28.02.2023 · IWW-Abrufnummer 233987
Oberlandesgericht Köln: Urteil vom 20.01.2012 – 20 U 102/11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Köln
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 13. Mai 2011 verkündete Urteil der 9. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln ‑ 89 O 70/10 - wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
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Gründe
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I.
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Beklagte als Folge der Übertragung eines Teils des Bestandes der L Krankenversicherung AG auf diese verpflichtet sei, Courtagezahlungen für den an die L Krankenversicherung AG vermittelten Bestand auf der Grundlage der mit dieser getroffenen Courtage-Zusagen zu leisten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Die Klägerin hat beantragt,
1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, für den von ihr an die L Krankenversicherung AG vermittelten Krankenversicherungsvertragsbestand, welcher im Wege der Bestandsübertragung auf die Beklagte übertragen wurde, ab dem 1.1.2010 Bestandscourtage gemäß und unter den Voraussetzungen der Courtage-Zusagen Premium Select Modell I und Premium Select Modell II vom 15.10.2003 zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 899,40 € an außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 4.8.2010 zu zahlen;
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf die von ihr eingezahlten Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem Zeitpunkt der Einzahlung der Gerichtskosten bei der Gerichtskasse bis zum Tag des Eingangs des Kostenfestsetzungsantrags bei Gericht nach Maßgabe der abgeurteilten Kostenquote zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre erstinstanzlich gestellten Anträge in vollem Umfang weiterverfolgt. Sie vertritt die Auffassung, auch die Provisionsvereinbarungen seien nach § 14 Abs. 5 Satz 1 VAG auf die Beklagte übergegangen. Sofern sich dies nicht schon aus dem Wortlaut der Vorschrift ergebe, sei die Bestimmung unter Beachtung der Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG entsprechend verfassungskonform auszulegen. Unabhängig davon sei anzunehmen, dass die Provisionsvereinbarungen wenigstens stillschweigend von der Beklagten übernommen worden seien.+
Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
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II.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
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Die Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin Bestandscourtagezahlungen für die von dieser vermittelten und von der L Krankenversicherung AG auf die Beklagte im Wege der Bestandsübertragung übergegangenen Krankenversicherungsverträge nach den Vereinbarungen, die zwischen der Klägerin und der L Krankenversicherung AG geschlossen worden sind (Courtagezusagen Premium Select I und Premium Select II vom 15. Oktober 2003), zu leisten. Die Beklagte ist an diese vertraglichen Regelungen, die ausschließlich das Verhältnis der Klägerin zur L Krankenversicherung AG betreffen, nicht gebunden.
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1.
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Anhaltspunkte für eine vertragliche Übernahme der Courtagevereinbarungen durch die Beklagte sind nicht ersichtlich. Dies wird von der Klägerin auch konkret nicht behauptet. Auch für eine konkludente Übernahme fehlen jegliche Ansatzpunkte. Der Umstand, dass die L Krankenversicherung AG und die Beklagte insoweit keine ausdrückliche Regelung getroffen haben, kann ‒ entgegen dem Argumentationsansatz der Klägerin in der Berufungsbegründung ‒ nicht dahin gewertet werden, es sei damit zwischen jenen Parteien vereinbart, „dass die Klägern die ihr versprochenen, günstigeren Courtageansprüche verliert“, was einen unzulässigen Vertrag zugunsten Dritter darstelle. Die Klägerin verkennt, dass die L Krankenversicherung AG und die Beklagte über vertragliche Absprachen der L Krankenversicherung AG mit Dritten ‒ hier mit Versicherungsmaklern ‒ im Rahmen der Übernahme keinerlei (positive wie negative) Regelungen zu treffen brauchten, weil jene Absprachen nur das Innenverhältnis der L Krankenversicherung AG zu ihren Vertragspartnern betrafen. Ausschließlich nach den insoweit zwischen der Klägerin und der L Krankenversicherung AG getroffenen Vereinbarungen richten sich denn auch die Folgen, die sich aus der Übertragung des Bestandes auf die Beklagte ergeben. Das gilt namentlich für die insoweit von der L Krankenversicherung AG ausgesprochene Kündigung der Courtagevereinbarungen, die ohne Angabe von Gründen nach Ziffer 13 Satz 1 der Allgemeinen Bestimmungen zur Courtage-Zusage (GA 15 und GA 21) möglich war, und die Folgen dieser Kündigung, die in Ziffer 13 Satz 2 und 3 der Bestimmungen geregelt sind. Die Übernahmevereinbarung zwischen der L Krankenversicherung AG und der Beklagten hat die insoweit geltenden vertraglichen Regelungen zwischen der L Krankenversicherung AG und der Klägerin unberührt gelassen und können sich schon deshalb nicht als Vertrag zulasten Dritter darstellen.
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2.
Die Courtagevereinbarungen sind auch nicht kraft Gesetzes in Anwendung von § 14 Abs. 5 Satz 1 VAG auf die Beklagte übergegangen. Diese Vorschrift betrifft nach ihrem klaren und eindeutigen Wortlaut nur den Übergang der Rechte und Pflichten aus den Versicherungsverträgen. Eine Courtagevereinbarung ist kein Versicherungsvertrag. Demgemäß herrrscht in der Literatur auch Einigkeit darüber, dass Agenturverträge, Dienstverträge und sonstige Hilfsgeschäfte nicht in Anwendung von § 14 Abs. 5 Satz 1 VAG kraft Gesetzes übergehen (Präve in: Prölss, VAG 12. Aufl., § 14, Rn. 47; Rüdt in: Bähr, Handbuch des Versicherungsaufsichtsrechts, § 14, Rn. 45; Müller-Magdeburg, Die Bestandsübertragung nach § 14 VAG, S. 239). Für Courtagevereinbarungen mit Versicherungsmaklern gilt nichts anderes.
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§ 14 Abs. 5 Satz 1 VAG muss insoweit auch nicht verfassungskonform ausgelegt werden. Dass § 14 Abs. 5 Satz 1 VAG Courtagevereinbarungen nicht erfasst, berührt Grundrechte der Klägerin nicht, weil es ihr im Rahmen der Privatautonomie unbenommen ist, für einen solchen Fall vertragliche Vorsorge zu treffen, wie es vorliegend für den Fall der Kündigung der Courtagevereinbarungen mit Ziffer 13 Satz 2 und 3 der Allgemeinen Bestimmungen zur Courtage-Zusage denn auch geschehen ist. Anders als den Versicherungsnehmern, die bei einer Bestandsübertragung den Übergang ihrer Versicherungsverträge auf ein neues Versicherungsunternehmen hinnehmen müssen und die dadurch in ihren verfassungsmäßigen Rechten beeinträchtigt sind (ausschließlich dazu verhält sich BVerfG, VersR 2005, 1109 ff.), bleibt dem Versicherungsmakler der bisherige Vertragspartner jedenfalls für bereits aufgrund durchgeführter Vermittlung entstandene Ansprüche erhalten. Soweit in der Literatur die Auffassung vertreten wird, Agenturverträge würden wegen des Entzugs des Bestandes gegenstandslos und erlöschten (vgl. Präve, aaO), betrifft dies alleine die Frage der Fortgeltung des Vertrags nach der Übertragung. Insoweit war die Klägerin vorliegend aber ohnehin nicht schutzwürdig, weil nach den vertraglichen Vereinbarungen mit der L Krankenversicherung AG jederzeit eine quartalsweise Kündigung mit einer Kündigungsfrist von 3 Monaten möglich war. Hinsichtlich der Ansprüche aus bereits vermittelten Verträgen (namentlich also in Bezug auf Bestandscourtagen) ist die Klägerin durch die vertragliche Regelung in Ziffer 13 Satz 2 und 3 der Allgemeinen Bestimmungen zur Courtage-Zusage rechtlich abgesichert. Bei dieser Sachlage sind grundrechtliche Belange der Klägerin ersichtlich nicht betroffen.
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3.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Sache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO hat eine Rechtssache, wenn sie eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Klärungsbedürftig sind solche Rechtsfragen, deren Beantwortung zweifelhaft ist oder zu denen unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und die noch nicht oder nicht hinreichend höchstrichterlich geklärt sind (vgl. BVerfG 2011, 2276). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Die Beantwortung der Frage, ob § 14 Abs. 5 Satz 1 VAG auch den Übergang von Provisionsabsprachen von Versicherungsmaklern erfasst, ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nicht zweifelhaft; hierzu werden auch keine unterschiedlichen Auffassungen vertreten.
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Berufungsstreitwert: 12.538,28 €
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(80% der von der Klägerin mit 15.672,85 € bezifferten finanziellen Nachteile auf 10 Jahre; GA 7)
RechtsgebietVAGVorschriften§ 14 Abs. 5 S. 1 VAG