22.11.2021 · IWW-Abrufnummer 225982
Oberlandesgericht Hamm: Urteil vom 12.05.2021 – 20 U 36/21
1. Ein Stichentscheid muss sich mit den vom Versicherer genannten Ablehnungsgründen auseinandersetzen – hier bejaht (unter II 2 a aa).
2. Zur Frage einer offenbaren Abweichung von der Sach- und Rechtslage (offenbare Abweichung verneint) – hier Schadensersatzanspruch gegen einen Rechtsanwalt, der bei Abschluss eines Gesellschaftsvertrags beraten hat (unter II 2 a bb).
3. Die Festlegung des „verstoßabhängigen“ Rechtsschutzfalls richtet sich – auch im Streitfall – nach den vom VN behaupteten Pflichtverletzungen des Anspruchsgegners (dazu unter II 2 b; auch zu BGH, Urteil vom 04.07.2018 – IV ZR 200/16).
Oberlandesgericht Hamm
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 28. Dezember 2020 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Münster teilweise abgeändert.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte aufgrund des Stichentscheids der Rechtsanwältin L F vom 20. November 2019 zu der Schadennummer der Beklagten ##2 Deckung für das Klageverfahren des Klägers gegen Rechtsanwalt N G (Landgericht Münster, 8 O 354/19) zu gewähren hat.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Wert des Streitgegenstands wird für das Berufungsverfahren auf bis zu 13.000 € festgesetzt.
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G r ü n d e :
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I.
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Der Kläger begehrt Rechtsschutz zur Verfolgung eines vertraglichen Schadensersatzanspruchs gegen einen Rechtsanwalt aus einer beim beklagten Versicherer bis zum 1. Januar 2017 gehaltenen Rechtsschutzversicherung.
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Dem Versicherungsvertrag lagen „Allgemeine Rechtsschutz-Versicherungsbedingungen (B ARB/2012)“ (im Folgenden: ARB 2012) der Beklagten zugrunde. Darin heißt es unter anderem:
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„§ 3 a Ablehnung des Rechtsschutzes wegen mangelnder Erfolgsaussichten oder wegen Mutwilligkeit - Stichentscheid
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(1) Die B kann den Rechtsschutz ablehnen, wenn ihrer Auffassung nach
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a) in einem der Fälle des § 2 a) bis g) sowie n) die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder
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b) die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen mutwillig ist. Mutwilligkeit liegt dann vor, wenn der durch die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen voraussichtlich entstehende Kostenaufwand unter Berücksichtigung der berechtigten Belange der Versichertengemeinschaft in einem groben Missverhältnis zum angestrebten Erfolg steht.
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In diesen Fällen ist dem Versicherungsnehmer, nachdem dieser die Pflichten gemäß § 17 Abs. 1 b) erfüllt hat, die Ablehnung unverzüglich unter Angabe der Gründe schriftlich mitzuteilen.
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(2) Hat die B ihre Leistungspflicht gemäß Abs. 1 verneint und stimmt der Versicherungsnehmer der Auffassung der B nicht zu, kann er den für ihn tätigen oder noch zu beauftragenden Rechtsanwalt auf Kosten der B veranlassen, dieser gegenüber eine begründete Stellungnahme abzugeben, dass die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Erfolg steht und hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht. Die Entscheidung ist für beide Teile bindend, es sei denn, dass sie offenbar von der wirklichen Sach- und Rechtslage erheblich abweicht.
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(3) Die B kann dem Versicherungsnehmer eine Frist von mindestens einem Monat setzen, binnen der der Versicherungsnehmer den Rechtsanwalt vollständig und wahrheitsgemäß über die Sachlage zu unterrichten und die Beweismittel anzugeben hat, damit dieser die Stellungnahme gemäß Abs. 2 abgeben kann. Kommt der Versicherungsnehmer dieser Verpflichtung nicht innerhalb der vom Versicherer gesetzten Frist nach, entfällt der Versicherungsschutz. Die B ist verpflichtet, den Versicherungsnehmer ausdrücklich auf die mit dem Fristablauf verbundene Rechtsfolge hinzuweisen.
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§ 4 Voraussetzungen für den Anspruch auf Rechtsschutz
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(1) Anspruch auf Rechtsschutz besteht nach Eintritt eines Rechtsschutzfalles …
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d) in allen anderen Fällen von dem Zeitpunkt an, in dem der Versicherungsnehmer oder ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll.
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Die Voraussetzungen nach a) bis d) müssen nach Beginn des Versicherungsschutzes gemäß § 7 und vor dessen Beendigung eingetreten sein …“
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Der Kläger ist Mitgesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, in der er sich mit zwei Berufskollegen zur gemeinschaftlichen Ausübung des Arztberufs zusammengeschlossen hat. Am 30. November 2016 kam es nach einer Beratung der Gesellschaft durch Rechtsanwalt G zum Abschluss eines Gesellschaftsanteilskauf- und Beitrittsvertrages mit einer angestellten Ärztin. Der Vertrag, der den Eintritt der angestellten Ärztin als Gesellschafterin zum 1. Januar 2017 zum Gegenstand hatte, sah die Zahlung eines Kaufpreises von rund 290.000 € für die von ihr erworbenen Anteile an der Gesellschaft vor. Nachdem die eintretende Gesellschafterin rund eineinhalb Jahre später aus der Gesellschaft ausgeschlossen wurde, machte sie gegen die Altgesellschafter einen Abfindungsanspruch in Höhe von bis zu 700.000 € geltend.
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Der Kläger erhob im Jahre 2019 gegen Rechtsanwalt G und dessen Sozietät vor dem Landgericht Münster in dem Verfahren 8 O 354/19 Klage auf Feststellung der Ersatzpflicht für sämtliche Schäden, die ihm dadurch entstehen, dass die Gesellschaft bürgerlichen Rechts an die hinausgekündigte ehemalige Gesellschafterin eine ungedeckelte Abfindung nach ihrem Ausscheiden zu zahlen hat. Er machte insoweit geltend, dass die Zahlung des Differenzbetrages zwischen Kaufpreis und Abfindung durch Aufnahme einer Klausel in den Gesellschaftsanteilskauf- und Beitrittsvertrag hätte verhindert werden können, und Rechtsanwalt G es unterlassen habe, ihn ordnungsgemäß auf die Möglichkeit einer derartigen Klausel zur Begrenzung des Abfindungsbetrages im Falle eines frühzeitigen Ausscheidens der Gesellschafterin hinzuweisen.
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Das Verfahren endete durch klagabweisendes Urteil vom 6. Oktober 2020, nachdem das Landgericht zuvor in zwei Terminen Beweis erhoben hatte. Zur Begründung führte das Landgericht aus, Rechtsanwalt G habe es zwar fehlerhaft unterlassen, den Kläger über die Möglichkeit der Deckelung des Abfindungsguthabens für die neu hinzutretende Gesellschafterin hinzuweisen, da eine E-Mail vom 30. November 2016, in der Rechtsanwalt G darauf hingewiesen hatte, dass aus seiner Sicht eine Ergänzung um eine entsprechende Klausel erwogen werden sollte, unstreitig nicht an den Kläger gesandt worden sei. Dahinstehen könne insoweit, ob der lnhalt dieser E-Mail und ihre Übersendung an den Zeugen S ausreichend gewesen sei, um der Belehrungspflicht zu genügen oder ob der Kläger in anderer Weise ausreichende Kenntnis von der Möglichkeit einer Deckelung des Abfindungsbetrages vor Unterzeichnung des Beitrittsvertrages erlangt habe. Eine Pflichtverletzung unterstellt sei diese jedenfalls nicht kausal für den geltend gemachten Schaden geworden.
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Vor Erhebung der letztlich erfolglosen Klage hatte der Kläger mit Schreiben vom 30. September 2019 unter Übersendung eines Klageentwurfs sowie weiterer Unterlagen bei der Beklagten um Erteilung einer Deckungszusage für das beabsichtigte Klageverfahren nachgesucht. Mit Schreiben vom 6. November 2019 hatte die Beklagte die Erteilung einer Deckungszusage unter Hinweis auf fehlende Erfolgsaussichten abgelehnt und auf die bedingungsgemäß vorgesehene Möglichkeit des Stichentscheids hingewiesen. Zur Begründung hatte sie darauf verwiesen, dass sich der beratende Rechtsanwalt bereits außergerichtlich auf seine E-Mail vom 30. November 2016 berufen habe. Da der Vertrag mit der neu eintretenden Gesellschafterin dennoch geschlossen worden sei, sei davon auszugehen, dass eine entsprechende Klausel nicht gewollt gewesen sei.
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Der Kläger beauftragte daraufhin Rechtsanwältin F mit der Stellungnahme zu den Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung im Stichentscheidsverfahren. Mit Schreiben vom 20. November 2019 gab Rechtsanwältin F eine achtseitige Stellungnahme zu den Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung ab, wegen deren Inhalts auf die Anlage K6 zur Klageschrift (Bl. 84 ff. der elektronische Gerichtsakte I. Instanz ‒ im Folgenden eGA-I und für die II. Instanz eGA-II ‒) Bezug genommen wird. Die Beklagte hielt mit Schreiben vom 5. Dezember 2019 (eGA-I 94 ff.) an ihrer Deckungsablehnung fest. Das Schreiben vom 20. November 2019 genüge nicht den formellen Anforderungen an einen Stichentscheid und weiche offensichtlich von der wirklichen Sach- und Rechtslage ab. Mit weiterem Schreiben vom 13. Juli 2020 lehnte die Beklagte die nachgesuchte Deckungszusage weiterhin ab, nachdem der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 6. Juli 2020 darauf hingewiesen hatte, dass das Landgericht Münster nach Klageerhebung im Haftungsprozess Termin zur mündlichen Verhandlung und zur Beweisaufnahme anberaumt habe.
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Mit seiner Klage hat der Kläger erstinstanzlich die Feststellung begehrt, dass der Stichentscheid vom 20. November 2019 Bindungswirkung entfalte und die Beklagte aufgrund des Stichentscheids Deckung für das beabsichtigte Klageverfahren zu gewähren habe. Ferner hat er die Freistellung von den Kosten für die Fertigung des Stichentscheids im Umfang einer 1,8-Geschäftsgebühr nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer nach einem Streitwert von 11.391,83 € beansprucht sowie hilfsweise Klage auf Feststellung erhoben, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm Rechtsschutz für die erstinstanzliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Rechtsanwalt G zu gewähren.
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Die Beklagte hat die Bindungswirkung des Stichentscheids in Abrede genommen. Dieser setze sich nicht ausreichend mit Fragen zur Kausalität auseinander. Sie hält sich zudem für leistungsfrei, weil der Versicherungsfall erst nach Beendigung der Rechtsschutzversicherung eingetreten sei. Ihr sei der Vorfall mit Schreiben vom 23. August 2019 angezeigt worden. Das Schreiben an Rechtsanwalt G, in dem erstmals Ansprüche gegen diesen geltend gemacht würden, datiere vom 16. August 2019. Für den Eintritt des Rechtsschutzfalles sei auf diesen Zeitpunkt abzustellen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
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Das Landgericht hat der Klage mit dem angefochtenen Urteil teilweise stattgegeben und die Beklagte verurteilt, den Kläger von den Kosten für die Erstellung des Stichentscheids in Höhe von 957,99 € freizustellen. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Dem Stichentscheid komme keine Bindungswirkung zu. Er weiche offenbar erheblich von der wirklichen Sach- und Rechtslage ab. Denn mit seiner E-Mail vom 30. November 2016 habe Rechtsanwalt G seinen Beratungspflichten genügt. Er habe die Folge einer Hinauskündigung, namentlich die dann zu zahlende Abfindung, aufgezeigt. Dass die Zahlung einer Abfindung eine hohe finanzielle Beeinträchtigung darstellen könne, sei offensichtlich und bedürfe daher keiner klarstellenden Erwähnung, zumal die E-Mail an den Bevollmächtigten des Klägers, den Zeugen S, gerichtet gewesen sei, dem als Betriebswirt habe bekannt sein müssen, dass mit der Zahlung einer Abfindung eine finanzielle Beeinträchtigung und daher auch ein Risiko einhergehen könne. Schließlich habe Rechtsanwalts G aufgezeigt, welche Möglichkeiten bestünden, um dieses Risiko zu begrenzen, indem er vorgeschlagen habe, die Abfindung auf die Höhe des zu zahlenden Kaufpreises zu beschränken. Demgegenüber berücksichtige der Stichentscheid nicht, dass aus der Formulierung der E-Mail deutlich werde, dass es sich bei diesem Vorschlag um eine Maßnahme zur Risikosteuerung bzw. -begrenzung handele. Ein solcher Vorschlag bzw. eine solche Maßnahme setze denknotwendigerweise voraus, dass ein Risiko bestehe. Insofern sei der Stichentscheid widersprüchlich, wenn einerseits anerkannt werde, dass Rechtsanwalt G die rechtlichen Möglichkeiten zur Begrenzung des finanziellen Risikos aufzeigt habe, andererseits aber in Abrede gestellt werde, dass Rechtsanwalt G auf das finanzielle Risiko hingewiesen habe. Soweit der Stichentscheid zur Begründung eines Beratungsfehlers darauf abstelle, die E-Mail enthalte keine Hinweise darauf, wie sich der Abfindungsbetrag errechne und welche Ausmaße er haben könne, seien derartige Hinweise nicht angezeigt gewesen. Ferner berücksichtige der Stichentscheid nicht, dass der Zeuge S auf die E-Mail geantwortet habe, dass der Vertrag so ok sei. Daraus habe Rechtsanwalt G den Schluss ziehen dürfen, dass eine weitere Beratung zu der Frage der Deckelung des Abfindungsbetrags nicht gewünscht sei. Dieser Aspekt werde zwar in der Sachverhaltsdarstellung des Stichentscheids dargestellt, in der rechtlichen Bewertung jedoch nicht aufgegriffen. Ob dem Stichentscheid auch deshalb keine Bindungswirkung zukomme, weil er sich nicht ausreichend mit Beweisfragen bezüglich der Kausalität des behaupteten Beratungsfehlers für den Schaden auseinandersetze, könne ebenso dahinstehen wie die Frage, ob die Beklagte auch wegen einer Nachvertraglichkeit des Rechtsschutzfalles Deckungsschutz versagen könne. Soweit der Kläger hilfsweise die Feststellung begehre, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger Rechtsschutz für das Verfahren gegen Rechtsanwalt G zu gewähren, sei die Klage aus den genannten Gründen ebenfalls unbegründet.
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Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er die Verletzung materiellen Rechts durch das Landgericht rügt und seine erstinstanzlichen Feststellungsanträge weiterverfolgt.
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Entgegen der Auffassung des Landgerichts liege in der rechtlichen Bewertung des Stichentscheids, die E-Mail des Rechtsanwalts G sei allein nicht geeignet gewesen, den Mandanten über die Folgen des Hinauskündigens eines Gesellschafters zu informieren und ihm Möglichkeiten aufzuzeigen, mit dem Herauskündigen einhergehende Konsequenzen abzufedern, keine offenbare Verkennung der Sach- und Rechtslage, zumal auch das Landgericht im Haftungsprozess eine Pflichtverletzung bejaht habe. Selbst wenn die Beurteilung der Rechtsfrage im Stichentscheid fälschlicherweise zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass eine Beratungspflichtverletzung gegeben sei, handele es sich jedenfalls nicht um eine offenbare Verkennung der Sach- und Rechtslage. Eine solche müsse sich dem Rechtskundigen aufdrängen. Davon könne aber keine Rede sein. Wäre die hinreichende Belehrung einem Rechtskundigen derart offenbar, wie das Landgericht gemeint hat, habe auch die mit dem Haftungsprozess befasste Kammer zwingend zu diesem Ergebnis kommen müssen. Ansprüche des Klägers seien aber gerade nicht an einer fehlenden Beratungspflichtverletzung gescheitert. Diese habe das Landgericht im Haftungsprozess in seinem Urteil vielmehr ausdrücklich bestätigt.
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Der Kläger beantragt,
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das angefochtene Urteil, soweit es die Klage des Klägers abgewiesen hat, aufzuheben und festzustellen, dass der Stichentscheid der Rechtsanwältin L F vom 20. November 2019 zu der Schadennummer der Beklagten ##2 Bindungswirkung zwischen den Parteien entfaltet und die Beklagte aufgrund des Stichentscheids Deckung für das beabsichtigte Klageverfahren des Klägers gegen Rechtsanwalt N G zu gewähren hat;
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hilfsweise
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das angefochtene Urteil, soweit es die Klage des Klägers abgewiesen hat, aufzuheben und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm Rechtschutz für die erstinstanzliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Rechtsanwalt G aufgrund des Rechtschutzfalles, den die Beklagte unter der Schadennummer ##2 führt, auf Grundlage des zwischen den Parteien unter der Versicherungsscheinnummer ##0 geschlossenen Versicherungsvertrages zu gewähren.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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II.
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Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Das Rechtsmittel hat auch ‒ im Umfang der Anfechtung der erstinstanzlichen Entscheidung ‒ in der Sache Erfolg und führt zu der mit dem Hauptantrag begehrten Feststellung der Deckungspflicht der Beklagten.
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1.
38
Die Klage ist als Feststellungsklage im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO zulässig.
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Allerdings handelt es sich bei der Frage der Bindungswirkung des Stichentscheids vom 20. November 2019 für sich genommen um kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO. Klageanträge sind jedoch als Prozesserklärungen auszulegen. Für diese Auslegung, ist ‒ ebenso wie bei materiell-rechtlichen Willenserklärungen ‒ nicht allein der Wortlaut der Erklärung maßgebend. Entscheidend ist vielmehr der erklärte Wille, wie er auch aus Begleitumständen und nicht zuletzt der Interessenlage hervorgehen kann. Im Zweifel gilt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 2016 - IV ZR 527/15, r+s 2017, 320 Rn. 16 mwN). Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs entsprach es dem Interesse des Klägers, die Feststellung der Deckungspflicht der Beklagten für das Klageverfahren vor dem Landgericht Münster im Haftungsprozess gegen Rechtsanwalt G zu erreichen. Hierbei ging er davon aus, dass die Bindungswirkung des Stichentscheids ‒ was zutrifft ‒ eine notwendige rechtliche Vorfrage für diesen Anspruch ist. Auch sein Wille war erkennbar lediglich auf Feststellung der Gewährung bedingungsgemäßen Rechtsschutzes gerichtet, wie sich aus der Formulierung seines Hauptantrags ergibt. Dass er die Bindungswirkung des Stichentscheids hierbei nur als Begründungselement des Anspruchs auf Rechtsschutzgewährung ansieht, macht bereits die Zusammenfassung beider Fragen in einem einheitlichen Klageantrag deutlich (s. zu einer vergleichbaren Fallgestaltung BGH, Urteil vom 14. Dezember 2016 aaO Rn. 17).
40
2.
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Die Klage ist auch begründet. Die Beklagte ist zur Gewährung von Deckungsschutz für den Haftungsprozess aufgrund des Rechtsschutzversicherungsvertrages verpflichtet. Dem Stichentscheid vom 20. November 2019 kommt Bindungswirkung zu (a)) und der Rechtsschutzfall ist in versicherter Zeit eingetreten (b)).
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a)
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Der Anspruch des Klägers auf Gewährung von Deckungsschutz für die gegen Rechtsanwalt G im Haftungsprozess vor dem Landgericht Münster erhobene Feststellungsklage beruht auf § 3a Abs. 2 Satz 2 ARB 2012. Hiernach ist ein nach Ablehnung von Rechtsschutz durch den Versicherer wegen u.a. fehlender Erfolgsaussicht der Wahrnehmung rechtlicher Interessen auf Veranlassung des Versicherungsnehmers von einem Rechtsanwalt gefertigter Stichentscheid für beide Teile bindend, es sei denn, dass er offenbar von der wirklichen Sach- und Rechtslage erheblich abweicht.
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aa)
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Die von der Beklagten in ihrem Schreiben vom 5. Dezember 2019 erhobenen formalen Bedenken gegen eine Bewertung des Schreibens der vom Kläger beauftragten Rechtsanwältin F vom 20. November 2019 als Stichentscheid sind unbegründet.
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Die Bestimmung in § 3a Abs. 2 Satz 1 ARB 2012 erfordert eine begründete Stellungnahme dazu, ob die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Erfolg steht und hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht. Der den Stichentscheid fertigende Rechtsanwalt ist demgemäß gehalten, die Grundlagen seiner gutachterlichen Entscheidung und den Weg, auf dem er zu ihr gelangt ist, aufzuzeigen; er hat deshalb grundsätzlich den entscheidungserheblichen Streitstoff darzustellen, anzugeben, inwieweit für bestrittenes Vorbringen Beweis oder Gegenbeweis angetreten werden kann, die sich ergebenden rechtlichen Probleme unter Berücksichtigung von Rechtsprechung und Rechtslehre herauszuarbeiten und das nach seiner Ansicht bestehende (Prozess-) Risiko aufzuzeigen, d.h. sich auch mit etwa vorhandenen Argumenten auseinanderzusetzen, die gegen eine Erfolgsaussicht sprechen. Wie umfänglich der Rechtsanwalt die Stellungnahme gestaltet ist abhängig vom Umfang oder von der Komplexität des Streitstoffs, von dem Stand der vorangegangenen Korrespondenz mit dem Rechtsschutzversicherer und seiner dadurch begründeten Vorkenntnis, ferner von dem Stadium, in dem sich die Interessenwahrnehmung jeweils befindet (vgl. BGH, Urteil vom 17. Januar 1990 - IV ZR 214/88, VersR 1990, 414 unter 1 b; OLG Düsseldorf, Urteil vom 28. Juni 2019 - 4 U 111/17, VersR 2019, 1550, 1554; Piontek in Prölss/Martin, VVG 31. Aufl. § 3a ARB 2010 Rn. 35 mwN).
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Der Stichentscheid muss nicht in jedem Fall eine umfassende Prüfung der Sach- und Rechtslage beinhalten und die Erfolgsaussicht der beabsichtigen Rechtsverfolgungoder -verteidigung in allen Einzelheiten prüfen. Er darf sich vielmehr darauf beschränken, auf die Punkte einzugehen, die zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer im Streit sind und auf die der Versicherer seine Ablehnung gestützt hat. Der Versicherer ist demgemäß gehalten, in seiner Ablehnungsentscheidung alle Gründe anzuführen, warum er keinen Rechtsschutz gewähren will. Räumt der vom Versicherungsnehmer beauftragte Rechtsanwalt diese vom Versicherer ins Feld geführten Ablehnungsgründe aus, ohne dass der Stichentscheid von der Sach- und Rechtslage erheblich abweicht, dann ist er bindend und der Versicherer muss Rechtsschutz gewähren. Er kann dann keine weiteren Ablehnungsgründe mehr nachschieben (s. Senatsurteil vom 14. Oktober 2011 - 20 U 92/10, VersR 2012, 563; OLG Düsseldorf, Urteil vom 28. Juni 2019 - 4 U 111/17, VersR 2019, 1550, 1553; OLG Naumburg, Urteil vom 7. Juli 2016 - 41 U 7/16, VersR 2017, 882).
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Gemessen daran wird der Stichentscheid den sich aus § 3a Abs. 2 Satz 1 ARB 2012 ergebenden Anforderungen gerecht. Die Beklagte hatte sich in ihrer Deckungsablehnung ausdrücklich allein darauf bezogen, dass der vom Kläger in dem in Aussicht genommenen Haftungsprozess geltend gemachten Verletzung einer Aufklärungspflicht durch Rechtsanwalt T der Inhalt dessen an den Zeugen S gerichteten E-Mail vom 30. November 2016 entgegen stehe. Mit dieser Frage aber setzt sich der Stichentscheid sowohl in der Sachverhaltsdarstellung als auch in der rechtlichen Begründung auseinander und führt im Einzelnen aus, warum nach dortigem Dafürhalten allein der Inhalt der E-Mail nicht genügte, um den anwaltlichen Aufklärungspflichten aus dem zugrunde liegenden Mandatsverhältnis gerecht zu werden. Auf die erst im Verlaufe des Rechtsstreits von der Beklagten thematisierte Frage, ob sich der Stichentscheid auch mit Kausalitätserwägungen beschäftigt, die letztlich als tragender Gesichtspunkt zur Klagabweisung im Haftungsprozess geführt haben, kommt es bereits deshalb nicht an, weil die Beklagte ihre Deckungsablehnung auf diesen Gesichtspunkt überhaupt nicht gestützt hatte.
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bb)
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Entgegen der Auffassung des Landgerichts im angefochtenen Urteil ist die Beklagte aufgrund des Stichentscheids in der Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klage gebunden, denn dieser bejaht mit vertretbarer und nicht offenbar von der wirklichen Sach- und Rechtslage abweichender Begründung die Erfolgsaussichten der Klage.
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Allerdings ist das Landgericht im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass eine erhebliche Abweichung des Stichentscheids von der Sach- und Rechtslage immer dann vorliegt, wenn die gutachterliche Stellungnahme die Sach- und Rechtslage gröblich oder erheblich verkennt. „Offenbar” ist eine solche Abweichung hierbei erst dann, wenn sie sich dem Sachkundigen, wenn auch erst nach gründlicher Prüfung, mit aller Deutlichkeit aufdrängt. Vertritt ein Rechtsanwalt hingegen von mehreren Rechtsansichten diejenige, die zwar nicht der herrschenden Ansicht entspricht, aber doch nicht ganz abwegig erscheint, dann weicht seine Meinung noch nicht „offenbar” von der wirklichen Sach- und Rechtslage ab (Senatsurteil vom 14. Oktober 2011 - 20 U 92/10, r+s 2012, 117 unter B II mwN; so auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 28. Juni 2019 - 4 U 111/17, VersR 2019, 1550, 1552; zu Einzelheiten s. Piontek in Prölss/Martin, VVG 31. Aufl. § 3a ARB 2010 Rn. 41 mwN).
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Anders als das Landgericht meint, ist es aber der Beklagten nach Einschätzung des Senats nicht gelungen, eine offenbare Abweichung des Stichentscheids von der Sach- und Rechtslage darzulegen, die für die Erfolgsaussichten des vom Kläger angestrebten Klageverfahren erheblich wäre (vgl. zum Prüfungsmaßstab der Erfolgsaussicht Piontek in Prölss/Martin, VVG 31. Aufl. § 1 ARB 2010 Rn. 8 ff. mwN sowie zur Darlegungs- und Beweislast für die offenbare Unrichtigkeit OLG Köln, Urteil vom 29. Oktober 2002 - 9 U 124/01, r+s 2003, 151 sowie Schmitt in Harbauer, Rechtsschutzversicherung 9. Aufl. § 3a ARB 2010 Rn. 55 mwN).
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Der Stichentscheid begründet zumindest vertretbar, dass Rechtsanwalt T ‒ wie vom Landgericht im Haftungsprozess unterstellt ‒ seinen anwaltlichen Aufklärungspflichten aus dem Mandatsverhältnis nicht allein mit der E-Mail vom 30. November 2016 genügt hat.
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Soweit der Mandant nicht eindeutig zu erkennen gibt, dass er des Rates nur in einer bestimmten Richtung bedarf, ist der Rechtsanwalt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur allgemeinen, umfassenden und möglichst erschöpfenden Belehrung des Auftraggebers verpflichtet. Unkundige muss er über die Folgen ihrer Erklärungen belehren und vor Irrtümern bewahren. In den Grenzen des Mandats hat er dem Mandanten diejenigen Schritte anzuraten, die zu dem erstrebten Ziele zu führen geeignet sind, und Nachteile für den Auftraggeber zu verhindern, soweit solche voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat er dem Auftraggeber den sichersten und gefahrlosesten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant zu einer sachgerechten Entscheidung in der Lage ist. Die Erklärungen des rechtlichen Beraters müssen dem Mandanten, der verlässlich über bestimmte Rechtsfolgen unterrichtet werden will, um darauf seine Entscheidung gründen zu können, hierbei eine annähernd zutreffende Vorstellung von den Handlungsmöglichkeiten und deren Vor- und Nachteilen vermitteln. Hingegen ist es nicht Aufgabe des Beraters, dem Mandanten grundlegende Entschlüsse in dessen Angelegenheiten abzunehmen (s. nur BGH, Urteil vom 7. Februar 2008 - IX ZR 149/04, NJW 2008, 2041 Rn. 12 f. mwN).
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Legt man diese Maßstäbe zugrunde, ist es zumindest nicht unvertretbar, wie der Stichentscheid in der in Rede stehenden Frage der Beratung über die Möglichkeiten der Begrenzung des Abfindungsanspruchs durch eine schuldrechtliche Nebenabrede eine hinreichend deutliche Information des Mandanten auch darüber zu verlangen, welches wirtschaftliche Risiko der Höhe nach konkret bei den Handlungsalternativen im Raum steht und bis zu welcher Höhe es durch eine andere Art der Vertragsgestaltung begrenzt werden kann. Zwar trifft es zu, dass Rechtsanwalt T eine konkrete Berechnung der Abfindung bei der letztlich gewählten Vertragsgestaltung nicht möglich gewesen sein mag. Es erscheint aber jedenfalls nicht unvertretbar, zumindest den deutlichen Hinweis zu verlangen, dass bei fehlender Nebenabrede sich die Abfindung ungeachtet der Höhe des Kaufpreises für die Gesellschaftsanteile nach deren Wert im Zeitpunkt des Ausscheidens des Gesellschafters bestimmt und er daher deutlich über dem Kaufpreis liegen kann.
56
Soweit das Landgericht eine Bindungswirkung des Stichentscheids auch deshalb verneint hat, weil dem Zeugen S als Betriebswirt habe bekannt sein müssen, dass mit der Zahlung einer Abfindung eine finanzielle Beeinträchtigung und daher auch ein Risiko einhergehen könne, ist damit einerseits schon nichts darüber ausgesagt, ob sich der Zeuge S angesichts des eher pauschal gehaltenen Hinweises der finanziellen Auswirkungen einer Abfindung mit und ohne begrenzende Regelung bewusst war. Andererseits kommt es für die Erfüllung der anwaltlichen Pflichten aber ohnehin nicht darauf an, ob der Empfänger der Information als ‒ hier in weitestem Sinne ‒ Rechtskundiger der Beratung bedarf. Denn die rechtliche Bearbeitung des ihm anvertrauten Mandates obliegt dem Rechtsanwalt auch im Verhältnis zu einem rechtskundigen Mandanten. Der anwaltsvertragliche Anspruch des Mandanten auf umfassende Beratung wird demgemäß nicht dadurch eingeschränkt, dass der Mandant die gerade einem Dritten in Auftrag gegebene rechtliche Prüfung auch selbst hätte vornehmen können (s. BGH, Urteil vom 10. Mai 2012 - IX ZR 125/10, BGHZ 193, 193 Rn. 20 mwN). Im Übrigen berücksichtigt das Landgericht auch nicht hinreichend, dass sich der Stichentscheid gerade zu der Frage verhält, ob Rechtsanwalt T überhaupt mit einer E-Mail allein an den Zeugen S seinen Informationspflichten auch gegenüber dem Kläger genügen konnte.
57
b)
58
Ob der Rechtsschutzfall in versicherter Zeit eingetreten ist, ist hier nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. d) ARB 2012 zu bestimmen.
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Danach besteht Anspruch auf Rechtsschutz von dem Zeitpunkt an, in dem der Versicherungsnehmer oder ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll.
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Für die Festlegung des dem Vertragspartner des Versicherungsnehmers vorgeworfenen Pflichtenverstoßes im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. d) ARB 2012 und inhaltsgleicher Bestimmungen kommt es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allein auf die Tatsachen an, mit denen der Versicherungsnehmer sein Rechtsschutzbegehren begründet (BGH, Urteile vom 31. März 2021 - IV ZR 221/19, BeckRS 2021, 8284 Rn. 28; vom 3. Juli 2019 - IV ZR 111/18, BGHZ 222, 354 Rn. 18 f.; vom 4. Juli 2018 - IV ZR 200/16, r+s 2018, 425 Rn. 19; vom 25. Februar 2015 - IV ZR 214/14, r+s 2015, 193 Rn. 10, 15; vom 24. April 2013 - IV ZR 23/12, r+s 2013, 283; vom 19. November 2008 - IV ZR 305/07, BGHZ 178, 346 Rn. 20 ff; Beschluss vom 17. Oktober 2007 - IV ZR 37/07, r+s 2008, 69 Rn. 3; Urteile vom 28. September 2005 - IV ZR 106/04, VersR 2005, 1684 unter I 2 a; vom 19. März 2003 - IV ZR 139/01, VersR 2003, 638 unter I 1 a).
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Dabei wird der Versicherungsnehmer bei der Verfolgung eigener vertraglicher Ansprüche ‒ wie hier ‒ einen den Rechtsschutzfall im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. d) ARB 2012 auslösenden Verstoß allein in dem Fehlverhalten sehen, das er seinem Gegner zur Last legt und auf das er seinen Anspruch stützt (s. zu § 14 III 1 ARB 1975/95: BGH, Urteil vom 3. Juli 2019 - IV ZR 111/18, BGHZ 222, 354 Rn. 19). Die Festlegung dieses „verstoßabhängigen“ Rechtsschutzfalles richtet sich allein nach den vom Versicherungsnehmer behaupteten Pflichtverletzungen des Anspruchsgegners, wobei dieses Vorbringen (erstens) einen objektiven Tatsachenkern enthalten muss, mit dem der Versicherungsnehmer (zweitens) den Vorwurf eines Rechtsverstoßes verbindet, der den Keim für die rechtliche Auseinandersetzung enthält und auf den der Versicherungsnehmer (drittens) seine Interessenverfolgung stützt, wobei es nicht auf die Schlüssigkeit, Substanziiertheit oder die Entscheidungserheblichkeit dieser Behauptungen ankommt (grundlegend BGH, Urteil vom 19. November 2008 - IV ZR 305/07, BGHZ 178, 346 Ls. 2 und Rn. 20 ff., sog. Drei-Säulen-Theorie; stRspr).
62
Dies ist vorliegend die dem Anspruchsgegner Rechtsanwalt T vorgeworfene ‒ und in versicherter Zeit liegende ‒ fehlerhafte anwaltliche Beratung im Jahre 2016 (zu einer vergleichbaren Konstellation s. OLG Köln, Beschluss vom 31. Oktober 2018 ‒ 9 U 87/18, r+s 2019, 333). Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. d) ARB 2012 kommt es für den Eintritt des Rechtsschutzfalles auf den Rechtsverstoß an und nicht auf den Zeitpunkt der Schadensentstehung oder der Geltendmachung des Schadens gegenüber dem Anspruchsgegner.
63
Fehl geht der Einwand der Beklagten, der Bundesgerichtshof habe die seine Rechtsprechung seit der so genannten Kündigungsandrohungs-Entscheidung vom 19. November 2008 (aaO) prägenden Grundsätze nunmehr durch die Entscheidung vom 4. Juli 2018 (IV ZR 200/16, r+s 2018, 425) begrenzen wollen. Die Beklagte übersieht hierbei, dass die letztgenannte Entscheidung die Verwerfung der so genannten Vorerstreckungsklausel in § 4 Abs. 3 Buchst. a) ARB 2008 als intransparent im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB betrifft und sich dabei zur Auslegung einer Leistungsausschlussklausel verhält, die nach den vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsätzen eng und damit nach gegenüber der Leistungsbeschreibung anderen Grundsätzen auszulegen ist (s. zu den Erwägungen BGH, Urteil vom 3. Juli 2018 aaO Rn. 24 ff.).
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Der Bundesgerichtshof hat mit dieser Entscheidung die zuvor aufgestellten und in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsätze der so genannten Drei-Säulen-Theorie mithin keineswegs eingeschränkt, sondern sie im Gegenteil in seinen Entscheidungen zum so genannten Passivrechtsschutz ausdrücklich bekräftigt (Urteile vom 3. September 2019 - IV ZR 111/18, BGHZ 222, 354 Rn. 19; IV ZR 195/18, NJW 2019, 3299 Rn. 14) und unlängst eine Klausel in ARB, die in Abkehr von diesen Grundsätzen die Bestimmung des so genannten verstoßabhängigen Versicherungsfalles auch von den gegnerischen Tatsachenbehauptungen im Ausgangsrechtsstreit abhängig macht, als unwirksam gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB erachtet (BGH, Urteil vom 31. März 2021 - IV ZR 221/19, BeckRS 2021, 8284).
65
III.
66
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
67
Eine Zulassung der Revision ist nicht veranlasst. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Die maßgeblichen Grundsätze zur Bestimmung des Eintritts des so genannten verstoßabhängigen Rechtsschutzfalles sind in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ‒ wie ausgeführt ‒ hinlänglich geklärt.