30.07.2024 · IWW-Abrufnummer 242939
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht: Urteil vom 26.02.2024 – 16 U 93/23
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Schleswig
Urteil vom 26.02.2024
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 10. Mai 2023 teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 188.236,63 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. April 2021 zu zahlen; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I.
1
Die Klägerin begehrt aus abgetretenem Recht Zahlung aus einer D & O-Versicherung.
2
Die Klägerin, die eine Bäckerei betreibt, ist eine Tochter der Holding GmbH. Diese unterhält bei der Beklagten seit dem April 2018 eine D & O-Versicherung (Versicherungsschein Anlage K 1, Bedingungen [04/2014] Anlage K 2), bei welcher versicherte Personen u.a. die Geschäftsführer sind.
3
Im Zuge der Aufnahme des Betriebes der Klägerin wurden im Jahre 2000 unter Beteiligung eines seither nicht mehr involvierten Versicherungsmaklers eine Inhalts- und Betriebsunterbrechungsversicherung bei der H sowie eine Feuerversicherung mit Versicherungssummen von jeweils 143.000,- € abgeschlossen. Im Jahr 2013, in welchem die Versicherung bei der H von deren Hamburger Agentur S betreut wurde, übernahm die Hamburger F die Gebäudeversicherung; bei einer deswegen vorgenommenen Besichtigung der Bäckerei mit dem Geschäftsführer der Klägerin W wurden die Kühlräume als von der Versicherung umfasste "fest eingebaute Bestandteile" angesprochen, wonach W annahm, das gelte ebenso für die Backöfen, die mithin dort versichert seien. Hernach, im Februar 2013, ging der Klägerin ein Versicherungsschein der Hamburger F über die Gebäude-Feuerversicherung zum gleitenden Neuwert mit einer Versicherungssumme 1914 von 443.570 M (Anlage K 17) zu, auf dessen vierter Seite es unter der fett gedruckten Überschrift Besondere Vereinbarungen und Bestimmungen heißt:
4
Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen gelten:
5
- sämtliche mieter-/pächtereigenen Einbauten, Geräte und Maschinen
6
- Werbeanlagen - auch am Gebäude -
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sowie betriebliche Einrichtungen aller Art.
8
Im November 2017 ging der Klägerin, gerichtet an Herrn W, eine Prämienrechnung der H (Anlage K 25) zu, aus der sich für die Geschäftsversicherung eine Versicherungssumme von - unveränderten - 143.000,- € ergab.
9
Die Bäckerei wurde bei einem Brand am 16. August 2018 beschädigt. Der von der H beauftragte Sachverständige ermittelte in seinem Gutachten vom 7. Dezember 2018 (Anlage K 6) bei einem angenommenen Versicherungswert von 370.000,- € eine Unterversicherung im Umfang von 61,5 %, wonach die H entsprechend seiner Feststellungen eines Sachschadens von 144.060,44 € und eines Betriebsunterbrechungsschadens von 162.015,38 € (beides n S. 4) auf den Gesamtbetrag von 306.075,82 € lediglich 38,5%, also 117.839,19 € zahlte.
10
Mit Schreiben vom 8. April 2019 (Anlage K 11) nahm der Beirat der Klägerin den Geschäftsführer W wegen des Differenzbetrags von 188.236,63 € auf Schadensersatz in Anspruch, da er die Unterversicherung zu verantworten habe. Die daraufhin eingeschaltete Beklagte hörte W im Rahmen einer Telefonkonferenz am 7. August 2019 an, worüber sie einen Vermerk anfertigte (Anlage BLD 1). In einer Gesellschafterversammlung der Klägerin vom Januar 2020 wurde beschlossen, wegen unzureichender Versicherung Schadensersatzansprüche gegen W persönlich geltend zu machen (Anlagen K 8 und K 9). Am selben Tag trat dieser seine Freistellungsansprüche gegen die Beklagte an die Klägerin ab, die das annahm (Anlagen K 3 und K 4). Die Beklagte lehnte ein Eintreten ab, zuletzt mit einem Schreiben vom 21. April 2021 (Anlage K 14), da W gegenüber versicherungsrechtlich relevante Schadensersatzansprüche (ergänze wohl: nicht) geltend gemacht werden könnten.
11
Mit ihrer im Dezember 2021 eingereichten und am 8. Januar 2022 (Bl. 16R LGA) zugestellten Klage hat die Klägerin die Zahlung von 188.236,63 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. April 2019 verlangt. Sie hat geltend gemacht, sie sei aktiv legitimiert, und hat gemeint, ihr Geschäftsführer hafte ihr gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG, da er es versäumt habe, für ausreichenden Versicherungsschutz sorgen; er sei für die Bäckerei zuständig gewesen und habe im Jahr 2003 die Zuordnung der Öfen klären (lassen), jedenfalls aber im Jahr 2013 bemerken müssen, dass diese entgegen seiner Annahme der Gebäudeversicherung nicht unterfielen, und dementsprechend auf eine Anhebung der Versicherungssumme in der Inhaltsversicherung hinwirken müssen. Wegen des entstandenen Schadens hat sie auf das von der H eingeholte Gutachten (Anlage K 6) verwiesen.
12
Die Beklagte hat sich dem entgegengestellt. Für den Gebäudebereich sei nicht W, sondern wie dieser selbst angegeben habe, der weitere Geschäftsführer W zuständig gewesen (Bl. 52 LGA). Es habe in der Inhaltsversicherung auch keine Unterversicherung vorgelegen, da die mehrere Tonnen wiegenden Öfen zum festen Bestandteil des Objektes gehört hätten und damit der Gebäudeversicherung zugerechnet werden müssten (Bl. 52 LGA). Auch fehle es an einem Verschulden Ws, da im Zeitpunkt der Anschaffung und Versicherung der Öfen der Makler beteiligt gewesen sei, auf dessen Einschätzung W habe vertrauen dürfen (Bl. 52ff. LGA). Ohnehin seien Ansprüche gegen ihn verjährt (Bl. 54 LGA). Auch bestreite sie die angegebene Schadensursache, den angegebenen Schadensumfang und den Umfang der Unterversicherung (Bl. 54 LGA), letzteres auch, weil die H, die bzw. deren Agentur die Klägerin habe beraten müssen, sich auf eine Unterversicherung nicht habe berufen dürfen (Bl. 134 LGA).
13
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die Klägerin sei als Tochtergesellschaft der übergeordneten Holding GmbH aktivlegitimiert. Infolge der belegten Abtretung verwandele sich der Anspruch der versicherten Person auf Freistellung bezüglich gegen sie gerichteter Ansprüche in einen Zahlungsanspruch. Der Klägerin stehe ein Anspruch aus § 42 Abs. 2 GmbHG zu. W habe seine Dienstpflichten verletzt, weil er in Unterlassung einer gebotenen Plausibilitätskontrolle die Versicherungssumme zu gering bemessen und später nicht angepasst habe; er habe nicht blind seiner bloßen Annahme vertrauen dürfen, die Öfen seien über die Gebäudeversicherung versichert. Die Öfen, die problemlos aus den Räumlichkeiten hätten herausgenommen werden können, seien kein wesentlicher Gebäudebestandteil und nach den Bedingungen der Feuerversicherung von dieser auch nicht umfasst. Eine Falschberatung durch den Makler - eine Entlastung, für die unter dem Vorzeichen einer Beweislastumkehr analog § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG die Beklagte darlegungs- und beweisbelastet sei - habe die Beklagte schon nicht substantiiert vorgetragen; dessen ungeachtet habe W in der Folge Anlass zu einer Plausibilitätskontrolle gehabt, dies umso mehr, da er aus der Prämienrechnung der Hamburger F von November 2017 habe erkennen müssen, dass die Öfen möglicherweise von der Gebäudeversicherung nicht umfasst gewesen seien. Die eigenverantwortlich richtige Ermittlung des maßgeblichen Versicherungswerts sei seine Aufgabe gewesen; für eine Risikoübernahme durch eine (nicht dargelegte) Beratung der den Vertrag später übernehmenden Agentur S habe die Beklagte ebenfalls nichts Konkretes vorgetragen. Die Unterversicherung stehe zur Überzeugung der Kammer nach dem Gutachten des Sachverständigen (für die H) fest, gegen dessen Ergebnisse die Beklagte angesichts des ihr zustehenden umfassenden Auskunftsrechts gegenüber W nicht nur - wie geschehen - einfach habe bestreiten können. Gleiches gelte für die Schadenshöhe. Mit dem Einwand, die H habe sich auf die Unterversicherung nicht berufen dürfen, dringe die Beklagte nicht durch; schon die reduzierte Regulierung der H stelle einen Schaden dar. Auf die Verletzung einer etwaigen Obliegenheit, insoweit gegen die H vorzugehen, habe sich die Beklagte nicht berufen. Schließlich greife auch der Verjährungseinwand nicht durch; die fünfjährige Verjährung gemäß § 43 Abs. 4 GmbHG beginne mit der Entstehung des Schadens, vorliegend also mit dem Brandereignis von 2018.
14
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die weiterhin die Abweisung der Klage erreichen will.
15
Sie macht geltend, das Landgericht gehe schon von einer unrichtigen Darlegungs- und Beweislast aus. Diese treffe richtigerweise die Klägerin, da nach herrschender Meinung § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG im Direktprozess des Unternehmens gegen den D & O-Versicherer keine Anwendung finde, andernfalls sich Versicherungsnehmerin und versicherte Person ihren Schaden "selber backen" könnten (Bl. 42 eA).
16
Unzutreffend habe das Landgericht eine Pflichtverletzung des Herrn W bejaht (Bl. 48ff. eA). Unstreitig sei nicht dieser, sondern sein Partner W bis zu dessen Tod im Jahre 2018 für den Gebäudebereich zuständig gewesen (Bl. 49 eA). Ohnehin fehle es an einem Verschulden: Es sei W kein Vorwurf zu machen, wenn schon der Versicherungsmakler, den eine Pflicht zur Prüfung des Versicherungsumfangs getroffen habe, keine Veranlassung gesehen habe, die Öfen dem Bereich der Inhaltsversicherung zuzuordnen; dessen Rat habe W vertrauen dürfen (Bl. 49ff. eA). Aus der Anlage K 7 (dem Versicherungsschein der H von 2018) ergebe sich darüber hinaus, dass die Klägerin offensichtlich nicht nur von, sondern auch durch die S als Außenstelle der H (Bl. 74 eA) beraten worden sei, worauf sich die Klägerin ebenfalls, ohne nochmals Unterlagen prüfen zu müssen, habe verlassen dürfen (Bl. 54 eA). Entsprechend habe W als Geschäftsführer keine Prüfungspflicht getroffen (Bl. 56 eA).
17
Ferner habe sich - weswegen es an einem Schaden fehle - die H auf eine Unterversicherung nicht berufen dürfen; es habe ihr oblegen, den Vertreter der Klägerin hinreichend zu beraten, den Versicherungsbedarf zu ermitteln und regelmäßig zu überprüfen (Bl. 57, 71ff. eA).
18
Ohnehin seien die Öfen der Gebäudeversicherung zuzurechnen und sei ein Ausschluss, der überraschend sei und den Versicherungsschutz unverhältnismäßig aushöhlen würde, unwirksam (Bl. 60f.eA).
19
Zulässigerweise habe sie, was das Landgericht rechtswidrig verkannt habe, die Unterversicherung und den Schaden mit Nichtwissen bestritten (Bl. 61 eA).
20
Schließlich seien Ansprüche nach § 43 Abs. 4 GmbHG auch verjährt (Bl. 62f. eA); die Klagerhebung gegen sie, die Beklagte, hemme die Verjährung etwaiger Ansprüche der Klägerin gegen W nicht.
21
Hilfsweise berufe sie sich darauf, dass W die ihm gegenüber der Klägerin obliegenden Pflichten vorsätzlich verletzt habe; auf eine solche innere Haltung könne bei einer objektiven Verletzung elementarer beruflicher Pflichten geschlossen werden (Bl. 63f. eA).
22
Am Ende hat sie noch (mit Schreiben vom 19. Oktober 2023, Anlage BLD 3, Bl. 78) den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten. Beim Vertragsabschluss sei bewusst wahrheitswidrig der gefahrerhöhende Umstand verschwiegen worden, dass W der Umfang etwaiger bestehender Versicherungen und die damit erhöhten Haftungsrisiken nicht bekannt gewesen seien.
23
Die Beklagte beantragt,
24
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
25
Die Klägerin beantragt,
26
die Berufung zurückzuweisen,
27
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
28
Zutreffend sei das Landgericht zu einer Pflichtverletzung Ws gelangt, der in der Folgezeit und erst recht aufgrund der angesprochenen Auffälligkeiten (Öfen womöglich in der Feuerversicherung nicht umfasst) ausreichenden Versicherungsschutz sicherzustellen gehabt habe, nachdem für den Versicherungsbereich stets er zuständig gewesen sei (Bl. 96f. eA).
29
Die Beklagte könne Unterversicherung und Schaden auch nicht lediglich mit Nichtwissen bestreiten. Sie habe es verabsäumt oder zu Unrecht für überflüssig erachtet, W im Rahmen ihres Auskunftsanspruchs auf die Feststellungen des Sachverständigen anzusprechen (Bl. 100 eA).
30
Auf die Terminsverfügung des Senats hin hat sie die im n im Zusammenhang mit der Betriebsunterbrechung verwerteten betriebswirtschaftlichen Unterlagen, namentlich das Anlagenverzeichnis per 31. Dezember 2017 (Anlage K 26) den Jahresabschluss 2017 (Anlage K 28) sowie die betriebswirtschaftlichen Zahlen vom Januar 2017 bis Oktober 2018 (Anlagen K 29 bis K 32) vorgelegt, das Gutachten erläutert und vorgebracht, im Hinblick auf die Abschlüsse 2018 (Anlage K 33) und 2019 (Anlage K 34) sei die Annahme des Gutachters einer Umsatzsteigerung von 20 % im Ausfallzeitraum vom 16. August bis zum 22. Oktober 2018 sachgerecht gewesen (Bl. 103 bis 107 eA).
31
Was die Verjährung ihrer Ansprüche angehe, so sei diese - wie sie im Termin vorgebracht hat - nach der Abtretung der Ansprüche bis zum Abschluss des hiesigen Haftungs- und Deckungsprozesses gehemmt. Im Übrigen sei die Verjährung auch durch den am 11. August 2023 angebrachten, am 15. September 2023 erlassenen und am 19. September 2023 zugestellten Mahnbescheid gegen W gehemmt (Bl. 101, 192f. eA mit Anlagen K 26 und K 36)
II.
32
Die Berufung hat - mit Ausnahme eines Teils der Zinsen - keinen Erfolg, § 513 Abs. 1 ZPO.
33
Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus der D & O-Versicherung Anspruch auf den vom Landgericht zuerkannten Betrag von 188.236,63 € nebst Zinsen seit dem 22. April 2021 (nicht dem 9. April 2019).
34
Anspruchsgrundlage für die Klägerin sind Ziffer I 1, 2, 3, 4.1, III 2 Abs. 1, V 1, 3, VI. 1 der D & O by H-Bedingungen 04/2014 (D & O-Bed.) i.V.m. § 398 BGB.
35
Nach Ziffer I D & O-Bed. gewährt die Beklagte versicherten Personen Versicherungsschutz, wenn sie wegen Pflichtverletzung aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen für einen versicherten Schaden in Anspruch genommen werden. Nach Ziffer I 2 D & O-Bed. besteht Versicherungsschutz u.a. für Vermögensschäden. Nach Ziffer I 3 D & O-Bed. sind versichert sämtliche Tätigkeiten der versicherten Personen in Ausübung der in Ziffer I.4.1.1. genannten Funktionen. Gemäß Ziffer I 4.1.1. sind versicherte Personen u.a. alle ehemaligen und während der Dauer des Versicherungsvertrags bestellten Mitglieder der Geschäftsführung. Nach Ziffer III. 2 D & O-Bed. besteht Versicherungsschutz auch für alle Versicherungsfälle, die während der Dauer des Versicherungsvertrags eintreten und auf Pflichtverletzungen beruhen, die vor Beginn des Versicherungsvertrags begangen wurden. Gemäß Ziffer V. 1 D & O-Bed. ist der Versicherungsfall die erstmalige schriftliche Erhebung eines Haftpflichtanspruchs gegen eine versicherte Person. Nach Ziffer V. 3 D & O-Bed. gilt eine Pflichtverletzung durch Unterlassen im Zweifel zu dem Zeitpunkt als begangen, in dem die versäumte Handlung spätestens hätte vorgenommen werden müssen, um den Eintritt des Schadens abzuwenden. Nach Ziffer VI. 1. umfasst der Versicherungsschutz u.a. die Befriedigung begründeter Haftpflichtansprüche.
1.
36
Die Klägerin ist, wie das Landgericht (U7ff.), von der Berufung nicht angegriffen, zutreffend ausgeführt hat, als Tochter der Versicherungsnehmerin aktiv legitimiert, also berechtigt, die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag geltend zu machen, nachdem die Beklagte gegenüber dem Geschäftsführer W Deckung abgelehnt hatte.
37
Infolge der zutreffend (und ebenfalls unangegriffen) als wirksam beurteilten Abtretung wandelt sich der Anspruch der versicherten Person (hier des Geschäftsführers der Klägerin W) auf Freistellung von Haftpflichtansprüchen in einen Zahlungsanspruch um.
38
In dem danach inzident zu führenden Haftungsprozess ist - vgl. ebenfalls unangegriffen U 9 - die Beklagte passiv legitimiert.
2.
39
Der Geschäftsführer der Klägerin hat als eine versicherte Person im Sinne von Ziffer I.4.1.1. D & O-Bed. wegen Pflichtverletzungen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen dieser auf einen Vermögensschaden zu haften.
a)
40
Herr W hat als Geschäftsführer im Sinne von § 43 Abs. 2 GmbHG die ihm obliegenden Pflichten verletzt. Nach dieser gesetzlichen Bestimmung haften Geschäftsführer, die ihre Obliegenheiten verletzen, der Gesellschaft für den entstandenen Schaden.
41
Gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG haben die Geschäftsführer in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. Pflicht der Geschäftsführung ist umfassend die sachgerechte Erfüllung der mit der Führung des Betriebes der Gesellschaft verbundenen Aufgaben. Zu diesen Aufgaben gehört auch, für eine genügende Versicherung des Betriebsvermögens zu sorgen.
42
Diese Pflicht hat Herr W verletzt.
43
Im Rahmen der vorbezeichneten Aufgabe hatte W sich - spätestens in den Jahren 2017/2018 - zur Vermeidung einer möglichen Unterversicherung auch darum zu besorgen, dass die Versicherungssumme bei der Inhalts- und Betriebsunterbrechungsversicherung dem realen Anlagevermögen der Klägerin adäquat wäre. Dabei konnte er - schon wegen der Teuerung und ohne Rücksicht darauf, ob seit 1999/2000 weitere Geräte/Anlagen angeschafft worden waren oder nicht - nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass die bei Abschluss der Versicherung bestimmte Summe von 143.000,- € auch noch in den Folgejahren ausreichend sein würde, dies insbesondere deshalb nicht, weil es sich bei der Inhalts- und Betriebsunterbrechungsversicherung nicht (wie bei der daneben bestehenden Gebäudeversicherung) um eine Versicherung zum Gleitenden Neuwert handelte. Eine solche Prüfung hat W aber offensichtlich nicht vorgenommen; denn die Versicherungssumme in der Inhaltsversicherung wurde, wie sich aus der an ihn gerichteten Prämienrechnung vom November 2017 (Anlage K 25) ergibt, schlicht fortgeschrieben. Tatsächlich musste W schon der ihm als Geschäftsführer naturgemäß bekannte (vom Sachverständigen [n S, 3] zugrunde gelegte) Anlagespiegel 2017 (Anlage K 27) dazu allen Anlass geboten haben; denn bei einem danach anzunehmenden Wert des Betriebsinhalts von 370.000,- € war schon ohne die Öfen (von berechnet mit 190.000,- € [S. 4]) ein Wert des Betriebsvermögens von 180.000,- € anzunehmen, der deutlich über den lediglich versicherten 143.000,- € lag. Da die bei der H eingeschlossene Betriebsunterbrechungsversicherung auf einen etwa eintretenden Unterbrechungsschaden voll nur dann würde zu leisten haben, wenn der Summe nach das gesamte Inventar unter Versicherung gebracht war, war es zudem schon allein deshalb geboten, die dortige Versicherungssumme an die realen Verhältnisse anzupassen. Seine (nach den tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts unstreitige) Annahme, dass die Öfen - wie nicht - in der Gebäudeversicherung versichert seien und -wie ebenfalls nicht - deshalb in der Inhalts- und Betriebsversicherung nicht zu versichern seien, war, was ihm zum Vorwurf gereicht, unrichtig; bei sachgemäßer Geschäftsführung hätte er deren Richtigkeit prüfen bzw., soweit ihm deswegen die Sachkunde fehlte, Rat einholen müssen.
44
Von einer persönlichen Verantwortung war W auch nicht etwa deshalb befreit, weil dafür ein Makler als Sachwalter der Interessen der Klägerin eingeschaltet worden wäre. Denn unstreitig endete die Zusammenarbeit mit dem Makler bereits im Jahre 2000.
45
Die unterlassene Anpassung der Versicherungssumme konnte auch nicht etwa der H bzw. deren den Vertrag "betreuenden" Agentur S zum Vorwurf gemacht werden. Gemäß §§ 6 Abs. 4 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VVG besteht nach Vertragsschluss während der Dauer des Vertragsverhältnisses eine Verpflichtung des Versicherers zur Beratung des Versicherers (nur), soweit für den Versicherer ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist. Dem steht hier aber schon entgegen, dass es - auch nach der VVG-Reform - grundsätzlich die Sache des Versicherungsnehmers ist, seinen Versicherungsbedarf selbst zu ermitteln und das zu versichernde Risiko abzuschätzen (vgl. nur Prölss/Martin-Dörner, VVG, 31. Auflage, § 61 Rn. 10f. m.w.N). Anders ist es (außerhalb des hier nicht vorliegenden Falles der schwierigen Bestimmung des Versicherungswertes 1914 für eine Gleitende Neuwertversicherung [auf den sich die Beklagte fortlaufend, etwa Bl. 73 eA, für ihre Auffassung stützen will]) nur, wenn der Versicherungsnehmer um Hilfe bei der Feststellung des Versicherungsbedarfs bittet (Prölss/Martin-Dörner, a.a.O. Rn. 12); eine solche Bitte um Hilfe bei der Neufeststellung, zu der die Beklagte nichts vorträgt, ist hier indes praktisch auszuschließen, da dies zwangsläufig zu einer Neubewertung des Anlagevermögens (gemäß dem Anlagenverzeichnis) und zu einer Anhebung der Versicherungssumme hätte führen müssen, dies schon vor dem Hintergrund sowohl der Teuerung als auch der Notwendigkeit des Einschlusses der Öfen in die Summe für die Betriebsunterbrechungsversicherung sowie erst recht vor dem Hintergrund einer Gebäude-Feuer-Versicherung, die in ihren Besondere Vereinbarungen und Bestimmungen betriebliche Einrichtungen aller Art, somit alles Inventar und also auch die Öfen ausdrücklich ausnimmt. Allein der Umstand, dass bei näherem Hinsehen freilich auch die Agentur auf den Gedanken hätte kommen können, dass die zur Jahrtausendwende bestimmte Versicherungssumme womöglich dem realen Anlagevermögen, über das sie nichts wusste und auch nichts wissen musste, nicht mehr adäquat sein könnte, begründet ihre bzw. der H (Mit-)Haftung nicht.
46
Der Annahme einer Pflichtverletzung des Herrn W kann die Beklagte auch nicht entgegenhalten, dass (nach ihrer Behauptung) für die Gebäudeversicherung der ehemalige weitere Geschäftsführer W verantwortlich gewesen sei. Denn unabhängig davon, ob (wie dagegen die Klägerin behauptet) W jedenfalls für "die Bäckerei" verantwortlich gewesen ist oder nicht, geht es vorliegend nicht um die Gebäudeversicherung, sondern um die Anpassung der Versicherungssumme in der Inhalts- und Betriebsunterbrechungsversicherung, die unstreitig in den Bereich Ws fiel.
47
Bei all dem ist, weil sich die Beurteilung aus dem unstreitigen Sachverhalt versteht, auch ohne Bedeutung, wer für die Pflichtverletzung die Darlegungs- und Beweislast trägt.
48
Die Beklagte kann sich, was die Haftung Ws angeht, auch nicht, was sie mit der Berufung noch hilfsweise unternimmt, darauf berufen, dass W seine Pflichten gemäß Ziffer II. 1 D & O-Bed. direkt vorsätzlich, also wissentlich und willentlich, verletzt habe. Dafür wäre, da es sich um einen Ausschlusstatbestand handelt, die Beklagte darlegungs- und beweisbelastet, und dazu trägt sie schon nicht genügend vor. Denn der nach den Bedingungen ausdrücklich erforderliche sog. dolus directus kann hier nicht allein aus der Schwere der Pflichtverletzung hergeleitet werden; vielmehr liegt bei einem Lapsus des Kaufmanns in versicherungsrechtlichen Angelegenheiten auf der Hand, dass es sich um eine lediglich fahrlässige Unterlassung in einem eher randständigen Bereich der alltäglichen Betriebsführung gehandelt hat, und es leuchtet angesichts letztlich überschaubarer Versicherungsmehrbeiträge auch nicht im mindesten ein, warum Herr W eine Unterversicherung wissentlich hätte herbeiführen oder aufrechterhalten wollen.
b)
49
Der (abgetretene Freistellungs-)Anspruch fällt auch in den versicherten Zeitraum.
50
Gemäß Ziffer III. 2 Abs. 1 Satz 1 D & O-Bed. besteht Versicherungsschutz auch für Versicherungsfälle, die während der Dauer des Versicherungsvertrages eintreten und auf Pflichtverletzungen beruhen, die vor Beginn des Versicherungsvertrages begangen wurden (sog. Rückwärtsversicherung). So liegt es auch hier. Die konkrete Pflichtverletzung des Geschäftsführers W, die unterlassene Überprüfung und Anpassung der Versicherungssumme in der Inhalts- und Betriebsunterbrechungsversicherung, hat er (spätestens) in der Zeit 2017/2018 begangen. Der Versicherungsfall, die erste schriftliche Geltendmachung durch die Klägerin am 8. April 2019, fällt in die Laufzeit des Versicherungsvertrags.
c)
51
Tatsächlich ist infolge der Unterlassung Ws auch ein ersatzfähiger Schaden in Gestalt einer Unterversicherung eingetreten.
52
Das ergibt sich aus den Belegen zum Gutachten (Anlage K 6). Bei einer unstreitig lediglich mit 143.000,- € bemessenen Versicherungssumme betrug allein schon der Wert der Öfen, die der versicherten technischen und kaufmännischen Betriebseinrichtung unterfielen, 190.150,- €. Die Neuwerte sind durch die von dem Gutachter eingeholten Angebote der Nord (Anlage B zum Gutachten) belegt.
53
Die Beklagte kann das danach, entsprechend informiert, nicht mehr mit Nichtwissen bestreiten. Zwar ist grundsätzlich ein Bestreiten mit Nichtwissen gemäß § 138 Abs. 4 ZPO zulässig, wenn es sich um Tatsachen handelt, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer Wahrnehmung gewesen sind; das gilt indes nicht, soweit das Bestreiten lediglich ins Blaue hinein erfolgt (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 2014, V ZR 275/12, BGHZ 200, 350, Rn. 12 bei juris; BGH, Urteil vom 15. Juni 2000, I ZR 55/98, VersR 2001, 216, Rn. 45 bei juris). Und so liegt es hier; denn angesichts der belegten Neuwerte ist nicht ansatzweise zu erkennen, geschweige denn von der Beklagten näher dargelegt, warum an diesen zu zweifeln sein sollte.
54
Für das Bestehen einer grundsätzlichen (d.h. die konkrete Schadenshöhe ausklammernden) Unterversicherung ist auch ohne Bedeutung, ob die Öfen (auch) in der Gebäudeversicherung versichert waren oder hätten versichert werden können. Die Inhaltsversicherung sollte und musste, wie schon ausgeführt, die gesamte technische und kaufmännische Betriebseinrichtung und damit auch die Öfen erfassen, dies schon deshalb, weil sonst bei einer Beschädigung der Öfen, dem zentralen Betriebsmittel mit der höchsten Feuergefahr, eine Entschädigung aus der eingeschlossenen Betriebsunterbrechungsversicherung nicht oder jedenfalls nicht in voller Höhe würde erfolgen können.
3.
55
Ihrer Eintrittspflicht kann die Beklagte auch nicht durch die noch erklärte Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung entgehen. Eine arglistige Verletzung der Anzeigepflicht fällt der Klägerin bzw. W offensichtlich nicht zur Last.
56
Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 VVG hat der Versicherungsnehmer im Zusammenhang mit der Abgabe seiner Vertragserklärung sich nur zu solchen Gefahrumständen zu erklären, nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat. Dass die Beklagte zu dem in Rede stehenden Problemkreis Fragen gestellt hätte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Allerdings kann auch außerhalb gestellter Fragen unter dem Aspekt des § 22 VVG, der arglistigen Täuschung, eine spontane Anzeigepflicht in Betracht kommen. Diese besteht indes nur, wenn sich die fehlende Angabe nicht erfragter gefahrerheblicher Umstände als eine Täuschung darstellt, was eine Pflicht zur Offenbarung voraussetzt. Das kann bedeutsam werden, wenn der Versicherungsnehmer erkennen konnte, dass trotz des Fehlens entsprechender Fragen die Entscheidung des Versicherers von bestimmten Umständen beeinflusst sein würde (vgl. nur Prölss/Martin-Armbrüster, § 22 VVG Rn. 3).
57
Insoweit gelingt der Beklagten schon die Formulierung eines Vorwurfs nicht wirklich. Was damit gemeint sein soll, dass die Klägerin hätte offenbaren sollen, dass W "der Umfang von etwaig bestehenden Versicherungen und damit erhöhten Haftungsrisiken nicht bekannt" gewesen sei, erschließt sich nicht. Ein besonderer tatsächlicher Umstand, den ein Versicherungsnehmer benennen könnte, wird damit nicht nachvollziehbar dargetan. W hatte die Versicherungssumme in der Gebäudeversicherung von dem Versicherer, der Hamburger F, bestimmen lassen, die dafür, da es sich insoweit um eine Gleitende Neuwertversicherung zum Versicherungswert 1914 handelte, auch verantwortlich war. Die Versicherungssumme in der Inhaltsversicherung hatte er unter Mithilfe eines Maklers bestimmt. Es bestand kein Anlass dafür, ungefragt darauf hinzuweisen, dass er - natürlich - kein Fachmann für Versicherungsfragen war. Dass ihm nicht bewusst war, dass er für eine Überprüfung dieser Summe im Zeitverlauf hätte sorgen müssen, musste und konnte er schon deshalb ungefragt nicht offenbaren, weil er das - offensichtlich - übersehen hatte. Gerade im Hinblick auf derartige unerkannte Risiken und daraus resultierende - wie ausgeführt: lediglich fahrlässige - Pflichtverletzungen in einem eher randständigen Bereich seiner Geschäftsführertätigkeit sollte die D & O Versicherung abgeschlossen werden, und diese würde sinnlos, wenn sich der Versicherer seiner Eintrittspflicht entziehen könnte, weil ein Versicherungsnehmer nicht bezüglich aller denkbaren Haftungsrisiken zum Umfang seiner Kenntnisse und Vorkehrungen ungefragt Angaben gemacht hat. Und entsprechend konnte, was wiederum den Vorwurf der Arglist angeht, auch W unmöglich davon ausgehen, dass er mit einem diesbezüglichen Schweigen die Entscheidung des Versicherers beeinflussen würde, deren Aufgabe es von Gesetzes wegen nun einmal ist, ihr bedeutsam erscheinende Gefahrumstände selbst zu erfragen.
4.
58
Der Entschädigungsanspruch der Klägerin beläuft sich auf 188.236,63 €.
a)
59
Insoweit kann die Beklagte im Ansatz zunächst nicht mit ihrem Einwand durchdringen, die Öfen seien in der Gebäude-Feuer-Versicherung versichert.
60
Zwar sind nach § 2 Nr. 1 b), Nr. 3 AFB 87, die Bestandteil der bei der Hamburger F unterhaltenen Feuerversicherungen waren, auch bewegliche Sachen versichert, sofern nur der Versicherungsnehmer Eigentümer ist, sie unter Eigentumsvorbehalt erworben hat oder sie sicherungshalber übereignet hat, sodass es auf die Erwägungen des Landgerichts (U 15), dass - allerdings zutreffend - die Öfen nicht wesentliche Bestandteile eines Gebäudes im Sinne von § 94 Abs. 2 BGB sind, nicht ankommt. Indes sind (ausweislich des Versicherungsscheins vom Februar 2013, Anlage K 17) aufgrund besonderer Vereinbarung betriebliche Einrichtungen aller Art vom Versicherungsschutz ausdrücklich ausgenommen, und dazu gehörten, wie schon erwähnt, zweifellos auch die Öfen.
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Entgegen der Auffassung der Beklagten stellt eine solche Vereinbarung (ihr Wesen als Allgemeine Geschäftsbedingung einmal unterstellt), keine unangemessene Benachteiligung eines - zumal kaufmännischen - Versicherungsnehmers dar, § 307 Abs. 2 BGB. Eine gesetzliche Regelung über den Einschluss beweglicher Sachen in die Gebäudeversicherung, von der im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB abgewichen worden wäre, gibt es ausweislich der § 142ff. VVG, die sich zur Gebäudefeuerversicherung verhalten, nicht. Es kann auch keine Rede davon sein, dass im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so eingeschränkt würden, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet wäre. Vielmehr können, wie der Versicherungsschein der H vom November 2018 (Anlage K 7) zeigt, bewegliche Sachen, die zur Betriebsausstattung gehören, ohne weiteres in der Geschäftsinhaltsversicherung erfasst werden; tatsächlich ist, wie schon ausgeführt, im Hinblick auf die eingeschlossene Betriebsunterbrechungsversicherung die Mitversicherung der Öfen dort zwingend. Würden die Öfen in der Gebäudeversicherung nicht ausgeschlossen, würden sie, woran die Klägerin kein Interesse haben konnte, doppelt versichert sein.
62
Die besondere Vereinbarung ist (erneut: ihre Eigenschaft als allgemeine Geschäftsbedingungen unterstellt) auch nicht etwa insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages - was ihre Beanstandung erfordert (vgl. nur Grüneberg, BGB, Kommentar, 81. Auflage, § 305c Rn. 3f.): kumulativ - ungewöhnlich und überraschend, § 305c Abs. 1 BGB. Sie kann schon nicht gut überraschend sein, wenn sie in dem sehr übersichtlichen Versicherungsschein ausdrücklich hervorgehoben ist, dies in Ansehung der Öfen umso weniger, da diese in der zugrundeliegenden, dem Versicherungsschein beigefügten Schätzung zum Versicherungswert 1914 vom Februar 2013 nicht aufgeführt sind. Und sie kann auch nicht als ungewöhnlich angesehen werden. Vielmehr hat der Ausschluss beweglicher Sachen vor dem Hintergrund einer Gleitenden Neuwertversicherung, die auf die Bewertung des Gebäudes abstellt, eine gewisse ratio, dies auch dann, wenn sie von den üblichen Vertragsbedingungen abweicht; erst recht muss sie als sachgerecht erscheinen vor dem Hintergrund der Vermeidung einer Doppelversicherung.
b)
63
Der von der Beklagten noch zu ersetzende Schaden beläuft sich auf die auch schon vom Landgericht angenommenen 188.236,63 €.
aa)
64
Der tatsächlich entstandene Sachschaden ist mit 144.060,44 € anzunehmen, der Betriebsunterbrechungsschaden mit 162.015,38 €.
(1)
65
Aus dem Gutachten (S. 8) ergibt sich zum Sachschaden, dass ein Etagenbackofen und ein Stikkenofen total beschädigt worden ist, ein Schwadenschornstein, in den die Flammen durchgeschlagen sind, zu erneuern ist und weitere Öfen - reparabel bzw. reinigungsfähig - in Mitleidenschaft gezogen worden sind. Das ist in der Sache und auch aufgrund der Lichtbilder (Nr. 2 bis 5) unmittelbar nachvollziehbar, sodass es die Beklagte, entsprechend informiert, nicht mehr bloß mit Nichtwissen bestreiten kann. Die Neuwerte von zusammen 190.150,- € hat der Sachverständige (n S. 19) im Wesentlichen anhand des eingeholten Angebots der Nord vom 31. August 2018 (Anlage B zum Gutachten) ermittelt, die zugehörigen Zeitwerte von zusammen 128.150,- € anhand des Anlagenspiegels 2017 (Anlage K 27, Bl. 110ff. eA); auch insoweit kann die Beklagte nach Überlassung dieser weiteren Unterlagen mit ihrem bloßen Bestreiten (zuletzt Bl. 176f. eA) nicht (mehr) gehört werden; konkrete Einwände gegen die Richtigkeit der Ermittlung hat sie weiterhin nicht vorgebracht.
66
Ferner sind nach dem Ergebnis des Gutachtens Waren bzw. Vorräte im Wert von 6.227,94 € beschädigt bzw. zerstört worden. Dazu verhält sich eine Inventurliste, die dem n als Anlage C beigefügt ist. Mit Blick darauf, dass es sich im Wesentlichen um Backprodukte bzw. Backzutaten sowie Brottüten und Backpapier handelt, deren Vorhandensein nach Art und Umfang in den Räumen einer Bäckerei nur allzu plausibel sind, ist an dem Entstehen der sehr überschaubaren Summe am Maß des § 287 ZPO nicht zu zweifeln.
67
Das Nämliche gilt für Eigenleistungen von 1.417,50 € (gemäß S. 9 des Gutachtens und Anlage E 94,5 Arbeitsstunden à 15,- € an vier Tagen für die Reinigung der Oberflächen in der Backstube) sowie für Aufräum- und Analysekosten von 8.265,- €, die durch die im Gutachten (S. 20) genau bezeichneten, der Höhe nach nur plausiblen Rechnungen der Nord und der Eurofins Analytik GmbH (hierzu zwei Prüfberichte vom 6. September als Anlagen D 1 und D 2) hinreichend dokumentiert sind.
68
Damit sind sowohl der Versicherungswert von 196.377,94 € (190.150,- € + 6.227,94 €) als auch der Neuwertschaden von 144.060,44 € (128.150,- € + 6.227,94 € + 1.417,50 € + 8.265,- €) genügend belegt.
(2)
69
Für den Betriebsunterbrechungsschaden ist ebenfalls der vom Gutachter ermittelte Betrag von 162.015,38 € für den angegebenen Ausfallzeitraum vom 16. August bis zum 22. Oktober 2018 anzusetzen, § 287 ZPO.
70
Der Beginn des Ausfallzeitraums ergibt sich aus dem unstreitigen Branddatum vom 16. August 2018 (vgl. U 4). Dass die Klägerin (vgl. n, S. 11) am 23. Oktober 2018 den Produktionsbetrieb in den eigenen Räumen wieder aufgenommen hat, versteht sich zwanglos daraus, dass sie lediglich für im Wesentlichen diesen Zeitraum (und tatsächlich hier und da noch über einige wenige Tage darüber hinaus) zur Minderung ihrer Umsatzverluste die Produktion des Kernsortiments in den Betrieb der Hofbäckerei ins 15 km entfernte B. verlagert hat, wo zwei Container aufgestellt wurden und eine provisorische Überdachung zwischen Gebäude und Container geschaffen wurde (n S. 12); all das ist hinreichend belegt durch die Rechnungen jener Hofbäckerei für August, September und -insoweit deutlich geringer als noch September - Oktober 2020 (Anlagen F 1 bis F 3), die Anmietung zweier Container vom 1. September bis 31. Oktober 2018 (Anlagen G 1 bis G 3), die Anmietung eines Sprinters bis zum 25. Oktober 2018 (Anlage H) und den Auf- und Rückbau eines Vordachs bei der Hofbäckerei (Anlage I 1 und I 2), das für den geschützten Warentransport erforderlich war.
71
Bei dem mit 102.256,- € festgestellten Ertragsverlust hat der Sachverständige die Jahresumsätze 2016 und 2017 und dabei insbesondere die Umsätze im jeweiligen (nicht schadensbetroffenen) 1. Halbjahr dieser beiden Jahre betrachtet. Die von ihm zugrunde gelegten Umsatzzahlen sind durch die Anlagen K 28 und K 29 ebenso belegt wie mit den Anlagen K 29, K 30, K 31 und K 32 die Monatsumsätze, die er in der (auf S. 15 abgebildeten) Umsatztabelle 2017/2018 zusammengestellt hat. Daraus ergibt sich eine Umsatzsteigerung von rund 13 % (genau 13,16 %) im Vergleich der Jahre 2016 und 2017 und vom 1. Halbjahr 2017 zum 1. Halbjahr 2018 von rund 24 % (genau 23,81 %). Danach ist der Gutachter von einer Umsatzsteigerung von 20 % für den betroffenen Zeitraum ausgegangen. Das ist nachvollziehbar und sachgerecht, dies umso mehr, da sich diese Umsatzsteigerung, wie die Klägerin (Bl. 106 eA) mit den Jahresabschlüssen 2018 (Anlage K 33, Bl. 140 eA) und 2019 (Anlage K 34, Bl. 155 eA) gezeigt hat, in der Folgezeit (mit 19,96 %) bestätigt hat.
72
Ausgehend von einem danach belegten Ist-Umsatz für die Monate August, September und Oktober 2017 von (114.376,- € + 141.158,- € + 128.227,- € =) 383.761,- € und einer Umsatzsteigerung von 20 % (76.752,- €) ist der Gutachter zu einem Soll-Umsatz für die Monate August bis Oktober 2019 von 460.513,- € gelangt und danach bei einem Ist-Umsatz für diese Ausfallzeit von (106.489,- € + 99.983,- € + 110.524,- € =) 316.996,- € zu einem Umsatzverlust von 143.517,- € (S. 15). Davon hat er einen Wareneinsatz von 25 % (35.879,- €) abgezogen und weiter ersparte Kosten (für Strom, Gas, Wasser, Reinigung, Instandhaltung von 5 % =) 5.382,- € und ist danach zu dem genannten Ertragsverlust von 102.256,- € gelangt.
73
Zusammen mit den erwähnten (und ebenfalls sämtlich belegten) Schadensminderungskosten für die Ausweichproduktion in Bargteheide von 59.759,38 € ist er damit insgesamt zu einem Betriebsunterbrechungsschaden von 162.015,38 € gelangt.
74
Da es sich bei der Ermittlung einer hypothetischen Entwicklung ohne den eingetretenen Schaden naturgemäß lediglich um eine Schätzung handeln kann, ist auch für den richterlichen Nachvollzug der Maßstab des § 287 ZPO anzulegen. Danach kann man ohne weiteres die - nach der Vorlage der noch fehlenden Unterlagen nunmehr - im Einzelnen nachvollziehbare und gut begründete Schätzung zugrunde legen. Die Beklagte hat dagegen in Kenntnis der Unterlagen und des sachverständigen Vorgehens auch - erneut - nichts vorgebracht.
bb)
75
Auf den danach belegten Gesamtschaden von (144.060,44 € Sachschaden + 162.015,38 € Unterbrechungsschaden =) 306.075,82 € hat die H zu Recht lediglich 38,5 %, also 117.839,19 € gezahlt, sodass sich der Entschädigungsbetrag in der D & O-Versicherung auf die Differenz, also auf (306.075,82 € -117.839,19 € =) 188.236,63 € beläuft.
76
Denn richtigerweise hätte, was Herrn W zur Last fällt, die Versicherungssumme nicht weiterhin mit 143.000,- € bemessen werden dürfen, sondern hätte sie mit 370.000,- € angesetzt werden müssen, wonach sich eine Unterversicherung von 61,35 %, gerundet 61,5 % ergibt.
77
Wie schon oben [zu 4. b) aa) (1)] ausgeführt, ist der Versicherungswert der Öfen und der beschädigten Vorräte mit 196.377,94 € anzunehmen. Den Wert des weiteren Inventars hat der Sachverständige (n S. 3) nach Maßgabe des Anlagenverzeichnisses per Dezember 2017 (Anlage K 27) ermittelt, indem er (so die Klägerin Bl. 102/03) für das gesamte Inventar, welches historische Anschaffungskosten i. H. v. 435.803,60 € hatte und dessen Buchwert am 31. Dezember 2017 € 127.278,50 betrug, die Wiederbeschaffungskosten unter Berücksichtigung von Preissteigerungen ermittelt und den Wert des Warenbestandes hinzugerechnet hat, all dies "überschlägig" (so der Sachverständige S. 3) mit dem Ergebnis eines Versicherungswertes von insgesamt 370.000,- €. Im Hinblick darauf, dass aus der Anlage K 27 die Anschaffung-/Herstellungskosten (AHK) und auch die vorgenommenen Abschreibungen ersichtlich sind, ist das nachzuvollziehen. Erneut versteht sich die Beklagte nicht ansatzweise zu irgendeinem Vortrag, dass und warum das unrichtig sein sollte.
c)
78
Eine Selbstbeteiligung, die abzuziehen sein könnte, ist nach dem Versicherungsschein (Anlage K 1) nicht vereinbart.
5.
79
Die Regressansprüche der Klägerin gegen W (und nur insoweit hat die Beklagte eine solche Einrede erhoben) waren auch nicht verjährt.
a)
80
Die Verjährung ist durch die Abtretung der Ansprüche Ws gegen die Beklagte rechtzeitig gehemmt worden.
81
Gemäß § 43 Abs. 4 GmbHG verjähren Ansprüche aus der Gesellschafterhaftung in fünf Jahren. Der Entstehungszeitpunkt wird danach bestimmt, wann der Anspruch erstmals (notfalls im Wege der Feststellungsklage) geltend gemacht werden konnte; bei der Gesellschaft setzt das einen dem Grunde nach bereits eingetretenen und nicht bloß drohenden Schaden voraus, wenn auch die Schadenshöhe noch nicht feststehen (bezifferbar sein) muss (allgem. Auffassung vgl. nur Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbH-Gesetz, Kommentar, 21. Auflage 2023, § 43 Rn. 67 m. zahlreichen w. N.).
82
Eingetreten ist der Schaden hier erst mit dem Brandfall am 16. August 2018. Vorher drohte er allenfalls für den noch nicht absehbaren Fall, dass tatsächlich einmal ein Brand oder ein anderer Fall eintreten würde, durch den versichertes bzw. zu versicherndes Inventar in Mitleidenschaft gezogen würde. Ansprüche der Klägerin gegen W verjährten daher gemäß § 200 Satz 1 BGB mit Ablauf des 16. August 2023.
83
Durch die Abtretung der Ansprüche Ws gegen die Beklagte vom Januar 2020 ist die Verjährung rechtzeitig gehemmt worden. Nach der Abtretung des Freistellungsanspruchs durch W, die sich als eine Leistung erfüllungshalber (und nicht an Erfüllungs statt) darstellt, kann der Abtretungsempfänger nicht mehr neben dem Versicherer den Versicherungsnehmer in Anspruch nehmen; er ist aus der zugrundeliegenden Vereinbarung vielmehr verpflichtet, sich (zunächst) an den Versicherer zu halten (vgl. Prölss/Martin-Lücke, § 108 VVG Rn. 27). Die Klägerin, die die Abtretung angenommen hat, hat damit (zumindest konkludent) erklärt, dass sie sich - wie dann ja auch tatsächlich erfolgt - wegen ihres Schadens nunmehr vorrangig an die Beklagte als den Versicherer Ws halten werde. Die Klägerin und W haben mit der Abtretung also (auch) einen sog. pactum de non petendo geschlossen, wonach die Klägerin sich verpflichtet, solange nicht mehr gegen W vorzugehen, wie die Möglichkeit besteht, von der Beklagten in dem einheitlichen Haftungs- und Deckungsprozess Ersatz des Schadens zu erhalten. Aufgrund dessen ist die Verjährung des Haftungsanspruches für die Dauer der Anspruchsverfolgung gegenüber der Beklagten gehemmt und ist ein Haftungsprozess gegen W während dieser Zeit unzulässig (vgl. Grote/Schneider, Das neue Versicherungsvertragsrecht, BB 2007, 2689, 2698; ebenso Dreher/Thomas, Die D&O-Versicherung nach der VVG-Novelle 2008, ZGR 2009, 31, 46, Fn. 85).
b)
84
Unabhängig davon begänne die Verjährung gemäß § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB nach dem 6. Januar 2020 neu, nachdem W seine Haftung anerkannt hat.
85
Nach der genannten Vorschrift beginnt die Verjährung erneut, wenn der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise anerkennt.
86
Ein solches Anerkenntnis ist das rein tatsächliche Verhalten des Schuldners gegenüber dem Gläubiger, aus dem sich das Bewusstsein vom Bestehen des Anspruchs unzweideutig ergibt. Es ist kein Rechtsgeschäft, sondern eine geschäftsähnliche Handlung. Bei der Auslegung sind die Interessenlage und gegebenenfalls auch außerhalb des Erklärungsaktes liegende Begleitumstände zu berücksichtigen. Das Anerkenntnis kann auch in einem schlüssigen Verhalten liegen. Erforderlich ist aber, dass das Verhalten des Schuldners das Bewusstsein vom Bestehen der Schuld unzweideutig zum Ausdruck bringt, wobei es genügt, dass er den Anspruch dem Grunde nach anerkennt (vgl. nur Grüneberg-Ellenberger, BGB, Kommentar, 83. Auflage, § 212 Rn. 2, 3 und 5 m.w.N.).
87
Hier hat W, der schon gegenüber der Beklagten ausdrücklich erklärt hatte, für den eingetretenen Schaden verantwortlich zu sein (Anlage B 1), sich gegenüber der Klägerin, die ihn ihrerseits in Anspruch genommen hatte, zu keiner Zeit gegen den gegen ihn erhobenen Anspruch verteidigt. Das wäre auch tatsächlich nicht sinnvoll, weil - wie gezeigt - an seiner Haftung dem Grunde nach schlechterdings nicht zu zweifeln sein konnte. Zudem hat er in seiner Abtretungserklärung vom 6. Januar 2020 (Anlage K 3) ausdrücklich erklärt, dass er seine Freistellungsansprüche gegen die Beklagte abtrete. Danach konnte aus Sicht der Klägerin nicht mehr zweifelhaft sein, dass W die gegen ihn erhobenen Ansprüche jedenfalls dem Grunde nach für berechtigt erachtete und sie eben deshalb, was ihre Erfüllung anging, auf die Beklagte verwies.
c)
88
Schließlich wäre, sofern man all dies anders sehen wollte, die fünfjährige Verjährung auch durch die am 19. September 2023 erfolgte Zustellung des Mahnbescheides vom 15. September 2023 gegen W gehemmt, § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB, 167 ZPO.
aa)
89
Der Mahnbescheid war zunächst entgegen der Auffassung der Beklagten (Bl. 176 eA) für den Zweck der Verjährungshemmung zureichend individualisiert.
90
Die Hemmung der Verjährung setzt voraus, dass der im Mahnbescheid bezeichnete Anspruch durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen unterschieden und abgegrenzt werden kann. Der im Mahnbescheid bezeichnete Anspruch muss deshalb einerseits Grundlage eines Vollstreckungstitels sein können und andererseits dem Schuldner die Beurteilung ermöglichen, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen will oder nicht. Damit der Schuldner beurteilen kann, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen will oder nicht, muss er im Zeitpunkt der Zustellung des Mahnbescheids erkennen können, woraus der Gläubiger seinen Anspruch herleitet. Wann dieser Anforderung genüge getan ist, kann nicht allgemein und abstrakt festgelegt werden; vielmehr hängen Art und Umfang der erforderlichen Angaben im Einzelfall von dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis und der Art des Anspruchs ab (std. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 7. Juni 2023, VII ZR 594/21, MDR 2023, 1269, Rn. 21 bei juris m.w.N.)
91
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Es gibt keine zwei Fälle von "Schadensersatz aus DIENST-Vertrag" (so die Angabe im Mahnbescheid) der Klägerin gegen W, die diesen daran zweifeln lassen könnten, worum es im konkreten Fall geht. Dies gilt umso mehr, als der im Mahnbescheid angegebene Betrag von 188.236,63 € ihm sowohl aus dem Schreiben des Beirats der Klägerin vom 8. April 2019 (Anlage K 11) als auch der Inanspruchnahme durch die Gesellschafterversammlung der Klägerin vom Januar 2020 (Anlagen K 8 und K 9) geläufig war. Schließlich musste W einen Mahnbescheid wegen eben dieser Sache auch erwartet haben, nachdem die Beklagte sein Schreiben vom 11. Juli 2023 (Anlage K 35, Bl. 187 eA), in welchem er deren Stellungnahme zu dem ihm von der Klägerin angetragenen Verjährungsverzicht erfragt hatte, (nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Klägerin, Bl. 186 eA) unbeantwortet gelassen hatte.
bb)
92
Der Mahnbescheid ist auch rechtzeitig (verjährungshemmend) zugestellt worden.
93
Die Klägerin hat den Mahnantrag am 11. August 2023 angebracht, woraufhin am 15. September 2023 der Mahnbescheid erlassen worden ist, der W am 19. September 2023 zugestellt worden ist (Anlage K 36, Bl. 210f. eA).
94
Auch für den Mahnbescheid gilt § 167 ZPO (vgl. nur Grüneberg-Ellenberger, § 204 Rn. 18), sodass die Wirkung (u.a. der Hemmung der Verjährung) bereits mit dem - hier rechtzeitigen - Eingang des Antrags eintritt, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. Das ist der Fall, wenn der zeitliche Abstand vom Fristablauf nicht allzu erheblich ist, der Zustellungsbetreiber alles ihm Zumutbare für eine alsbaldige Zustellung getan hat und der Rückwirkung keine schutzwürdigen Belange des Gegners entgegenstehen (vgl. nur Zöller/Greger, ZPO, Kommentar, 35. Auflage, § 167 Rn. 10 m.w.N.).
95
Was die Verzögerung angeht, die grundsätzlich zu einer Überschreitung der normalen Dauer von nicht mehr als 14 Tage führen darf (vgl. Zöller/Greger, a.a.O., Rn. 11), so fällt der Klägerin indes nur ein relativ kurzer Verzögerungszeitraum zur Last, nachdem sie den Vornamen des Vertreters erst auf die Monierung der Rechtspflegerin vom 14. August 2023 (Bl. 199 eA) am 25. August 2023 (Bl. 200 eA) und also binnen 11 Tagen mitgeteilt hat. Die weitere Verzögerung - dadurch, dass die Rechtspflegerin unter dem 31. August 2023 (Bl. 200 1eA) danach gefragt hat, warum die GmbH nicht durch ihren Geschäftsführer vertreten werde, die bereits am 7. September 2023 (Bl. 200 2eA) dahin beantwortet worden ist, dass es sich um einen Anspruch der GmbH gegen ihren Geschäftsführer handle und das Beiratsmitglied im Mahnantrag im Rahmen der dort formularmäßig vorgegebenen Möglichkeiten bezeichnet worden sei - kann nicht der Klägerin zugerechnet werden, erst recht nicht die weiteren 11 Tage, die es ab dieser Mitteilung bis zur Zustellung noch gedauert hat. Hiernach ist insgesamt die Zustellung des Mahnbescheids gut fünf Wochen nach Fristablauf noch hinreichend zeitnah und damit "demnächst" erfolgt, dies namentlich mit Rücksicht auf die Interessen des Schuldners W, der [wie schon eben unter aa) a.E. ausgeführt] mangels Verjährungsverzichts die gegen ihn gerichtete Sicherungsmaßnahme sicher voraussehen konnte.
6.
96
Zinsen kann die Klägerin erst ab dem 22. April 2021 (und nicht schon ab dem 9. April 2019) verlangen, § 286, 288 BGB.
97
Mit der ersten Zahlungsaufforderung der Klägerin an W vom 8. April 2019 (Anlage K 11) ist gewisslich noch nicht Verzug eingetreten. Wann im Übrigen W oder die Beklagte erstmalig eine Zahlung ernsthaft und endgültig verweigert haben, ist der Akte nicht zu entnehmen. Belegt ist lediglich, dass die Beklagte mit E-Mail vom 21. April 2021 (Anlage K 14) Leistung abgelehnt hat. Darauf kann abgestellt werden.
98
Nur insoweit hat, wie schon eingangs erwähnt, die Berufung Erfolg.
7.
99
Da der hiesige einheitliche Haftungs- und Deckungsprozess entscheidungsreif ist und (wie zu 5a ausgeführt) für dessen Dauer W ohnehin von der Klägerin nicht in Anspruch genommen werden kann, besteht auch kein Anlass, das hiesige Verfahren (wie die Beklagte am Ende noch angeregt hat [Bl. 176 eA]) gemäß § 148 ZPO auszusetzen.
8.
100
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Vollstreckbarkeitsentscheidung aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.