widerspruch, ohne diese zu begründen. Mit Widerspruchsbescheiden vom 9. April 2018 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten die Widersprüche gegen die Bescheide vom 27. November 2017 zurück.

    Hiergegen erhoben die Klägerin zu 1 am 26. April 2018 (S 13 BA 1174/18) und der Kläger zu 2 am 9. Mai 2018 (S 15 BA 1291/18) Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG), das das Verfahren S 15 BA 1291/18 mit Beschluss vom 29. Juni 2018 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zu dem Verfahren S 13 BA 1174/18 verband.

    Zur Begründung ihrer Klage führte die Klägerin zu 1 aus, die Prüfung des sozialversicherungsrechtlichen Status erfolge nicht abstrakt für bestimmte Berufs- oder Tätigkeitsfelder; es handele sich immer um eine Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung berufsspezifischer Besonderheiten. So habe der Einsatz eigenen Kapitals im Dienstleistungssektor eine ganz andere Bedeutung (nämlich eine geringere), als dies bspw. im verarbeitenden Gewerbe der Fall sei (Hinweis auf BSG, Urteil vom 14. März 2018 - B 12 KR 3/17R -). Darüber hinaus habe das BSG in ständiger Rechtsprechung seit 1989 (BSG, Urteil vom 14. September 1989 - 12 RK 64/87 -) sowie in weiteren Entscheidungen ausdrücklich festgestellt, dass grundsätzlich auch ein Physiotherapeut ohne eigene Kassenzulassung als freier Mitarbeiter in einer anderen Praxis tätig sein könne. Entscheidend seien für die Beurteilung die Gesamtumstände. Auch die Verbände der Krankenkassen und der Physiotherapeuten hätten in ihren nach § 125 SGB V geschlossenen Verträgen ausdrücklich die Tätigkeit von freien Mitarbeitern ohne eigene Zulassung bei den Krankenkassen für zulässig erachtet. Soweit der Kläger zu 2 Behandlungen in ihren Räumen durchführe und die Abrechnung und das Forderungsmanagement über sie erfolge, sei dies systemimmanent und könne nicht als Merkmal für eine abhängige Beschäftigung herangezogen werden. Darüber hinaus führe der Kläger zu 2 auch Hausbesuche durch, für die er seine eigenen Arbeitsmittel, insbesondere auch sein eigenes Auto benutze. Unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Dienstleistungssektors setze er daher durchaus auch eigenes Kapital ein. Soweit die Beklagte ausführe, der Kläger zu 2 übe die gleiche Tätigkeit wie angestellte Mitarbeiter aus und übernehme Auftragsspitzen der Praxis, sei dies unzutreffend. Sie beschäftige keine fest angestellten Mitarbeiter und habe zu keinem Zeitpunkt behauptet, der Kläger zu 2 übernehme Auftragsspitzen. Wie die Behandlungsübernahme von Patienten in der Praxis erfolge, habe sie im Schreiben vom 17. Juli 2017 beschrieben. Unzutreffend sei auch die Behauptung, der Kläger zu 2 sei in die Praxis der Klägerin zu 1 eingegliedert. Dies werde von der Beklagten an keiner Stelle anhand des tatsächlichen Betriebsablaufs belegt. Das Gegenteil sei der Fall, wie ihre Darlegungen zur Behandlungsübernahme, der Arbeits- und Urlaubszeitregelung sowie zum jederzeitigen Recht auf Ablehnung von Behandlungsaufträgen aufzeige. Der Kläger zu 2 sei auch nicht an Öffnungszeiten der Praxis gebunden, vielmehr könne er seine Patienten praktisch auch nachts um 4:00 Uhr behandeln. Er müsse sich lediglich den Schlüssel zum Zugang des Bürogebäudekomplexes aushändigen lassen. Die Absprache hinsichtlich der Belegung der Praxisräume sei eine Selbstverständlichkeit. Auch die Praxisinhaber müssten untereinander die Belegung absprechen. Deswegen werde der eine nicht gleich Angestellter des anderen. Mit Ausnahme des Nachweises der fachlichen Qualifikation unterliege der Kläger zu 2 in keiner Weise irgendeiner Weisung. Auch der am 8. Mai 2017 geschlossene Vertrag biete keinerlei Anhaltspunkte für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. In einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der vertraglichen Verhältnisse in ihrer tatsächlichen Ausprägung lasse sich daher nur feststellen, dass kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliege. Die Entscheidungspraxis der Beklagten sei angesichts der zuvor problemlosen jahrelangen Statusfeststellungsverfahren nicht nachvollziehbar. Der Hinweis auf eine "Einzelfallprüfung" könne nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Beklagte gleiche Sachverhalte unterschiedlich bewertete. An dem tatsächlichen Praxisablauf mit freien Mitarbeitern habe sich seit Jahren nichts geändert. Lediglich die vertragliche Grundlage sei im Sinne eines freien Mitarbeiterverhältnisses deutlicher formuliert worden.

    Der Kläger zu 2 führte zur Begründung seiner Klage aus, seine Tätigkeit bei der Klägerin zu 1 erfülle alle Voraussetzungen für eine freie Mitarbeit. Er sei selbstständiger Physiotherapeut und seine Tätigkeit setzte sich aus mehreren freiberuflichen Tätigkeitsfeldern zusammen, wobei er über eigene Praxisräume in H. verfüge, die als Privatpraxis geführt würden. Über eine Kassenzulassung verfüge er nicht. Insofern "miete" er sich in den Praxisräumlichkeiten sowohl der Klägerin zu 1 als auch bei der Krankengymnastikpraxis Gr. in H. ein. In der Praxis der Klägerin zu 1 erfolge der Erstkontakt mit den Patienten über eine Art Bestellpraxis. Interessierte Patienten riefen in der Praxis an und hinterließen eine Nachricht über ihren Behandlungswunsch auf dem Anrufbeantworter, wobei der Erstkontakt auch per Mail erfolgen könne. In den Behandlungspausen werde der "Posteingang bzw. Anrufbeantworter vom jeweiligen Physiotherapeuten abgehört und dann zugerufen". Der jeweilige Physiotherapeut vereinbare einen Termin mit dem Patienten, wenn er zeitlich zur Verfügung stehen könne. Hierbei könne er anhand eines Planes sehen, wann bereits andere Kollegen die Termine für die jeweiligen Räume eingetragen haben. Hiernach richte er sich und vereinbare die Termine nach seiner eigenen freien Zeit und solange die Räume noch nicht durch Kollegen belegt seien. Er nehme die Patienten sodann in Empfang und behandele sie, wobei er Behandlungswerkzeuge, wie eine mobile Behandlungsliege und Tapes selber mitbringe und zur Verfügung stelle. Die Folgebehandlungen würden direkt mit ihm vereinbart. Er habe einen eigenen Praxisschlüssel. Erkranke er arbeitsunfähig, setze er die Patienten persönlich in Kenntnis. Die Termine würden dann in Absprache mit den Patienten verlegt. Dies gelte auch für die Zeit des Urlaubs, wobei er in dieser Zeit keine Termine vereinbare. Eine Verpflichtung, im Falle der Arbeitsverhinderung von Kollegen deren Vertretung zu übernehmen, bestehe nicht. In die Arbeitsorganisation der Praxis der Klägerin sei er nicht eingebunden. Seine Dispositionsfreiheit sei lediglich durch den Belegungsplan der Behandlungsräume begrenzt. Seine Anwesenheitszeiten bestimme er selbst, ohne dies mit den Praxisinhabern abzusprechen. Er trage sein eigenes unternehmerisches Risiko, wenn Patienten absagten, nicht erschienen oder Behandlungen nicht bezahlten. Auch hafte er für seine eigenen Behandlungen und habe hierfür eine entsprechende Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen. Er unterliege keinerlei Weisungen der Klägerin zu 1. Lediglich die Abrechnung mit den Krankenkassen erfolge über das EDV-System der Praxis. Die Merkmale einer freien Beschäftigung ergäben sich auch ganz eindeutig aus dem mit der Klägerin zu 1 geschlossenen Vertrag.

    Die Beklagte trat der Klage entgegen und führte aus, für die Beurteilung, ob ein Beschäftigungsverhältnis vorliege, sei die Dauer des Auftragsverhältnisses und der Umfang der ausgeübten Tätigkeit unerheblich. Auch wenn der Auftragnehmer für mehrere Auftraggeber tätig sei, schließe dies im konkret zu beurteilenden Auftragsverhältnis das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses nicht aus. Vorliegend sollte nach dem Willen der Beteiligten ein Anstellungsverhältnis zwar ausdrücklich vermieden werden, dies könne das Zustandekommen einer Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne aber nicht verhindern, da die entsprechende Einordnung des jeweiligen Vertragsverhältnisses nicht der Disposition der Vertragsparteien unterliege. Physiotherapeuten, die ihre Leistungen in einer fremden, zur Leistungserbringung nach § 124 SGB V zugelassenen Praxis erbringen, seien in der Regel abhängig beschäftigt (Hinweis auf Bayerisches Landessozialgericht [LSG], Beschluss vom 13. Februar 2014 - L 5 R 1180/13 B ER -, Urteile vom 24. Januar 2006 - L 5 KR 185/04 - und 11. August 2008 - L 5 R 210/09 -; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteile vom 18. Juli 2012 - L 2 R 115/12 - und 24. September 2014 - L 1 KR 351/12 -). In seiner Entscheidung vom 24. März 2016 (a.a.O.) habe das BSG das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung für den entsprechenden Personenkreis bestätigt. Vorliegend lägen zwar auch Merkmale einer selbstständigen Tätigkeit vor, die Gesamtwürdigung spreche jedoch für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Zu erbringen habe der Kläger zu 2 als Auftragnehmer die Tätigkeit in einer fremden, zur Leistungserbringung nach § 124 SGB V zugelassenen Praxis. Nur der Auftraggeber trete nach außen hin als verantwortlicher Praxisbetreiber und gegenüber den Patienten als Heilmittelerbringer der jeweiligen Krankenkasse auf und rechne mit diesen ab. Soweit das BSG in seinem Urteil vom 29. November 2011 (3 RK 33/94) ausgeführt habe, dass die Abgabe von Heilmitteln durch freie Mitarbeiter eines zugelassenen Leistungserbringers zulässig sei, habe dieses Urteil lediglich die Befugnis eines zugelassenen Leistungserbringers betroffen, von einem freien Mitarbeiter in der Praxis erbrachte Leistungen abzurechnen, nicht aber die hier streitige Frage, ob ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis bestehe oder nicht. Entsprechend lasse auch die erwähnte Zulassungsempfehlung des GKV-Spitzenverbandes vom 22. Mai 2018 den Sachverhalt in keinem anderen Licht erscheinen. Soweit das BSG in der von der Klägerin zu 1 erwähnten Entscheidung vom 14. September 1989 (a.a.O.) eine freie Mitarbeit in einer Praxis nicht ausgeschlossen habe, habe es bereits deutlich gemacht, dass die rechtlichen Bindungen, die nach dem Zulassungsrecht zu beachten seien, ein Indiz dafür sein könnten, wie die Beziehungen zu den in der Praxis tätigen Mitarbeitern zu regeln seien. Die Vorgaben des Leistungserbringerrechts könnten zur Beurteilung des Bestehens eines Beschäftigungsverhältnisses daher nicht außer Acht gelassen werden. Nach den Regelungen in § 124 SGB V seien dem Auftraggeber die Verantwortung und Entscheidung für alle physiotherapeutischen Leistungen, die in seiner Praxis erbracht werden und die über ihn abgerechnet werden, zuzurechnen. Die rechtliche Ausgestaltung der Beziehung sei durch die zwingenden Vorgaben des Leistungserbringerrechts definiert, das dem Auftraggeber als zugelassenen Leistungserbringer die Verantwortung für die abgerechneten Leistungen zuweise. Dementsprechend komme der Klägerin zu 1 auch eine entscheidende Weisungs- und Entscheidungsbefugnis zu und der Auftragnehmer sei dadurch in die vorgegebene Arbeitsorganisation eingegliedert. Die Übernahme von Behandlungen des Klägers zu 2 für die Klägerin zu 1 in deren Räumen bedürfe Absprachen, wenngleich diese auch reibungslos erfolgten. Für die Tätigkeit des Klägers zu 2 stelle die Klägerin zu 1 die Arbeitsmittel, wie Massageliegen, Handtücher, Bestuhlung für die Wartezeit und ähnliches zur Verfügung und die Nutzung müsse abgesprochen werden. Die Praxis fungiere zudem überwiegend als Erstaufnahmestelle für den Kläger zu 2 und die Zuweisung der Patienten erfolge ebenso über die Praxis. Die Dauer und Art der Behandlung sei vom Leistungsanbieter nicht frei zu bestimmen, sondern ergebe sich aus den ärztlichen Verordnungen für die Patienten. Auch die Übernahme von Hausbesuchen erfolge im Interesse der Klägerin zu 1 und werde von dieser gegenüber den Krankenkassen abgerechnet. Dass der Kläger zu 2 hinsichtlich der therapeutischen Maßnahmen keine Weisungen erhalte, trete bei der Gesamtabwägung in den Hintergrund, da die Leistungen auf ärztliche Anordnung erbracht würden und bereits aus diesem Grund festgelegt seien. Zudem stünden dem Behandler im Bereich der medizinischen Berufe gewisse Spielräume zu. Bei qualifizierten und anspruchsvollen Tätigkeiten sei ein hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit und Selbstständigkeit gerade typisch. Der Kläger zu 2 trage in seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 1 kein besonderes Unternehmerrisiko. Er habe für den Betrieb der Praxis nicht aufzukommen und erhalte eine Vergütung nach den abgerechneten Rezepten. Wagniskapital habe er in diesem Zusammenhang nicht einzusetzen und er sei am wirtschaftlichen Erfolg der Praxis nicht beteiligt. Auch bestehe nicht die Gefahr, dass er für die von ihm geleistete Arbeit nicht bezahlt werde. Die eingesetzten eigenen Arbeitsmittel seien von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung bzw. auch bei angestellten Mitarbeitern üblich, wie bspw. ein eigenes Kfz, um den Weg zur Betriebsstätte zurückzulegen. Auch die eingeräumte Möglichkeit, Aufträge abzulehnen, definiere nicht das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit. Es erfolge keine Vermittlung eines selbstständig Tätigen, sondern die Überlassung einer weisungsgebundenen in die Betriebsorganisation der Auftraggeberin eingegliederten, also abhängig beschäftigten Person.

    Mit Urteil vom 28. November 2019 stellte das SG antragsgemäß unter Abänderung des Bescheids vom 27. November 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. April 2018 fest, dass der Kläger zu 2 in seiner Tätigkeit als Physiotherapeut bei der Klägerin zu 1 in der Zeit vom 16. Mai 2017 bis zum 30. Juni 2019 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag. Der Kläger zu 2 sei für die Klägerin zu 1 nicht im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung tätig geworden. Die für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Merkmale überwögen. Nach der vertraglichen Vereinbarung habe für den Kläger zu 2 keine Pflicht zur Erbringung einer Arbeitsleistung bestanden. Vielmehr habe er seine Arbeitszeit sowohl nach Umfang und Lage selbst bestimmen können und ihm angetragene Behandlungen von Patienten auch ohne Angabe von Gründen ablehnen können. Vertretungsregelungen für Krankheits- und Urlaubszeiten habe es nicht gegeben, so dass auch insoweit keine Einbindung in eine fremde Arbeitsorganisation erfolgt sei. Dass der Kläger zu 2 den Ort seiner Tätigkeit nicht frei habe wählen können, sondern entweder in der Praxis der Klägerin zu 1 oder bei Hausbesuchen vor Ort bei den Patienten tätig geworden sei, stehe dem nicht entgegen, da die Zulassung zur Erbringung von Leistungen der physikalischen Therapie an bestimmte Räumlichkeiten gebunden sei. Für eine selbstständige Tätigkeit des Klägers zu 2 spreche zudem, dass er über eine eigene Patientenkartei verfügt habe und durch die Ausgabe seiner Visitenkarten als selbstständiger Physiotherapeut in Erscheinung getreten sei, damit sich die Patienten bei späteren Behandlungen ohne Umwege über die Klägerin zu 1 an ihn direkt hätten wenden können. Soweit das BSG in seinem Urteil vom 24. März 2016 (a.a.O.) einen Anhaltspunkt für eine abhängige Beschäftigung darin gesehen habe, dass der Erstkontakt über die Praxis vermittelt worden sei, unterscheide sich die vorliegende Konstellation maßgeblich dadurch, dass der Erstkontakt zwischen dem Kläger zu 2 und den Patienten nicht ausschließlich über die Klägerin zu 1 hergestellt worden sei und die Klägerin jenes Verfahrens nicht über eine eigene Patientenkartei verfügt habe und am Markt nicht sichtbar gewesen sei. Die Abrechnungspraxis stelle lediglich ein Indiz für eine abhängige Beschäftigung dar, sie führe jedoch nicht zwingend zur Annahme einer Beschäftigung. Das von der Beklagten angenommene fehlende unternehmerische Risiko spreche nicht für eine abhängige Beschäftigung des Klägers zu 2, da auch betriebsmittelarme Tätigkeiten selbstständig ausgeführt werden könnten. Gegen eine selbstständige Tätigkeit spreche auch nicht der Umstand, dass der Kläger zu 2 stets einen Vergütungsanspruch gegen die Klägerin zu 1 erworben habe. Denn auch jeder niedergelassene Arzt habe für Behandlungen, die er an gesetzlich krankenversicherten Patienten durchführe, einen Honoraranspruch gegen die Krankenkassen. Nichts anderes gelte für niedergelassene Physiotherapeuten. Es müsse im Gegenteil entscheidend sein, dass der Kläger zu 2 nur dann einen Vergütungsanspruch erworben habe, wenn er tatsächlich Behandlungen durchgeführt habe. Denn die Arbeitsrealität von Selbstständigen werde dadurch geprägt, dass sie nur für durchgeführte Aufträge vergütet würden und weder im Krankheitsfall noch während des Urlaubs Lohnfortzahlung erhielten. An der Beurteilung ändere auch nichts, dass der Kläger zu 2 die Abrechnung auf die Klägerin zu 1 übertragen habe. Der Umstand, dass Absprachen im Hinblick auf die Nutzung der Räumlichkeiten hätten getroffen werden müssen, ergebe sich aus der Natur der Sache und spreche weder für noch gegen eine selbstständige Tätigkeit/Beschäftigung.

    Gegen das ihr am 9. Dezember 2019 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 8. Januar 2020 beim LSG Baden-Württemberg Berufung eingelegt und geltend gemacht, entgegen der Beurteilung des SG überwögen vorliegend die für eine Beschäftigung sprechenden Merkmale. Das SG gehe unzutreffend von einer fehlenden Eingliederung des Klägers zu 2 in die Arbeitsorganisation der Klägerin zu 1 aus. Der Kläger zu 2 habe entsprechend den ärztlichen Verordnungen die erforderliche Leistung aufgrund seines beruflichen Fachwissens erbracht. Hierbei handele es sich um einen Dienst höherer Art, der im Sinne einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe in der Arbeitsorganisation der Klägerin zu 1 erbracht worden sei. Zu widersprechen sei auch der Annahme des SG, dass sich die vorliegende Konstellation wesentlich von jener unterscheide, die dem Urteil des BSG vom 24. März 2016 (a.a.O.) zugrunde gelegen habe. Nach den übereinstimmenden Angaben der Kläger sei der Erstkontakt in der Regel über die Praxis entstanden, wobei bei neuen Patienten Telefonnummer und verordnete Behandlung aufgenommen und in einer Liste erfasst worden seien. Erst nach dem Erstkontakt sei von der Klägerin zu 1 geprüft worden, ob sie Behandlungen selbst erbringen könne und erst danach seien sie an den Kläger zu 2 weitergegeben worden. Dass er nach der Annahme selbst die weitere Terminabstimmung mit dem Patienten vorgenommen bzw. Folgetermine vereinbart habe, sei insoweit nicht mehr entscheidend. Entsprechendes gelte für die Weitergabe von Visitenkarten für die direkte Kontaktaufnahme mit ihm bei späteren Behandlungen. Der Kläger zu 2 habe zudem die Möglichkeit gehabt, über das Praxisverwaltungssystems Termine zu belegen. Das SG stelle selbst fest, dass die Abrechnungspraxis ein Indiz für eine abhängige Beschäftigung sei. Nach außen sei allein die Klägerin zu 1 in Erscheinung getreten, die die Abrechnung auch für die Behandlungen des Klägers zu 2 in ihrem Namen vorgenommen habe. Nicht entscheidungserheblich sei, dass der Kläger zu 2 in der Annahme oder Ablehnung eines Auftrags frei gewesen sei und über eine eigene Patientenkartei verfügt habe. Der Kläger zu 2 sei räumlich und zeitlich in den laufenden Betrieb der Praxis integriert gewesen und habe die Behandlungen in den Praxisräumen der Klägerin zu 1 unter Berücksichtigung des Belegungsplan vorgenommen. Dies erfordere eine Abstimmung untereinander und somit die Integration in die organisatorischen Abläufe der Praxis der Klägerin zu 1. Der Kläger zu 2 habe auch kein erhebliches Unternehmerrisiko getragen, da für die geleistete Arbeit eine erfolgsunabhängige Vergütung gezahlt worden sei.

    Die Beklagte beantragt,

    das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 28. November 2019 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

    Die Klägerin zu 1 beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.

    Der Kläger zu 2 beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Er hält die angefochtene Entscheidung gleichermaßen für richtig und hat auf seine Ausführungen im erstinstanzlichen Verfahren verwiesen.

    Der Senat hat die Bundesagentur für Arbeit mit Beschluss vom 4. Februar 2021 zu dem Verfahren beigeladen und die Kläger um eine nähere Konkretisierung der Arbeitsabläufe in der Praxis gebeten. Auf die Ausführungen der Klägerin zu 1 im Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 26. Februar 2012 nebst Anlagen (Bl. 59/75 Senatsakte) und des Klägers zu 2 in den Schriftsätzen seines Prozessbevollmächtigten vom 15. März 2021 (Bl. 84/89 Senatsakte), 13. April 2013 (Bl. 91 Senatsakte) und 6. Mai 2021 (Bl. 95 Senatsakte) wird insoweit verwiesen.

    Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

    Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Verfahrensakten des SG und des Senats sowie der Verwaltungsakte der Beklagten.

    Entscheidungsgründe
    1. Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligte gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist auch im Übrigen zulässig. Sie bedurfte nicht der Zulassung nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG; denn die Klage betrifft weder eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung noch einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt.

    2. Gegenstand des Rechtsstreits sind die Bescheide der Beklagten vom 27. November 2017 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 9. April 2018, mit denen die Beklagte zum einen gegenüber der Klägerin zu 1 und zum anderen gegenüber dem Kläger zu 2 entschied, dass der Kläger zu 2 seine Tätigkeit als Physiotherapeut für die Klägerin zu 1 seit 16. Mai 2017 im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses ausübte und dementsprechend Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand. Auch das SG ging ersichtlich davon aus, dass Streitgegenstand die beiden im Wesentlichen inhaltsgleichen Bescheide der Beklagten vom 27. November 2017, jeweils in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 9. April 2018 sind. Denn ausweislich des Tatbestands im Urteil vom 28. November 2019 führte es auf Seite 5 und 6 aus, dass die Beklagte nach Anhörung der Beteiligten "mit Bescheiden" vom 27. November 2017 feststellte, dass der Kläger der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliege und die Kläger "Widersprüche" erhoben, die die Beklagte mit "Widerspruchsbescheiden" vom 9. April 2018 zurückwies. Entsprechend führte es auch in den Entscheidungsgründen Seite 7 aus, dass die genannten "Bescheide" der Beklagten in der Gestalt der genannten "Widerspruchsbescheide " rechtswidrig seien und die Kläger in ihren Rechten verletzten. Soweit das SG ausweislich des Urteilstenors daher lediglich eine Änderung "des Bescheids" der Beklagten vom 27. November 2017 und "des Widerspruchsbescheids" vom 9. April 2018 verfügte, geht der Senat davon aus, dass eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 138 Satz 1 SGG vorliegt und das SG über beide Bescheide vom 27. November 2017 jeweils in der Gestalt der jeweiligen Widerspruchsbescheide vom 9. April 2018 entschied.

    Die vom SG mit Beschluss vom 29. Juni 2018 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen der Klägerin zu 1 und des Klägers zu 2 waren als Anfechtungs- und Feststellungsklagen (vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) zulässig.

    3. Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hätte die Bescheide der Beklagten vom 27. November 2017, jeweils in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 9. April 2018 (§ 95 SGG) nicht aufheben und feststellen dürfen, dass der Kläger zu 2 in seiner Tätigkeit als Physiotherapeut bei der Klägerin zu 1 in der Zeit vom 16. Mai 2017 bis zum 30. Juni 2019 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag. Denn die genannten Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Beklagte ging zutreffend davon aus, dass der Kläger zu 2 seine Tätigkeit als Physiotherapeut für die Klägerin zu 1 in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausübte und in dieser Beschäftigung Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand.

    a) Nach § 7a Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach § 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hat im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Die Beklagte entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs. 2 SGB IV). Das Verwaltungsverfahren ist in Absätzen 3 bis 5 der Vorschrift geregelt. § 7a Abs. 6 SGB IV regelt in Abweichung von den einschlägigen Vorschriften der einzelnen Versicherungszweige und des SGB IV den Eintritt der Versicherungspflicht (Satz 1) und die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Satz 2). Mit dem rückwirkend zum 1. Januar 1999 durch das Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20. Dezember 1999 (BGBl. 2000 I, S. 2) eingeführten Anfrageverfahren soll eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit der Klärung der Statusfrage erreicht werden; zugleich sollen divergierende Entscheidungen verhindert werden (Bundestags-Drucksache 14/1855, S. 6).

    Die Beklagte war für die vom Kläger zu 2 beantragte Feststellung zuständig, weil für die streitige Zeit zum Zeitpunkt der Antragstellung am 15. Juni 2017 kein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet war. Entsprechende Anhaltspunkte liegen nicht vor. Etwas Gegenteiliges wird von den Beteiligten auch nicht behauptet.

    b) Versicherungspflichtig sind in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) und in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

    Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem nach Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft sowie die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 29. August 2012 - B 12 KR 25/10 R - juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 30. April 2013 - B 12 KR 19/11 R - juris, Rn. 13; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - B 12 KR 17/11 R - juris, Rn. 23 -, BSG, Urteil vom 30. März 2015 - B 12 KR 17/13 R - juris, Rn. 15 - jeweils m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der anhand dieser Kriterien häufig schwierigen Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit: Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Nichtannahmebeschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96 - juris, Rn. 6 ff.). Maßgebend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R - juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 29. August 2012 - B 12 KR 25/10 R - juris, Rn. 15 f.; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - B 12 KR 17/11 R - juris, Rn. 23 ff. - jeweils m.w.N.).

    Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteil vom 8. Dezember 1994 - 11 RAr 49/94 - juris, Rn. 20). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von den Vereinbarungen abweichen (BSG, Urteil vom 1. Dezember 1977 - 12/3/12 RK 39/74 - juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 4. Juni 1998 - B 12 KR 5/97 R - juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 10. August 2000 - B 12 KR 21/98 R - juris, Rn. 17 - jeweils m.w.N.). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu insgesamt BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R - juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 29. August 2012 - B 12 KR 25/10 R - juris, Rn. 16).

    c) Ausgehend von diesen Grundsätzen war der Kläger zu 2 bei der Klägerin zu 1 in der Zeit vom 16. Mai 2017 bis 30. Juni 2019 abhängig beschäftigt.

    aa) Ausgangspunkt für die rechtliche Bewertung sind die im Folgenden dargestellten Umstände, die der Senat aufgrund des Gesamtinhalts des Verfahrens, insbesondere den Regelungen des zwischen den Klägern geschlossenen Vertrags über freie Mitarbeit vom 8. Mai 2017 sowie den Angaben der Klägerin zu 1 und des Klägers zu 2 im Rahmen des Verwaltungs-, Klage- und Berufungsverfahrens feststellt.

    Der Kläger zu 2 war vom 16. Mai 2017 bis 30. Juni 2019 als Physiotherapeut in der von der Klägerin zu 1 betriebenen Praxis für Krankengymnastik tätig. Die Klägerin zu 1 verfügt über eine Zulassung zur Versorgung der in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten mit physiotherapeutischen Leistungen bei einer maximalen Belegungskapazität von fünf Physiotherapeuten. Die Praxis verfügt über sechs Behandlungsräume mit einer entsprechenden Ausstattung, wie Behandlungsliegen, Lagerungsmaterial, Trainingsgeräte etc. Besondere Behandlungsarten, wie bspw. Heißluft- oder Schlingentischbehandlungen werde nur in bestimmten Behandlungsräumen durchgeführt. Im streitigen Zeitraum waren in der Praxis der Klägerin zu 1 als Physiotherapeuten die Gesellschafter G. und Sch. jeweils in Vollzeit, darüber hinaus der Kläger zu 2 sowie weitere vier bzw. fünf Physiotherapeuten (vgl. Terminplan vom 17. Januar 2019; Bl. 64 Senatsakte) als sog. freie Mitarbeiter tätig. Die Klägerin zu 1 beschäftigte keine Rezeptionsmitarbeiter.

    Rechtliche Grundlage der Tätigkeit des Klägers zu 2 war der mit der Klägerin zu 1 geschlossene "Vertrag über freie Mitarbeit" vom 8. Mai 2017. Danach führte der Kläger zu 2 für die Klägerin zu 1 physiotherapeutische Behandlungen an den Patienten der Klägerin zu 1 durch (§ 3 Satz 1 des Vertrages). Die Behandlungen erfolgten zu einem weit überwiegenden Teil in den Räumlichkeiten der Klägerin zu 1 und lediglich zu einem geringfügigen Teil (ca. zwei bis fünf Prozent laut Schätzung des Klägers zu 2) im Rahmen von Hausbesuchen im häuslichen Bereich der Patienten.

    Die Vergabe von Behandlungsterminen erfolgte dergestalt, dass potentielle Patienten, die sich in der Praxis meldeten und um einen Termin nachsuchten, von dem Physiotherapeuten, der das Gespräch entgegennahm, zunächst mit Telefonnummer und der entsprechenden Heilmittelverordnung in eine Liste eingetragen wurden. Befanden sich alle anwesenden Therapeuten in der Behandlung, wurden Anrufe durch einen Anrufbeantworter entgegengenommen. Dieser wurde im Regelfall von demjenigen abgehört, der hierzu in einer Behandlungspause Zeit fand. Dies konnte einer der Praxisinhaber oder ein sog. freier Mitarbeiter sein. Eine feste Regelung hierzu gab es nicht. Soweit ein sofortiger Rückruf nicht möglich war, wurde der Anrufer auf der genannten Liste notiert. Bei der Verteilung der Patienten auf die jeweiligen Physiotherapeuten wurde zunächst einem ausdrücklich geäußerten Wunsch nach einem bestimmten Therapeuten Rechnung getragen. Im Übrigen überprüften zunächst die Praxisinhaber G. und Sch., ob sie die Behandlung im Hinblick auf ihre fachlichen Qualifikationen und ihre freien Kapazitäten persönlich übernehmen konnten. War dies nicht der Fall, wurden die Behandlungen nach einer weiteren Prüfung, welcher Physiotherapeut angesichts seiner Qualifizierung hierfür infrage kam, den entsprechenden sog. freien Mitarbeitern angeboten, und zwar abhängig von deren freier Zeitkapazität oder ggf. Urlaubsabwesenheiten. Entschied sich ein Physiotherapeut, eine bestimmte Behandlung zu übernehmen, setzte er sich unmittelbar mit dem Patienten in Verbindung und vereinbarte mit diesem einen konkreten Behandlungstermin. Unabhängig hiervon setzten sich Wiederholungspatienten unter Umständen auch direkt mit dem jeweiligen Physiotherapeuten in Verbindung. Entsprechend wandten sich Patienten, denen der Kläger zu 2 anlässlich einer vorausgegangenen Behandlung zur Kontaktaufnahme seine private Handynummer mitgeteilt hatte, auf diesem Weg auch unmittelbar an den Kläger zu 2. In diesem Fall machte er bei Annahme des Telefonats mit dem Patienten unmittelbar einen Termin aus oder nachfolgend anlässlich eines entsprechenden Rückrufs. Eine gesonderte Information an die Klägerin zu 1 erfolgte in den Fällen der direkten Kontaktaufnahme nicht. Nach Schätzung des Klägers zu 1 betrug der Anteil an Wiederholungspatienten oder Patienten, die auf Empfehlung eine Behandlung durch ihn wünschten ca. zehn bis 20 %.

    In der Praxis wurde die Verteilung der Behandlungsräume nicht über einen Raumbelegungsplan organisiert. Vielmehr wurde über das Organisationsprogramm der Praxis ein Terminplan geführt, in dem die einzelnen Therapeuten in der für sie vorgesehenen Spalte Termine nach Uhrzeit und Art der Behandlung eintrugen. Hierdurch wurden einerseits Überschneidungen für Behandlungen vermieden, die nur in bestimmten Räumen möglich waren (bspw. Schlingentisch) und andererseits gewährleistet, dass die zugelassene maximale Belegung der Praxis mit fünf Therapeuten nicht überschritten wurde. Auf den beispielhaft vorgelegten Terminplan vom 17. Januar 2018 (Bl. 64 Senatsakte) wird insoweit Bezug genommen. Die Verteilung der einzelnen Behandlungsräume unter den im Terminplan eingetragenen Therapeuten erfolgte dann jeweils ad hoc.

    Soweit der Kläger zu 2 Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen behandelt hatte, zog er die von diesen zu leistenden Zuzahlungen ein und verbuchte diese im Abrechnungssystem der Praxis.

    Die Abrechnung der vom Kläger zu 2 durchgeführten Behandlungen mit den Krankenkassen erfolgte über das Abrechnungssystem der Praxis durch G. und Sch. Auch die Rechnungsstellung und das Forderungsmanagement gegenüber den Privatpatienten erfolgte durch die Praxisinhaber. Die Klägerin zu 1 zahlte dem Kläger zu 2 für die Behandlung ihrer Patienten eine Vergütung in Höhe von 70 % der durch die gesetzlichen Krankenkassen oder Privatpatienten tatsächlich geleisteten Vergütungen (§ 4 Satz 1 des Vertrages). Für durchgeführte Behandlungen, die im Einzelfall von den Kostenträgern nicht vergütet wurden, zahlte die Klägerin zu 1 dem Kläger zu 2 keine Vergütung (§ 4 Satz 2 des Vertrages). Die erbrachten Behandlungen stellte der Kläger zu 2 der Klägerin zu 1 jeweils monatlich in einem Gesamtbetrag in Rechnung. Grundlage dessen war die für den Kläger zu 2 erstellte "Mitarbeiterabrechnung", in der die vom Kläger zu 2 jeweils erbrachten Leistungen nach Anzahl, Einzelpreis, Vergütungssatz, entsprechendem Zahlbetrag und einer Endsumme ausgewiesen waren.

    Im Falle einer Arbeitsunfähigkeit informierte der Kläger zu 2 die Klägerin zu 1 und sagte bereits vereinbarte Termine - soweit ihm dies möglich war - gegenüber den jeweiligen Patienten ab und vereinbarte einen neuen Termin. Eine entsprechende Handhabung erfolgte für Urlaubstage, soweit der Kläger zu 2 an diesen bereits Termine vereinbart hatte.

    Im Hinblick auf seine Tätigkeit für die Klägerin zu 1 trat der Kläger zu 2 nicht werbend auf. So war der Kläger zu 2 nicht auf dem Praxisschild der Klägerin zu 1 aufgeführt und auch nicht in deren Internetauftritt (www.krankengymnastik-grulerschumacher.de) erwähnt. Als für die Klägerin zu 1 tätige Physiotherapeuten wurden jeweils ausschließlich G. und Sch. namentlich aufgeführt. Mit der vom Kläger zu 2 unterhaltenen Internetseite (www.biophysiotherapie.de) trat er werbend ausschließlich als Praxisinhaber für seine eigene Privatpraxis in H. in Erscheinung. Auch die vom Kläger zu 2 auf dem Tresen der Praxis der Kläger zu 1 ausgelegten Visitenkarten wiesen ihn ausschließlich als Inhaber der "Privatpraxis für Biokybernetische Physiotherapie" in H. aus. Aufgeführt ist dort lediglich die Praxisanschrift in H. mit der entsprechenden telefonischen und elektronischen Erreichbarkeit (vgl. Bl. 87/88 Senatsakte).

    bb) Vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen ist der Senat unter Berücksichtigung der vorliegenden Umstände des Einzelfalles zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger zu 2 im Rahmen seiner Tätigkeit als Physiotherapeut im Zeitraum vom 16. Mai 2017 bis 30. Juni 2019 in einem Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin zu 1 stand und der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

    Für die Beurteilung ist auf die jeweiligen Einzeleinsätze des Klägers zu 2 abzustellen. Nach der vertraglichen Vereinbarung zwischen den Klägern und ihrem übereinstimmenden Vorbringen führte der Kläger zu 2 physiotherapeutische Behandlungen für die Klägerin zu 1 an deren Patienten durch, ohne zu einer Behandlungsübernahme verpflichtet gewesen zu sein. Er konnte ohne Angabe von Gründen im Einzelfall die Übernahme von ihm angebotenen Behandlungen ablehnen. Bei derartigen vertraglichen Beziehungen, denen ein sog. Rahmenvertrag zugrunde liegt, der die allgemeine Grundlage für die Abwicklung einzelner Aufträge enthält, ist jeweils auf die Verhältnisse abzustellen, die nach Annahme des einzelnen Auftrags während dessen Durchführung bestehen (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteil vom 18. November 2015 - B 12 KR 16/13 R - juris, Rn. 19 sowie Urteile vom 4. Juni 2019, a.a.O.; so auch BSG, Urteil vom 24. März 2016, a.a.O., hinsichtlich einer Physiotherapeutin ohne eigene Zulassung zur Leistungserbringung). Soweit die Kläger daher übereinstimmend geltend gemacht haben, der Kläger zu 2 habe seine Tätigkeit frei und unabhängig selbst bestimmen können, weil er sich zu Behandlungen von Patienten der Klägerin zu 1 bereit erklären konnte, es für ihn jedoch keine Verpflichtung geben habe, bestimmte oder eine bestimmte Anzahl von Behandlungen zu übernehmen, lässt sich hieraus kein Gesichtspunkt herleiten, der für die Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit spricht.

    (1) Maßgebliches Indiz für eine abhängige Beschäftigung des Klägers zu 2 bei der Klägerin zu 1 ist vorliegend seine Eingliederung in die Organisationsstruktur der Klägerin zu 1. Der Kläger zu 2 behandelte im Rahmen seiner Tätigkeit im wesentlichen Patienten der Klägerin zu 1, deren Behandlung ihm seitens der Klägerin zu 1 angetragen wurde. Der erste Kontakt eines Patienten kam jeweils über die Klägerin zu 1 zu Stande. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger zu 2 bereits zu Beginn seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 1 in einem relevanten Umfang über "eigene" Patienten verfügte, die er in der Praxis der Klägerin zu 1 behandelte, sieht der Senat nicht. Im Zusammenhang mit seiner Tätigkeitsaufnahme bei der Klägerin zu 1 in Mannheim (16. Mai 2017) mietete der seinerzeit in Ha. wohnhafte Kläger zu 2 zum 1. Mai 2017 auch noch in H. Praxisräume für eine sodann eröffnete Privatpraxis für Biokybernetische Physiotherapie an, so dass für den Senat keine Hinweise darauf erkennbar sind, dass der seinerzeit 32-jährige Kläger gerade im Standortbereich der Klägerin zu 1 in M. bereits über einen eigenen Patientenstamm in einem relevanten Umfang verfügte, für deren Behandlung er sich Räumlichkeiten in der Praxis der Klägerin zu 1 bediente. Entsprechendes hat der Kläger zu 2 selbst auch nicht behauptet. Soweit er im Rahmen seiner Ausführungen gegenüber dem Senat den prozentualen Anteil der Patienten, die ihn erneut in Anspruch genommen (wiederkehrende Patienten) bzw. auf Empfehlung eine Behandlung durch ihn gewünscht hätten (Empfehlungspatienten) auf 10 bis 20 % eingeschätzt hat, geht der Senat daher davon aus, dass es sich hierbei im Wesentlichen um Patienten handelt, die im Rahmen einer ersten Kontaktaufnahme mit der Klägerin zu 1 an den Kläger zu 2 weitergeleitet wurden und schließlich durch ihn behandelt wurden. Das Zustandekommen des Therapeuten-/Patientenkontakts stellt sich insoweit nicht anders dar als im Falle von beschäftigten Physiotherapeuten. Auch diese werden von Patienten bei wiederholter Inanspruchnahme von physiotherapeutischen Leistungen oder aufgrund von Empfehlungen konkret nachgefragt.

    Der Kläger zu 2 war nach Übernahme einer ihm angetragenen Behandlung in die Ordnung des Betriebs der Klägerin zu 1 eingegliedert. So nutzte er die in der Praxis der Klägerin zu 1 vorgehaltene Ausstattung und dabei zur Durchführung der übernommenen Behandlungen insbesondere die für die angebotenen verschiedenen Behandlungsarten ausgestatteten Behandlungsräume. Er nutzte die Telefonanlage zur Vereinbarung von Terminen mit den Patienten und darüber hinaus die vorgehaltene EDV-Ausstattung mit dem Praxisverwaltungsprogramm, insbesondere den elektronisch geführten Terminplan. Insoweit war er in die Arbeitsabläufe der Praxis und deren Organisation eingebunden. Denn zur Koordinierung der Belegung der einzelnen Behandlungsräume und zur Sicherstellung der maximalen Belegungskapazität von fünf Therapeuten war es erforderlich, dass sich sämtliche in der Praxis tätigen Physiotherapeuten mit den vereinbarten Terminen in den Terminplan eintrugen. Nur so war sichergestellt, dass freie Kapazitäten erkennbar waren und an Patienten nur Termine vergeben wurden, an denen freie Behandlungsräume auch tatsächlich zur Verfügung standen. Der Kläger zu 2 verfügte in der Praxis der Klägerin zu 1 nicht über eigene Behandlungsräume, die er jederzeit ohne weiteres und ohne Abstimmung mit anderen in der Praxis tätigen Physiotherapeuten für die Durchführung seiner Behandlungen hätte in Anspruch nehmen können. Er war daher zweifellos eingebunden in die Organisationsstruktur und Arbeitsabläufe der Praxis, in der neben den Praxisinhabern G. und Sch. vier bzw. fünf weitere Physiotherapeuten tätig waren. Bereits angesichts der maximalen Belegungskapazität von gleichzeitig fünf Physiotherapeuten war daher zwingend eine Abstimmung untereinander erforderlich, gleichermaßen aber auch im Hinblick darauf, dass bestimmte Behandlungsarten, wie bspw. Schlingentischbehandlungen nur in bestimmten Behandlungsräumen durchgeführt werden konnten.

    Der Kläger zu 2 trat im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 1 nach außen "am Markt" nicht als in eigener Praxis tätiger Physiotherapeut in Erscheinung. Er war weder auf dem Praxisschild der Klägerin zu 1 als Erbringer von physiotherapeutischen Leistungen aufgeführt noch im Internetauftritt der Klägerin zu 1 als solcher namentlich genannt oder bildlich dokumentiert. Werbend trat der Kläger zu 2 ausschließlich mit seiner Privatpraxis für Biokybernetische Physiotherapie auf, zum einen durch seinen Internetauftritt und zum anderen durch das Auslegen von Visitenkarten in der Praxis der Klägerin zu 1, in denen auf seine Privatpraxis in H. hingewiesen wurde. Weder sein Internetauftritt noch seine Visitenkarten lassen ansatzweise erkennen, dass er als selbstständig tätiger Physiotherapeut in den Praxisräumen der Klägerin zu 1 physiotherapeutische Leistungen erbrachte.

    Darüber hinaus erfolgte die Abrechnung der vom Kläger zu 2 durchgeführten Behandlungen mit den Krankenkassen bzw. die Rechnungsstellung gegenüber den Privatpatienten durch die Klägerin zu 1 über das von ihr vorgehaltene Abrechnungssystem.

    Die obigen Darlegungen machen die Eingliederung des Klägers zu 2 in die betriebliche Ordnung der Klägerin zu 2 hinreichend deutlich. Aus der vertraglichen Vereinbarung in § 2 Satz 2 des zwischen den Klägern geschlossenen Vertrags, wonach eine Eingliederung in den Praxisbetrieb nicht stattfinde, lässt sich daher keine abweichende Beurteilung herleiten. Vielmehr widerspricht diese vertragliche Bestimmung - wie die obigen Ausführungen aufzeigen - ganz offensichtlich den Verhältnissen wie sie der Beziehung zwischen der Klägerin zu 1 und dem Kläger zu 2 zugrunde lagen und tatsächlich praktiziert wurden. Sie können der vorliegend zu treffenden Beurteilung daher nicht zugrunde gelegt werden.

    Der Senat geht ebenso wie das BSG und ihm folgend die Beteiligten davon aus, dass auch Physiotherapeuten, die nicht zur Leistungserbringung im System der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassen sind, ihre Leistungen im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit erbringen können (so insbesondere BSG, Urteil vom 23. März 2016, a.a.O., juris, Rn. 25). Die Abgrenzung zwischen Beschäftigung und Selbstständigkeit erfolgt nämlich nicht abstrakt für bestimmte Berufs- und Tätigkeitsfelder. Deshalb ist es durchaus möglich, dass ein und derselbe Beruf, je nach konkreter Ausgestaltung der vertraglichen Grundlagen in ihrer gelebten Praxis, entweder in Form der Beschäftigung oder als selbstständige Tätigkeit ausgeübt werden kann. Maßgeblich sind stets die konkreten Umstände des individuellen Sachverhalts. Angesichts dessen misst der Senat dem Umstand, dass die vom Kläger zu 2 erbrachten physiotherapeutischen Leistungen durch ihn nicht abrechnungsfähig sind und nur durch die Klägerin zu 1 als zugelassene Leistungserbringerin gegenüber den Krankenkassen geltend gemacht werden können, eine nur untergeordnete Bedeutung bei.

    Soweit die Kläger im Rahmen des geschlossenen Vertrags über freie Mitarbeit vereinbart haben, dass der Kläger zu 2 im Rahmen seiner Tätigkeit nicht weisungsgebunden sei, er vielmehr in jeglicher Art und Weise selbstverantwortlich handele (vgl. § 2 Satz 6 des Vertrages), steht die insoweit vereinbarte Weisungsfreiheit der Eingliederung des Klägers zu 2 in den Betrieb der Klägerin zu 1 nicht entgegen. Denn die Weisungsgebundenheit und die Eingliederung in den Betrieb stehen weder in einem Rangverhältnis zueinander noch müssen sie stets kumulativ vorliegen. Eine Eingliederung geht auch nicht zwingend mit einem umfassenden Weisungsrecht einher. Die in § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV genannten Merkmale sind schon nach dem Wortlaut der Vorschrift nur "Anhaltspunkte" für eine persönliche Abhängigkeit, also im Regelfall typische Merkmale einer Beschäftigung, jedoch keine abschließenden Bewertungskriterien. So führte das BSG bereits 1962 im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zu Chefärzten aus, dass das Weisungsrecht insbesondere bei sog. Diensten höherer Art, wobei man heute von Hochqualifizierten oder Spezialisten sprechen würde, aufs stärkste eingeschränkt sein könne. Dennoch könne die Dienstleistung in solchen Fällen fremdbestimmt sein, wenn sie ihr Gepräge von der Ordnung des Betriebes erhalte, in deren Dienst die Arbeit verrichtet werde. Die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers verfeinere sich in solchen Fällen zur "funktionsgerechten, dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess". Dieses Kriterium der Weisungsgebundenheit habe der Gesetzgeber wie das der Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers in § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV ausdrücklich aufgegriffen (BSG, Urteile vom 4. Juni 2019, B 12 R 12/18 R - juris, Rn. 29; B 12 KR 14/18 R - juris, Rn. 34; B 12 R 22/18 R - juris, Rn. 30). Vor diesem Hintergrund steht auch der Umstand, dass der Kläger zu 2 seine physiotherapeutischen Leistungen im Wesentlichen weisungsfrei in eigener Verantwortlichkeit erbringt, der Annahme einer Beschäftigung nicht entgegen.

    (2) Erhebliche Indizien, die für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit sprechen, vermag der Senat nicht zu erkennen.

    Der Kläger zu 2 trug im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Klägerin zu 1 kein nennenswertes, das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägendes Unternehmerrisiko, was im Rahmen der Würdigung des Gesamtbildes zu beachten ist (BSG, Beschluss vom 16. Oktober 2010 - B 12 KR 100/09 B - juris, Rn. 10; ständige Rechtsprechung des Senats, z.B. Urteil vom 8. Juli 2016 - L 4 R 4979/15 - juris, Rn. 46). Maßgebliches Kriterium für ein solches Risiko eines Selbstständigen ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der tatsächlichen und sächlichen Mittel also ungewiss ist (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 - B 12 KR 13/07 R - juris). Aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft gegebenenfalls nicht verwerten zu können, folgt kein Unternehmerrisiko bezüglich der einzelnen Einsätze (BSG, Urteil vom 18. November 2015 - B 12 KR 16/13 R - juris, Rn. 36). Vorliegend trug der Kläger zu 2 kein relevantes Verlustrisiko. Seine Tätigkeit für die Klägerin zu 1 erforderte keine relevanten Betriebsmittel und seine Arbeitskraft setzte er nicht mit der Gefahr des Verlustes ein. So erhielt er für die erbrachten Behandlungsleistungen eine Vergütung in Höhe von 70 % der von der Klägerin zu 1 abgerechneten Vergütungen mit den gesetzlichen Krankenkassen und der Privatpatienten. Das Risiko, nicht wie gewünscht arbeiten zu können, weil Behandlungsmöglichkeiten anderweitig vergeben wurden, stellt kein Unternehmerrisiko dar, sondern eines, das auch jeden Arbeitnehmer trifft, der nur Zeitverträge bekommt oder auf Abruf arbeitet und nach Stunden bezahlt wird oder unständig Beschäftigter ist (vgl. Senatsurteile vom 23. Januar 2004 - L 4 KR 3083/02 - juris, Rn. 20 und 27. März 2015 - L 4 R 5120/13 - nicht veröffentlicht). Es muss deshalb ein Wagnis bestehen, das über dasjenige hinausgeht, kein Entgelt zu erzielen. Zum echten Unternehmerrisiko wird dieses Risiko deshalb regelmäßig erst, wenn bei Arbeitsmangel nicht nur kein Einkommen oder Entgelt aus Arbeit erzielt wird, sondern zusätzlich auch Kosten für betriebliche Investitionen und/oder Arbeitnehmer anfallen oder früher getätigte Investitionen brachliegen (Senatsurteile vom 23. Januar 2004 - L 4 KR 3083/02 -, 27. März 2015 - L 4 R 5120/13 - a.a.O. und 18. Mai 2018 - L 4 KR 3961/15 - juris, Rn. 52; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Dezember 2009 - L 16 R 5/08 - juris, Rn. 38). Dies war bei dem Kläger zu 2 nicht der Fall. Er verfügte in der Praxis der Klägerin zu 1 weder über eigene von ihm zu unterhaltende Räumlichkeiten noch beschäftigte er im Rahmen seiner Tätigkeit eigene Mitarbeiter. Für seine Tätigkeit setzte er auch keine Betriebsmittel ein, die zu einem unternehmerischen Risiko führen würden. So verfügte er lediglich über eine portable Liege, Kinesiotape und weitere nicht näher bezeichnete Behandlungswerkzeuge, weshalb sich deren Brachliegen nicht als Verwirklichung eines echten Unternehmensrisikos darstellt. Dies schon deshalb nicht, weil der Kläger zu 2 unabhängig von seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 1 - wie dargelegt - eine Privatpraxis unterhält, in der er diese Mittel gleichermaßen zum Einsatz bringen kann. Auch die Unterhaltung eines Kraftfahrzeugs bedingt kein unternehmerisches Risiko. Kraftfahrzeuge zur Erreichung des Arbeitsplatzes werden regelhaft auch von Beschäftigten unterhalten.

    Soweit der Kläger zu 2 im Hinblick auf § 4 Abs. 2 des Vertrages über freie Mitarbeit für die von ihm erbrachten Behandlungen von der Klägerin zu 1 dann keine Vergütung beanspruchen konnte, wenn diese ihrerseits von den gesetzlichen Krankenkassen oder den Privatpatienten keine Vergütung erhielt, handelt es sich zwar um eine für eine abhängige Beschäftigung untypische Vereinbarung, die für den Kläger zu 2 das Risiko begründete, für erbrachte Behandlungen keine Vergütung zu erhalten. Ein echtes Unternehmerrisiko liegt darin jedoch nicht, da diesem Risiko keine zusätzlichen Kosten für brachliegende betriebliche Investitionen gegenüberstanden. Auch größere Verdienstchancen bestanden nicht (vgl. BSG, Urteil vom 31. März 2017 - B 12 KR 16/14 R - juris, Rn. 33 m.w.N.).

    Ein solches Unternehmensrisiko lässt sich schließlich auch nicht aus der vom Kläger zu 2 abgeschlossenen Berufshaftpflichtversicherung herleiten. Denn solcher Versicherungen zur Absicherung der mit der Erbringung von physiotherapeutischen Leistungen verbundenen Risiken bedienen sich durchaus auch Physiotherapeuten in einem Beschäftigungsverhältnis. Im Übrigen begründet eine den Kläger zu 2 treffende Gefahr der Haftung für durch schuldhaftes Verhalten entstandene Schäden beim Unternehmerrisiko (BSG, Urteil vom 23. März 2021 - B 12 R 151/19 R - juris, Rn. 29).

    Soweit die Klägerin zu 1 darauf hingewiesen hat, dass dem Einsatz eigenen Kapitals im Dienstleistungssektor eine geringere Bedeutung als bspw. im verarbeitenden Gewerbe zukomme, trifft insoweit zu, als der Einsatz eigenen Kapitals bzw. eigener Betriebsmittel keine notwendige Voraussetzung für eine selbständige Tätigkeit ist (BSG, Urteil vom 27. März 1980 - 12 RK 26/79 - juris, Rn. 23), weil anderenfalls geistige oder andere betriebsmittelarme Tätigkeiten nie selbständig ausgeübt werden könnten (vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - B 12 R 3/12 R - juris, Rn. 25; Urteil des Senats vom 16. April 2016 - L 4 KR 1612/15 - juris, Rn. 95). Allerdings handelt es sich bei der Tätigkeit eines Physiotherapeuten nicht um eine solche Tätigkeit, da deren Ausübung im Allgemeinen die Unterhaltung von Räumlichkeiten sowie eine umfangreiche sächliche Ausstattung erfordert, um eine adäquate Behandlung der Patienten zu gewährleisten.

    Für eine selbstständige Tätigkeit spricht der Umstand, dass der Kläger zu 2 seine Behandlungstermine in zeitlicher Hinsicht unter Berücksichtigung der Interessen der Patienten im Wesentlichen frei bestimmen konnte, eine eigene Patientenkartei führte, im Falle seiner Verhinderung, sei es durch Krankheit oder Urlaub, selbst für einen Ersatztermin sorgen musste, er im Rahmen seiner Behandlungen Kinesiotape einsetzte, das er selbst beschaffte, und bei Hausbesuchen auf seine eigene portable Liege sowie weitere eigene Behandlungswerkzeuge zurückgriff.

    Für eine selbständige Tätigkeit kann darüber hinaus zwar auch der in dem geschlossenen "Vertrag über freie Mitarbeit" klar formulierte Wille der Beteiligten sprechen, keine abhängige Beschäftigung zu begründen. Allerdings kommt es auf eine entsprechende vertragliche Abrede nur dann entscheidend an, wenn die tatsächlichen Umstände in etwa gleichermaßen für eine Selbstständigkeit oder für eine Beschäftigung sprechen (BSG, Urteil vom 14. März 2018 - B 12 R 3/17 R - juris, Rn. 13; Urteil vom 26. Januar 1982 - 12 BK 44/81 - juris, Rn. 3). Dies ist vorliegend aber nicht der Fall. Ohnehin entsprach die vertragliche Vereinbarung, wonach eine Eingliederung des Klägers zu 2 in den Praxisbetrieb nicht stattfinde, nicht der tatsächlich gelebten und praktizierten Beziehung.

    Relevante weitere, für eine selbständige Tätigkeit sprechende Gesichtspunkt sind nicht ersichtlich. Indiz für eine selbständige Tätigkeit kann zwar sein, dass arbeitnehmertypische Ansprüche auf Urlaub und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nicht vereinbart waren, allerdings ist das Fehlen solcher Ansprüche als Vertragsgestaltung konsequent, wenn beide Seiten eine selbständige freie Mitarbeit wollen (etwa Senatsbeschluss vom 20. August 2015 - L 4 R 861/13 - juris, Rn. 67 m.w.N.). Angesichts dessen lässt sich auch aus dem Umstand, dass die Beteiligten im "Vertrag über freie Mitarbeit" Ansprüche auf Urlaub und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ausdrücklich ausschlossen (vgl. § 4) und aus § 5 zu schließen ist, dass der Kläger zu 2 selbst für eine ausreichende Sozialversicherung zu sorgen und die aus die Vergütung zu entrichtende Einkommensteuer selbst abzuführen hat, kein relevanter, für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit sprechender Gesichtspunkt herleiten.

    (3) Unter Abwägung aller Merkmale führt das Gesamtbild der Tätigkeit des Klägers zu 2 für die Klägerin zu 1 zum Vorliegen einer Beschäftigung. Ausschlaggebend dafür ist in erster Linie der Grad der Einbindung des Klägers zu 2 in die Organisationsstruktur der Klägerin zu 1. Mit der Übernahme der Behandlungen an Patienten der Klägerin zu 1 diente der Kläger zu 2 dem Betriebszweck der Klägerin zu 1, in deren Organisation er eingebunden war. Die für eine Selbständigkeit sprechenden Aspekte können den vor diesem Hintergrund bestehenden Eindruck einer abhängigen Beschäftigung nicht durchgreifend erschüttern.

    (4) In der Tätigkeit als Physiotherapeut bestand für den Kläger zu 2 Versicherungspflicht in der Rentenversicherung. Als Beschäftigter ist der Kläger zu 2 gemäß § 1 Nr. 1 SGB VI versicherungspflichtig.

    (5) Versicherungspflichtig ist der Kläger zu 2 gleichermaßen in der Arbeitslosenversicherung (§ 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Eine geringfügige Beschäftigung, die nach § 27 Abs. 2 SGB III zur Versicherungsfreiheit des Beschäftigten führen kann, liegt beim Kläger zu 2 in der für die Klägerin zu 1 ausgeübten Tätigkeit nicht vor.

    Nach § 8 Abs. 1 SGB IV in der bis 31. Dezember 2018 geltenden Fassung des Gesetzes zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung vom 5. Dezember 2012 (BGBl. I, S. 2474) liegt eine geringfügige Beschäftigung vor, wenn (1.) das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat 450,00 € nicht übersteigt, (2.) die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt 450,00 € im Monat übersteigt.

    Die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV sind nicht erfüllt. Das Arbeitsentgelt aus der Beschäftigung des Klägers zu 2 überstieg regelmäßig 450,00 € im Monat. Dies entnimmt der Senat den vom Kläger zu 2 im Verwaltungsverfahren vorgelegten Rechnungen für die Monate Juni und Juli 2017, die seine Angaben im Antragsformular der Beklagten ("Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status") bestätigen, wonach sein regelmäßiges monatliches Arbeitsentgelt/Arbeitseinkommen aus der zu beurteilenden Tätigkeit 450,00 € übersteige. Anhaltspunkte dafür, dass diese Angaben unzutreffend sind, sind nicht ersichtlich. Entsprechendes behauptete auch die Klägerin zu 1 nicht.

    Auch die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV sind nicht erfüllt. Der zwischen der Klägerin zu 1 und dem Kläger zu 2 geschlossene Vertrag enthält keinerlei Regelung, die den Einsatz des Klägers zu 2 für die Klägerin zu 1 innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage begrenzte. Auch aus der Eigenart der Tätigkeit ergibt sich keine solche Begrenzung.

    Eine unständige, in der Arbeitslosenversicherung versicherungsfreie Tätigkeit nach § 27 Abs. 3 Nr. 1 SGB III lag ebenfalls nicht vor. Danach sind versicherungsfrei Personen in einer unständigen Beschäftigung, die sie berufsmäßig ausüben (Satz 1). Unständig ist eine Beschäftigung, die auf weniger als eine Woche der Natur der Sache nach beschränkt zu sein pflegt oder im Voraus durch Arbeitsvertrag beschränkt ist (Satz 2). Eine solche Beschränkung auf weniger als eine Woche ist nicht vereinbart. Der zwischen den Klägern geschlossene Vertrag enthält keine entsprechende Regelung. Auch aus der Natur der Sache ergab sich eine zwingende Begrenzung auf unter eine Woche nicht.

    4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1, Abs. 4 SGG. Die Kostenprivilegierung des Klägers zu 2 (§ 183 SGG) erstreckt sich durch die Verbindung der beiden Verfahren gemäß § 113 Abs. 1 SGG durch das SG auf die grundsätzlich nicht privilegierte Klägerin zu 1 (vgl. BSG, Urteil vom 7. Juli 2020 - B 12 R 17/18 R - juris, Rn. 39 m.w.N.; Urteil vom 12. Mai 2020 - B 12 R 11/19 R - juris, Rn. 27; Urteil vom 30. Oktober 2013 - B 12 KR 17/11 R - juris, Rn. 43; Senatsurteil vom 10. Oktober 2014 - L 4 R 2204/13 - juris, Rn. 76; dem folgend Wehrhahn, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, Stand Mai 2021, § 193 SGG Rn. 10). Die Kostenentscheidung kann für den jeweiligen Rechtszug nur einheitlich ergehen (vgl. Gutzler, in: Roos/Wahrendorf/Müller, beck-online Großkommentar zum SGG, Stand Januar 2021, § 197a Rn. 6 m.w.N.). Dann kommt es insgesamt, also auch bei den nicht privilegierten Beteiligten und unabhängig davon, ob die subjektive Klagehäufung von Anfang an oder erst später (wie hier) durch eine Verbindung durch das Gericht bestand, nicht zu einer Anwendung des § 197a SGG (Gutzler, a.a.O., Rn. 7). Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten, da sie in erster Instanz noch nicht beigeladen war und zudem auch keinen Antrag gestellt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).

    5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.

    6. Die Streitwertfestsetzung des SG war im Hinblick darauf, dass sowohl das erstinstanzliche als auch das zweitinstanzliche Verfahren nicht gerichtskostenpflichtig war (s. Ziffer 4), gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Gerichtskostengesetz durch den Senat aufzuheben.

    RechtsgebieteSGG, SGB IVVorschriften§ 7a Abs. 1 S. 1 SGB IV; § 183 SGG; § 193 SGG; § 7 Abs. 1 S. 1-2 SGB IV; § 7a Abs. 2 SGB IV; § 113 Abs. 1 SGG; § 193 Abs. 1 SGG; § 193 Abs. 4 SGG; § 197a SGG