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  • 13.11.2023 · IWW-Abrufnummer 238252

    Landgericht Köln: Entscheidung vom 15.06.2023 – 33 O 15/23

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Landgericht  Köln


    Tenor:

    1. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen,

    im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern

    eine Versicherungsberatung ohne Vermittlungsziel anzubieten, ohne über eine Zulassung nach § 34d Abs. 2 GewO zu verfügen

    wenn dies geschieht wie aus den mit dem Urteil verbundenen Anlagen K 3 und K 4 ersichtlich.

    2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 260,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.01.2023 zu bezahlen.

    3. Die Widerklage wird abgewiesen.

    4. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

    5. Das Urteil ist bezüglich des Ausspruchs zu 1. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000 €, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

    1
    Tatbestand:

    2
    Der Kläger, der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände, ist in der vom Bundesamt für Justiz geführten Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen.

    3
    Der Beklagte verfügt über eine Zulassung als Versicherungsmakler gemäß § 34d Abs. 1 S. 2 Nr. 2 GewO. Er wirbt auf der von ihm betriebenen Internetseite https://entfernt.de/ wie folgt (Auszüge, Anlagen K 3 und K 4):

    4
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    5
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    6
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    7
    Mit Schreiben vom 17. Oktober 2022 mahnte der Kläger den Beklagten ab und forderte ihn zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf.

    8
    Der Beklagte wies die Ansprüche durch anwaltliches Schreiben vom 31. Oktober 2022 zurück und forderte seinerseits den Kläger zur Erstattung von Rechtsanwaltskosten auf (Anlage K 6).

    9
    Der Kläger erblickt in der Tätigkeit des Beklagten einen lauterkeitsrechtlichen Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung. Der Beklagte verstoße gegen das Tätigkeitsverbot des § 34d Abs. 3 GewO, indem er als zugelassener Versicherungsmakler auch Beratungsleistungen anbiete.

    10
    Der Kläger beantragt:

    11
    1. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft zu vollziehen an ihren gesetzlichen Vertretern, zu unterlassen,

    12
    im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern

    13
    eine Versicherungsberatung ohne Vermittlungsziel anzubieten, ohne über eine Zulassung nach § 34d Abs. 2 GewO zu verfügen

    14
    2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 260,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

    15
    Der Beklagte beantragt,

    16
    die Klage abzuweisen.

    17
    Widerklagend beantragt er,

    18
    den Kläger und Widerbeklagten zu verurteilen, an den Beklagten und Widerkläger 289,16 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Widerklage zu zahlen.

    19
    Der Kläger beantragt,

    20
    die Widerklage abzuweisen.

    21
    Der Beklagte ist der Auffassung, er dürfe mit seiner Zulassung als Versicherungsmakler Kunden zu Versicherungen beraten, ohne ihnen den Versicherungsvertrag zu vermitteln. Dies ergebe sich aus der EU-Richtlinie (EU) 2016/97 über den Versicherungsvertrieb (IDD) sowie aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 31.05.2018 (C 542/16, VersR 2019, 165). Bei der Beratungspflicht handle es sich um die Hauptleistungspflicht des Versicherungsmaklers, welche grundsätzlich nicht abbedungen werden könne.

    22
    Entscheidungsgründe:

    23
    I. Die zulässige Klage ist begründet.

    24
    1. Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG i.V.m. §§ 3, 3a UWG, 2 Abs. 1 UKlaG i. V. m. § 34d Abs. 3 GewO zu.

    25
    a) Gemäß § 3a UWG handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

    26
    aa) Bei dem Verbot in § 34d Abs. 3 GewO handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung im vorbezeichneten Sinne, denn sie dient den Interessen der Wettbewerber und der Verbraucher.

    27
    Die Vorschrift enthält ein Tätigkeitsverbot: Wer als Versicherungsvermittler tätig ist, darf nicht als Versicherungsberater tätig sein und umgekehrt. Versicherungsvermittler ist, wer gewerbsmäßig den Abschluss von Versicherungs- oder Rückversicherungsverträgen vermitteln will (§ 34d Abs. 1 Satz 1 GewO). Versicherungsvermittler ist gemäß § 34d Abs. 1 Satz 2 GewO, wer (1.) als Versicherungsvertreter eines oder mehrerer Versicherungsunternehmen oder eines Versicherungsvertreters damit betraut ist, Versicherungsverträge zu vermitteln oder abzuschließen oder (2.) als Versicherungsmakler für den Auftraggeber die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen übernimmt, ohne von einem Versicherungsunternehmen oder einem Versicherungsvertreter damit betraut zu sein.

    28
    Versicherungsberater ist gemäß § 34d Abs. 2 Satz 2 GewO, wer ohne von einem Versicherungsunternehmen einen wirtschaftlichen Vorteil zu erhalten oder in anderer Weise von ihm abhängig zu sein (1.) den Auftraggeber bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen oder bei der Wahrnehmung von Ansprüchen aus Versicherungsverträgen im Versicherungsfall auch rechtlich berät, (2.) den Auftraggeber gegenüber dem Versicherungsunternehmen außergerichtlich vertritt oder (3.) für den Auftraggeber die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen übernimmt. Der Versicherungsberater darf sich seine Tätigkeit nur durch den Auftraggeber vergüten lassen; Zuwendungen eines Versicherungsunternehmens im Zusammenhang mit der Beratung, insbesondere auf Grund einer Vermittlung als Folge der Beratung, darf er nicht annehmen (§ 34d Abs. 2 Sätze 3 und 4).

    29
    bb) Das Trennungsprinzip des § 34d Abs. 3 GewO gilt, anders als der Beklagte meint, nicht lediglich auf Zulassungsebene. Es handelt sich nicht lediglich um ein an die Erlaubnisbehörde gerichtetes Verbot der Doppelzulassung. Dagegen spricht bereits der Wortlaut der Vorschrift, der sich an die Gewerbetreibenden richtet. Undeutlich ist insoweit die Formulierung in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/11627, S. 35), wonach mit Absatz 3 klargestellt werde, „dass sich die Erlaubnisse als Versicherungsvermittler nach Absatz 1 und als Versicherungsberater nach Absatz 2 gegenseitig ausschließen“. Dies veranlasst jedoch nicht zu einer anderen Auslegung der Vorschrift. Sie richtet sich gleichwohl unmittelbar an die Gewerbetreibenden.

    30
    Dafür spricht auch der Zweck der Vorschrift des § 34d Abs. 3 GewO. Dieser liegt in der Wahrung der Unabhängigkeit des Versicherungsberaters von der Versicherungswirtschaft. Deshalb ist eine gleichzeitige Tätigkeit des Versicherungsberaters als Versicherungsvermittler nicht zulässig (Ennuschat/Wank/Winkler/Heitzer, 9. Aufl. 2020, GewO § 34d Rn. 86). Er darf keine Bindungen eingehen, die seine neutrale, objektive und unabhängige Tätigkeit einschränken könnten (Ennuschat/Wank/Winkler/Heitzer, 9. Aufl. 2020, GewO § 34d Rn. 86). Diesem Gesetzeszweck würde nicht genügt, wenn sich das Trennungsgebot nur an die Zulassungsbehörde richten würde.

    31
    cc) Dagegen spricht auch nicht, dass sich Tätigkeiten eines Versicherungsmaklers im Sinne von § 34d Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GewO und des Versicherungsberaters i.S.v. § 34d Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 GewO in der Praxis überschneiden. Nach letztgenannter Vorschrift fällt in den Tätigkeitsbereich eines Versicherungsberaters auch die Vermittlung und der Abschluss von Versicherungsverträgen für den Auftraggeber. Umgekehrt gehören Beratungsleistungen auch zum Aufgabenbereich eines Versicherungsvermittlers, denn im Vorfeld bzw. bei einer Vermittlung sind Beratungsleistungen erforderlich. Der Beklagte weist insoweit zu Recht auf §§ 60 Abs. 1, 61 Abs. 1 VVG hin, wonach es sich bei der Beratungspflicht um eine Hauptleistungspflicht des Versicherungsmaklers handelt, welche gemäß § 67 VVG nicht abbedungen werden kann (§ 67 VVG). Zutreffend ist auch, dass der Europäische Gerichtshof durch Urteil vom 31. Mai 2018  (C-542/16 ‒, juris) entschieden hat, dass Art. 2 Nr. 3 der Richtlinie 2002/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Dezember 2002 über Versicherungsvermittlung dahin auszulegen ist, dass die den Abschluss eines Versicherungsvertrags betreffenden Vorbereitungsarbeiten auch dann unter den Begriff „Versicherungsvermittlung“ fallen, wenn der betreffende Versicherungsvermittler nicht die Absicht hat, einen tatsächlichen Versicherungsvertrag abzuschließen.

    32
    Denn ungeachtet dieser Überschneidungen der Tätigkeitsfelder des Versicherungsvermittlers und des Versicherungsberaters hat sich der deutsche Gesetzgeber für eine strikte Trennung der beiden Tätigkeiten in der Form entschieden, dass der Inhaber einer Zulassung als Vermittler nicht als Berater tätig werden darf und umgekehrt, und zwar ‒ wie oben dargestellt ‒ zur Wahrung der neutralen, objektiven und unabhängigen Stellung des Beraters. Die Überschneidungen der beiden Berufsbilder sind bei Anwendung der § 34d Abs. 1 bis 3 GewO zwar zu berücksichtigen, so dass in der Tat ein Versicherungsvermittler, wenn er den Kunden berät, ebenso wenig außerhalb seiner Zulassung agiert wie der Versicherungsberater, der eine Versicherung für den Kunden vermittelt. Durch das Trennungsgebot in § 34d Abs. 3 GewO wird jedoch vermieden, dass ein Versicherungsvermittler, der grundsätzlich eine Vergütung vom Versicherungsunternehmen erhalten darf (und in anderen Fällen auch erhalten wird), in Einzelfällen als beziehungsweise wie ein neutraler, unabhängiger Berater auftritt. Unabhängig davon, ob der Vermittler im konkreten Einzelfall eine Vergütung vom Versicherungsunternehmen erhält oder nicht, wird er nicht vergleichbar neutral agieren können wie ein grundsätzlich keinem Versicherungsunternehmen nahestehender unabhängiger Berater.

    33
    Die Vorschrift des § 34d Abs. 3 GewO dient mithin dem Verbraucherschutz. Zugleich dient sie dem Schutz der Wettbewerber, denn ein Versicherungsmakler kann sich bei Verletzung des Trennungsgebots einen ungebührlichen Vorteil gegenüber Wettbewerbern verschaffen. Es handelt sich also, ebenso wie bei der Zulassungspflicht in § 34d Abs. 1 GewO (dazu BGH GRUR 2023, 503 Rn. 25.), um eine Marktverhaltensregelung i.S.v. § 3a UWG.

    34
    b) Der Beklagte hat gegen die Vorschrift des § 34d Abs. 3 GewO verstoßen.

    35
    Der Beklagte verfügt unstreitig über eine Zulassung als Versicherungsmakler gemäß § 34d Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 GewO. Nach obigen Ausführungen ergibt sich somit für ihn aus § 34d Abs. 3 GewO das Verbot, als Versicherungsberater i.S.v. § 34d Abs. 2 GewO tätig zu werden.

    36
    Solche Dienste bietet er über seine Internetseite jedoch an. Die Tätigkeit als Versicherungsberater im Sinne von § 34d Abs. 2 GewO ist durch dessen Unabhängigkeit, Objektivität und Neutralität gekennzeichnet. Der Versicherungsberater darf sich seine Tätigkeit nur durch den Auftraggeber vergüten lassen.

    37
    Der Beklagte grenzt auf seiner Internetseite die beiden Tätigkeiten voneinander ab; er bietet an, als Versicherungsmakler oder als Versicherungssachverständiger tätig zu werden. Die Hinweise zur Vergütung, wonach die „Beratung und Vertragsvermittlung durch den Versicherungsmakler […] durch eine Courtage abgegolten“ sei, „die Beratung ohne Vermittlung durch den Versicherungssachverständigen […] durch eine Honorarvereinbarung“ erfolge, stellt beide Tätigkeitfelder nebeneinander.

    38
    Unter einer „Beratung ohne Vermittlung“ gegen „Honorar“ wird der durchschnittliche Verbraucher als angesprochener Verkehrskreis, zu dem die Mitglieder der Kammer gehören, eine objektive, neutrale Tätigkeit verstehen. Der Hinweis, dass die Beratung durch den „Sachverständigen“ erfolge, verstärkt diesen Eindruck. Die angebotene Tätigkeit unterfällt mithin der Tätigkeit eines Beraters im Sinne von § 34d Abs. 2 GewO. Es handelt sich nicht lediglich um die Beratung im Zuge bzw. im Vorfeld einer Vermittlung; denn die Werbung des Beklagten ist so zu verstehen, dass eine Vermittlung im Falle der Beratung „durch den Versicherungssachverständigen“ gegen Honorar gerade nicht stattfinden soll. Es handelt sich um eine Art der Beratung, die ‒ so wie sie beworben wird ‒ aufgrund ihrer Eigenheiten dem § 34d Abs. 2 GewO, nicht dem § 34d Abs. 1 GewO zuzuordnen ist.

    39
    c) Der Verstoß gegen § 34d Abs. 3 GewO ist geeignet, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen. Der Beklagte ist als Inhaber einer Zulassung als Versicherungsmakler nicht hinreichend neutral und unabhängig, wie es dem gesetzlichen Leitbild des Beraters nach § 34d Abs. 2 GewO entspricht.

    40
    Dem Hinweis in seiner Werbung, dass in den meisten Produkten eine Courtage (Provision) enthalten sei, welche nicht separat zu zahlen sei, lässt annehmen, dass der Beklagte als Vermittler Vergütungen von Versicherungsunternehmen erhält. Die Gefahr mangelnder Objektivität und Unabhängigkeit rührt im konkreten Fall daher nicht bereits aus der Zulassung des Beklagten als Versicherungsmakler her (was für einen Verstoß gegen § 34d Abs. 3 GewO schon genügen würde), sondern aus der konkreten Art der Tätigkeit des Beklagten.

    41
    2. Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten folgt aus § 13 Abs. 3 UWG.

    42
    II. Die Widerklage ist zulässig, aber nach dem zuvor Gesagten unbegründet, weil dem Beklagten kein Anspruch gemäß § 13 Abs. 5 UWG wegen der Abwehr der klägerischen Ansprüche zusteht.

    43
    III. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1, 2 ZPO.

    44
    Der Streitwert wird auf 15.000,00 EUR festgesetzt.

    45
    Der Streitwert wird auf 15.000,00 EUR festgesetzt.