17.10.2022 · IWW-Abrufnummer 231795
Oberlandesgericht Saarbrücken: Urteil vom 05.08.2022 – 5 U 97/20
1. Die ärztliche Feststellung der Invalidität muss keine Aussage dazu enthalten, ob die Invalidität auch binnen der im Vertrag vorgesehenen Frist eingetreten ist.
2. Steht als erster unfallbedingter Körperschaden kein eigenständiger Strukturschaden in Rede, sondern nur die Aktivierung oder Akzentuierung einer vorbestehenden Erkrankung (hier: Arthrose), so ist der Nachweis einer unfallbedingten Invalidität erst geführt, wenn die Kausalität des Unfallereignisses für die Aktivierung oder Akzentuierung im Sinne des § 286 ZPO erwiesen ist.
Oberlandesgericht Saarbrücken
Tenor:
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 49.000 Euro festgesetzt.
Gründe
Gegenstand der Klage sind Ansprüche des Klägers aus einem Unfallversicherungsvertrag.
Der Kläger hält bei der Beklagten seit dem 4. September 2015 einen von der Beklagten als "Sorglos-Unfallversicherung" bezeichneten Unfallversicherungsvertrag. Im Falle der Invalidität beträgt die (Grund-)Versicherungssumme 100.000 Euro mit "besonders erhöhter progressiver Invaliditätsstaffel bis 500 %" (Versicherungsschein als Anlage K1 im Anlagenband zur Klageschrift). Vertragsbestandteil sind u. a. die "Bedingungen und Tarifbestimmungen zur Sorglos-Unfallversicherung (BTU)" der Beklagten (Anlage E1, Bl. 38 ff. d. A.); hierzu gehören die Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (AUB 2011). Nach Nr. 2.1.2.1 AUB 2011 erbringt die Beklagte bei unfallbedingter Invalidität eine Kapitalleistung. Ein Unfall liegt nach Nr. 1.3 AUB 2011 vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis) unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Invalidität im Sinne der Bedingungen setzt gemäß Nr. 2.1.1.1 AUB 2011 voraus, dass die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit der versicherten Person dauerhaft beeinträchtigt ist, wobei eine Beeinträchtigung dann dauerhaft ist, wenn sie voraussichtlich länger als drei Jahre bestehen wird und eine Änderung des Zustandes nicht erwartet werden kann. Voraussetzung für den Anspruch auf Invaliditätsleistung ist weiter, dass die Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und innerhalb von fünfzehn Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und bei der Beklagten geltend gemacht wird (Nr. 2.1.1.1 AUB 2011). Für den Verlust oder die vollständige Funktionsunfähigkeit einzelner Körperteile und Sinnesorgane sind bestimmte Invaliditätsgrade festgelegt (Gliedertaxe, Nr. 2.1.2.2.1 AUB 2011); für eine Hand beträgt dieser Grad 55 %. Bei Teilverlust oder teilweiser Funktionsbeeinträchtigung gilt der entsprechende Teil des jeweiligen Prozentsatzes (Nr. 2.1.2.2.1 AUB 2011, letzter Satz). Wenn betroffene Körperteile oder Sinnesorgane oder deren Funktionen bereits vor dem Unfall dauernd beeinträchtigt waren, wird der Invaliditätsgrad um die nach denselben Regeln zu bemessende Vorinvalidität gemindert (Nr. 2.1.2.2.3 AUB 2011). Haben Krankheiten oder Gebrechen bei der durch ein Unfallereignis verursachten Gesundheitsschädigung oder deren Folgen mitgewirkt, mindert sich im Falle der Invalidität der Prozentsatz des Invaliditätsgrades entsprechend dem Anteil der Krankheit oder des Gebrechens (Nr. 3 AUB 2011). Gemäß Nr. 1 von Abschnitt Q der BTU (Bl. 49 d. A.) ist in Abänderung von Ziffer 2.1.1.1 AUB 2011 die Frist zur Anmeldung der Invalidität auf 18 Monate - vom Unfalltag gerechnet - erweitert. Nach Nr. 2 dieses Abschnitts gilt abweichend von der Gliedertaxe der AUB 2011 u. a. ein Handwert von 70 %, und Nr. 4 bestimmt, dass bei Mitwirkung von Krankheiten und Gebrechen "an dem Unfallereignis" die Leistung erst dann gekürzt wird, wenn der Anteil der Krankheit oder des Gebrechens mindestens 40 % beträgt.
Unter dem 22. September 2016 meldete der Kläger der Beklagten einen Unfall vom 22. Januar 2016 und gab an, gegen 23.30 Uhr an diesem Tag auf dem Bahnsteig der Saarbahnhaltestelle R. wegen "Blitzeis" ausgerutscht und auf die rechte Hand gestürzt zu sein. Als daraus resultierende Verletzung gab er "Bänderriß an Handwurzel" an (Anlage K3 im Anlagenband zur Klageschrift). Die Beklagte bat den Kläger mit Schreiben vom 10. Oktober 2016 (Anlage K7 im Anlagenband zur Klageschrift) um "schriftliche, fristgemäße Benachrichtigung", falls aufgrund des Unfalls Dauerfolgen verbleiben sollten. Die Beeinträchtigung (Invalidität) müsse innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und innerhalb von maximal 18 Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und vom Kläger bei der Beklagten geltend gemacht werden. Wenn diese Fristen nicht eingehalten würden, sei ein Anspruch auf Invaliditätsleistung ausgeschlossen. Eine wortgleiche Belehrung erteilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 23. Januar 2017 (Anlage K9 im Anlagenband zur Klageschrift).
Am 15. März 2017 erstellte der den Kläger behandelnde Orthopäde Dr. K. ein "Attest zur Vorlage bei der Unfallversicherung" (Anlage K9 im Anlagenband zur Klageschrift). Darin heißt es wörtlich:
"Bei dem Unfall vom 21.01.2016 hat sich Herr Bonner eine Verletzung des rechten Handgelenkes zugezogen. Hieraus resultiert ein Dauerschaden, der ab sofort auf orthopädisch-unfallchirurgischem Fachgebiet gutachterlich beurteilt werden kann."
Dieses Attest übersandte der Kläger der Beklagten mit E-Mail vom 7. April 2017. Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 29. Juni 2017 mit, sie könne keine Leistung in Aussicht stellen, weil kein zeitnaher Befund vorliege, der einen Erstkörperschaden durch das Unfallereignis vom 22. Januar 2016 belege. Selbst wenn die Bandverletzung des Klägers nur durch einen Unfall verursacht sein könne, sei kein Nachweis der Verursachung durch den Unfall vom 22. Januar 2016 geführt. Weiter wies die Beklagte auf eine nach dem Röntgenbefund vorliegende starke Arthrose und vorbestehende Beschwerden des Klägers am rechten Handgelenk hin. Auch nachdem der Prozessbevollmächtigte des Klägers für diesen Ansprüche wegen Invalidität geltend gemacht hatte, hielt die Beklagte an ihrer Leistungsablehnung fest.
Der Kläger hat behauptet, er sei am 22. Januar 2016 gegen 23.30 Uhr auf dem Bahnsteig der Saarbahn-Haltestelle R. bei Blitzeis gestürzt und auf die rechte Hand gefallen. Er habe starke Schmerzen gehabt, sei jedoch nicht von einer schwerwiegenderen Verletzung ausgegangen. Am 21. März 2016 habe er wegen seiner Beschwerden erstmals den Orthopäden Dr. M. K. aufgesucht, der ihn sodann fortlaufend behandelt habe. Eine am 16. November 2016 durchgeführte Operation habe keine Besserung seiner Beschwerden gebracht. Durch den Unfall sei es zu einem Bänderriss im Handgelenk und einer sogenannten skapholunären Dissoziation gekommen. Aufgrund der hieraus resultierenden Schmerzen und der eingeschränkten Beweglichkeit bestehe eine Invalidität von 6/10 Handwert.
Der Kläger hat beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 49.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über den Basiszinssatz seit dem 11.6.2019 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die gem. der neuen Rechtsprechung des BGH nicht streitwerterhöhende volle Geschäftsgebühr als Nebenforderung i. H. v. 1822,96 Euro zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, es fehle bereits an einer fristgerechten ärztlichen Feststellung des Eintritts einer Invalidität, weil das Attest vom 15. März 2017 keine Aussage dazu treffe, ob die darin angegebene Invalidität binnen eines Jahres nach dem behaupteten Unfall eingetreten sei. Darüber hinaus hat sie eine durch den behaupteten Sturz des Klägers eingetretene Primärverletzung bestritten. Sie hat behauptet, die beim Kläger im November 2016 festgestellte skapholunäre Dissoziation müsse keineswegs zwingend durch einen Unfall verursacht worden sein, vielmehr kämen insoweit auch rheumatische Erkrankungen oder Stoffwechselerkrankungen als Ursachen in Betracht. Beim Kläger hätten seit vielen Jahren Beschwerden des Handgelenks vorgelegen; dementsprechend ergebe sich aus dem Arztbericht vom 16. November 2016 (Anlage K5 im Anlagenband zur Klageschrift) auch eine Arthrose des Handgelenks. Vorsorglich hat sich die Beklagte auf eine Vorinvalidität und/oder Mitwirkung unfallfremder Vorerkrankungen in Höhe von 100 % berufen.
Mit dem am 17. November 2020 verkündeten Urteil hat das Landgericht Saarbrücken die Klage abgewiesen, weil es an einer fristgerechten ärztlichen Feststellung der Invalidität fehle. Das Attest vom 15. März 2017 sei nicht ausreichend, weil es sich nicht dazu verhalte, ob die Invalidität binnen eines Jahres nach dem Unfall eingetreten sei. Der Senat nimmt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des Urteils Bezug.
Der Kläger hat Berufung eingelegt und verfolgt seine erstinstanzlich erhobenen Ansprüche in vollem Umfang weiter. Er ist der Ansicht, das von ihm vorgelegte Attest sei so zu verstehen, dass die am 15. März 2017 attestierte Invalidität auch bereits zwei Monate zuvor vorgelegen habe. Eine Vorinvalidität habe nicht bestanden, und eine etwaige Mitwirkung von Vorerkrankungen bleibe nach den hier vereinbarten Bedingungen bis zu einem Grad von 60 % außer Betracht.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des am 17. November 2020 verkündeten Urteils des Landgerichtes Saarbrücken, Aktenzeichen 14 O 309/19
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 49.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
2. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1822,96 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Senat hat den Kläger persönlich angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin B.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 22. September 2021 (Bl. 154 ff. d. A.) verwiesen. Weiter hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens bei Prof. Dr. S. R. (Bl. 190 ff. d. A.), welches der Sachverständige im Termin vom 22. Juli 2022 (Sitzungsniederschrift Bl. 263 ff. d. A.) mündlich erläutert hat. Hinsichtlich des Sachverhalts und des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 6. Oktober 2020 (Bl. 89 d. A.) und des Senats vom 22. September 2021 (Bl. 154 ff. d. A.) und 22. Juli 2022 (Bl. 263 ff. d. A.) sowie auf das Urteil des Landgerichts vom 17. November 2020 Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist nicht begründet, denn das angefochtene Urteil beruht weder gemäß §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung. Nach dem Ergebnis der von dem Senat durchgeführten Beweisaufnahme ist der Eintritt eines auf das Unfallereignis zurückzuführenden Dauerschadens des Klägers nicht erwiesen.
1.
Nach dem Ergebnis der von dem Senat durchgeführten Beweisaufnahme ist allerdings davon auszugehen, dass es am 22. Januar 2016 zu einem Unfallereignis im Sinne der Bedingungen (Nr. 1.3 AUB 2011) gekommen ist, weil der Kläger gestürzt ist, was - unabhängig von der Ursache, die zu diesem Sturz geführt hat - ein plötzlich von außen auf den Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis) darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 2011 - IV ZR 29/09, VersR 2011, 1135). Der Kläger und seine Ehefrau haben übereinstimmend und glaubhaft geschildert, sie seien mit der Saarbahn von einer Veranstaltung zurückgekehrt, und der Kläger sei bei Glatteis ausgerutscht und auf den Boden gestürzt. Die Glaubhaftigkeit dieser Angaben wird dabei durch die von der Beklagten hervorgehobenen Widersprüche nicht in Zweifel gezogen. Zwar haben der Kläger und die Zeugin unterschiedliche Orte bezeichnet, an denen der Kläger gestürzt ist - dem Kläger zufolge noch auf dem Bahnsteig, nach Angaben der Zeugin auf dem weiteren Nachhauseweg etwa 200 m entfernt von dem Bahnsteig, doch spricht diese Diskrepanz zwischen ihren Angaben eher gegen eine Absprache, ein tatsächlich nicht geschehenes Unfallereignis zu behaupten, was die Beklagte wohl unterstellen will. Wenn der Kläger und seine Ehefrau das Unfallereignis erfunden hätten, wäre viel eher zu erwarten, dass sie die Schilderung des Kerngeschehens, wozu namentlich der Ort des Sturzes zu zählen ist, exakt absprechen und es allenfalls bei Einzelheiten des Randgeschehens zu Widersprüchen kommt. Dass die Erinnerung des Klägers und die seiner Ehefrau in diesem Punkt nicht übereinstimmten, lässt sich im Übrigen zwanglos mit dem erheblichen Zeitraum erklären, der zwischen dem berichteten Geschehen und ihrer Vernehmung (fast sechs Jahre) verstrichen ist.
2.
Ansprüche des Klägers auf eine Invaliditätsleistung scheitern auch nicht - anders als das Landgericht angenommen hat - am Fehlen einer fristgemäßen und inhaltlich ausreichenden Feststellung der Invalidität durch einen Arzt. Zum einen entspricht die vom Kläger vorgelegte ärztliche Invaliditätsfeststellung nach Auffassung des Senats den an sie nach den Versicherungsbedingungen zu stellenden Anforderungen, und zum anderen wäre es der Beklagten - wenn man die ärztliche Bescheinigung für unzureichend erachten würde - nach Treu und Glauben verwehrt, sich hierauf zu berufen.
a.
Gemäß Nr. 2.1.1.1 AUB 2011 in Verbindung mit der in Abschnitt Q. Nr. 1 BTU vorgesehenen besonderen Erweiterung der Invaliditätsfristen ist Voraussetzung für die Invaliditätsleistung, dass die versicherte Person durch den Unfall auf Dauer in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist (Invalidität); ferner, dass die Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und innerhalb von 18 Monaten ärztlich festgestellt und geltend gemacht wurde. Das ist hier geschehen. Die rechtzeitige Geltendmachung der Invalidität steht zwischen den Parteien außer Streit, und das - gleichfalls unstreitig - fristgerecht, nämlich am 7. April 2017, eingereichte Attest des Orthopäden Dr. K. stellt eine ausreichende Invaliditätsfeststellung dar, obwohl es nicht bescheinigt, dass der Dauerschaden binnen Jahresfrist nach dem Unfall eingetreten ist. Eine solche Angabe ist nach den Bedingungen nämlich nicht erforderlich.
(1)
Die Fristenregelungen in Nr. 2.1.1.1 AUB 2011 (wie auch schon zuvor in § 7 Abs. 1 (1) AUB 95), an deren Wirksamkeit weder unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit noch unter demjenigen der Transparenz Zweifel bestehen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juni 2012 - IV ZR 39/11, VersR 2012, 1113 mwN.), zielen darauf ab, dem Versicherer eine Grundlage für die Überprüfung seiner Leistungspflicht zu bieten, außerdem sollen schwer aufklärbare Spätschäden ausgegrenzt werden. Das Versäumen der Fristen, deren Einhaltung nach den Bedingungen als Anspruchsvoraussetzung ausgestaltet ist, führt daher selbst dann zum Leistungsausschluss, wenn den Versicherungsnehmer daran kein Verschulden trifft (vgl. BGH, Urteil vom 1. April 2015 - IV ZR 104/13, VersR 2015, 617; Urteil vom 7. März 2007 - IV ZR 137/06, VersR 2007, 1114, auch zur Wirksamkeit der Klausel; Senat, Urteil vom 11. Januar 2017 - 5 U 78/14; Urteil vom 16. Februar 2011 - 5 U 147/09). Nach dem dargestellten Zweck der Fristenregelung richten sich auch die inhaltlichen Anforderungen der Invaliditätsfeststellung, an welche keine hohen Anforderungen zu stellen sind (BGH, Urteil vom 7. März 2007 - IV ZR 137/06, aaO.). Die ärztliche Invaliditätsfeststellung muss die Schädigung und den Bereich, auf den sich diese auswirkt, sowie die Ursachen, auf denen der Dauerschaden beruht, so umreißen, dass der Versicherer bei seiner Leistungsprüfung vor der späteren Geltendmachung völlig anderer Gebrechen oder Invaliditätsursachen geschützt wird und stattdessen den medizinischen Bereich erkennen kann, auf den sich die Prüfung seiner Leistungspflicht erstrecken muss (BGH, Urteil vom 1. April 2015 - IV ZR 104/13, VersR 2015, 617). Gemessen an diesem Zweck muss die Invaliditätsfeststellung aber weder präzise Angaben zu Umfang und Ursache des Dauerschadens enthalten, noch muss sie hinsichtlich der Feststellung der Unfallbedingtheit eines bestimmten Dauerschadens überhaupt richtig sein (BGH, Urteil vom 1. April 2015 - IV ZR 104/13, VersR 2015, 617; Urteil vom 7. März 2007 - IV ZR 137/06, VersR 2007, 1114).
(2)
In Anwendung dieser Grundsätze wird in der Rechtsprechung teilweise angenommen, die ärztliche Feststellung der Invalidität müsse sich auch dazu verhalten, ob der Dauerschaden binnen der nach den Bedingungen maßgeblichen Frist (hier: ein Jahr) nach dem Unfall eingetreten ist (vgl. die Hinweisbeschlüsse OLG Frankfurt, r+s 2019, 282; OLG Düsseldorf, r+s 2018, 87; OLG Köln, zfs 2018, 645; ebenso Grimm/Kloth, Unfallversicherung, 6. Aufl., Ziff. 2 AUB 2014 Rn. 24). Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Gegen die Richtigkeit dieser - in allen genannten Entscheidungen nicht näher begründeten - Auffassung spricht maßgeblich, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer eine solche Anforderung den Versicherungsbedingungen nicht entnehmen kann. Nr. 2.1.1.1 AUB 2011 verlangt lediglich die Feststellung der Invalidität durch einen Arzt binnen 15 (nach den hier vereinbarten Zusatzbedingungen sogar 18) Monaten. Der Versicherungsnehmer kann nicht erkennen, dass er Gefahr läuft, seinen Leistungsanspruch zu verlieren, wenn er sich um eine ärztliche Invaliditätsfeststellung - was die Bedingungen ja gerade zulassen - erst nach Ablauf der Jahresfrist bemüht und der von ihm aufgesuchte Arzt aufgrund der ihm vorliegenden Informationen und sonstigen Erkenntnismöglichkeiten keine Aussage dazu treffen kann, ob der von ihm festgestellte Dauerschaden bereits binnen Jahresfrist eingetreten ist. Vielmehr wird der Versicherungsnehmer annehmen, um die Anspruchsvoraussetzungen zu erfüllen, könne er auch noch gegen Ende der 18-Monats-Frist einen Arzt aufsuchen und von diesem dann das Vorliegen einer Invalidität feststellen lassen. Der Senat vermag auch nicht zu erkennen, warum nur eine Invaliditätsfeststellung, welche auch die Angabe enthält, dass der Dauerschaden innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten ist, "den berechtigten Interessen des Versicherers gerecht" werden soll (so aber Grimm/Kloth, aaO.). Diesen ist bereits dadurch genüge getan, dass sich seine Leistungsprüfung nur auf den medizinischen Bereich zu erstrecken braucht, in welchem nach der ärztlichen Feststellung die Invalidität vorliegen soll, denn dann kann sich der Versicherer darauf einstellen, nur wegen dieser Gebrechen oder Invaliditätsursachen in Anspruch genommen zu werden, und er kann seine Prüfung hierauf beschränken (vgl. BGH, Urteil vom 1. April 2015 - IV ZR 104/13, VersR 2015, 617 Rz. 21 f.; Rixecker in: Langheid/Rixecker, VVG, 6. Aufl., § 186 Rn. 7). Da die ärztliche Feststellung nicht richtig zu sein braucht (vgl. BGH, aaO. Rz. 21), ist für den Versicherer nichts gewonnen, wenn ein kurz vor Ablauf der 18-Monats-Frist erstelltes ärztliches Attest die zusätzliche Aussage enthält, die darin festgestellte Invalidität sei bereits 12 Monate nach dem Unfall eingetreten. Denn ob dies zutrifft, muss der Versicherer im Rahmen der Leistungsprüfung ohnehin ebenso klären wie überhaupt das Bestehen und das Ausmaß einer unfallbedingten Invalidität. Umgekehrt obliegt es im Streitfalle dem Versicherungsnehmer, die Voraussetzungen seines Anspruchs auf Invaliditätsleistung nachzuweisen, wozu auch der Eintritt der Invalidität binnen Jahresfrist gehört. Dieses Nachweises wäre der Versicherungsnehmer nicht deshalb enthoben, weil die ärztliche Invaliditätsfeststellung auch diesen zu beweisenden Umstand bestätigt. Dem berechtigten Interesse des Versicherers an der baldigen Klärung seiner Einstandspflicht und an der Ausgrenzung von Spätschäden dient die von der Beklagten für erforderlich gehaltene zusätzliche Angabe in der Invaliditätsfeststellung mithin nicht. Es kann daher offenbleiben, ob die Fristenregelegung in Ziff. 2.1.1.1 AUB 2011 auch mit dem Inhalt, den die Beklagte ihr beimessen möchte, einer AGB-Kontrolle standhalten würde.
b.
Ungeachtet der Frage, welche Anforderungen an den Inhalt der ärztlichen Invaliditätsfeststellung zu stellen sind, ist der Beklagten die Berufung auf die - unterstellte - Unzulänglichkeit des Attestes vom 15. März 2017 und damit auf das Fehlen einer rechtzeitigen ärztlichen Feststellung der Invalidität auch deshalb versagt, weil sie damit gegen das Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstößt.
(1)
Die Berufung des Versicherers auf den Ablauf der Frist zur ärztlichen Feststellung der Invalidität kann im Einzelfall rechtsmissbräuchlich sein, sodass die Versäumung der Frist dem Versicherungsnehmer nicht schadet. Das kommt namentlich dann in Betracht, wenn dem Versicherer bereits vor Fristablauf ein Belehrungsbedarf des Versicherungsnehmers hinsichtlich der zu wahrenden Frist deutlich wird, er aber gleichwohl eine solche Belehrung unterlässt (BGH, Urteil vom 23. Februar 2005 - IV ZR 273/03, VersR 2005, 639). Insbesondere kann der Versicherer nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu einer zusätzlichen (erläuternden) Belehrung verpflichtet sein, wenn der Versicherte trotz des Hinweises nach § 186 VVG im Unklaren ist, was von ihm zur Geltendmachung und Wahrung seiner Ansprüche zu veranlassen ist. Das kann etwa der Fall sein, wenn der Versicherer innerhalb der Frist erkennt, dass der Versicherte Invalidität geltend machen will, das von ihm vorgelegte ärztliche Attest den Anforderungen an eine ärztliche Invaliditätsfeststellung aber nicht genügt oder gar gänzlich fehlt (vgl. Senat, Urteil vom 27. April 2016 - 5 U 36/15, zfs 2018, 575; OLG Dresden, VersR 2019, 1280; OLG München, VersR 2012, 1116; OLG Naumburg, VersR 2013, 229; Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl., § 186 Rn. 11 und Ziff. 2 AUB 2014 Rn. 30; Rixecker in Langheid/Rixecker, VVG, 6. Aufl., § 186 Rn. 12).
(2)
So liegen die Dinge hier. Wenn es richtig wäre, dass die ärztliche Feststellung der Invalidität sich auch zu der Frage verhalten muss, ob der Dauerschaden innerhalb eines Jahres eingetreten ist, hätte es der Beklagten oblegen, den Kläger nach Einreichung des Attestes vom 15. März 2017 auf diesen Umstand hinzuweisen. Denn der Kläger, der eine Invalidität geltend machte, ging erkennbar davon aus, mit der Vorlage dieses Attestes alles getan zu haben, um die in Nr. 2.1.1.1 AUB 2011 formulierten Anspruchsvoraussetzungen zu erfüllen. In dieser Annahme wurde er durch die Beklagte in der Folgezeit auch bestärkt, denn diese berief sich etwa in ihrer Leistungsablehnung vom 29. Juni 2017 (Anlage K7 im Anlagenband zur Klageschrift), bei deren Abfassung noch mehr als drei Wochen der 18-Monats-Frist offenstanden, innerhalb derer dem Kläger die Möglichkeit verblieben wäre, eine inhaltlich unzureichende ärztliche Feststellung ergänzen zu lassen, nicht auf das Fehlen der Invaliditätsfeststellung, sondern auf den unterbliebenen Nachweis eines durch den Unfall vom 22. Januar 2016 verursachten ersten Körperschadens.
3.
Der geltend gemachte Anspruch des Klägers auf eine Invaliditätsleistung besteht aber deshalb nicht, weil nach der von dem Senat durchgeführten Beweisaufnahme eine auf den Unfall zurückzuführende dauernde Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit des Klägers, die gemäß Nr. 2.1.1.1 Satz 1 AUB 2011 Voraussetzung für eine Invaliditätsleistung ist, nicht festzustellen ist.
a.
Der Nachweis unfallbedingter Invalidität obliegt dem Versicherungsnehmer, wobei der Beweis eines (ersten) unfallbedingten Gesundheitsschadens gemäß § 286 ZPO zu führen ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. Mai 2009 - IV ZR 211/05, VersR 2009, 1213; Urteil vom 23. Juni 2004 - IV ZR 130/03, BGHZ 159, 360), während für den Beweis der Kausalität zwischen dem Erstschaden und der (gleichfalls nach § 286 ZPO zu beweisenden, BGH aaO.) Invalidität der erleichterte Maßstab des § 287 ZPO eingreift (BGH, Urteil vom 23. Juni 2004 - IV ZR 130/03, BGHZ 159, 360; Urteil vom 13. Mai 2009 - IV ZR 211/05, VersR 2009, 1213; Mangen, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl., § 47 Rn. 158).
b.
Der Sachverständige Prof. Dr. R., dessen Fachkunde dem Senat aus einer Vielzahl von Gutachten bekannt ist und keinem Zweifel unterliegt, vermochte einen kausal auf das Unfallereignis zurückzuführenden Erstschaden nicht mit hinreichender Gewissheit festzustellen, was der Überzeugungsbildung des Senats nach dem Maßstab des § 286 ZPO entgegensteht.
(1)
Wie der Sachverständige einleuchtend darlegte, scheitert der Nachweis einer durch das Unfallereignis verursachten Gesundheitsschädigung (Nr. 1.3 AUB 2011) im Sinne eines ersten Körperschadens maßgeblich daran, dass erst mehr als ein halbes Jahr nach dem Unfall eine bildgebende Diagnostik durchgeführt wurde. Daher konnte ein posttraumatischer Erstbefund, der auf ein akutes Verletzungsereignis hinweisen könnte, nicht mehr gesichert und nicht mehr beurteilt werden. Die bloße Dissoziation zwischen Kahnbein und Mondbein ist nach den Ausführungen des Sachverständigen kein Beleg für eine dort eingetretene Verletzung (etwa eines Bandes), weil dieselbe Dissoziation auch in der linken Hand vorliegt, weshalb der Sachverständige sie - nachvollziehbar - als anlagebedingt einschätzt. Das leuchtet ein. Auf eine (Band-)Verletzung im Bereich der Handwurzelknochen der rechten Hand hindeuten könnte dem Sachverständigen zufolge die abgekippte Lage des Mondbeins rechts, die in der linken Hand nicht zu beobachten ist. Indes besteht lediglich die Möglichkeit, dass der Unfall hierfür ursächlich ist; eine weitergehende Aussage hierzu wäre dem Sachverständigen nur möglich gewesen, wenn eine Bildgebung vorgelegen hätte, die zeitnah nach dem Unfall angefertigt wurde. Da es hieran fehlt, kann der Zustand nach den Angaben des Sachverständigen genauso auch schon vor dem Unfall bestanden haben. Im Übrigen spricht nach den Feststellungen des Sachverständigen gegen eine schwerwiegende Bandverletzung (nämlich die hier in Betracht zu ziehende Zerreißung des Bandes zwischen dem Kahnbein und dem Mondbein) durch den Unfall, dass eine solche immer zu einer erheblichen Schwellung des Handgelenks führt, bei der auch eine frühzeitige (innerhalb der ersten ein bis drei Tage) Vorstellung bei einem Arzt zu erwarten sei. Von einer solchen Schwellung hat der Kläger indes nichts berichtet, und einen Arzt hat er erst viel später aufgesucht. Damit ist der Nachweis eines strukturellen ersten Körperschadens an der rechten Hand nicht erbracht.
(2)
Ebenso wenig kann beweissicher festgestellt werden, dass das Unfallereignis - entsprechend einer vom Sachverständigen erwähnten weiteren Möglichkeit - auf eine vorbestehende Arthrose nur akzentuierend oder aktivierend gewirkt hat, ohne einen zusätzlichen eigenständigen Strukturschaden zu verursachen (Gutachten vom 30. Januar 2022, S. 31 = Bl. 220 d. A.). Auch bei einer solchen Aktivierung oder Akzentuierung einer vorbestehenden Arthrose durch den Unfall des Klägers wäre die Kausalität des Unfallgeschehens für die Gesundheitsbeeinträchtigung zu bejahen, wenn die bei dem Vorfall einwirkenden Kräfte zu dieser Aktivierung einer zuvor klinisch stummen Arthrose oder - bei schon vorbestehenden Beschwerden - zu deren Verschlimmerung ("Akzentuierung") geführt hätte (vgl. BGH, Urteil vom 19. Oktober 2016 - IV ZR 521/14 Rn. 20, VersR 2016, 1492). Dann müsste aber für die Aktivierung oder Akzentuierung - weil dies dann die durch den Unfall verursachte (erste) Gesundheitsschädigung wäre - eine adäquate Kausalität des Unfallereignisses mit dem Beweismaß des § 286 ZPO feststehen. Das ist hier nicht der Fall. Wie der Sachverständige ausgeführt hat, ist eine solche Aktivierung einer alten Verletzung des Kahnbeins oder anderer Verletzungen, die zuvor wenig symptomatisch verlaufen sind, durch ein Unfallereignis zwar nichts Ungewöhnliches, doch konnte er zu der Frage, wie wahrscheinlich ein Einfluss des Unfallgeschehens auf die Weiterentwicklung der Arthrose gewesen ist, mangels objektiver medizinischer Anknüpfungstatsachen keine Einschätzung geben; eine Kausalität könne bestehen oder auch nicht. Selbst unter der Annahme, die Schilderung des Klägers hinsichtlich der Entwicklung seiner Beschwerden sei zutreffend, hat der Sachverständige lediglich eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür gesehen, dass das Unfallgeschehen die Entwicklung der - vorbestehenden - Arthrose im Sinne einer Akzentuierung beeinflusst hat. Das wäre möglicherweise ausreichend, wenn der Kläger den Beweis nur nach § 287 ZPO führen müsste, genügt aber nicht für den hier nach § 286 ZPO zu erbringenden Nachweis einer Kausalität des Unfallereignisses für eine Gesundheitsbeschädigung des Klägers.
4.
Da dem Kläger in der Hauptsache kein Anspruch zusteht, hat er auch keinen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten.
5.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 Satz 1 ZPO und diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO nicht zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG in Verb. mit §§ 3, 4 ZPO.
Urteil vom 05.08.2022
Tenor:
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 17. November 2020 - 14 O 309/19 - wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 49.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Gegenstand der Klage sind Ansprüche des Klägers aus einem Unfallversicherungsvertrag.
Der Kläger hält bei der Beklagten seit dem 4. September 2015 einen von der Beklagten als "Sorglos-Unfallversicherung" bezeichneten Unfallversicherungsvertrag. Im Falle der Invalidität beträgt die (Grund-)Versicherungssumme 100.000 Euro mit "besonders erhöhter progressiver Invaliditätsstaffel bis 500 %" (Versicherungsschein als Anlage K1 im Anlagenband zur Klageschrift). Vertragsbestandteil sind u. a. die "Bedingungen und Tarifbestimmungen zur Sorglos-Unfallversicherung (BTU)" der Beklagten (Anlage E1, Bl. 38 ff. d. A.); hierzu gehören die Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (AUB 2011). Nach Nr. 2.1.2.1 AUB 2011 erbringt die Beklagte bei unfallbedingter Invalidität eine Kapitalleistung. Ein Unfall liegt nach Nr. 1.3 AUB 2011 vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis) unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Invalidität im Sinne der Bedingungen setzt gemäß Nr. 2.1.1.1 AUB 2011 voraus, dass die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit der versicherten Person dauerhaft beeinträchtigt ist, wobei eine Beeinträchtigung dann dauerhaft ist, wenn sie voraussichtlich länger als drei Jahre bestehen wird und eine Änderung des Zustandes nicht erwartet werden kann. Voraussetzung für den Anspruch auf Invaliditätsleistung ist weiter, dass die Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und innerhalb von fünfzehn Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und bei der Beklagten geltend gemacht wird (Nr. 2.1.1.1 AUB 2011). Für den Verlust oder die vollständige Funktionsunfähigkeit einzelner Körperteile und Sinnesorgane sind bestimmte Invaliditätsgrade festgelegt (Gliedertaxe, Nr. 2.1.2.2.1 AUB 2011); für eine Hand beträgt dieser Grad 55 %. Bei Teilverlust oder teilweiser Funktionsbeeinträchtigung gilt der entsprechende Teil des jeweiligen Prozentsatzes (Nr. 2.1.2.2.1 AUB 2011, letzter Satz). Wenn betroffene Körperteile oder Sinnesorgane oder deren Funktionen bereits vor dem Unfall dauernd beeinträchtigt waren, wird der Invaliditätsgrad um die nach denselben Regeln zu bemessende Vorinvalidität gemindert (Nr. 2.1.2.2.3 AUB 2011). Haben Krankheiten oder Gebrechen bei der durch ein Unfallereignis verursachten Gesundheitsschädigung oder deren Folgen mitgewirkt, mindert sich im Falle der Invalidität der Prozentsatz des Invaliditätsgrades entsprechend dem Anteil der Krankheit oder des Gebrechens (Nr. 3 AUB 2011). Gemäß Nr. 1 von Abschnitt Q der BTU (Bl. 49 d. A.) ist in Abänderung von Ziffer 2.1.1.1 AUB 2011 die Frist zur Anmeldung der Invalidität auf 18 Monate - vom Unfalltag gerechnet - erweitert. Nach Nr. 2 dieses Abschnitts gilt abweichend von der Gliedertaxe der AUB 2011 u. a. ein Handwert von 70 %, und Nr. 4 bestimmt, dass bei Mitwirkung von Krankheiten und Gebrechen "an dem Unfallereignis" die Leistung erst dann gekürzt wird, wenn der Anteil der Krankheit oder des Gebrechens mindestens 40 % beträgt.
Unter dem 22. September 2016 meldete der Kläger der Beklagten einen Unfall vom 22. Januar 2016 und gab an, gegen 23.30 Uhr an diesem Tag auf dem Bahnsteig der Saarbahnhaltestelle R. wegen "Blitzeis" ausgerutscht und auf die rechte Hand gestürzt zu sein. Als daraus resultierende Verletzung gab er "Bänderriß an Handwurzel" an (Anlage K3 im Anlagenband zur Klageschrift). Die Beklagte bat den Kläger mit Schreiben vom 10. Oktober 2016 (Anlage K7 im Anlagenband zur Klageschrift) um "schriftliche, fristgemäße Benachrichtigung", falls aufgrund des Unfalls Dauerfolgen verbleiben sollten. Die Beeinträchtigung (Invalidität) müsse innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und innerhalb von maximal 18 Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und vom Kläger bei der Beklagten geltend gemacht werden. Wenn diese Fristen nicht eingehalten würden, sei ein Anspruch auf Invaliditätsleistung ausgeschlossen. Eine wortgleiche Belehrung erteilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 23. Januar 2017 (Anlage K9 im Anlagenband zur Klageschrift).
Am 15. März 2017 erstellte der den Kläger behandelnde Orthopäde Dr. K. ein "Attest zur Vorlage bei der Unfallversicherung" (Anlage K9 im Anlagenband zur Klageschrift). Darin heißt es wörtlich:
"Bei dem Unfall vom 21.01.2016 hat sich Herr Bonner eine Verletzung des rechten Handgelenkes zugezogen. Hieraus resultiert ein Dauerschaden, der ab sofort auf orthopädisch-unfallchirurgischem Fachgebiet gutachterlich beurteilt werden kann."
Dieses Attest übersandte der Kläger der Beklagten mit E-Mail vom 7. April 2017. Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 29. Juni 2017 mit, sie könne keine Leistung in Aussicht stellen, weil kein zeitnaher Befund vorliege, der einen Erstkörperschaden durch das Unfallereignis vom 22. Januar 2016 belege. Selbst wenn die Bandverletzung des Klägers nur durch einen Unfall verursacht sein könne, sei kein Nachweis der Verursachung durch den Unfall vom 22. Januar 2016 geführt. Weiter wies die Beklagte auf eine nach dem Röntgenbefund vorliegende starke Arthrose und vorbestehende Beschwerden des Klägers am rechten Handgelenk hin. Auch nachdem der Prozessbevollmächtigte des Klägers für diesen Ansprüche wegen Invalidität geltend gemacht hatte, hielt die Beklagte an ihrer Leistungsablehnung fest.
Der Kläger hat behauptet, er sei am 22. Januar 2016 gegen 23.30 Uhr auf dem Bahnsteig der Saarbahn-Haltestelle R. bei Blitzeis gestürzt und auf die rechte Hand gefallen. Er habe starke Schmerzen gehabt, sei jedoch nicht von einer schwerwiegenderen Verletzung ausgegangen. Am 21. März 2016 habe er wegen seiner Beschwerden erstmals den Orthopäden Dr. M. K. aufgesucht, der ihn sodann fortlaufend behandelt habe. Eine am 16. November 2016 durchgeführte Operation habe keine Besserung seiner Beschwerden gebracht. Durch den Unfall sei es zu einem Bänderriss im Handgelenk und einer sogenannten skapholunären Dissoziation gekommen. Aufgrund der hieraus resultierenden Schmerzen und der eingeschränkten Beweglichkeit bestehe eine Invalidität von 6/10 Handwert.
Der Kläger hat beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 49.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über den Basiszinssatz seit dem 11.6.2019 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die gem. der neuen Rechtsprechung des BGH nicht streitwerterhöhende volle Geschäftsgebühr als Nebenforderung i. H. v. 1822,96 Euro zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, es fehle bereits an einer fristgerechten ärztlichen Feststellung des Eintritts einer Invalidität, weil das Attest vom 15. März 2017 keine Aussage dazu treffe, ob die darin angegebene Invalidität binnen eines Jahres nach dem behaupteten Unfall eingetreten sei. Darüber hinaus hat sie eine durch den behaupteten Sturz des Klägers eingetretene Primärverletzung bestritten. Sie hat behauptet, die beim Kläger im November 2016 festgestellte skapholunäre Dissoziation müsse keineswegs zwingend durch einen Unfall verursacht worden sein, vielmehr kämen insoweit auch rheumatische Erkrankungen oder Stoffwechselerkrankungen als Ursachen in Betracht. Beim Kläger hätten seit vielen Jahren Beschwerden des Handgelenks vorgelegen; dementsprechend ergebe sich aus dem Arztbericht vom 16. November 2016 (Anlage K5 im Anlagenband zur Klageschrift) auch eine Arthrose des Handgelenks. Vorsorglich hat sich die Beklagte auf eine Vorinvalidität und/oder Mitwirkung unfallfremder Vorerkrankungen in Höhe von 100 % berufen.
Mit dem am 17. November 2020 verkündeten Urteil hat das Landgericht Saarbrücken die Klage abgewiesen, weil es an einer fristgerechten ärztlichen Feststellung der Invalidität fehle. Das Attest vom 15. März 2017 sei nicht ausreichend, weil es sich nicht dazu verhalte, ob die Invalidität binnen eines Jahres nach dem Unfall eingetreten sei. Der Senat nimmt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des Urteils Bezug.
Der Kläger hat Berufung eingelegt und verfolgt seine erstinstanzlich erhobenen Ansprüche in vollem Umfang weiter. Er ist der Ansicht, das von ihm vorgelegte Attest sei so zu verstehen, dass die am 15. März 2017 attestierte Invalidität auch bereits zwei Monate zuvor vorgelegen habe. Eine Vorinvalidität habe nicht bestanden, und eine etwaige Mitwirkung von Vorerkrankungen bleibe nach den hier vereinbarten Bedingungen bis zu einem Grad von 60 % außer Betracht.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des am 17. November 2020 verkündeten Urteils des Landgerichtes Saarbrücken, Aktenzeichen 14 O 309/19
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 49.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
2. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1822,96 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Senat hat den Kläger persönlich angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin B.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 22. September 2021 (Bl. 154 ff. d. A.) verwiesen. Weiter hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens bei Prof. Dr. S. R. (Bl. 190 ff. d. A.), welches der Sachverständige im Termin vom 22. Juli 2022 (Sitzungsniederschrift Bl. 263 ff. d. A.) mündlich erläutert hat. Hinsichtlich des Sachverhalts und des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 6. Oktober 2020 (Bl. 89 d. A.) und des Senats vom 22. September 2021 (Bl. 154 ff. d. A.) und 22. Juli 2022 (Bl. 263 ff. d. A.) sowie auf das Urteil des Landgerichts vom 17. November 2020 Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist nicht begründet, denn das angefochtene Urteil beruht weder gemäß §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung. Nach dem Ergebnis der von dem Senat durchgeführten Beweisaufnahme ist der Eintritt eines auf das Unfallereignis zurückzuführenden Dauerschadens des Klägers nicht erwiesen.
1.
Nach dem Ergebnis der von dem Senat durchgeführten Beweisaufnahme ist allerdings davon auszugehen, dass es am 22. Januar 2016 zu einem Unfallereignis im Sinne der Bedingungen (Nr. 1.3 AUB 2011) gekommen ist, weil der Kläger gestürzt ist, was - unabhängig von der Ursache, die zu diesem Sturz geführt hat - ein plötzlich von außen auf den Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis) darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 2011 - IV ZR 29/09, VersR 2011, 1135). Der Kläger und seine Ehefrau haben übereinstimmend und glaubhaft geschildert, sie seien mit der Saarbahn von einer Veranstaltung zurückgekehrt, und der Kläger sei bei Glatteis ausgerutscht und auf den Boden gestürzt. Die Glaubhaftigkeit dieser Angaben wird dabei durch die von der Beklagten hervorgehobenen Widersprüche nicht in Zweifel gezogen. Zwar haben der Kläger und die Zeugin unterschiedliche Orte bezeichnet, an denen der Kläger gestürzt ist - dem Kläger zufolge noch auf dem Bahnsteig, nach Angaben der Zeugin auf dem weiteren Nachhauseweg etwa 200 m entfernt von dem Bahnsteig, doch spricht diese Diskrepanz zwischen ihren Angaben eher gegen eine Absprache, ein tatsächlich nicht geschehenes Unfallereignis zu behaupten, was die Beklagte wohl unterstellen will. Wenn der Kläger und seine Ehefrau das Unfallereignis erfunden hätten, wäre viel eher zu erwarten, dass sie die Schilderung des Kerngeschehens, wozu namentlich der Ort des Sturzes zu zählen ist, exakt absprechen und es allenfalls bei Einzelheiten des Randgeschehens zu Widersprüchen kommt. Dass die Erinnerung des Klägers und die seiner Ehefrau in diesem Punkt nicht übereinstimmten, lässt sich im Übrigen zwanglos mit dem erheblichen Zeitraum erklären, der zwischen dem berichteten Geschehen und ihrer Vernehmung (fast sechs Jahre) verstrichen ist.
2.
Ansprüche des Klägers auf eine Invaliditätsleistung scheitern auch nicht - anders als das Landgericht angenommen hat - am Fehlen einer fristgemäßen und inhaltlich ausreichenden Feststellung der Invalidität durch einen Arzt. Zum einen entspricht die vom Kläger vorgelegte ärztliche Invaliditätsfeststellung nach Auffassung des Senats den an sie nach den Versicherungsbedingungen zu stellenden Anforderungen, und zum anderen wäre es der Beklagten - wenn man die ärztliche Bescheinigung für unzureichend erachten würde - nach Treu und Glauben verwehrt, sich hierauf zu berufen.
a.
Gemäß Nr. 2.1.1.1 AUB 2011 in Verbindung mit der in Abschnitt Q. Nr. 1 BTU vorgesehenen besonderen Erweiterung der Invaliditätsfristen ist Voraussetzung für die Invaliditätsleistung, dass die versicherte Person durch den Unfall auf Dauer in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist (Invalidität); ferner, dass die Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und innerhalb von 18 Monaten ärztlich festgestellt und geltend gemacht wurde. Das ist hier geschehen. Die rechtzeitige Geltendmachung der Invalidität steht zwischen den Parteien außer Streit, und das - gleichfalls unstreitig - fristgerecht, nämlich am 7. April 2017, eingereichte Attest des Orthopäden Dr. K. stellt eine ausreichende Invaliditätsfeststellung dar, obwohl es nicht bescheinigt, dass der Dauerschaden binnen Jahresfrist nach dem Unfall eingetreten ist. Eine solche Angabe ist nach den Bedingungen nämlich nicht erforderlich.
(1)
Die Fristenregelungen in Nr. 2.1.1.1 AUB 2011 (wie auch schon zuvor in § 7 Abs. 1 (1) AUB 95), an deren Wirksamkeit weder unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit noch unter demjenigen der Transparenz Zweifel bestehen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juni 2012 - IV ZR 39/11, VersR 2012, 1113 mwN.), zielen darauf ab, dem Versicherer eine Grundlage für die Überprüfung seiner Leistungspflicht zu bieten, außerdem sollen schwer aufklärbare Spätschäden ausgegrenzt werden. Das Versäumen der Fristen, deren Einhaltung nach den Bedingungen als Anspruchsvoraussetzung ausgestaltet ist, führt daher selbst dann zum Leistungsausschluss, wenn den Versicherungsnehmer daran kein Verschulden trifft (vgl. BGH, Urteil vom 1. April 2015 - IV ZR 104/13, VersR 2015, 617; Urteil vom 7. März 2007 - IV ZR 137/06, VersR 2007, 1114, auch zur Wirksamkeit der Klausel; Senat, Urteil vom 11. Januar 2017 - 5 U 78/14; Urteil vom 16. Februar 2011 - 5 U 147/09). Nach dem dargestellten Zweck der Fristenregelung richten sich auch die inhaltlichen Anforderungen der Invaliditätsfeststellung, an welche keine hohen Anforderungen zu stellen sind (BGH, Urteil vom 7. März 2007 - IV ZR 137/06, aaO.). Die ärztliche Invaliditätsfeststellung muss die Schädigung und den Bereich, auf den sich diese auswirkt, sowie die Ursachen, auf denen der Dauerschaden beruht, so umreißen, dass der Versicherer bei seiner Leistungsprüfung vor der späteren Geltendmachung völlig anderer Gebrechen oder Invaliditätsursachen geschützt wird und stattdessen den medizinischen Bereich erkennen kann, auf den sich die Prüfung seiner Leistungspflicht erstrecken muss (BGH, Urteil vom 1. April 2015 - IV ZR 104/13, VersR 2015, 617). Gemessen an diesem Zweck muss die Invaliditätsfeststellung aber weder präzise Angaben zu Umfang und Ursache des Dauerschadens enthalten, noch muss sie hinsichtlich der Feststellung der Unfallbedingtheit eines bestimmten Dauerschadens überhaupt richtig sein (BGH, Urteil vom 1. April 2015 - IV ZR 104/13, VersR 2015, 617; Urteil vom 7. März 2007 - IV ZR 137/06, VersR 2007, 1114).
(2)
In Anwendung dieser Grundsätze wird in der Rechtsprechung teilweise angenommen, die ärztliche Feststellung der Invalidität müsse sich auch dazu verhalten, ob der Dauerschaden binnen der nach den Bedingungen maßgeblichen Frist (hier: ein Jahr) nach dem Unfall eingetreten ist (vgl. die Hinweisbeschlüsse OLG Frankfurt, r+s 2019, 282; OLG Düsseldorf, r+s 2018, 87; OLG Köln, zfs 2018, 645; ebenso Grimm/Kloth, Unfallversicherung, 6. Aufl., Ziff. 2 AUB 2014 Rn. 24). Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Gegen die Richtigkeit dieser - in allen genannten Entscheidungen nicht näher begründeten - Auffassung spricht maßgeblich, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer eine solche Anforderung den Versicherungsbedingungen nicht entnehmen kann. Nr. 2.1.1.1 AUB 2011 verlangt lediglich die Feststellung der Invalidität durch einen Arzt binnen 15 (nach den hier vereinbarten Zusatzbedingungen sogar 18) Monaten. Der Versicherungsnehmer kann nicht erkennen, dass er Gefahr läuft, seinen Leistungsanspruch zu verlieren, wenn er sich um eine ärztliche Invaliditätsfeststellung - was die Bedingungen ja gerade zulassen - erst nach Ablauf der Jahresfrist bemüht und der von ihm aufgesuchte Arzt aufgrund der ihm vorliegenden Informationen und sonstigen Erkenntnismöglichkeiten keine Aussage dazu treffen kann, ob der von ihm festgestellte Dauerschaden bereits binnen Jahresfrist eingetreten ist. Vielmehr wird der Versicherungsnehmer annehmen, um die Anspruchsvoraussetzungen zu erfüllen, könne er auch noch gegen Ende der 18-Monats-Frist einen Arzt aufsuchen und von diesem dann das Vorliegen einer Invalidität feststellen lassen. Der Senat vermag auch nicht zu erkennen, warum nur eine Invaliditätsfeststellung, welche auch die Angabe enthält, dass der Dauerschaden innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten ist, "den berechtigten Interessen des Versicherers gerecht" werden soll (so aber Grimm/Kloth, aaO.). Diesen ist bereits dadurch genüge getan, dass sich seine Leistungsprüfung nur auf den medizinischen Bereich zu erstrecken braucht, in welchem nach der ärztlichen Feststellung die Invalidität vorliegen soll, denn dann kann sich der Versicherer darauf einstellen, nur wegen dieser Gebrechen oder Invaliditätsursachen in Anspruch genommen zu werden, und er kann seine Prüfung hierauf beschränken (vgl. BGH, Urteil vom 1. April 2015 - IV ZR 104/13, VersR 2015, 617 Rz. 21 f.; Rixecker in: Langheid/Rixecker, VVG, 6. Aufl., § 186 Rn. 7). Da die ärztliche Feststellung nicht richtig zu sein braucht (vgl. BGH, aaO. Rz. 21), ist für den Versicherer nichts gewonnen, wenn ein kurz vor Ablauf der 18-Monats-Frist erstelltes ärztliches Attest die zusätzliche Aussage enthält, die darin festgestellte Invalidität sei bereits 12 Monate nach dem Unfall eingetreten. Denn ob dies zutrifft, muss der Versicherer im Rahmen der Leistungsprüfung ohnehin ebenso klären wie überhaupt das Bestehen und das Ausmaß einer unfallbedingten Invalidität. Umgekehrt obliegt es im Streitfalle dem Versicherungsnehmer, die Voraussetzungen seines Anspruchs auf Invaliditätsleistung nachzuweisen, wozu auch der Eintritt der Invalidität binnen Jahresfrist gehört. Dieses Nachweises wäre der Versicherungsnehmer nicht deshalb enthoben, weil die ärztliche Invaliditätsfeststellung auch diesen zu beweisenden Umstand bestätigt. Dem berechtigten Interesse des Versicherers an der baldigen Klärung seiner Einstandspflicht und an der Ausgrenzung von Spätschäden dient die von der Beklagten für erforderlich gehaltene zusätzliche Angabe in der Invaliditätsfeststellung mithin nicht. Es kann daher offenbleiben, ob die Fristenregelegung in Ziff. 2.1.1.1 AUB 2011 auch mit dem Inhalt, den die Beklagte ihr beimessen möchte, einer AGB-Kontrolle standhalten würde.
b.
Ungeachtet der Frage, welche Anforderungen an den Inhalt der ärztlichen Invaliditätsfeststellung zu stellen sind, ist der Beklagten die Berufung auf die - unterstellte - Unzulänglichkeit des Attestes vom 15. März 2017 und damit auf das Fehlen einer rechtzeitigen ärztlichen Feststellung der Invalidität auch deshalb versagt, weil sie damit gegen das Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstößt.
(1)
Die Berufung des Versicherers auf den Ablauf der Frist zur ärztlichen Feststellung der Invalidität kann im Einzelfall rechtsmissbräuchlich sein, sodass die Versäumung der Frist dem Versicherungsnehmer nicht schadet. Das kommt namentlich dann in Betracht, wenn dem Versicherer bereits vor Fristablauf ein Belehrungsbedarf des Versicherungsnehmers hinsichtlich der zu wahrenden Frist deutlich wird, er aber gleichwohl eine solche Belehrung unterlässt (BGH, Urteil vom 23. Februar 2005 - IV ZR 273/03, VersR 2005, 639). Insbesondere kann der Versicherer nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu einer zusätzlichen (erläuternden) Belehrung verpflichtet sein, wenn der Versicherte trotz des Hinweises nach § 186 VVG im Unklaren ist, was von ihm zur Geltendmachung und Wahrung seiner Ansprüche zu veranlassen ist. Das kann etwa der Fall sein, wenn der Versicherer innerhalb der Frist erkennt, dass der Versicherte Invalidität geltend machen will, das von ihm vorgelegte ärztliche Attest den Anforderungen an eine ärztliche Invaliditätsfeststellung aber nicht genügt oder gar gänzlich fehlt (vgl. Senat, Urteil vom 27. April 2016 - 5 U 36/15, zfs 2018, 575; OLG Dresden, VersR 2019, 1280; OLG München, VersR 2012, 1116; OLG Naumburg, VersR 2013, 229; Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl., § 186 Rn. 11 und Ziff. 2 AUB 2014 Rn. 30; Rixecker in Langheid/Rixecker, VVG, 6. Aufl., § 186 Rn. 12).
(2)
So liegen die Dinge hier. Wenn es richtig wäre, dass die ärztliche Feststellung der Invalidität sich auch zu der Frage verhalten muss, ob der Dauerschaden innerhalb eines Jahres eingetreten ist, hätte es der Beklagten oblegen, den Kläger nach Einreichung des Attestes vom 15. März 2017 auf diesen Umstand hinzuweisen. Denn der Kläger, der eine Invalidität geltend machte, ging erkennbar davon aus, mit der Vorlage dieses Attestes alles getan zu haben, um die in Nr. 2.1.1.1 AUB 2011 formulierten Anspruchsvoraussetzungen zu erfüllen. In dieser Annahme wurde er durch die Beklagte in der Folgezeit auch bestärkt, denn diese berief sich etwa in ihrer Leistungsablehnung vom 29. Juni 2017 (Anlage K7 im Anlagenband zur Klageschrift), bei deren Abfassung noch mehr als drei Wochen der 18-Monats-Frist offenstanden, innerhalb derer dem Kläger die Möglichkeit verblieben wäre, eine inhaltlich unzureichende ärztliche Feststellung ergänzen zu lassen, nicht auf das Fehlen der Invaliditätsfeststellung, sondern auf den unterbliebenen Nachweis eines durch den Unfall vom 22. Januar 2016 verursachten ersten Körperschadens.
3.
Der geltend gemachte Anspruch des Klägers auf eine Invaliditätsleistung besteht aber deshalb nicht, weil nach der von dem Senat durchgeführten Beweisaufnahme eine auf den Unfall zurückzuführende dauernde Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit des Klägers, die gemäß Nr. 2.1.1.1 Satz 1 AUB 2011 Voraussetzung für eine Invaliditätsleistung ist, nicht festzustellen ist.
a.
Der Nachweis unfallbedingter Invalidität obliegt dem Versicherungsnehmer, wobei der Beweis eines (ersten) unfallbedingten Gesundheitsschadens gemäß § 286 ZPO zu führen ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. Mai 2009 - IV ZR 211/05, VersR 2009, 1213; Urteil vom 23. Juni 2004 - IV ZR 130/03, BGHZ 159, 360), während für den Beweis der Kausalität zwischen dem Erstschaden und der (gleichfalls nach § 286 ZPO zu beweisenden, BGH aaO.) Invalidität der erleichterte Maßstab des § 287 ZPO eingreift (BGH, Urteil vom 23. Juni 2004 - IV ZR 130/03, BGHZ 159, 360; Urteil vom 13. Mai 2009 - IV ZR 211/05, VersR 2009, 1213; Mangen, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl., § 47 Rn. 158).
b.
Der Sachverständige Prof. Dr. R., dessen Fachkunde dem Senat aus einer Vielzahl von Gutachten bekannt ist und keinem Zweifel unterliegt, vermochte einen kausal auf das Unfallereignis zurückzuführenden Erstschaden nicht mit hinreichender Gewissheit festzustellen, was der Überzeugungsbildung des Senats nach dem Maßstab des § 286 ZPO entgegensteht.
(1)
Wie der Sachverständige einleuchtend darlegte, scheitert der Nachweis einer durch das Unfallereignis verursachten Gesundheitsschädigung (Nr. 1.3 AUB 2011) im Sinne eines ersten Körperschadens maßgeblich daran, dass erst mehr als ein halbes Jahr nach dem Unfall eine bildgebende Diagnostik durchgeführt wurde. Daher konnte ein posttraumatischer Erstbefund, der auf ein akutes Verletzungsereignis hinweisen könnte, nicht mehr gesichert und nicht mehr beurteilt werden. Die bloße Dissoziation zwischen Kahnbein und Mondbein ist nach den Ausführungen des Sachverständigen kein Beleg für eine dort eingetretene Verletzung (etwa eines Bandes), weil dieselbe Dissoziation auch in der linken Hand vorliegt, weshalb der Sachverständige sie - nachvollziehbar - als anlagebedingt einschätzt. Das leuchtet ein. Auf eine (Band-)Verletzung im Bereich der Handwurzelknochen der rechten Hand hindeuten könnte dem Sachverständigen zufolge die abgekippte Lage des Mondbeins rechts, die in der linken Hand nicht zu beobachten ist. Indes besteht lediglich die Möglichkeit, dass der Unfall hierfür ursächlich ist; eine weitergehende Aussage hierzu wäre dem Sachverständigen nur möglich gewesen, wenn eine Bildgebung vorgelegen hätte, die zeitnah nach dem Unfall angefertigt wurde. Da es hieran fehlt, kann der Zustand nach den Angaben des Sachverständigen genauso auch schon vor dem Unfall bestanden haben. Im Übrigen spricht nach den Feststellungen des Sachverständigen gegen eine schwerwiegende Bandverletzung (nämlich die hier in Betracht zu ziehende Zerreißung des Bandes zwischen dem Kahnbein und dem Mondbein) durch den Unfall, dass eine solche immer zu einer erheblichen Schwellung des Handgelenks führt, bei der auch eine frühzeitige (innerhalb der ersten ein bis drei Tage) Vorstellung bei einem Arzt zu erwarten sei. Von einer solchen Schwellung hat der Kläger indes nichts berichtet, und einen Arzt hat er erst viel später aufgesucht. Damit ist der Nachweis eines strukturellen ersten Körperschadens an der rechten Hand nicht erbracht.
(2)
Ebenso wenig kann beweissicher festgestellt werden, dass das Unfallereignis - entsprechend einer vom Sachverständigen erwähnten weiteren Möglichkeit - auf eine vorbestehende Arthrose nur akzentuierend oder aktivierend gewirkt hat, ohne einen zusätzlichen eigenständigen Strukturschaden zu verursachen (Gutachten vom 30. Januar 2022, S. 31 = Bl. 220 d. A.). Auch bei einer solchen Aktivierung oder Akzentuierung einer vorbestehenden Arthrose durch den Unfall des Klägers wäre die Kausalität des Unfallgeschehens für die Gesundheitsbeeinträchtigung zu bejahen, wenn die bei dem Vorfall einwirkenden Kräfte zu dieser Aktivierung einer zuvor klinisch stummen Arthrose oder - bei schon vorbestehenden Beschwerden - zu deren Verschlimmerung ("Akzentuierung") geführt hätte (vgl. BGH, Urteil vom 19. Oktober 2016 - IV ZR 521/14 Rn. 20, VersR 2016, 1492). Dann müsste aber für die Aktivierung oder Akzentuierung - weil dies dann die durch den Unfall verursachte (erste) Gesundheitsschädigung wäre - eine adäquate Kausalität des Unfallereignisses mit dem Beweismaß des § 286 ZPO feststehen. Das ist hier nicht der Fall. Wie der Sachverständige ausgeführt hat, ist eine solche Aktivierung einer alten Verletzung des Kahnbeins oder anderer Verletzungen, die zuvor wenig symptomatisch verlaufen sind, durch ein Unfallereignis zwar nichts Ungewöhnliches, doch konnte er zu der Frage, wie wahrscheinlich ein Einfluss des Unfallgeschehens auf die Weiterentwicklung der Arthrose gewesen ist, mangels objektiver medizinischer Anknüpfungstatsachen keine Einschätzung geben; eine Kausalität könne bestehen oder auch nicht. Selbst unter der Annahme, die Schilderung des Klägers hinsichtlich der Entwicklung seiner Beschwerden sei zutreffend, hat der Sachverständige lediglich eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür gesehen, dass das Unfallgeschehen die Entwicklung der - vorbestehenden - Arthrose im Sinne einer Akzentuierung beeinflusst hat. Das wäre möglicherweise ausreichend, wenn der Kläger den Beweis nur nach § 287 ZPO führen müsste, genügt aber nicht für den hier nach § 286 ZPO zu erbringenden Nachweis einer Kausalität des Unfallereignisses für eine Gesundheitsbeschädigung des Klägers.
4.
Da dem Kläger in der Hauptsache kein Anspruch zusteht, hat er auch keinen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten.
5.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 Satz 1 ZPO und diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO nicht zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG in Verb. mit §§ 3, 4 ZPO.
RechtsgebieteVVG, ZPO, AUB (2010)Vorschriften§ 180 VVG, AUB (2010) Nr. 2.1.1.1, § 286 ZPO