05.08.2024 · IWW-Abrufnummer 243029
Oberlandesgericht Köln: Urteil vom 24.11.2023 – 19 U 146/22
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Köln
Tenor:
- Auf die Berufung der Beklagten wird das Teilurteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn vom 11.11.2022 zum Az. 14 O 110/20 insoweit abgeändert, als mit dem Tenor zu Zif. I. dem auf Erteilung eines Buchauszuges gerichteten Klageantrag zu Zif. I. teilweise entsprochen worden ist ‒ insoweit wird die Klage abgewiesen.
Im Übrigen, nämlich soweit sich die Beklagte gegen die Verurteilung zur Zahlung von 115.190,00 € nebst Zinsen auf den Klageantrag zu Zif. IV. hin durch Zif. IV. des Tenors des angefochtenen Teilurteils wendet, wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. - Die Berufung des Klägers wird insoweit zurückgewiesen, als sie sich gegen die Abweisung seiner auf Erteilung eines Buchauszuges zu nachvertraglichen Vertragsverlängerungen und Folgeverträgen gerichteten Klageanträge zu Zif. II.1 und II.2 durch den Tenor zu Zif. II. des angefochtenen Teilurteils richtet.
Im Übrigen, nämlich insoweit, als das Landgericht mit dem Tenor zu Zif. III des angefochtenen Teilurteils den Klageantrag zu Zif. III auf einen unbezifferten Handelsvertreterausgleich abgewiesen hat, wird das angefochtene Teilurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Bonn zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens vorbehalten bleibt. - Das angefochtene Urteil ‒ soweit es aufrechterhalten wurde - und dieses Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung des jeweiligen Vollstreckungsgläubigers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des ihm gegenüber vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
- Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 611.784,61 € festgesetzt.
(Berufung des Klägers: Buchauszug zu nachvertraglichen
Vertragsverlängerungen und Folgeverträgen: 15.000,00 €
Handelsvertreterausgleich: 465.718,83 €
Verrechnete Provision Baukosten: 12.947,83 €
Verrechnete Provision Inventurdifferenz: 2.427,95 €
----------------------------------
Zusammen: 496.094,61 €
Berufung der Beklagten:
Buchauszug: 500,00 €
Zahlungsantrag zu Zif. IV 115.190,00 €
----------------------------------
Zusammen: 115.690,00 €)
1
Gründe:
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I.
3
Wegen des erstinstanzlichen Sachvortrages, des Hergangs des erstinstanzlichen Verfahrens und wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
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Das Landgericht hat die Klage hinsichtlich der Geltendmachung eines Handelsvertreterausgleichs abgewiesen.
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Es hat die Beklagte zur Erteilung eines Buchauszuges über den Zeitraum 01.01.2017 bis 30.09.2020 verurteilt, dies mit nachfolgend wiedergegebener Maßgabe:
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„I.1. Hinsichtlich der Vertragsvermittlungen Mobilfunk ist mitzuteilen, welche Verträge von der Klagepartei in der Zeit vom 01.01.2017 bis 30.09.2020 an Kunden vermittelt wurden, die in den letzten 12 Monaten vor Eingang des Auftrages bei der Beklagten nicht Inhaber des vermittelten Produktes oder einer geringeren Anzahl des vermittelten Produktes waren (Neugeschäft) oder welche Vertragsverlängerungen oder welcher Wechsel von Prepaid zu Postpaid vermittelt wurde (Bestandsgeschäft). Die Auskunft hat folgende Informationen zu enthalten
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1. Name und Anschrift des Kunden,
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2. Datum des jeweiligen, mit dem Kunden geschlossenen Vertrages (bei mehreren Verträgen sind alle Daten für jeden Vertrag einzeln anzugeben),
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3. Datum des Einganges des Auftrages bei der Beklagten,
10
4. Datum der Freischaltung des Dienstes bzw. der Karte (Vertragsannahme),
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5. Angabe, ob eine Konzerneinwilligungsklausel (KEK Mobilfunk) vom Kunden durch die Klägerseite eingeholt wurde,
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6. Angabe der TSP-Produkt-ID und Bezeichnung des Vertrages,
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7. Angabe, ob es sich um ein Privatkunden- oder Geschäftskundenvertrag handelt,
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8. Angabe, in welcher Tarifgruppe die Provision jeweils gewährt wurde,
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9. Angabe, ob es sich um einen Abschluss innerhalb eines Geschäftskundenrahmenvertrages handelt,
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10. Angabe, ob der Abschluss als zielrelevant gewertet wurde,
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11. Angabe, ob und welche Wertigkeitsprovision im Falle einer Vertragsverlängerung gewährt wurde,
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12. Angabe, ob und welcher Endgerätebonus gewährt wurde, a) IMEI- oder MEID-Nummer des Geräts b) Hardware Marke
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13. Laufzeit des abgeschlossenen Vertrages,
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14. bei einem Prepaid-Pac zusätzlich die Angabe, welcher Brutto-Verkaufspreise vermittelt wurde,
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15. bei einer Prepaid-Aufladung zusätzlich die Angabe, welcher Nettoverkaufspreis vermittelt wurde, 15a. bei einem Hardwareprodukt, das nicht Teil eines Bundleangebotes war, zusätzlich die Angabe, welcher Nettoverkaufspreis vermittelt wurde, a) Marke Zubehör und / oder Hardware b) Vertrieb über A. Online c) ist ein Voucher verwendet worden, wenn ja in welcher Höhe und von welchem Anbieter
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16. im Falle von Kündigungen einschließlich Widerrufen und Rücktritten die Angabe des Zeitpunktes des Ausspruchs der Kündigung/des Widerrufs/des Rücktritts, von wem sie/er erklärt wurde und der Beendigungszeitpunkt des Vertrages sowie die Art der durchgeführten Bestandserhaltungsmaßnahmen,
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17. im Falle von Stornierungen, Vertragsaufhebungen und Annullierungen:
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- das jeweilige Datum der Stornierung/Vertragsaufhebung/ Annullierung
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- die Art der durchgeführten Bestandserhaltungsmaßnahmen und
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- die Gründe für die Stornierung/Vertragsaufhebung/Annullierung.
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I.2. Hinsichtlich der Vertragsvermittlungen Festnetz ist mitzuteilen, welche Verträge von der Klagepartei in der Zeit vom 01.01.2017 bis 30.09.2020 vermittelt wurden. Die Auskunft hat folgende Informationen zu enthalten:
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1. Name und Anschrift des Kunden,
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2. Datum des jeweiligen, mit dem Kunden geschlossenen Vertrages (bei mehreren Verträgen sind alle Daten für jeden Vertrag einzeln anzugeben),
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3. Datum des Einganges des Auftrages bei der Beklagten,
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4. Datum der Freischaltung des Dienstes bzw. der Karte (Vertragsannahme),
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5. Angabe, ob eine Konzerneinwilligungsklausel (KEK Festnetz) vom Kunden durch die Klägerseite eingeholt wurde,
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6. Bezeichnung des Komplettpaketes bzw. des Tarifes,
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7. Bezeichnung des Geschäftsfalles unter der Angabe, ob die Kunden, an die vermittelt wurde,
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- bisher keine R.-Festnetz-Kunden waren oder nicht zuvor einen Tarif innehatten, der unmittelbarer vertraglicher Vorgänger des vermittelten Tarifs war (Neukunde). Es ist anzugeben, welchen Tarif der Kunde zuvor innehatte.
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- bisher einen anderen Festnetzanschluss außerhalb des vermittelten Tarifes innehatte (Wechsler). Es ist anzugeben, welchen Tarif der Kunde zuvor innehatte.
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- bisher einen anderen geringwertigeren Tarif oder einen Alt-Tarif innehatten, die keine Mindestlaufzeiten und kein DSL im Bestand hatten (Wechsler/Neu). Es ist anzugeben, welchen Tarif der Kunde zuvor innehatte.
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- bisher bereits einen DSL-Anschluss in einem geringwertigeren Tarif innehatte und in den höchsten Tarif vermittelt wurde (Wechsler/Wechsler). Es ist anzugeben, welchen Tarif der Kunde zuvor innehatte.
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- bereits den vermittelten Tarif innehatten (Vertragsverlängerung). Es ist anzugeben, welchen Tarif der Kunde zuvor innehatte.
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9. Angabe, ob der Abschluss als zielrelevant gewertet wurde,
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10. Angabe, ob und welche Wertigkeitsprovision im Falle einer Vertragsverlängerung gewährt wurde,
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11. Angabe, ob und welche Zusatzoption im vermittelten Vertrag enthalten ist und welche Basis-Service-bzw. Zielprovision hierfür gewährt wurde,
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12. Laufzeit des abgeschlossenen Vertrages,
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13. bei vermitteltem Endgerät, das nicht Teil eines Bundleangebotes außer einem IT-Bundle war und das über das Kassensystem vermarktet wurde, zusätzlich die Angabe, welcher Nettoverkaufspreis vermittelt wurde, a) Marke Zubehör und/oder Hardware b) ist ein Voucher verwendet worden, wenn ja in welcher Höhe und von welchem Anbieter
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14. im Falle von Kündigungen einschließlich Widerrufen und Rücktritten die Angabe des Zeitpunktes des Ausspruchs der Kündigung/des Widerrufs/des Rücktritts, von wem sie/er erklärt wurde und der Beendigungszeitpunkt des Vertrages sowie die Art der durchgeführten Bestandserhaltungsmaßnahmen,
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15. im Falle von Stornierungen, Vertragsaufhebungen und Annullierungen: - das jeweilige Datum der Stornierung/Vertragsaufhebung/ Annullierung - die Art der durchgeführten Bestandserhaltungsmaßnahmen und - die Gründe für die Stornierung/Vertragsaufhebung/Annullierung.
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I.3. Hinsichtlich der Vertragsvermittlungen Omni Channel ist mitzuteilen, welche Verträge von der Klagepartei in der Zeit vom 01.01.2017 bis 30.09.2020 unter der Vermittlernummer in den Standorten an Kunden vermittelt wurden. Die Auskunft hat folgende Informationen zu enthalten:
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1. Name und Anschrift des Kunden,
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2. Datum des jeweiligen, mit dem Kunden geschlossenen Vertrages (bei mehreren Verträgen sind alle Daten für jeden Vertrag einzeln anzugeben),
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3. Datum des Einganges des Auftrages bei der Beklagten,
51
4. Datum der Freischaltung des Dienstes bzw. der Karte (Vertragsannahme),
52
5. Angabe, ob eine Konzerneinwilligungsklausel (KEK Omni Channel) vom Kunden durch den Kläger eingeholt wurde,
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6. Angabe der jeweiligen TAM-Gruppe der Vermittlung,
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7. Bezeichnung des Geschäftsvorfalles im Bereich Mobilfunk unter exakter Angabe des jeweils vermittelten Vertrages (z,B. D. Mobil L-XL (Business),
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8. Bezeichnung des Geschäftsfalles im Bereich Festnetz unter der Angabe, ob o ein Breitband-Tarif neu vermittelt wurde oder an einen Tarifwechsler. Es ist anzugeben, welchen Tarif der Kunde zuvor innehatte.
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o ein Upselling-Aufschlag für Breitband-Tarife mit TV oder ein Breitband-Tarif mit TV neu oder an einen Tarifwechsler vermittelt wurde. Es ist anzugeben, welchen Tarif der Kunde zuvor innehatte.
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o ein D. SmartHome-Vertrag vermittelt wurde.
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9. Angabe, ob der Abschluss als zielrelevant gewertet wurde,
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10. Laufzeit des abgeschlossenen Vertrages,
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11. im Falle von Kündigungen einschließlich Widerrufen und Rücktritten die Angabe des Zeitpunktes des Ausspruchs der Kündigung/des Widerrufs/des Rücktritts, von wem sie/er erklärt wurde und der Beendigungszeitpunkt des Vertrages sowie die Art der durchgeführten Bestandserhaltungsmaßnahmen,
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12. im Falle von Stornierungen, Vertragsaufhebungen und Annullierungen: - das jeweilige Datum der Stornierung/Vertragsaufhebung/ Annullierung - die Art der durchgeführten Bestandserhaltungsmaßnahmen und - die Gründe für die Stornierung/Vertragsaufhebung/Annullierung.
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I.4. Hinsichtlich der Zielprovisionen bzw. Basisziele und Bonusziele sind für den Zeitraum vom 01.01.2017 bis 30.09.2020 folgende Auskünfte zu erteilen:
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1. Wie viele Vertragsvermittlungen die Beklagte im Bereich Mobilfunk pro Quartal als Zielschwelle für die Grundzielvergütung (auch Basisziel 1) und wie viele für das jeweilige Koppelgeschäft bzw. für die weiteren Basisziele gewertet hat.
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2. Wie viele Vertragsvermittlungen die Beklagte im Bereich Festnetz pro Quartal als Zielschwelle für die Grundzielvergütung (auch Basisziel 1) und wie viele für das jeweilige Koppelgeschäft bzw. für die weiteren Basisziele gewertet hat.
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3. Wie viele Vertragsvermittlungen die Beklagte im Bereich D. SmartHome Dienste und D. TV pro Quartal gewertet hat.
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4. Wie hoch die Aktivierungsquote jeweils im Bereich D. TV und D. SmartHome pro Quartal war und wie die jeweilige Quote konkret ermittelt wurde.
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I.5. Hinsichtlich der Qualitätsziele sind für den Zeitraum vom 01.01.2017 bis 30.09.2020 folgende Auskünfte zu erteilen:
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1. Wie hoch der Kundenzufriedenheitsindex (KZI) war bzw. wie viele Sterne für die Beratungsqualität pro Quartal von der Beklagten angesetzt und wie diese jeweils ermittelt wurden.
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2. Wie hoch die Rückrufnummernquote und/oder die Erreichbarkeitsquote pro Quartal war und wie diese konkret ermittelt wurde.
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3. Wie hoch die Aktivierungsquote jeweils im Bereich D. TV und P. SmartHome pro Quartal war und wie die jeweilige Quote konkret ermittelt wurde.
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4. Wie hoch die Aktivierungsquote im Bereich TV-Qualitätsziel pro Quartal war und wie die jeweilige Quote anhand der jeweils vermittelten Produkte konkret ermittelt wurde.
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5. Wie hoch die Aktivierungsquote jeweils im Bereich Entertain pro Quartal war und wie die jeweilige Quote konkret ermittelt wurde.
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6. Welche Pushmaßnahmen-Provisionen unter Nennung der jeweiligen Produkte/Leistungen und der jeweiligen Provisionshöhe pro Quartal gewährt wurden.“
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Im Übrigen hat das Landgericht den Antrag auf Erteilung eines Buchauszuges abgewiesen. Dem weiteren bezifferten Zahlungsantrag hat es in Höhe von 115.190,00 € stattgegeben und ihn im Übrigen abgewiesen.
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Zur Begründung hat es ausgeführt, es bestehe aus § 87c Abs. 2 HGB ein Anspruch auf einen Buchauszug über die in der Zeit vom 01.01.2017 bis 30.09.2020 vermittelten Geschäfte. Die erforderlichen Angaben seien in den übermittelten Excel-Listen nicht vollständig enthalten gewesen. Die Daten seien erforderlich, da sie einen Bezug zu dem vermittelten Geschäft aufwiesen und die SuP-Vereinbarungen nur zeitabschnittsweise mit unterschiedlichem Inhalt gegolten hätten, weshalb erst auf der Zahlungsstufe die Relevanz der einzelnen Merkmale zu überprüfen sei. Es bedürfe hiernach der Angabe von Namen und Anschrift der Kunden. Datenschutzbelange stünden dem im Verhältnis der Parteien nicht entgegen. Dass der Kläger die Aufträge auch in seiner EDV erfasst habe, mache die Auflistung nicht entbehrlich, weil der Buchauszug auch dazu diene, zu überprüfen, ob die Beklagte die Daten korrekt übernommen habe. Anzugeben seien auch die Daten von Vertragsschluss und Auftragseingang, insbesondere für eine etwaige Überhangprovision nach Ziffer 4.1.1. c) der Anlage 2 zum TSP-Vertrag. Daneben könne nach den SuP-Vereinbarungen auch die Frage der Einholung einer Konzerneinwilligungsklausel oder die Unterscheidung Privat-/Geschäftskunden von Bedeutung sein. Das Landgericht nimmt insoweit Bezug auf die Ausführungen im Teilurteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn im Parallelverfahren 11 O 16/21.
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Erforderlich seien zudem Angaben zu Zielprovisionen und Qualitätszielen; auch insoweit seien deren Auswirkungen auf die Provisionen erst auf der Zahlungsstufe zu klären. Erfüllung könne auch nicht unter dem Aspekt angenommen werden, dass der Kläger die nunmehr verlangten Informationen ursprünglich selbst in das System der Beklagten eingegeben habe. Es sei nicht Sache des Handelsvertreters, sich die Informationen zusammenzusuchen, sondern Aufgabe des Buchauszuges, die provisionsrelevanten Informationen zusammenzuführen.
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Keinen Anspruch habe der Kläger dagegen hinsichtlich nachvertraglicher Vertragsverlängerungen oder Folgegeschäften aus der Zeit nach dem 01.10.2020, da insoweit ein Provisionsanspruch durch die Provisionsvereinbarungen wirksam ausgeschlossen sei.
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Ziffer 4.1.1 der Anlage 2 „Dienstvermarktung“ zum TSP-Vertrag sehe in Verbindung mit Ziffer 5 der Anlage 3 zum TSP-Vertrag vor, dass der Vergütungsanspruch nur dem Partner zustehe, der den Auftrag in das Auftragserfassungssystem eingegeben habe, was nur während des bestehenden Vertrages möglich sei. Hieraus gehe auch hervor, dass die bloße Mitursächlichkeit der Tätigkeit des Handelsvertreters nicht für die Entstehung eines Provisionsanspruchs habe ausreichen sollen.
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Der Ausschluss von Folgeprovisionen sei wirksam. Die Provisionsregelungen in § 87 HGB seien zum großen Teil dispositiv und einer Regelung durch AGB zugänglich. Die Regelungen in den Anlagen 2 und 3 zum TSP-Vertrag seien weder unklar noch überraschend, da sie das mit dem Shop-Vertrieb zusammenhängende System der Abgeltung der Vermittlungsleistung mit Einmalprovisionen umsetzten. Ansonsten sei wegen der Vielzahl der Möglichkeiten zum Vertragsschluss mit den Unternehmen des Konzerns der X. die Zuordnung von Kunden zu einzelnen Handelsvertretern kaum zu handhaben. Es liege auch keine unbillige Benachteiligung vor. Die Anlagen 2 und 3 zum TSP-Vertrag enthielten an § 87 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 HGB angelehnte Regelungen, die in Ziffer 4.1.1. c) an den Eingang des Kundenauftrags bei der K. GmbH anknüpften, auch wenn der Vertragsabschluss erst nach Vertragsende zustande komme. Es werde auch nicht gegen § 87a Abs. 5 HGB verstoßen.
80
Es bestehe kein Anspruch auf Handelsvertreterausgleich nach § 89b HGB, da es an konkretem Vortrag zu einem verbleibenden Vorteil für das Unternehmen fehle. Der Vorteil bestehe regelmäßig in der zu prognostizierenden Möglichkeit, die vom Handelsvertreter aufgebauten Geschäftsverbindungen zu Neukunden oder diesen gleichstehende wesentliche Erweiterungen bestehender Geschäftsverbindungen nach Beendigung des Handelsvertretervertrags zu weiteren Geschäftsabschlüssen zu nutzen. Der Ausgleich solle die Schaffung eines Kundenstammes durch den Handelsvertreter abgelten, den der Unternehmer nach Beendigung des Handelsvertretervertrags weiter nutzen könne. Diese Grundsätze seien auf den Vertrieb von Produkten in einem Ladenlokal nicht ohne weiteres zu übertragen. Der Kläger habe zwar für andere Konzerngesellschaften der X. AG auch länger laufende Verträge mit Kunden vermittelt. Ob daraus jedoch weitere Geschäfte zu erzielen sind, sei angesichts der Vielzahl der Vertriebswege im Telekommunikationsmarkt ungewiss. Da die Geschäftsvermittlung durch den Handelsvertreter mit einer Einmalprovision abgegolten werde, entstünden durch die Beendigung andererseits keine (auszugleichenden) Provisionsverluste für den Kläger.
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Der zuerkannte Anspruch auf Zahlung von 115.190,00 € ergebe sich aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB, da die in Ziffer 4.2. der Standortvereinbarungen getroffene Regelung gegen § 86a Abs. 1, 3 HGB verstoße und dies zur vollständigen Unwirksamkeit der vertraglichen Regelung führe.
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Die Vereinbarung einer Beteiligung des Handelsvertreters in Höhe von 1.000,00 € netto an den Kosten u.a. für die „Bereitstellung von Arbeitsplatzsystemen incl. Kasse und Bereitstellung einer leitungstechnischen Anbindung incl. Prüfanschlüsse“ verstoße gegen § 86a Abs. 1 HGB, was nach § 86a Abs. 3 HGB zur Unwirksamkeit führe, insbesondere weil der Handelsvertreter so letztlich einen Teil des unternehmerischen Risikos des Prinzipals trüge. Von dem Begriff der Unterlagen werde alles erfasst, was dem Handelsvertreter zur Ausübung seiner Vermittlungs- oder Abschlusstätigkeit - insbesondere zur Anpreisung der Waren bei dem Kunden - diene und aus der Sphäre des Unternehmers stamme, wozu auch Hard- und Software zählen könne. Abzugrenzen sei zwischen den erforderlichen Hilfsmitteln, die der Handelsvertreter spezifisch aus der Sphäre des Unternehmers objektiv benötige, um seine Tätigkeit ausüben zu können und den nach § 87d HGB vom Handelsvertreter zu tragenden im regelmäßigen Geschäftsbetrieb anfallenden Kosten etwa der Büroausstattung und der Repräsentation gegenüber Kunden.
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Vorliegend gehe es um für die Ausübung der Tätigkeit als Handelsvertreter objektiv erforderliche Hilfsmittel, zumal er nach Ziff. 9 und 10 des TSP-Vertrages die bereitgestellten Systeme nutzen müsse und eigene Geräte nicht verwenden dürfe. Er werde an verschiedene Systeme der Beklagten (Warenwirtschaft, Kasse, Kundendatenbanken) angeschlossen; das Aufspielen von Fremdsoftware sei verboten, ebenso die Nutzung der Geräte zu anderen Zwecken. Unerheblich sei, ob Kasse und andere IT-Systeme nicht verbunden seien; entscheidend sei, dass die erwähnten Komponenten von der Beklagten ausgegeben, konfiguriert und verbunden würden, so dass dem Kläger keine Alternative für die Einreichung von Geschäften bei der Beklagten verbleibe.
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Rechtsfolge sei die Gesamtnichtigkeit der Klausel in Zif. 4.2 der Anlage 2 des TSP-Vertrages, eine sinnvolle Teilung sei nicht möglich; auch ließen sich dem Beklagtenvortrag keine Anhaltspunkte für eine korrigierende ergänzende Vertragsauslegung entnehmen.
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Die Höhe des Betrages von 115.190,00 € für die Monate Januar 2017 bis September 2020 habe der Kläger im nachgelassenen Schriftsatz im Einzelnen aufgegliedert; demgegenüber habe die Beklagte nicht hinreichend konkret bestritten.
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Ein Anspruch auf Provisionszahlungen in Höhe des einbehaltenen Sondernutzungsentgeltes von 12.947,83 € bestehe nicht, da die Berechnung des Sondernutzungsentgeltes durch die Beklagte auf Grundlage der Regelungen in der Standortvereinbarung C. zu Recht erfolgt sei. Der Kläger habe sich zum Ausgleich seiner nach Ziffer 5.3.1 der Standortvereinbarung ermittelten Beteiligung an einer konkreten baulichen Werbemaßnahme zur Zahlung eines Betrages von 398,64 € netto in 60 monatlichen Raten verpflichtet. Das nach Vertragsbeendigung gemäß Ziffer 5.3.2 der Standortvereinbarung in einer Summe fällige restliche Sondernutzungsentgelt in Höhe von 12.947,83 € brutto ergebe sich aus den zu diesem Zeitpunkt noch offenen 28 Raten.
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Es bestehe auch kein Anspruch auf Zahlung verrechneter Provisionszahlungen in Höhe von 2.427,95 € brutto. Die Beklagte habe in dieser Höhe einen Anspruch auf Ausgleich von Inventurdifferenzen bei Beendigung des Standortes C.. Der Kläger sei nach Ziffer 19 des TSP-Vertrages bei Beendigung des Vertrages zur Herausgabe des Inventars und nicht verkaufter Warenbestände verpflichtet. Die Höhe der zu ersetzenden Inventurdifferenz ergebe sich aus Ziffer 5.2. des Anhangs B zur Anlage 2 zum TSP-Vertrag „Endgeräte und Zubehörvermarktung“. Danach seien die positiven und negativen Inventurdifferenzen mit dem gleitenden Verrechnungspreis der K. GmbH zu berechnen, was die Beklagte im Einzelnen dargelegt habe. Die Orientierung am Wiederbeschaffungswert sei auch nicht unbillig, da Zustand und Zeitwert nur schwer konkret und realistisch einschätzbar seien. Soweit der Kläger darauf hinweise, dass der Verrechnungspreis teilweise über Aktionspreisen liege und die Gewinnmarge der K. GmbH beinhalte, sei ihm seine Verantwortung für den vorhandenen Warenbestand entgegenzuhalten, den er ggf. zu günstigeren Konditionen hätte wieder auffüllen können.
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Mit seiner Berufung wendet der Kläger ein, entgegen der Ansicht des Landgerichts bestehe ein Buchauszugsanspruch für nachvertragliche Vertragsverlängerungen oder Folgeverträge, da nachlaufende Provisionen nicht wirksam ausgeschlossen worden seien (S. 5-8 der Berufungsbegründung des Klägers, Bl. 192-195 d. A.). Die Regelung der Ziff. 4.1.1 a) Anlage 2 des TSP-Vertrages, wonach der Auftrag erst mit der Freischaltung des Dienstes verbindlich angenommen sei, verstoße gegen § 87a Abs. 3 HGB, weil nicht auf den Vertragsschluss, sondern auf die Vertragsausführung abgestellt werde, deren Nichterfolgen indes auch auf vom Prinzipal zu vertretenden Gründen beruhen könne. Die Regelung zu „Nachbestellprovisionen für Folgegeschäfte" in Ziff 4.1.1 c) Satz 2 Anlage 2 zum TSP-Vertrag sei wegen Unklarheit unwirksam. Anstelle der im Handelsvertreterrecht üblichen Begriffe „Folgeprovisionen" oder „Provisionen für Nachbestellungen" sei von „Nachbestellprovisionen für Folgeschäfte" die Rede, wobei unklar bleibe, was hierunter zu verstehen sein solle.
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Der unbezifferte Anspruch auf einen Handelsvertreterausgleich habe nach den Grundsätzen der Stufenklage noch nicht zur Entscheidung angestanden, zumal Vortrag zu verbleibenden Unternehmervorteilen zumindest auch auf Grundlage des Inhaltes des Buchauszuges habe erfolgen sollen (S. 9 der Berufungsbegründung des Klägers, Bl. 196 d. A.). Ein Vorteil bestehe auch darin, dass Verträge teilweise nach Ablauf der vereinbarten Laufzeit schlicht weiterliefen. Indes bestehe auch dann ein Vorteil für die Beklagte, wenn sie verlängert würden oder ein Folgevertrag geschlossen werde; es bestehe letztlich kein Unterschied zwischen einem klassischen Warenhandelsvertreter und der vorliegenden Konstellation. Man dürfe vorliegend keine Sonderregelungen für Versicherungsvertreter (§ 89b Abs. 5 HGB) als maßgeblich ansehen; auch sei es ein klassischer auszugleichender Einnahmeverlust, wenn dem Handelsvertreter die Möglichkeit genommen werde, insbesondere mit Mehrfachkunden in der Zukunft weitere Verträge auszuhandeln und hierdurch (Einmal-) Provisionen zu generieren. Die von Mehrfachabschlüssen gekennzeichneten Kundenbeziehungen seien von Vorteil für die Beklagte (S. 9-12 der Berufungsbegründung des Klägers, Bl. 196-199 d. A.).
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Das Sondernutzungsentgelt (12.947,83 €) sei wegen Verstoßes gegen § 86a HGB nicht wirksam vereinbart worden (S. 12 der Berufungsbegründung des Klägers, Bl. 199 d. A.).
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Zu den Inventurdifferenzen (2.427,95 €) bestehe kein Anspruch der Beklagten, weil die vertragliche Klausel Anlage B zur Anlage 2 der Endgeräte- und Zubehörvermarktung intransparent und nicht nachvollziehbar sei. Angegeben werden müsse der Zeitwert der Geräte, welchen die Beklagte nicht dargelegt habe (S. 12 f. der Berufungsbegründung des Klägers, Bl. 199 f. d. A.).
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Landgerichts Bonn vom 11.11.2022, Az. 14 O 110/20 insoweit abzuändern, als dem Kläger die geltend gemachten Ansprüche nicht zugesprochen wurden und die Beklagte wie folgt zu verurteilen (unter Beibehaltung der ursprünglichen Nummerierung):
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II. 1. Hinsichtlich der nachvertraglichen Vertragsverlängerungen oder Folgeverträge im Bereich Mobilfunk ist mitzuteilen, welche Vertragsverlängerungen ab dem 01.10.2020 bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung mit am 30.09.2020 bestehenden Kundenverbindungen zustande kamen. Die Auskunft hat folgende Informationen zu enthalten:
95
1. Name und Anschrift des Kunden,
96
2. Datum des jeweiligen, mit dem Kunden geschlossenen Vertrages (bei mehreren Verträgen sind alle Daten für jeden Vertrag einzeln anzugeben),
97
3. Datum des Einganges des Auftrages bei der Beklagten,
98
4. Datum der Freischaltung des Dienstes bzw. der Karte (Vertragsannahme),
99
6. Angabe der TSP-Produkt-ID und Bezeichnung des Vertrages,
100
7. Angabe, ob es sich um ein Privatkunden- oder Geschäftskundenvertrag handelt,
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8. Angabe der Tarifgruppe,
102
9. Bezeichnung des bis zur Vertragsverlängerung bestehenden Vertrages mit TSP-Produkt-ID,
103
10. Angabe, welcher Tarif bis dahin bestand bzw. die Mitteilung, ob bis dahin ein Prepaid-Vertrag bestand,
104
11. im Falle von Kündigungen einschließlich Widerrufen und Rücktritten die Angabe des Zeitpunktes des Ausspruchs der Kündigung/des Widerrufs/des Rücktritts, von wem sie/er erklärt wurde und der Beendigungszeitpunkt des Vertrages sowie die Art der durchgeführten Bestandserhaltungsmaßnahmen,
105
12. im Falle von Stornierungen, Vertragsaufhebungen und Annullierungen:
106
- das jeweilige Datum der Stornierung/Vertragsaufhebung/Annullierung
107
- die Art der durchgeführten Bestandserhaltungsmaßnahmen und - die Gründe für die Stornierung/Vertragsaufhebung/Annullierung.
108
II. 2. Hinsichtlich der nachvertraglichen Vertragsverlängerungen oder Folgeverträgen im Bereich Festnetz ist mitzuteilen, welche Vertragsverlängerungen ab dem 01.10.2020 bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung mit am 30.09.2020 bestehenden Kundenverbindungen zustande kamen. Die Auskunft hat folgende Informationen zu enthalten:
109
1. Name und Anschrift des Kunden,
110
2. Datum des jeweiligen, mit dem Kunden geschlossenen Vertrages (bei mehreren Verträgen sind alle Daten für jeden Vertrag einzeln anzugeben),
111
3. Datum des Einganges des Auftrages bei der Beklagten,
112
4. Datum der Freischaltung des Dienstes bzw. der Karte (Vertragsannahme),
113
6. Bezeichnung des Komplettpaketes bzw. des Tarifes,
114
9. Bezeichnung des bis zur Vertragsverlängerung oder dem Folgevertrag bestehenden Vertrages unter Angabe des Komplettpaketes bzw. Tarifes,
115
10. im Falle von Kündigungen einschließlich Widerrufen und Rücktritten die Angabe des Zeitpunktes des Ausspruchs der Kündigung/des Widerrufs/des Rücktritts, von wem sie/er erklärt wurde und der Beendigungszeitpunkt des Vertrages sowie die Art der durchgeführten Bestandserhaltungsmaßnahmen,
116
11. im Falle von Stornierungen, Vertragsaufhebungen und Annullierungen:
117
- das jeweilige Datum der Stornierung/Vertragsaufhebung/ Annullierung
118
- die Art der durchgeführten Bestandserhaltungsmaßnahmen und
119
- die Gründe für die Stornierung/Vertragsaufhebung/Annullierung.
120
III. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger einen unter anderem aus dem Buchauszug zu ermittelnden Handelsvertreterausgleich zu bezahlen nebst 5 % Fälligkeitszinsen hieraus seit 01.10.2020.
121
IV. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 15.375,78 € zzgl. Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
122
Die Beklagte beantragt,
123
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
124
Mit ihrer eigenen Berufung beantragt die Beklagte,
125
das Teil-Urteil des Landgerichts Bonn, Az. 14 O 110/20 vom 11.11.2022 unter Zurückweisung der Berufung des Klägers insgesamt aufzuheben und die Klage abzuweisen,
126
hilfsweise den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das Landgericht Bonn zurückzuverweisen.
127
Der Kläger beantragt,
128
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
129
Die Beklagte erwidert gegenüber der Berufung des Klägers, es sei widersprüchlich, einerseits den Buchauszuganspruch auf nachvertragliche Vertragsverlängerungen sowie Folgeverträge erstrecken zu wollen, andererseits aber Zif. 4.1.1 c Satz 1 Anlage 2 des TSP-Vertrages, wonach die Provision für Folgegeschäfte nach § 87 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 HGB ausgeschlossen werde, als wirksam zu erachten (S. 2-6 der Berufungserwiderungs- und -begründungsschrift der Beklagten, Bl. 209-213 d. A.). Zum Ausgleichsanspruch verkenne der Kläger, dass sich die Billigkeit eines solchen nicht aus während der Vertragszeit verdienten Provisionen herleiten lasse, sondern voraussetze, dass dem Handelsvertreter infolge der Vertragsbeendigung Provisionen entgingen, woran es vorliegend fehle. Der Ausgleichsanspruch stelle eine Gegenleistung für die durch Provision noch nicht voll abgegoltene Leistung des Handelsvertreters dar ‒ dies sei bei Einmalprovisionen auszuschließen. Billigkeitsgründe, die trotz Nichtentgehens von Provisionen einen Ausgleichsanspruch gerechtfertigt erscheinen ließen, seien nicht ersichtlich (S. 7-10 der Berufungserwiderungs- und -begründungsschrift der Beklagten, Bl. 214-217 d. A.). Im Übrigen seien Ausgleichsansprüche gemäß § 89b Abs. 3 Zif. 1 HGB ausgeschlossen, weil der Kläger selbst gekündigt habe.
130
Mit ihrer eigenen Berufung macht die Beklagte geltend, soweit das Landgericht ausführe, der Buchauszuganspruch sei noch nicht vollständig erfüllt, weil Informationen ausstünden, bleibe unklar, welche dies sein sollten; die Erforderlichkeit der verlangten Informationen sei aber bereits auf der (ersten) Stufe zu prüfen, nicht erst nach Bezifferung (S. 12 der Berufungserwiderungs- und -begründungsschrift der Beklagten, Bl. 219 d. A.). Alle Angaben seien zudem in dem als Excel-Datei erteilten Buchauszug enthalten, da sie in der jeweiligen Zeile zu dem jeweils betreffenden Geschäft aufgeführt seien (S. 13 der Berufungserwiderungs- und -begründungsschrift der Beklagten, Bl. 220 d. A. unter Bezugnahm auf die Anlage B 1, Bl. 265-267 LG-Akte).
131
Die Beklagte wehrt sich gegen die Annahme des Landgerichts, mit der Kostenbeteiligung für „Bereitstellung von Arbeitsplatzsystemen incl. Kasse und Bereitstellung einer leitungstechnischen Anbindung incl. Prüfanschlüssen“ werde eine Ausstattung vergütet, die zur Ausübung der Tätigkeit als Handelsvertreter in dem Sinne objektiv erforderlich sei, als es sich nicht um gewöhnliche Geschäftsausstattung handle (S. 14 der Berufungserwiderungs- und -begründungsschrift der Beklagten, Bl. 221 d. A.). Tatsächlich sei eine EDV-Ausstattung infolge des Standes der Digitalisierung für jedwede Geschäftstätigkeit objektiv erforderlich. Feststellungen zur Ausstattung der EDV-Systeme mit einer spezifischen Vertriebssoftware seien nicht getroffen worden, auch nicht dazu, ob die Ausstattung über dasjenige hinausgehe, was zur Teilnahme an elektronischer Kommunikation und Datenverarbeitung ohnehin für einen Handelsvertreter erforderlich sei. Tatsächlich zähle die EDV-Ausstattung zu den regelmäßigen handelsüblichen Aufwendungen für die eigene Geschäftsausstattung so auch vorliegend (S. 15, 30 der Berufungserwiderungs- und -begründungsschrift der Beklagten, Bl. 222, 237 d. A.). Es sei marktübliche Standardhard- und ‒software verwendet worden (S. 56-58 der Berufungserwiderungs- und -begründungsschrift der Beklagten, Bl. 263-265 d. A.). Abweichende Feststellungen habe das Landgericht nicht getroffen, welches auch nicht erläutere, was es mit einer „Konfiguration“ meine; entscheidend sei die Feststellung eines vertriebsspezifischen Bezuges ‒ hierzu sei indes nichts vorgetragen und/oder festgestellt worden (S. 17-22 der Berufungserwiderungs- und -begründungsschrift der Beklagten, Bl. 224-229 d. A.).
132
Die vertragliche Vorgabe, nur die von der Beklagten bereitgestellte Ausstattung und diese auch nur für die Tätigkeit für die Beklagte zu nutzen, rechtfertigten nicht die Wertung, es handle sich um Kosten des Unternehmers, die entgegen dem Leitbild des Handelsvertreters auf diesen verlagert würden (S. 16, 47 der Berufungserwiderungs- und -begründungsschrift der Beklagten, Bl. 224, 254 d. A.). Es werde verkannt, dass die erforderliche Anbindung an Systeme der Beklagten gerade nicht über eine derjenigen Hardware- oder Softwarekomponenten erfolge, auf welche sich die Kostenbeteiligung erstrecke, dies in dem Sinne, als diese Komponenten in irgendeiner Weise eine auf die Beklagte bezogene Spezialausstattung erhielten, sondern dass sich das mit der Beklagten in Zusammenhang stehende Datengeschehen vielmehr ohnehin und ausschließlich auf den Servern der Beklagten abspiele, an welche die Ausstattung der Handelsvertreter angebunden sei. Dies sei indes etwas anderes als eine auf den Rechnern der Handelsvertreter installierte vertriebsnotwendige Software. Gleiches gelte für das Kassensystem, auch wenn dieses die Funktionalität aufweise, dass es sich durch Zugriff auf die beim Webserver der Beklagten hinterlegten Produkte und Preise aktualisiere. Dies sei keine Preisübermittlungsfunktion, welche die Beklagte kostenfrei zur Verfügung stellen müsse: Die Kasse habe die Funktionalität, hierauf entfielen Kosten, der Zugriff auf die Daten beim Webserver sei dagegen kostenfrei (S. 22-29, 36, 39 der Berufungserwiderungs- und -begründungsschrift der Beklagten, Bl. 229-236, 243, 246 d. A.). Es handle sich um ein frei am Markt erhältliches Standard-Kassensystem, welches bereits herstellerseitig die Möglichkeit biete, auf das Internet zuzugreifen und so Preis- und Produktdaten zu importieren, was im Übrigen technischer Standard und branchenüblich sei (S. 31 f. der Berufungserwiderungs- und -begründungsschrift der Beklagten, Bl. 238 f. d. A.).
133
Zutreffend sei, dass die Beklagte den via Internet erfolgenden Zugriff auf die für die Handelsvertretertätigkeit relevanten Serveranwendungen auf das Netzwerk der R.-Shops und die dort aufgestellten PCs beschränke. Dies rechtfertige aber nicht die Bewertung als „erforderliche Unterlage“, da der Zugriff zum Einen unentgeltlich erfolge und zum Anderen eine Zugriffsbeschränkung auch aus datenschutzrechtlichen Gründen unerlässlich sei, zumal die Systeme auch Kundendaten führten (S. 29 der Berufungserwiderungs- und -begründungsschrift der Beklagten, Bl. 236 d. A.).
134
Es fehle Klägervortrag zu vertriebsspezifischer Hard- oder Software, die auf den Arbeitsplatzsystemen bereitgestellt werde und für den Zugriff auf „WIN“ oder „CRM-T“ erforderlich sei (S. 26-29 der Berufungserwiderungs- und -begründungsschrift der Beklagten, Bl. 233-236 d. A.).
135
Es dürfe nicht unterstellt werden, die Beklagte habe die bereitgestellten Arbeitsplatzsysteme ihren Bedürfnissen entsprechend konfiguriert, ohne dass klar werde oder durch Sachvortrag oder Feststellungen gedeckt werde, worin diese Konfiguration bestehen solle (S. 37, 39, 43 der Berufungserwiderungs- und -begründungsschrift der Beklagten, Bl. 244, 246, 250 d. A.). Zif. 10.2 des TSP-Vertrages gebe dem Handelsvertreter nicht die Verwendung bestimmter Software vor, sondern untersage lediglich die Verwendung von Fremdsoftware und den Einsatz nicht von der TSG (R. Shop Vertriebsgesellschaft mbH) gestellter Hardware (S. 44 der Berufungserwiderungs- und -begründungsschrift der Beklagten, Bl. 251 d. A.).
136
Vertragsgemäß sei es Aufgabe des Handelsvertreters und nicht der Beklagten, Maßnahmen zur Zugriffskontrolle und zur Absicherung der Datenverarbeitungssysteme zu treffen (S. 38 f. der Berufungserwiderungs- und -begründungsschrift der Beklagten, Bl. 245 f. d. A.). Emde (in: ZIP 2022, 106, 108) bewerte eine Software auch im Falle einer „Vorgabe“ nur dann als „erforderliche Unterlage“, wenn die Software eigens für das Produktangebot entwickelt oder darauf zugeschnitten worden sei, wobei der Handelsvertreter substantiiert vortragen müsse, um welche Mittel, etwa welche konkrete Software, es sich handle (S. 45, 51 der Berufungserwiderungs- und -begründungsschrift der Beklagten, Bl. 252, 258 d. A.). Zudem müsse Berücksichtigung finden, dass die Vorgaben und Beschränkungen des Handelsvertreters hinsichtlich der EDV nicht produkt- oder vertriebsspezifisch seien, sondern allgemein geltenden Vorgaben des Datenschutzes bei der Auftragsverarbeitung dienten (S. 45 der Berufungserwiderungs- und -begründungsschrift der Beklagten, Bl. 252 d. A.).
137
Die Beklagte nimmt Bezug auf Ausführungen des Bundesgerichtshofs zur Zuordnung von Kosten eines Kassensystems einer Tankstelle (BGH, Urteil vom 17.11.2016 ‒ VII ZR 6/16, juris, Rn. 31, 41; S. 48 f., 52 f. der Berufungserwiderungs- und -begründungsschrift der Beklagten, Bl. 255 f., 259 f. d. A.).
138
Schließlich vertritt die Beklagte hilfsweise die Ansicht, dass ein etwaiger Rückforderungsanspruch des Klägers jedenfalls zu reduzieren sei (S. 6 des Schriftsatzes vom 9.8.2023, Bl. 353 d.A.).
139
Gegenüber der Berufung der Beklagten erwidert der Kläger, die Beklagte schließe in ihren Provisionsbestimmungen „Nachbestellprovisionen für Folgegeschäfte“ ausdrücklich „nur während der Vertragslaufzeit“ aus; folglich gelte der Ausschluss nicht für Folgegeschäfte, die nach Vertragsende abgeschlossen würden (S. 2 der Berufungserwiderungsschrift des Klägers, Bl. 282 d. A.). Zu „Überhangprovisionen“ sei vereinbart, dass der Eingang des Auftrages während der Vertragslaufzeit für die Entstehung eines Provisionsanspruchs ausreichen solle; dann müsse der Vertreter aber auch zu nachvertraglichen Vertragsabschlüssen einen Auskunftsanspruch über seine diesbezüglichen Provisionen haben (S. 2 der Berufungserwiderungsschrift des Klägers, Bl. 282 d. A.). Beim Ausgleichsanspruch gehe es um den Kundenstamm, den der Handelsvertreter geschaffen und der Unternehmer nunmehr alleine nutzen könne, nicht dagegen um einzelne Verträge; zudem könnten nach Auslaufen der Verträge Folgeverträge mit weiteren Provisionsansprüchen vermittelt werden (S. 3 f. der Berufungserwiderungsschrift des Klägers, Bl. 283 f. d. A.). Da der Handelsvertreter verpflichtet sei, sich um die Vermittlung oder den Abschluss von Geschäften zu bemühen, habe er Anspruch darauf, dass der Unternehmer ihm die Unterlagen zur Verfügung stelle, die er zu seiner Tätigkeit benötige, wozu insbesondere Muster, Zeichnungen, Preislisten, Werbedrucksachen und Geschäftsbedingungen gehörten. Es könne für die Frage der Bewertung einer Ausstattung als erforderliche Unterlage nicht darauf ankommen, ob eine Software auf einem Gerät installiert sei, das zu nichts anderem tauge oder ob er nur über das nicht anderweitig verwendbare Gerät erreichbar sei (S. 8 der Berufungserwiderungsschrift des Klägers, Bl. 288 d. A.).
140
Die Beklagte suggeriere, ihre Server seien von überall her erreichbar. Tatsächlich werde aber eine Bindung an statische IP-Adressen, d. h. an einen Standort und einen Nutzer vorgenommen, darüber hinaus auch auf bestimmte Geräte, was etwa über die sog. MAC-Adresse über welche das konkrete Gerät identifizierbar sei, bewerkstelligt werden könne, so dass im Ergebnis nur über die von der Beklagten ausgegebenen Geräte vom konkreten Standort des Shops über den konkret vorgegeben Anschluss des Vermittlers Zugriff auf die Server genommen werden könne (S. 9 der Berufungserwiderungsschrift des Klägers, Bl. 289 d. A.). Es sei also gerade nicht so, dass der Handelsvertreter sich die Ausstattung auch anderweitig habe beschaffen können (S. 10 der Berufungserwiderungsschrift des Klägers, Bl. 290 d. A.).
141
Es werde bestritten, dass das datenschutzrechtlich erforderliche Absicherungsniveau nur so wie von der Beklagten vorgegeben realisiert werden könne (S. 10 f. der Berufungserwiderungsschrift des Klägers, Bl. 290 f. d. A.).
142
Es komme nicht darauf an, dass theoretisch die Kasse, EDV, IT-Ausstattung und leitungstechnische Anbindung anderweitig nutzbar hätten sein können, sondern darauf, dass sie praktisch im konkreten Fall nicht anderweitig hätten genutzt werden können und durften (S. 16 der Berufungserwiderungsschrift des Klägers, Bl. 296 d. A.)
143
II.
144
Die zulässigen Berufungen haben jeweils teilweise Erfolg und sind im Übrigen unbegründet.
145
1. Berufung der Beklagten
146
Soweit die Beklagte sich gegen ihre Verurteilung zur Erteilung eines Buchauszuges wendet, hat ihre Berufung Erfolg und führt zur Abänderung des angefochtenen Teilurteils und diesbezüglichen Klageabweisung (a). Soweit sie sich gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von 115.190,00 € wendet, ist die Berufung dagegen unbegründet, weshalb sie insoweit der Zurückweisung unterliegt (b).
147
a) Buchauszug
148
Der Anspruch des Klägers auf Erteilung eines Buchauszuges aus § 87a HGB besteht nicht mehr, weil er gemäß § 362 BGB durch Erfüllung erloschen ist. Soweit der Kläger konkrete Angaben fordert, bestand auf diese entweder kein Anspruch oder wurden diese Angaben erteilt.
149
Der nach § 87a Abs. 2 HGB geschuldete Buchauszug hat für sämtliche provisionspflichtigen Geschäfte die Angaben zu enthalten, die für die Berechnung, Höhe und Fälligkeit der Provision maßgeblich sind, wobei es auf die vertraglichen Vereinbarungen zwischen Unternehmer und Handelsvertreter ankommt (BGH, Urteil vom 21.03.2001 - VIII ZR 149/99, zitiert nach juris Rn 18 ff.). Notwendig sind Angaben zur Identifizierung des einzelnen Geschäfts, so dass der Handelsvertreter die Provisionsabrechnungen kontrollieren kann (Ströbl in: Münchener Kommentar zum HGB, Band 1, 5. Auflage 2021, § 87c HGB, Rn. 42).
150
Zu den vom Kläger begehrten Angaben gilt im Einzelnen Folgendes:
151
aa) Name und Anschrift des Kunden (Nr. 1 unter Zif. I.1, I.2 und I.3 des Tenors des angefochtenen Urteils)
152
Die Angaben sind in den letzten Spalten der Datei (S. 3 der Anlage B 1, Bl. 265-267 der LG-Akte) enthalten. Gegenüber der Behauptung des Klägers, in 1/4 der Fälle fehlen Eintragungen in dieser Spalte, trägt die Beklagte zum Einen unwidersprochen vor, es seien bedeutend weniger Fälle und zum Anderen, dass sie an den Stellen, wo Daten fehlten, aufgrund erfolgter Löschung auch nicht mehr über die Daten verfüge (S. 8 des Schriftsatzes vom 30.06.2021, Bl. 489 der LG-Akte). Inwieweit die Löschung datenschutzrechtlich veranlasst war, kann dahinstehen. Entscheidend ist, dass der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges der Sache nach zu den Auskunftsansprüchen zählt und auch die Angabe, etwas nicht (mehr) zu wissen ‒ hierzu zählt auch die Angabe, über Daten nach deren Löschung nicht mehr zu verfügen - zur Erfüllung des Auskunftsanspruchs führt (unbeschadet der etwaigen Auslösung von Sekundäransprüchen).
153
bb) Datum des jeweiligen, mit dem Kunden geschlossenen Vertrages (bei mehreren Verträgen sind alle Daten für jeden Vertrag einzeln anzugeben; Datum des Einganges des Auftrages bei der Beklagten, Datum der Freischaltung des Dienstes bzw. der Karte (Nr. 2-4 unter Zif. I.1, I.2 und I.3 des Tenors des angefochtenen Urteils)
154
Hierzu erläutert die Beklagte unwidersprochen (S. 10 des Schriftsatzes der Beklagten vom 30.6.2021, Bl. 491 der LG-Akte), dass das Datum der Eingabe ins System angegeben wurde, auf welche in Zusammenhang mit dem Provisionsanspruch in den vertraglichen Bestimmungen maßgeblich abgestellt wird. Die weiteren verlangten Angaben schuldet die Beklagte nicht. Der Kläger benötigt sie nicht, weil sie nicht provisionsrelevant sind. Zif. 4.1.1 der Anlage 2 zum TSP-Vertrag stellt zwar auf die Auftragsannahme ab, dies aber nur für die Frage des „ob“ des Provisionsanspruchs. Im Übrigen, nämlich hinsichtlich zeitlicher Überschneidungen und der Frage, wessen Vermittlungsbeitrag ausschlaggebend ist, ist nach Zif. 4.1.1.c) der Anlage 2 zum TSP-Vertrag die Eingabe des Auftrags ins System maßgeblich. Dass der Auftrag angenommen wurde, erkennt der Kläger daran, dass ein Provisionsanspruch ausgewiesen wird. Weitere Angaben zum zeitlichen Ablauf benötigt er nicht.
155
cc) Angabe, ob eine Konzerneinwilligungsklausel (KEK Mobilfunk) vom Kunden durch die Klägerseite eingeholt wurde (Nr. 5 unter Zif. I.1, I.2 und I.3 des Tenors des angefochtenen Urteils)
156
Es besteht kein Anspruch, weil kein Provisionsanspruch in Rede steht. Zwar vergütet die Beklagte die Einwilligung, die ihr bzw. den konzernangehörigen Gesellschaften die Zusendung von Werbung ermöglicht, mit jeweils 3,50 €, (S. 11 des Beklagtenschriftsatzes vom 30.06.2021, Bl. 492 LG-Akte, s. auch S. 9 der SuP-Vereinbarung Bl. 80 LG-Akte). Gleichwohl handelt es sich hier nicht um eine Vergütung, welche die vertraglichen Regelungen als Gegenleistung für die Vermittlung eines Geschäftes i. S. d. § 87 HGB vorsehen.
157
dd) Angabe der TSP-Produkt-ID und Bezeichnung des Vertrages (Nr. 6 unter Zif. I.1 des Tenors des angefochtenen Urteils), Bezeichnung des Komplettpaketes bzw. des Tarifs (Nr. 6 unter Zif. I.2 des Tenors des angefochtenen Urteils), Bezeichnung der TAM-Gruppe der Vermittlung (Nr. 6 unter Zif. I.3 des Tenors des angefochtenen Urteils)
158
Die begehrte Angabe der TSP-Produkt-ID und die Bezeichnung des Vertrages bezüglich der Mobilfunkverträge sowie die Bezeichnung des Komplettpaktes bzw. des Tarifes bzgl. der Festnetzverträge ist nach dem eigenen Vortrag des Klägers in dem erteilten Buchauszug enthalten (vgl. S. 6 Schriftsatz vom 17.8.2021, Bl. 524 LG-Akte und S. 14 Schriftsatz vom 18.5.2021, Bl. 395 LG-Akte). Bezüglich der TAM-Gruppe verweist die Beklagte auf die Produktidentifikationsnummer und den vorzunehmenden Abgleich mit der SuP-Vereinbarung (S. 26 f. des Schriftsatzes vom 30.06.2021, Bl. 507 f. der LG-Akte). Auch insoweit ist darauf zu verweisen, dass die konkrete Überprüfung anhand der übermittelten Daten dem Handelsvertreter obliegt.
159
ee) Angabe, ob es sich um einen Privatkunden- oder Geschäftskundenvertrag handelt (Nr. 7 unter Zif. I.1 des Tenors des angefochtenen Urteils), Angaben des Geschäftsfalles/Geschäftsvorfalles (Nr. 7 unter Zif. I.2 und Nr. 7 und 8 unter Zif. I.3 des Tenors des angefochtenen Urteils)
160
Hierzu trägt die Beklagte unwidersprochen vor (S. 12 des Schriftsatzes vom 30.06.2021, Bl. 493 LG-Akte), dass die Produktidentifikationsnummer (TSP-Produkt ID, s.o. dd)) nicht nur erkennen lasse, welches Produkt vermittelt wurde, sondern auch ob es sich um einen Geschäftskunden- oder Privatkundentarif handle, weil insoweit getrennte Produktidentifikationsnummernkreise Gegenstand der SUP-Vereinbarung seien. Es ist nicht Aufgabe des Buchauszuges, sondern Gegenstand der dem Handelsvertreter obliegenden Überprüfung des Buchauszuges, anhand der jeweils einschlägigen SuP-Vereinbarung zu überprüfen, ob zu der jeweiligen TSP-Produkt-ID die richtige Provision angesetzt wurde.
161
Hinsichtlich der Bezeichnung des Geschäftsfalles und weiterer diesbezüglichen Angaben u. a. dazu, ob der Kunde bereits zuvor R.-Kunde war, verweist die Beklagte auf die Produktidentifikationsnummer aus der sich die entsprechenden Fälle ergeben und den vorzunehmenden Abgleich mit der SuP-Vereinbarung (S. 23 des Schriftsatzes vom 30.06.2021, Bl. 504 der LG-Akte). Dem ist der Kläger nicht mehr entgegengetreten.
162
ff) Angabe, in welcher Tarifgruppe die Provision jeweils gewährt wurde (Nr. 8 unter Zif. I.1 des Tenors des angefochtenen Urteils)
163
Auch insoweit verweist die Beklagte unwidersprochen auf die TSP-Produkt-ID (S. 13 des Schriftsatzes vom 30.06.2023, Bl. 494 LG-Akte) in Zusammenhang mit der SuP-Vereinbarung; die Beklagte muss im Rahmen des Buchauszuges nur die provisionsrelevanten Daten mitteilen. Die anhand der SuP-Vereinbarung vorzunehmende Überprüfung, ob anhand dieser Daten der richtige Provisionsbetrag angesetzt wurde, obliegt dem Handelsvertreter.
164
gg) Angabe, ob es sich um einen Abschluss innerhalb eines Geschäftskundenrahmenvertrages handelt (Nr. 9 unter Zif. I.1 des Tenors des angefochtenen Urteils)
165
Die Beklagte verweist (S. 15 des Schriftsatzes vom 30.06.2023, Bl. 496 der LG-Akte) darauf, dass sich anhand der in der Tabelle enthaltenen Auftrags- und Kundenkenner nachvollziehen lasse, in welchen Fällen eine entsprechende Senkung der Stückprovision zum Tragen gekommen sei, woraus sich entnehmen lasse, dass das konkrete Geschäft entsprechend der Erfassung des Klägers innerhalb eines Geschäftskundenrahmenvertrages vermittelt wurde. Soweit der Kläger hierzu lediglich erwidert, eine Nachvollziehbarkeit sei nicht gegeben (S. 7 des Schriftsatzes vom 17.08.2021, Bl. 525 der LG-Akte), kommt seinem Vortrag keine Erheblichkeit zu, da es völlig offen bleibt, warum hierzu die Auftrags- und Kundennummern nicht ausreichen sollen. Im Übrigen hätte es ihm nach allgemeinen Grundsätzen (§ 138 Abs. 1-3 ZPO) oblegen, den Versuch zu unternehmen, unter Beachtung der Erläuterungen der Beklagten zu überprüfen, inwieweit sich anhand des Auftrags- und Kundenkenners nachvollziehen lässt, ob eine Senkung der Stückprovision zum Tragen kam, zumal es ohne weiteres nachvollziehbar ist, dass sich anhand der Produktbezeichnung bei Heranziehung der SuP-Vereinbarung ermitteln lässt, welche Provision hätte berechnet werden müssen, weshalb ein Abgleich mit dem tatsächlich berechneten Provisionsbetrag Aufschluss darüber geben müsste, ob die bei Geschäftskundenrahmenverträgen maßgebliche Senkung der Stückprovision Anwendung gefunden hat oder nicht (vgl. SuP-Vereinbarung Bl. 80 der LG-Akte). Auch insoweit ist darauf zu verweisen, dass die konkrete Überprüfung anhand der übermittelten Daten dem Handelsvertreter obliegt.
166
hh) Angabe, ob der Abschluss als zielrelevant gewertet wurde (Nr. 10 unter Zif. I.1, Nr. 9 unter Zif. I.2 und I.3 des Tenors des angefochtenen Urteils)
167
Die Beklagte verweist (S. 15 des Schriftsatzes vom 30.06.2023, Bl. 496 der LG-Akte) darauf, dass sich anhand der TSP-Produkt-ID unter Heranziehung der SuP-Vereinbarung feststellen lasse, ob der Abschluss als zielrelevant bewertet worden sei. Der Kläger (S. 7 des Schriftsatzes vom 17.08.2021, Bl. 525 d. A.) wendet ein, es gehe nicht darum, ob er als zielrelevant hätte behandelt werden müssen, sondern ob er als zielrelevant bewertet worden sei. Dies läuft indes auf die Wertung hinaus, nicht er, sondern die Beklagte müsse den Abgleich zwischen TSP-Produkt-ID und SuP-Vereinbarung vornehmen. Diese Wertung ist indes unzutreffend. Die Überprüfung der Angaben des Buchauszuges obliegt dem Handelsvertreter.
168
ii) Angabe, ob und welche Wertigkeitsprovision im Falle einer Vertragsverlängerung gewährt wurde (Nr. 11 unter Zif. I.1, Nr. 10 unter Zif. I.2 des Tenors des angefochtenen Urteils)
169
Die Beklagte verweist darauf, dass diese Information in den erteilten Provisionsabrechnungen enthalten gewesen sei, sich aber auch anhand der im Buchauszug in der Spalte „DOB-Auftrag“ (Auftragskenner) ermitteln und überprüfen lasse (S. 17 des Schriftsatzes vom 30.06.2021, Bl. 498 LG-Akte). Dem tritt der Kläger nicht in erheblicher Weise entgegen. Der Kläger kann anhand eines Abgleichs von TSP-Produkt-ID, des aufgeführten Provisionsbetrages und der SuP-Liste (vgl. Bl. 81 der LG-Akte) abgleichen, ob die Provision korrekt berechnet wurde und kann so ermitteln, ob hier eine Wertigkeitsprovision berücksichtigt wurde oder nicht. Auch dies ist Bestandteil der ihm obliegenden Überprüfung der Angaben des Buchauszuges.
170
jj) Angabe, ob und welcher Endgerätebonus gewährt wurde, a) IMEI- oder MEID-Nummer des Geräts, b) Hardware Marke (Nr. 12 unter Zif. I.1 des Tenors des angefochtenen Urteils)
171
Die Beklagte verweist auch insoweit darauf, dass sich die Frage des Endgerätebonus anhand der im Buchauszug in der Spalte „DOB-Auftrag“ (Auftragskenner) ermitteln und überprüfen lasse (S. 17 des Schriftsatzes vom 30.06.2021, Bl. 498 LG-Akte). Dem tritt der Kläger nicht in erheblicher Weise entgegen.
172
Hinsichtlich der IMEI oder MEID-Nr. sowie der Hardware-Marke ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass diese Angaben über die von der Beklagten im Excel-Format erteilten Angaben hinausgehend zur zuverlässigen und vollständigen Identifikation und Abgrenzung (möglicherweise) provisionspflichtiger Geschäfte erforderlich wären.
173
kk) Angaben zu Zusatzoptionen (Nr. 11 unter Zif. I.2 des Tenors des angefochtenen Urteils)
174
Hierzu verweist die Beklagte auf S. 21 der SuP-Vereinbarung (Bl. 94 der LG-Akte) und erneut auf den vorzunehmenden Abgleich von Produktidentifikationsnummer und SuP-Vereinbarung (S. 24 f. des Schriftsatzes vom 30.06.2021, Bl.505 f. der LG-Akte). Dies greift auch an dieser Stelle durch, zumal Zif. 3.3 auf Seite 21 der SuP-Vereinbarung in Zusammenspiel mit der Provisionstabelle S. 22-28 (Bl. 95-101 LG-Akte) zu sehen ist. Hier lässt sich klar erkennen, bei welchem Produkt welche Basis- und welche Serviceprovision anfällt und ob es sich um ein zielrelevantes Produkt handelt. Dies zu überprüfen ist Sache des Handelsvertreters.
175
ll) Laufzeit des abgeschlossenen Vertrages (Nr. 13 unter Zif. I.1, Nr. 12 unter Zif. I.2 und Nr. 10 unter Zif. I.3 des Tenors des angefochtenen Urteils)
176
Der Angabe bedarf es nicht. Da der Kläger selbst vorträgt, nur für Laufzeiten von 24 Monaten habe ein Provisionsanspruch bestanden (S. 9 des Schriftsatzes vom 17.08.2021, Bl. 527 der LG-Akte, vgl. S. 7 der SuP-Vereinbarung Bl. 80 der LG-Akte), ergibt sich hieraus bereits, dass dann, wenn der Buchauszug einen Provisionsbetrag nennt, eine Vertragslaufzeit von 24 Monaten vorgelegen haben muss.
177
mm) Angaben zu Prepaid-Pacs und Prepaid-Aufladungen sowie zu Hardwareprodukten und Endgeräten (Nr. 14, 15 und 15a unter Zif. I.1, Nr. 13 unter Zif. I.2 des angefochtenen Urteils)
178
Die Beklagte verweist nachvollziehbar darauf, dass es hier nicht um vermittelte Verträge mit einer bestimmten Laufzeit geht, die verlängert werden können und bei denen Kundendaten erfasst würden, sondern um ein typisches stationäres Massengeschäft, das an der Kasse abgewickelt wird (S. 19 des Schriftsatzes vom 30.06.2021, Bl. 500 der LG-Akte). Die SuP-Vereinbarung (dort S. 9, Bl. 82 der LG-Akte) sieht hier gestaffelte Provisionssätze vor (bei 0 ‒ 32,99 € Bruttoverkaufspreis Provision: 5,- €, bei 33,- € - 65,99 € Provision 12,- €, usw.). Provisionsrelevant im engeren Sinne ist also nicht der Preis, sondern die jeweilige Preisspanne. Diesbezüglich verweist die Beklagte berechtigterweise darauf, dass der Kläger zur Ermittlung weiterer Einzelheiten einen Abgleich mit seinen Kassenerfassungen und Kassenberichten vornehmen kann, der aber im Rahmen der Überprüfung der Provisionsabrechnungen bzw. des Buchauszuges ihm obliegt und nicht der Beklagten.
179
mm) Angaben zu Kündigungen, Widerrufen, Rücktritten, Stornierungen, Vertragsaufhebungen und Annullierungen (Nr. 16, 17 unter Zif. I.1, Nr. 14, 15 unter Zif. I.2, Nr. 11, 12 unter Zif. I.3 des Tenors des angefochtenen Urteils)
180
Soweit der Kläger hierzu Angaben beanspruchen kann, wurden diese in der Spalte „Stornogrund“ erteilt, zumal auch der Kläger nicht behauptet, dort seien keine oder keine aussagekräftigen Eintragungen vorgenommen worden. Zwar muss der Buchauszug Angaben über Rückgaben und Nichtausführung von Geschäften sowie deren Gründe enthalten, die so umfassend und konkret sein müssen, dass dem Handelsvertreter eine Prüfung ermöglicht wird (Ströbl a.a.O., § 87c HGB, Rn. 42). Insoweit ist allerdings klarzustellen, dass nach den Regelungen in Zif. 4.1.1 der Anlage 2 zum TSP-Vertrag und 5.1.1 ‒ 5.1.3 der Anlage 3 zum TSP-Vertrag Stornierungen nach Vertragsannahme ohnehin nicht provisionsschädlich sind, weshalb für einen weiten Teil von Stornierungen auch kein berechtigtes Interesse an Angaben im Buchauszug besteht. Hiervon ausgehend ist eine schlagwortartige Angabe des Stornogrundes ausreichend, zumal der Kläger auch nicht konkret darlegt, dass bzw. warum die im Buchauszug enthaltenen konkreten Angaben nicht ausreichen sollten.
181
Soweit auch Angaben zu Bestandserhaltungsmaßnahmen verlangt werden, muss ungeachtet dessen, dass Bestandserhaltungsmaßnahmen nur im Bereich der Versicherungsvertreter, nicht aber der Handelsvertreter im Zusammenhang mit dem „Vertretenmüssen“ i.S.v. § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB verlangt werden, jedenfalls berücksichtigt werden, dass nach den vertraglichen Regelungen nur in der Phase bis zur Vertragsannahme auftretende Stornierungen provisionsschädlich sein könnten, in dieser Phase aber noch kein erhaltungsfähiger „Bestand“ angenommen werden kann.
182
nn) Weitere Angaben zu Zielprovisionen, Basiszielen und Bonuszielen (Zif. I.4 des angefochtenen Urteils) sowie zu Qualitätszielen (Zif. I.5 des angefochtenen Urteils)
183
Auch insoweit ist festzustellen, dass die erforderlichen Angaben erteilt wurden und sich die näheren Einzelheiten aus einem Abgleich mit den jeweiligen vertraglichen Regelungen ergeben. Insoweit kann auf die Ausführungen zu aa)-mm) verwiesen werden. Den erforderlichen Abgleich vorzunehmen, ist Bestandteil der dem Handelsvertreter obliegenden Überprüfung des Buchauszuges. Hinzu kommt, dass es sich bei den begehrten Angaben zu Zif. I.5 Nr. 1 und 2 schon nicht um provisionsrelevante Umstände handelt, da die allgemeine Kundenzufriedenheit und die Erreichbarkeit des Vertreters nichts mit der Vermittlung des jeweiligen konkreten Geschäfts zu tun hat.
184
b) Kosten für die „Bereitstellung von Arbeitsplatzsystemen incl. Kasse“
185
Soweit die Beklagte sich gegen die Verurteilung zur Zahlung von 115.190,00 € wendet, ist ihre Berufung unbegründet, weil dem Kläger gegenüber der Beklagten in dieser Höhe ein Anspruch auf Rückerstattung der von ihm geleisteten monatlichen Kostenbeteiligung aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB zusteht. Die Zahlungen des Klägers erfolgten ohne Rechtsgrund, weil die in Ziffer 4.2. der Standortvereinbarungen getroffene Regelung einer Beteiligung des Handelsvertreters in Höhe von 1.000,00 € netto monatlich an den Kosten u.a. für die „Bereitstellung von Arbeitsplatzsystemen incl. Kasse und Bereitstellung einer leitungstechnischen Anbindung incl. Prüfanschlüsse“ gegen § 86a Abs. 1 HGB verstößt, was nach § 86a Abs. 3 HGB zur Unwirksamkeit führt. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass es sich insoweit um ein Entgelt für „erforderliche Unterlagen“ im Sinne der Vorschrift handelt (Senat, Urteil vom 08.09.2023 ‒ 19 U 73/22, NRWE).
186
Die Überlassungspflicht des § 86a Abs. 1 HGB betrifft sämtliche Gegenstände, die der Handelsvertreter zur Ausübung seiner Tätigkeit benötigt. Erforderliche Unterlagen sind daher diejenigen Gegenstände, deren der Handelsvertreter bedarf, um den Kunden zum Abschluss des Vertrages mit dem Unternehmer zu motivieren.
187
aa)
188
Der Begriff der Unterlagen im Sinne von § 86a Abs. 1 HGB ist weit auszulegen (BGH, Urteil vom 17.11.2016 - VII ZR 6/16, juris, Rn. 19; Senat, Urteil vom 11.09.2009 - 19 U 64/09, juris, Rn. 6; OLG Hamm, Urteil vom 09.11.2020 - 18 U 93/17, juris, Rn. 63). Hiervon erfasst werden auch sonstige Sachen, die der Handelsvertreter speziell zur Anpreisung bei der Kundschaft benötigt, z.B. sonstiges Werbematerial, Musterstücke und Musterkollektion (BGH, Urteil vom 17.11.2016 - VII ZR 6/16, juris, Rn. 19). Die Aufzählung ist schon ausweislich des Wortlauts der Norm nur beispielhaft. Auch EDV-Softwareprogramme können im konkreten Einzelfall zu den von der Norm erfassten Unterlagen gehören, wenn die Aufgaben des Handelsvertreters die Verwendung nötig machen und die Überlassung branchenüblich ist (OLG Bremen, Beschluss vom 27.06.2011 - 2 U 21/11, juris, Rn. 9). Ist ein EDV-System für die Übermittlung der Preisdaten an den Handelsvertreter erforderlich, muss dieses System dem Handelsvertreter kostenfrei zur Verfügung gestellt werden (BGH, Urteil vom 17.11.2016 - VII ZR 6/16, juris, Rn. 29; Hübsch in: ZVertriebsR 2018, 88). Gleiches gilt für aus Software und Hardware bestehende Systeme (OLG Hamm, Urteil vom 17.06.2016 - 12 U 165/15, juris, Rn. 24 ff.; Lehmann in: BeckOK-HGB, 39. Edition, Stand: 15.07.2022, § 86a HGB, Rn. 2 m.w.N.) sowie für spezielle Software für den Zugang zu den für die Vermittlung erforderlichen aktuellen Unternehmensdaten (BGH, Urteil vom 04.05.2011 - VIII ZR 11/10, juris, Rn. 20 ff.; Senat, Urteil vom 30.09.2005 - 19 U 67/05, juris, Rn. 30 ff.; OLG Bremen, Beschluss vom 27.06.2011 - 2 U 21/11, juris, Rn. 9; Hopt in: Hopt, Kommentar zum HGB, 42. Auflage 2023, § 86a HGB, Rn. 5).
189
bb)
190
Der Begriff der Erforderlichkeit ist restriktiv auszulegen. Erforderlich ist, was objektiv zur Tätigkeit benötigt wird (vgl. Senat, Urteil vom 11.09.2009 - 19 U 64/09, juris, Rn. 6). Die Unterlage muss für die spezifische Anpreisung der Ware unerlässlich oder unverzichtbar sein. Dies ergibt sich bereits aus einer Betrachtung der in § 86a Abs. 1 HGB genannten Beispiele ‒ hierbei handelt es sich um Unterlagen, die einen engen Bezug zum vertriebenen Produkt besitzen und ohne die keine erfolgreiche Vermittlung möglich ist. Auch die Stellung des Handelsvertreters als selbstständiger Unternehmer legt eine enge Auslegung nahe. Die eigentliche Vertriebstätigkeit, also die von ihm zu entfaltenden Bemühungen zur Herbeiführung der Vertragsschlüsse, auf die der Handelsvertretervertrag gerichtet ist, obliegt ihm als selbstständigem Unternehmer. Ihn trifft insoweit das handelsvertretertypische Risiko, dass sich die von ihm dafür getätigten Aufwendungen und sein Einsatz nur bei erfolgreicher Vermittlung von Verträgen rentieren, weil er sonst keine Einnahmen erzielt. Nach § 87d HGB trägt der Handelsvertreter deshalb ‒ soweit nicht ein Aufwendungsersatz durch den Prinzipal handelsüblich ist ‒ die in seinem regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstehenden Aufwendungen selbst. Hierzu gehören die eigene Büroausstattung und alle sonstigen Kosten des eigenen Betriebs und der Repräsentation gegenüber den Kunden. Zu den gemäß § 86a Abs. 1 HGB (kostenlos) vom Unternehmer zur Verfügung zu stellenden Unterlagen gehören deshalb nur die Hilfsmittel, die der Handelsvertreter spezifisch aus der Sphäre des Unternehmers benötigt, um seine Tätigkeit überhaupt ausüben zu können (BGH, Urteil vom 04.05.2011 - VIII ZR 11/10, juris, Rn. 25; Urteil vom 17.11.2016 - VII ZR 6/16, juris, Rn. 23 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 17.06.2016 - 12 U 165/15, juris, Rn. 30 ff.).
191
cc)
192
Die in Ziffer 4.2 der Standortvereinbarungen erwähnten Arbeitsplatzsysteme stellen hiernach erforderliche Unterlagen im Sinne des § 86a Abs. 1 HGB dar.
193
Hierbei kann dahinstehen, ob es sich bei der durch die Beklagte zur Verfügung gestellten Hard- und Software um frei am Markt erhältliche Standardprodukte handelt, die keine speziellen Funktionalitäten aufweisen. Maßgebend ist vielmehr, dass die Einrichtung der Arbeitsplatzsysteme unstreitig dergestalt erfolgte, dass der Kläger allein hierüber an die verschiedenen Informationsverarbeitungssysteme der Beklagten (insbes. Warenwirtschaft, Kasse, Kundendaten) angebunden war, dem Kläger Änderungen der Arbeitsplatzsysteme nicht gestattet waren und der Kläger diese allein zur Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten, nicht aber zu anderen geschäftlichen oder privaten Zwecken nutzen durfte. Entsprechend heißt es in Ziffer 10.1 TSP-Vertrag: „Die TSG bindet den Partner an verschiedene IV-Systeme der TSG oder anderer Konzerngesellschalten an (z.B. Warenwirtschaft, Kasse, Kundendatenbanken). Der Partner nimmt die hierzu erforderlichen Mitwirkungshandlungen zur Anbindung und zum Betrieb der Systeme gewissenhaft vor. Der Partner darf Hardware und Software ausschließlich zur Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten nutzen, eine Verwendung zu anderen geschäftlichen oder privaten Zwecken ist nicht statthaft.“ und in Ziffer 10.2 TSP-Vertrag: „Das Aufspielen von Fremdsoftware auf IV-Hardware (Rechner, Kasse etc.), die die TSG zur Leistungserbringung beim Partner installiert hat, ist nicht zulässig. Ebenfalls untersagt ist der Einsatz von nicht durch TSG gestellter IT-Hardware und Speichermedien gleich welcher Art.“.
194
Da die Entstehung der Provisionsansprüche nach Ziffer 4.1.1 c) der Anlage 2 zum TSP-Vertrag von der Eingabe des Auftrags durch den Handelsvertreter in das Auftragserfassungssystem abhing und bei lebensnaher Betrachtung unter Berücksichtigung allgemeiner Erfahrung auch nicht ersichtlich ist, wie der Handelsvertreter ohne Zugriff auf das Informationsverarbeitungssystem der Beklagten Verträge mit Kunden hätte abschließen sollen, war der Handelsvertreter auch auf die Verwendung des zur Verfügung gestellten Arbeitsplatzsystems unverzichtbar angewiesen. So erfolgen Vertragsschlüsse im Hinblick auf Telekommunikationsdienstleistungen heutzutage nicht mehr in Papierform, sondern elektronisch unter Verwendung entsprechender elektronischer Formulare. Sie werden in nennenswertem Umfang noch nicht einmal mehr dem Kunden in Papierform zur Verfügung gestellt, erst recht jedoch nicht seitens des Handelsvertreters in Papierform an den Unternehmer übermittelt. Hieraus folgt, dass der Handelsvertreter gerade die von der Beklagten zur Verfügung gestellten Arbeitsplatzsysteme nicht nur für die Kenntniserlangung von aktuellen Preisen der jeweiligen angebotenen Produkte, sondern auch für praktisch sämtliche anderen Vorgänge im Zusammenhang mit der Vermittlung ihrer Geschäfte benötigte.
195
Hinzu kommt, dass der Kläger die seitens der Beklagten zur Verfügung gestellten Arbeitsplatzsysteme nur eingeschränkt für seine Zwecke, nämlich ausschließlich zur Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtungen nutzen konnte. Durch den Ausschluss von Veränderungen und die vertragliche Verpflichtung, die Arbeitsplatzsysteme nicht für andere geschäftliche Zwecke zu verwenden, stellten die Arbeitsplatzsysteme kein vollwertiges Hilfsmittel zur Besorgung geschäftlicher Angelegenheiten für den Kläger dar. Hierzu gehören neben der Erfüllung der Pflichten aus den mit der Beklagten geschlossenen Verträgen zahlreiche weitere Aufgaben, wie etwa die Buchhaltung und die Kommunikation mit Behörden, Berufsverbänden und Steuerberatern. Insoweit war der Kläger von vornherein auf ein weiteres EDV-System angewiesen, über das er etwa eine Buchführungssoftware nutzen, E-Mails und sonstige Schreiben an Behörden, Berufsverbände und Steuerberater verfassen und sonstige geschäftliche Aufgaben erfüllen konnte. Die in Rede stehenden Arbeitsplatzsysteme erfüllten mithin nicht die Funktion einer allgemeinen Büroausstattung. Die Argumentation der Beklagten, die Vorgabe, auf den Systemen des R.-Shops keine anderweitige Software zu installieren und diese für keine anderen Zwecke als zur Vertragserfüllung zu nutzen, beruhten auf der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), rechtfertigt für die Frage, ob es sich um erforderliche Unterlagen i.S.v. § 86a Abs. 1 HGB handelt, keine andere Entscheidung. Auch wenn mit der Anbindung der Arbeitsplatzsysteme an das Informationsverarbeitungssystem der Beklagten tatsächlich derartige Einschränkungen verbunden sein sollten, berührt dies die Feststellung, dass die in diesem Rahmen dem Kläger zur Verfügung gestellte (Software-) Infrastruktur für diesen unerlässlich war, um überhaupt die vertraglich geschuldete Handelsvertretertätigkeit für die Beklagte ausführen zu können, nicht und zwar unabhängig von der Frage, ob diese Einschränkungen auch dann bestanden hätten, wenn der Kläger selbst das Arbeitsplatzsystem eingerichtet hätte.
196
Im Hinblick auf die Unverzichtbarkeit der Arbeitsplatzsysteme für den Abschluss von Verträgen und die Anbindung an das Informationsverarbeitungssystem der Beklagten sowie auf die eingeschränkte Nutzbarkeit der Arbeitsplatzsysteme handelt es sich bei diesen um erforderliche Unterlagen im Sinne des § 86a Abs. 1 HGB.
197
dd)
198
Anderes lässt sich auch nicht aus dem Urteil des Senats vom 30.11.2007 (19 U 84/07, zitiert nach juris) herleiten. In dieser Entscheidung wurde ein dem Handelsvertreter zur Verfügung gestellter Laptop nicht allein deshalb als „Unterlage“ angesehen, weil die EDV-Systeme der dortigen Beklagten derart geschützt waren, dass sie nicht auf fremde Hardware aufgespielt werden konnten. Der Senat hat in dem genannten Urteil ausgeführt, dass der Kläger angesichts der praktischen Erfordernisse im allgemeinen Geschäftsverkehr in jedem Fall eine elektronische Büroausstattung haben musste, mit der er seine Aufgaben erfüllen konnte. Selbst wenn er tatsächlich diese Ausstattung nur über die Beklagte beziehen konnte, bliebe sie ein von ihm zu beschaffendes Hilfsmittel, das für seinen Gewerbebetrieb erforderlich war. Denn der Laptop habe nicht nur für die Auftragsannahme, sondern für sämtliche geschäftlichen Belange seiner Handelsvertretertätigkeit verwendet werden können (Senat, Urteil vom 30.11.2007 - 19 U 84/07, juris, Rn. 12). Hiervon unterscheidet sich der vorliegende Fall schon dadurch, dass die in Rede stehende Hard- und Software eben nicht für sämtliche geschäftliche Belange des Klägers zu nutzen war. Der vorstehend zitierten Entscheidungen ist im Übrigen kein, erst recht nicht allgemeingültiger Grundsatz zu entnehmen, dass in jedem Fall eine Standard-Hard- oder Software keine erforderliche Unterlage i. S. d. § 86a HGB ist bzw. sein kann.
199
ee)
200
Soweit in Ziffer 4.2 der Standortvereinbarungen im Zusammenhang mit der Bereitstellung von Arbeitsplatzsystemen weitere Leistungen der Beklagten aufgeführt sind, insbesondere die Bereitstellung einer Kasse und einer leitungstechnischen Anbindung, kann dahinstehen, ob auch diese Leistungen nach § 86a Abs. 1 HGB kostenfrei von der Beklagten zu erbringen waren, da die vertragliche Zusage des Klägers, für die Bereitstellung von Arbeitsplatzsystemen nebst sonstiger IT-bezogenen Leistungen einen Kostenbeitrag an die Beklagte zu leisten, unabhängig hiervon insgesamt nach § 86a Abs. 3 HGB unwirksam ist.
201
Selbst wenn die nach den vorgenannten Abreden von der Beklagten zur Verfügung gestellte EDV-Ausstattung Komponenten enthalten sollte, die der vom Kläger grundsätzlich selbst zu finanzierenden allgemeinen Büroorganisation zuzurechnen sind, ändert dies nichts daran, dass dem Kläger vorliegend ein einheitliches, auf die Bedürfnisse eines für die Beklagte tätigen Handelsvertreters abgestimmten Hard- und Softwarepaket zur Verfügung gestellt wurde, ohne das er seiner Tätigkeit für die Beklagte nicht hätte nachgehen können. Hierbei handelt es sich nach der Verkehrsauffassung um ein einheitliches Produkt, für das der Handelsvertreter nicht ‒ auch nicht teilweise ‒ ein Nutzungsentgelt schuldete (vgl. BGH, Urteil vom 04.05.2011 - VIII ZR 11/10, juris, Rn. 30; OLG Hamm, Urteil vom 17.06.2016 - 12 U 165/15, juris, Rn. 36). Die Pflichten des Unternehmers nach § 86a Abs. 1 und 2 HGB können weder eingeschränkt noch erweitert werden. § 86a Abs. 3 HGB sieht deshalb die Unwirksamkeit abweichender Vereinbarungen vor, die dementsprechend auch im vorliegenden Fall anzunehmen ist (OLG Hamm, a.a.O., Rn. 37 m.w.N.).
202
ff)
203
Etwas anderes folgt auch nicht aus der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung zu den sog. Tankstellenfällen. Zunächst ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass sich der vorliegende Sachverhalt grundsätzlich von denjenigen unterscheidet, in welchen es um die Frage geht, ob und in welchem Umfang das Kassensystem eines Tankstellenbetriebs eine erforderliche Unterlage im Sinne des § 86a Abs. 1 HGB darstellt.
204
Denn vorliegend stellte das Kassensystem nur einen kleinen Teil der dem Kläger für ihre Tätigkeit überlassenen Arbeitsplatzsysteme dar. Ein wesentlicher Unterschied zu den Tankstellenfällen liegt somit bereits darin, dass der Kläger nicht nur bestimmte Funktionen der Kasse, sondern auch weitere, wesentliche Funktionen der Software für ihre Abschlusstätigkeit benötigte.
205
Soweit die Rechtsprechung in der Folge in den sog. Tankstellenfällen eine Beteiligung des Handelsvertreters an den Kosten eines Kassensystems angenommen hat, beruht dies nicht zuletzt auf der Erwägung, dass ihm dieses ‒ neben der eigentlichen Vermittlungstätigkeit - wesentliche Vorteile bei der Abwicklung seines Eigengeschäfts bietet (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2016 - VII ZR 6/16, juris, Rn. 25; OLG Schleswig, Urteil vom 03.12.2015 - 16 U 39/15, juris, Rn. 30 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 09.11.2020 - 18 U 93/17, juris, Rn. 75 ff.). Demensprechend bezieht sich die Unwirksamkeit gemäß § 86a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 HGB in diesen Fällen zunächst nur auf denjenigen Teil der Gesamtvergütung (Kassenpacht), mit dem die entsprechende Teilfunktion des Kassensystems betreffend die Übermittlung der Preise der Agenturwaren abgegolten wird, nicht hingegen auf denjenigen Teil der Gesamtvergütung, bei dem es sich um die Gegenleistung für andere Funktionen des Kassensystems (z.B. Erstellung von Tagesabrechnungen, Umsatzsteuererklärungen, betriebswirtschaftliche Auswertungen etc.) handelt (BGH, Urteil vom 17.11.2016 - VII ZR 6/16, juris, Rn. 31). Mit diesen Fällen ist der vorliegende indes nicht vergleichbar. Vielmehr diente die zur Verfügung gestellte Hard- und Software keinen Interessen des Klägers, die nicht mit seiner Tätigkeit als Handelsvertreter für die Beklagte im Zusammenhang standen und mit einem zusätzlichen Vorteil für sie verbunden gewesen wären. Während sich ein Tankstellenpächter, wäre ihm das Kassensystem nicht seitens des Mineralölunternehmens zur Verfügung gestellt worden, um ein solches für den Betrieb seines „Tankstellenshops“ eigenständig hätte bemühen müssen, war dem Kläger die Beschaffung einer eigenen Software ‒ oder das Aufspielen einer nicht von der Beklagten herrührenden Software auf die von dieser zur Verfügung gestellte Hardware ‒ sogar untersagt. Auch konnte er die zur Verfügung gestellten Arbeitsplätze nach der vertraglichen Vereinbarung gerade nicht für solche Zwecke nutzen, die nicht unmittelbar mit ihrer Tätigkeit als Handelsvertreter für die Beklagte im Zusammenhang standen. Es ist zwar so, dass ein Handelsvertreter ‒ unabhängig davon, auf welchem Gebiet er tätig ist ‒ üblicherweise auf eine EDV-technische Ausstattung angewiesen ist und die seitens der Beklagten zur Verfügung gestellte Software auch solche Komponenten enthielt, die der vom Kläger grundsätzlich selbst zu finanzierenden allgemeinen Büroorganisation zugerechnet werden können. Dies ändert jedoch nichts daran, dass dem Kläger vorliegend ein einheitliches, auf die Bedürfnisse eines für die Beklagte tätigen Handelsvertreters abgestimmten Hard- und Softwarepaket zur Verfügung gestellt wurde, ohne dass er einer Tätigkeit für die Beklagte nicht hätte nachgehen können. Hierbei handelt es sich ‒ wie bereits ausgeführt ‒ nach der Verkehrsauffassung um ein einheitliches Produkt, für das der Kläger nicht ‒ auch nicht teilweise ‒ ein Nutzungsentgelt schuldete.
206
gg)
207
Selbst wenn man dies jedoch anders sehen wollte und der Auffassung wäre, es läge lediglich eine Teilunwirksamkeit der Vergütungsabrede vor, so würde die sodann vorzunehmende ergänzende Vertragsauslegung (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2016 - VII ZR 6/16, juris, Rn. 32) zu keinem abweichenden Ergebnis führen. Es wird insoweit auf die folgenden Ausführungen unter hh) Bezug genommen.
208
hh)
209
Die Unwirksamkeit der Vergütungsabrede in Ziffer 4.2 der Standortvereinbarungen in Bezug auf die seitens der Beklagten zur Verfügung gestellten Arbeitsplatzsysteme führt zur Unwirksamkeit der Vergütungsabrede insgesamt.
210
Zwar sind in Ziffer 4.2 der Standortvereinbarungen weitere Leistungen der Beklagten aufgeführt, die durch die monatlichen Kostenbeteiligungen abgegolten werden sollen (Herrichtung im Rahmen eines Shop-Relaunches, Einrichtung von Mobiliar im Rahmen eines Shop-Relaunches, Reinigung, Datenmülltonne, Blaue Tonne, GEMA-Gebühren und Rundfunkbeitrag, Ausstattung mit Unternehmenskleidung).
211
Hierbei kann im Einzelnen offenbleiben, welche der weiter aufgenommenen Komponenten als erforderliche Unterlage i.S.v. § 86a Abs. 1 HGB anzusehen sind.
212
Denn die Teilunwirksamkeit einer Vergütungsvereinbarung, mit der eine nicht aufgeschlüsselte Gesamtvergütung vereinbart wird, zieht die Gesamtunwirksamkeit der Vergütungsvereinbarung nach sich, wenn sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung nichts Abweichendes ergibt (BGH, Urteil vom 17.11.2016 - VII ZR 6/16, juris, Rn. 32).
213
Vorliegend sieht Ziffer 4.2 der Standortvereinbarungen eine nicht näher differenzierende, monatliche Kostenbeteiligung in Höhe von (pauschal) 1.000,00 € netto vor, die auch im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nicht teilweise aufrechterhalten werden kann.
214
Bei ergänzender Auslegung ist nach ständiger Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu untersuchen, was redliche und verständige Parteien in Kenntnis der Regelungslücke nach dem Vertragszweck und bei sachgemäßer Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall bedacht hätten (BGH, Urteil vom 24.01.2008 - III ZR 79/07, juris, Rn. 15 m.w.N.). Insoweit haben der Sinn und Zweck des Vertrages und die Interessenlage der Parteien eine zentrale Bedeutung (BGH, Urteil vom 20.02.2019 - VIII ZR 7/18, juris, Rn. 61). Eine ergänzende Vertragsauslegung muss unterbleiben, wenn verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten zur Ausfüllung der Vertragslücke in Betracht kommen, aber keine Anhaltspunkte dafür bestehen, welche Regelung die Parteien getroffen hätten (BGH, Urteil vom 06.04.2009 - II ZR 255/08, juris Rn. 36).
215
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann auf Grundlage des wechselseitigen Vortrags nicht beurteilt werden, ob und in welcher Höhe die Parteien in Kenntnis der Teilunwirksamkeit der Vergütungsabrede für die nicht von der Vorschrift des § 86a Abs. 1, Abs. 3 HGB betroffenen Komponenten eine Vergütung durch den Kläger vereinbart hätten.
216
Die Beklagte hat die Kosten der einzelnen, in Ziffer 4.2 der Standortvereinbarungen aufgeführten Leistungen erstmals mit der Berufungsbegründung näher aufgeschlüsselt (dort S. 55 ff., Bl. 262 ff.). Ob dieser Vortrag gemäß §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen ist, kann dahinstehen, da auch bei dessen Berücksichtigung zu viele Unwägbarkeiten verbleiben, um festzustellen, was redliche und verständige Parteien in Kenntnis der Regelungslücke nach dem Vertragszweck und bei sachgemäßer Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben vereinbart hätten.
217
So handelt es sich bei der von der Beklagten behaupteten Kostenaufschlüsselung um eine allgemeine Kalkulation, die unabhängig von den Besonderheiten des Standorts für alle Verträge mit Handelsvertretern nach dem sog. Standardmodell gelten soll und die auch nicht näher belegt ist. Existiert danach gerade keine auf den Einzelfall, d.h. den individuellen Shop, zugeschnittene Kostenkalkulation und lassen sich die einzelnen Kostenpositionen nicht ohne weiteres auf Richtigkeit prüfen, kann nicht unterstellt werden, dass ein redlicher und verständiger Handelsvertreter sich bezüglich der nicht von der Vorschrift des § 86a Abs. 1 HGB erfassten Positionen auf eine Vergütungsabrede eingelassen hätte. Erst recht lässt sich nicht beurteilen, in welcher Höhe ein redlicher und verständiger Handelsvertreter eine Vergütungsabrede akzeptiert hätte.
218
Weitere Unwägbarkeiten, die die vorgenannte Annahme bestätigen, ergeben sich daraus, dass bezüglich einzelner Positionen in Ziffer 4.2 der Standortvereinbarungen (insbes.: Einrichtung des Shops, Mülltonnen, GEMA-Gebühren und Rundfunkbeitrag) nicht zwangsläufig ein Interesse des Handelsvertreters besteht, diese Aufgaben auf die Beklagte zu delegieren. Selbst bei Leistungspositionen, die für den Handelsvertreter erkennbar mit Erleichterungen verbunden sind (z.B. Reinigung), ist nicht ausgeschlossen, dass es sich für den Handelsvertreter als günstiger darstellte, diese selbst zu organisieren. Schließlich kann eine Bereitschaft des redlichen und verständigen Handelsvertreters, einzelne Leistungen in einer bestimmten Höhe zu vergüten auch deswegen nicht unterstellt werden, weil die Leistungen in Ziffer 4.2 der Standortvereinbarungen ganz überwiegend nicht näher bestimmt sind. So ist etwa im Zusammenhang mit der Position „Reinigung“ insbesondere die Frequenz und der Umfang von Reinigungsmaßnahmen nicht festgelegt.
219
c) Zutreffend hat das Landgericht insoweit hinsichtlich des ausgeurteilten Betrages auch einen Zinsanspruch in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.01.2021 bejaht.
220
2. Berufung des Klägers
221
a) Buchauszug/Auskunft betr. nachvertragliche Vertragsverlängerungen
222
Die Berufung ist unbegründet, soweit der Kläger die Erteilung eines Buchauszuges bzw. von Auskünften zu nachvertraglichen Vertragsverlängerungen geltend macht (Anträge zu II.2 und II.3).
223
Zwar erfordert die Entstehung des Anspruchs aus § 87c HGB grundsätzlich lediglich ein dahingehendes Verlangen des Handelsvertreters, der sein Begehren nicht weiter begründen muss, und auch Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Abrechnung sind nicht Voraussetzung für den Anspruch (vgl. BGH, Urteil vom 03.08.2017- VII ZR 32/17, juris, Rn. 20; Ströbl a.a.O., § 87c HGB, Rn. 46). Indes bleiben zweifelsfrei nicht provisionspflichtige Geschäfte bei einem Buchauszug unberücksichtigt (vgl. BGH, Urteil v. 23.02.1989 - I ZR 203/87, juris, Rn. 14; OLG Düsseldorf, Teilurteil vom 02.04.2020 - 16 U 6/19, juris, Rn. 45).
224
Kann der Handelsvertreter im Rahmen eines Buchauszuges nach § 87c HGB demgemäß nur Auskünfte über solche Geschäfte verlangen kann, aus denen ihm ein Provisionsanspruch entstehen kann, ist demgegenüber festzustellen, dass dies für den nachvertraglichen Bereich vorliegend nicht der Fall ist. Das ergibt sich daraus, dass aufgrund der Prinzipien der Einmalprovision und der Maßgeblichkeit nur der Auftragseingabe (anstelle des Prinzips der Mitursächlichkeit nach § 87 Abs. 1 HGB) nach Zif. 4.1.1 Anlage 2 zum TSP-Vertrag keine Provisionsansprüche für nach Beendigung des Handelsvertretervertrages erfolgende Abschlüsse bestehen. Provisionsansprüche für Nachbestellungen sind zudem nach Zif. 5.1.1 Anlage 3 zum TSP-Vertrag ausgeschlossen. Soweit der Kläger geltend macht, Zif. 4.1.1 c) und Zif. 5.1.3 schlössen Nachbestellprovisionen für Folgegeschäfte ausdrücklich nur „während der Vertragslaufzeit“ aus, weshalb er nicht für Folgegeschäfte anwendbar sei, die nach Vertragsende abgeschlossen würden (S. 2 der Berufungserwiderungsschrift des Klägers, Bl. 282 d. A.), greift dies nicht durch. Dass für außerhalb der Vertragslaufzeit erfolgende Abschlüsse im Grundsatz keine Provision anfällt, ergibt sich mit hinreichender Klarheit aus dem Prinzip der Einmalprovision sowie der Maßgeblichkeit der Eingabe der Daten in das System nach Zif. 4.1.1 Anlage 2 TSP-Vertrag (Senat, Urteil vom 08.09.2023 ‒ 19 U 73/22, NRWE).
225
Hängt die Frage des Bestehens von Provisionsansprüchen bei feststehender Sachlage allein von der rechtlichen Würdigung dieses Sachverhalts ab und führt diese rechtliche Würdigung ‒ wie vorliegend ‒ zur Verneinung offener Provisionsansprüche, kann auch nicht von einem Zweifelsfall im vorgenannten Sinne bzw. von der Möglichkeit eines Provisionsanspruchs ausgegangen werden. Zwar ist es geboten, den Anwendungsbereich des § 87c Abs. 2 HGB im Hinblick auf die große rechtliche und praktische Bedeutung des Buchauszugs für den Handelsvertreter zugunsten des Handelsvertreters sehr weit zu ziehen (vgl. Hopt a.a.O., § 87c HGB, Rn. 13 m.w.N.). Da der Buchauszug dazu dient, dem Handelsvertreter alle Angaben zu vermitteln, die für die Provision von Bedeutung sind, die der Handelsvertreter mithin zur Überprüfung der Provisionsansprüche benötigt (vgl. BGH, Urteil v. 20.09.2006 - VIII ZR 100/05, zitiert nach juris 17 m.w.N.), besteht für eine Unterrichtung des Handelsvertreters durch den Unternehmer aber kein berechtigtes Bedürfnis, wenn Provisionsansprüche, für die der Buchauszug begehrt wird, bereits aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen sind.
226
Zum Ausschluss von Provisionsansprüchen nach § 87 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 HGB im Einzelnen:
227
aa)
228
Die vorgenannten Klauseln schließen einen Provisionsanspruch wegen Folgegeschäften im Sinne von § 87 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 HGB aus.
229
Diese Vorschrift sieht eine Provision des Handelsvertreters vor, wenn ein Geschäft mit einer Person abgeschlossen wird, die der Handelsvertreter für Geschäfte der gleichen Art geworben hat. Der Provisionsanspruch entsteht damit ohne weiteres Tätigwerden des Handelsvertreters, es genügt vielmehr, dass der Handelsvertreter eine Geschäftsbeziehung (für Geschäfte der gleichen Art) mit dem Kunden hergestellt hat; die Mitursächlichkeit wird insoweit unwiderleglich vermutet (vgl. Ströbl a.a.O., § 87 HGB, Rn. 44; Hopt a.a.O., § 87 HGB, Rn. 17).
230
bb)
231
Die in Ziffer 4.1 der Anlage 2 zum TSP-Vertrag enthaltenen Abreden über die Voraussetzungen für die Entstehung von Provisionsansprüchen können nur in dem Sinne verstanden werden, dass Provisionsansprüche nach § 87 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 HGB ausgeschlossen sein sollen.
232
Bereits aus den unter der Überschrift „Allgemeine Provisionsvoraussetzungen“ festgelegten Abreden, dass ein rechtsgültiger Vertrag mit einem Endkunden über ein in der jeweils aktuellen SuP-Vereinbarung genanntes Produkt zustande gekommen sein muss (Ziffer 4.1.1 lit. a) Satz 1 der Anlage 2 zum TSP-Vertrag), der vermittelte Vertrag neu sein muss, die Zahl der Anschlüsse oder Produkte sich netto also erhöht haben muss (Ziffer 4.1.1 lit. b) Anlage 2 zum TSP-Vertrag) und eine bloße Mitursächlichkeit des Partners für das Zustandekommen des Vertrages nicht genügt, d.h. der Vergütungsanspruch nur dem Partner zusteht, der den Auftrag in das Auftragserfassungssystem eingegeben hat (Ziffer 4.1.1 lit. c) Satz 1 Anlage 2 zum TSP-Vertrag), wird deutlich, dass Provisionen ausschließlich gezahlt werden für Geschäfte, die insoweit maßgebend auf die Tätigkeit des Handelsvertreters zurückzuführen sind, als ein neuer Auftrag durch diesen selbst in das Auftragserfassungssystem eingegeben wurde. Bereits hieraus folgt, dass nur Geschäfte im Sinne von § 87 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 HGB Provisionsansprüche des Handelsvertreters auslösen sollten. Die Abgeschlossenheit dieser Vertragsregelung ergibt sich hierbei sowohl aus der Überschrift als auch aus der Formulierung: Es sollen ersichtlich nicht lediglich einzelne Provisionsarten ausgeschlossen werden, sondern die Voraussetzungen für die Entstehung eines Provisionsanspruchs abschließend positiv festgelegt werden.
233
Dieses Verständnis wird uneingeschränkt bestätigt durch die Klarstellung in Ziffer 4.1.1 lit. c) Satz 2 der Anlage 2 zum TSP-Vertrag („Nachbestellprovisionen für Folgegeschäfte des geworbenen Kunden während der Vertragslaufzeit werden nicht geschuldet.“). Der Umstand, dass die vorgenannte Ziffer die Formulierung „Nachbestellprovisionen für Folgegeschäfte“ und nicht beispielsweise die Begrifflichkeiten „Folgeprovisionen“ oder „Provisionen für Nachbestellungen“ verwendet, führt nicht zu Zweifeln an Inhalt oder Klarheit der Klausel. Eine gesetzliche Begriffsbestimmung existiert für Provisionen nach § 87 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 HGB nicht und ein erheblicher Bedeutungsunterschied zwischen den vorgenannten Begrifflichkeiten ist nicht ersichtlich. Hinzu kommt, dass der Klausel der Ziffer 4.1.1 lit. c) Satz 2 der Anlage 2 zum TSP-Vertrag nach den vorgenannten Ausführungen ohnehin nur ein klarstellender Charakter zukommt. Unbestimmtheiten bezüglich des Ausschlusses von Provisionsansprüchen nach § 87 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 HGB verbleiben nach dieser Klarstellung nicht.
234
Unklarheiten ergeben sich auch nicht daraus, dass nach Ziffer 4.1.1 lit. c) Satz 1 der Anlage 2 zum TSP-Vertrag die bloße Mitursächlichkeit des Partners für das Zustandekommen des Vertrags nicht genügen soll. Insbesondere ist diese Formulierung unter Berücksichtigung eines objektiven Empfängerhorizonts nicht so zu verstehen, dass ‒ in Abweichung von der gesetzlichen Grundregel ‒ für einen Anspruch nach § 87 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 HGB eine Mitursächlichkeit der Vermittlungs- bzw. Abschlusstätigkeit des Handelsvertreters für den Abschluss des Geschäfts nicht ausreiche. Aus der nachfolgenden Präzisierung (Anknüpfung des Provisionsanspruchs an die Eingabe des Auftrags in das Auftragserfassungssystem durch den Partner) wird nämlich hinreichend deutlich, dass durch diese Klausel die Anforderungen an den Beitrag des Handelsvertreters definiert werden sollen und es nicht darum geht, eine Alleinverursachung durch die Tätigkeit des Handelsvertreters zu fordern.
235
Ein Widerspruch zu einem derartigen Verständnis der Provisionsvereinbarungen ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass nach den Sortiments- und Provisionsvereinbarungen (SuP-Vereinbarungen) auch Vertragsverlängerungen vergütet werden. Denn bei einer Vertragsverlängerung im Shop des Handelsvertreters handelt es sich gerade nicht um einen Fall des Folgegeschäfts nach § 87 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 HGB, sondern um ein (erneutes) Eigengeschäft des Handelsvertreters nach § 87 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 HGB.
236
cc)
237
Entsprechendes gilt für die in Ziffer 5.1 der Anlage 3 zum TSP-Vertrag enthaltenen Bestimmungen.
238
Auch insoweit ergibt sich ein Ausschluss von Provisionsansprüchen gemäß § 87 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 HGB unzweifelhaft aus der Überschrift („5 Provisionen 5.1 Voraussetzungen“) und der Formulierung der Bedingungen von Provisionsansprüchen. Indem Ziffer 5.1.1 Satz 1 hinsichtlich des Provisionsanspruchs maßgebend auf den Abschluss des Vertrags zwischen dem Unternehmer und dem Kunden abstellt, Ziffer 5.1.1 Satz 2 klarstellt, dass eine bloße Mitursächlichkeit des Partners für das Zustandekommen des Vertrages nicht genügt und Ziffer 5.1.3 vorsieht, dass Nachbestellprovisionen für weitere gleichartige Geschäftsabschlüsse des geworbenen Kunden in nicht vom Partner geführten Shops oder in anderen Vertriebskanälen während der Vertragslaufzeit nicht geschuldet werden, wird deutlich, dass Provisionen nur für Geschäfte gezahlt werden, die im Shop des Handelsvertreter aufgrund dessen Tätigkeit abgeschlossen wurden, mithin nur Provisionen nach § 87 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 HGB.
239
Durch die Klausel in Ziffer 5.1.2 Satz 1 der Anlage 3 zum TSP-Vertrag („Bei Bargeschäften kommt als weitere Voraussetzung die ordnungsgemäße Vereinnahmung und Auskehrung des Zahlungsbetrages durch den Partner hinzu.“) wird ‒ analog zur Eingabe des Auftrags in das Auftragserfassungssystem gemäß Ziffer 4.1.1 lit. c) Satz 1 der Anlage 2 zum TSP-Vertrag ‒ wiederum hinreichend deutlich, dass es maßgebend auf die Veräußerung des Endgeräts bzw. des Zubehörartikels durch den Handelsvertreter selbst ankommt und der in Ziffer 5.1.1 Satz 2 der Anlage 3 zum TSP-Vertrag verwendete Begriff der Mitursächlichkeit nicht so zu verstehen ist, dass ‒ in Abweichung von der gesetzlichen Grundregel ‒ für einen Anspruch nach § 87 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 HGB eine Mitursächlichkeit der Vermittlungs- bzw. Abschlusstätigkeit des Handelsvertreters für den Abschluss des Geschäfts nicht ausreiche.
240
dd)
241
Indem sich aus den vorgenannten Klauseln hinreichend deutlich ergibt, dass der Handelsvertreter Provisionen einmalig für von ihm selbst geschlossene Verträge erhält, werden auch Provisionsansprüche für spätere Erweiterungen des Geschäfts, die bei Vertragsabschluss bereits angelegt sind (vgl. hierzu: BGH, Urteil vom 20.12.2018 - VII ZR 69/18, juris, Rn. 15; Senatsurteil v. 28.11.2014 - 19 U 71/14, juris, Rn. 43) ausgeschlossen.
242
ee)
243
Der nach Ziffer 4.1 der Anlage 2 zum TSP-Vertrag und Ziffer 5.1 der Anlage 3 zum TSP-Vertrag vereinbarte Ausschluss von Provisionen nach § 87 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 HGB ist auch wirksam (Senat, Urteil vom 08.09.2023 ‒ 19 U 73/22, NRWE).
244
aaa)
245
Die in § 87 Abs. 1 HGB enthaltenen Regelungen sind dispositiv (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 22.01.2015 - VII ZR 87/14, juris Rn. 12; Löwisch in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Kommentar zum HGB, 4. Auflage 2020, § 87 HGB, Rn. 81), wie sich auch aus dem Umkehrschluss aus § 87a Abs. 5 und § 87c Abs. 5 HGB ergibt. Insbesondere kann auch der Anspruch auf Provisionen für Folgegeschäfte nach § 87 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 HGB vertraglich ausgeschlossen werden (vgl. Ströbl a.a.O., § 87 HGB, Rn. 71; Hopt a.a.O., § 87 HGB, Rn. 48; Löwisch a.a.O., Rn. 84), wobei dies nicht ausdrücklich erfolgen muss, sondern auch dergestalt möglich ist, dass vertraglich vereinbart wird, dass der Handelsvertreter Anspruch auf Provision nur für von ihm vermittelte bzw. abgeschlossene Geschäfte hat (vgl. Ströbl a.a.O.).
246
bbb)
247
Die in Ziffer 4.1 der Anlage 2 zum TSP-Vertrag und Ziffer 5.1 der Anlage 3 zum TSP-Vertrag enthaltenen Vereinbarungen über den Ausschluss von Provisionsansprüchen nach § 87 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 HGB sind nicht gemäß § 305c Abs. 1 BGB unwirksam.
248
Nach dieser Vorschrift werden formularmäßige Bestimmungen, die nach den Umständen, insbesondere dem äußeren Erscheinungsbild, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders nicht mit ihnen zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil.
249
Dies ist vorliegend weder in Bezug auf die Anlage 2 zum TSP-Vertrag bzw. die Anlage 3 zum TSP-Vertrag selbst noch in Zusammenhang mit dem gesamten Vertragswerk der Fall.
250
Bereits die Überschriften zu Ziffer 4 der Anlage 2 zum TSP-Vertrag und Ziffer 5 der Anlage 3 zum TSP-Vertrag („Provisionen") sowie zu Ziffer 4.1 der Anlage 2 zum TSP-Vertrag („Allgemeine Provisionsvoraussetzungen“) und zu Ziffer 5.1 der Anlage 3 zum TSP-Vertrag („Voraussetzungen“) machen deutlich, dass die nachfolgenden Regelungen die Voraussetzungen bestimmen, unter denen Provisionen verdient sind sowie unter welchen Umständen dies nicht der Fall ist.
251
Im Zusammenhang mit den vorgenannten Überschriften zu den Ziffern 4 und 4.1 der Anlage 2 zum TSP-Vertrag führt auch die nachfolgende Überschrift zu 4.1.1 der Anlage 2 zum TSP-Vertrag („Rechtswirksamer (neuer) Endkundenvertrag“) nicht zur Annahme einer überraschenden Klausel. Denn diese Überschrift zeigt ‒ zutreffender Weise ‒ an, dass Bestimmungen über Provisionen im Zusammenhang mit Verträgen folgen.
252
Als ungewöhnlich stellen sich die Klauseln auch nicht aus dem Grund dar, dass sie in als „Anlage 2“ bzw. „Anlage 3“ bezeichneten Dokumenten enthalten sind. Zwar könnte verbreitet die Erwartung bestehen, dass die Bezeichnung eines Dokuments als „Anlage“ darauf hindeutet, dass ein übergeordnetes Dokument existiert, auf das die „Anlage“ bezogen ist. Eine derartige „Dokumentenhierarchie“ besteht vorliegend jedoch erkennbar nicht. Vielmehr wird die Bedeutung der Dokumente dadurch nivelliert, dass in dem Dokument „Vertragsdeckblatt und Standortliste“ die Anlagen 2 und 3 als zwei von insgesamt neun Verträgen aufgeführt sind.
253
Schließlich stellen sich die Ziffer 4.1 der Anlage 2 zum TSP-Vertrag und die Ziffer 5.1 der Anlage 3 zum TSP-Vertrag auch nicht im Hinblick auf Ziffer 11 TSP-Vertrag als überraschend dar dergestalt, dass der Kläger neben Ziffer 11 TSP-Vertrag nicht mit weiteren Regelungen zu Provisionen rechnen musste. Dass Ziffer 11 TSP-Vertrag keinesfalls abschließend ist, ergibt sich bereits aus dessen Ziffer 11.1.2 („In der SuP-Vereinbarung können weitere Regelungen zu Provisionsvoraussetzungen (z.B. Stornoregelungen) getroffen werden.“). Dass ein noch höheres Maß an Klarheit geschaffen worden wäre, wenn an dieser Stelle nicht lediglich auf die Sortiments- und Provisionsvereinbarungen, sondern auch auf die Anlagen 2 und 3 verwiesen worden wäre, macht die fraglichen Klauseln (noch) nicht überraschend.
254
ccc)
255
Auch ein Verstoß der vorgenannten Vertragsbedingungen gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ist nicht festzustellen.
256
Wie bereits ausgeführt, regeln die Ziffer 4.1 der Anlage 2 zum TSP-Vertrag und die Ziffer 5.1 der Anlage 3 zum TSP-Vertrag hinreichend klar und deutlich, dass Provisionsansprüche gemäß § 87 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 HGB ausgeschlossen sind. Insoweit ist nochmals festzustellen, dass auch ein konkludenter Ausschluss von Provisionsansprüchen für gleichartige Geschäfte mit Kunden, die der Handelsvertreter als Kunden für Geschäfte dieser Art geworben hat, dergestalt möglich ist, dass in dem Handelsvertretervertrag bestimmt ist, dass der Handelsvertreter einen Provisionsanspruch nur für von ihm vermittelte bzw. abgeschlossene Geschäfte hat (vgl. Ströbl a.a.O., Rn. 71).
257
ddd)
258
Die in Ziffer 4.1 der Anlage 2 zum TSP-Vertrag und Ziffer 5.1 der Anlage 3 zum TSP-Vertrag enthaltenen Vereinbarungen über die Voraussetzungen für die Entstehung von Provisionsansprüchen einschließlich des Ausschlusses von Provisionsansprüchen nach § 87 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 HGB stellen keine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB dar.
259
Die Überprüfung der Klauseln anhand § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB ist nicht aufgrund der Regelung des § 307 Abs. 3 S. 1 BGB ausgeschlossen. Denn die Ziffer 4.1 der Anlage 2 zum TSP-Vertrag und die Ziffer 5.1 der Anlage 3 zum TSP-Vertrag sehen von Rechtsvorschriften abweichende Regelungen vor, indem insbesondere Provisionsansprüche gemäß § 87 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 HGB abbedungen werden.
260
Eine Unvereinbarkeit mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung in § 87 Abs. 1 S. 1 HGB liegt nicht vor. Zwar wird einer der beiden in der vorgenannten Vorschrift enthaltenen Provisionstatbestände vollständig abbedungen, jedoch bleibt der Anspruch nach § 87 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 HGB (weitestgehend) erhalten.
261
Die nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB anzustellende Interessenabwägung führt dazu, dass keine unangemessene Benachteiligung des Handelsvertreters anzunehmen ist. Denn die Beklagte hat ein legitimes Interesse am Ausschluss des Provisionsanspruchs nach § 87 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 HGB, um ‒ neben den damit verbundenen Provisionskosten ‒ den Aufwand für die Erfassung und Nachverfolgung provisionspflichtiger Folgegeschäfte zu vermeiden. Wie sich aus der bereits dargestellten Auslegung ergibt, erstreben die Regelungen eine Umsetzung des Prinzips der Einmalprovisionen und damit ein besonders einfaches und übersichtliches Provisionsgefüge.
262
eee)
263
Die fraglichen Klauseln stellen auch keinen Verstoß gegen § 87a Abs. 2, Abs. 3, Abs. 5 HGB dar. Denn der Ausschluss von Folgeprovisionen durch die Ziffer 4.1 der Anlage 2 zum TSP-Vertrag und die Ziffer 5.1 der Anlage 3 zum TSP-Vertrag berührt weder die Vorschrift des § 87a Abs. 2 Hs. 1 HGB noch die Vorschrift des § 87a Abs. 3 HGB nachteilig für den Handelsvertreter im Sinne von § 87a Abs. 5 HGB.
264
Die Vorschrift des § 87a Abs. 2 Hs. 1 HGB bestimmt, unter welchen Voraussetzungen der Provisionsanspruch des Handelsvertreters bei Nichtleistung des Dritten entfällt und steht Regelungen entgegen, die einen Wegfall bereits bei geringeren Voraussetzungen als dem Feststehen der Nichtleistung vorsehen (vgl. Ströbl a.a.O., § 87a HGB, Rn. 40). Solche Regelungen enthalten die hier fraglichen Klauseln indes nicht. Vielmehr regeln diese das Entstehen bzw. Nichtentstehen dem Grunde nach, unabhängig von der Frage der Nichtleistung eines Dritten.
265
Die Vorschrift des § 87a Abs. 3 HGB regelt den Provisionsanspruch des Handelsvertreters in dem Fall, dass der Unternehmer das Geschäft nicht oder nicht so ausführt, wie es abgeschlossen wurde, und bestimmt, dass der Provisionsanspruch auch in diesem Fall nicht entfällt, mit Ausnahme der in Satz 2 geregelten Konstellation. Im Hinblick auf die Vorschrift des § 87a Abs. 5 HGB kann daher der Provisionsanspruch nicht über die in § 87a Abs. 3 S. 2 HGB geregelten Fälle hinaus ausgeschlossen oder eingeschränkt werden, wenn der Unternehmer das Geschäft nicht oder nicht vertragsgemäß ausführt. Die hier fraglichen Klauseln beinhalten indes keine Regelungen für den Fall der nicht oder nicht vertragsgemäßen Ausführung des Geschäfts, sondern für das Entstehen des Provisionsanspruchs unabhängig davon.
266
Aus dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 21.10.2009 (VIII ZR 286/07, zitiert nach juris) folgt nichts anderes. In dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt war in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ein vollständiger Ausschluss von Provisionen bei Beendigung des Handelsvertretervertrags vorgesehen worden (a.a.O., Rn. 2), was der Bundesgerichtshof als unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB angesehen hatte (a.a.O., Rn. 16). Den Ausschluss solcher sog. Überhangprovisionen hat der Bundesgerichtshof im Hinblick auf solche Provisionen, die dadurch zu Überhangprovisionen werden, dass der Unternehmer das vermittelte Geschäft nicht oder verspätet ausführt, als gemäß § 87a Abs. 3, Abs. 5 HGB unwirksam angesehen (a.a.O., Rn. 22). Damit ist die hier vorliegende Abbedingung von Folgeprovisionen nicht vergleichbar.
267
ff)
268
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Auskunft gegen die Beklagte aus § 87c Abs. 3 HGB betreffend die Provisionen gemäß § 87 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 HGB. Denn auch der Auskunftsanspruch aus § 87c Abs. 3 HGB setzt voraus, dass ein Provisionsanspruch bestehen kann, und ist danach ausgeschlossen, wenn zweifelsfrei keine Provisionsansprüche (mehr) gegeben sind (vgl. Ströbl a.a.O., § 87c HGB, Rn. 69 f.).
269
gg)
270
Aus den vorgenannten Gründen scheitert auch ein Anspruch des Klägers aus § 242 BGB. Denn auch der allgemeine Auskunftsanspruch aus § 242 BGB setzt voraus, dass für den zugrundeliegenden Anspruch, auf den sich die begehrte Auskunft bezieht, eine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht (vgl. Grüneberg, Kommentar zum BGB, 82. Auflage 2023, § 260 BGB, Rn. 6), woran es fehlt.
271
hh)
272
Da dem Kläger nach alledem kein ergänzender Buchauszug oder ein entsprechender Auskunftsanspruch aus § 242 BGB bezüglich etwaiger Folgegeschäfte zusteht, bedarf es keiner Erörterung, ob die konkret begehrten Informationen beansprucht werden könnten.
273
b) Verrechnung von Sondernutzungsentgelt und Inventurdifferenzen
274
Unbegründet ist die Berufung auch, soweit der Kläger von der Beklagten die Zahlung eines Betrages von zusammen 15.375,78 € verlangt (Antrag zu IV.), betreffend zum Einen ein Sondernutzungsentgelt in Höhe von 12.947,83 € (aa)) und zum Anderen Inventurdifferenzen in Höhe von 2.427,95 € (bb)), die die Beklagte mit dem Kläger zustehenden Provisionsansprüchen verrechnet hat.
275
aa) Sondernutzungsentgelt (12.947,83 €)
276
Der Anspruch besteht nicht, da die Beklagte zutreffend einen Betrag in der genannten Höhe in Abzug gebracht hat. Dass dies durch die vertraglichen Vereinbarungen gedeckt ist, hat das Landgericht zutreffend und nicht ergänzungsbedürftig herausgearbeitet (S. 42 des angefochtenen Urteils). Der Einwand, die Vereinbarung sei wegen Verstoßes gegen § 86a HGB nicht wirksam (S. 12 der Berufungsbegründung des Klägers, Bl. 199 d. A.), greift nicht durch. Zutreffend verweist das Landgericht darauf, dass Umbaumaßnahmen, auch wenn sie zu Werbezwecken gehören, nicht zu den „erforderlichen Unterlagen“ i.S.d. § 86a HGB zählen. Werbemittel kommen nur dann als „erforderliche Unterlage“ in Betracht, wenn sie einen unmittelbaren Produktbezug aufweisen (BGH, Urteil vom 04.05.2011 ‒ VIII ZR 11/10, Rn. 29, juris) ‒ hierfür ist nichts ersichtlich, auch nicht für die Erforderlichkeit für die Tätigkeit als Handelsvertreter.
277
bb) Inventurdifferenzen (2.427,95 €)
278
Auch insoweit ist die Berufung unbegründet. Das Landgericht hat auf S. 43 des angefochtenen Urteils zutreffend zur Höhe der zu ersetzenden Inventurdifferenz auf Ziffer 5.2. des Anhangs B zur Anlage 2 zum TSP-Vertrag „Endgeräte und Zubehörvermarktung“ abgestellt. Danach sind die positiven und negativen Inventurdifferenzen mit dem gleitenden Verrechnungspreis der K. GmbH zu berechnen, was die Beklagte im Einzelnen dargelegt hat. Die Orientierung an dem Wiederbeschaffungswert ist nicht unbillig, da Zustand und Zeitwert nur schwer konkret und realistisch einschätzbar sind. Soweit der Kläger seine Ansicht erläutert, die Klausel in Anhang B zur Anlage 2 der Endgeräte- und Zubehörvermarktung zur Höhe des Anspruchs sei intransparent und nicht nachvollziehbar (S. 12 f. der Berufungsbegründungsschrift des Klägers, Bl. 199 f. d. A.), verweist der Senat auf die überzeugenden Ausführungen des Landgerichts, denen er sich anschließt. Soweit der Kläger moniert, die Beklagte habe unzureichend zum Zeitwert vorgetragen, greift dies nicht durch; die Beklagte hat unter Bezugnahme auf die als Anlagen 3a ‒ 4b (Bl. 274-290 der LG-Akte) erstellten Rechnungen substantiiert zu den einzelnen Werten vorgetragen, so dass es dem Kläger möglich gewesen wäre, hierzu im Einzelnen, d. h. bezogen auf die in Rede stehenden Gegenstände und die angesetzten Beträge Stellung zu nehmen ‒ daran fehlt es.
279
c) Abweisung des Antrags auf Zahlung eines Handelsvertreterausgleichs
280
Die Berufung des Klägers hat vorläufig Erfolg, soweit er sich gegen die Abweisung seines noch nicht bezifferten Antrages auf Zahlung eines Handelsvertreterausgleichs wendet (Antrag zu Zif. III).
281
aa)
282
Das Landgericht war aus rein verfahrensrechtlicher Perspektive nicht daran gehindert, über den Anspruch aus § 89b HGB bereits zu entscheiden, auch wenn der Kläger ihn erst auf Grundlage der Auskünfte/des Buchauszuges hatte beziffern und erst sodann zur Entscheidung hatte stellen wollen. Insoweit ist der Beklagten zuzugeben, dass dann, wenn die bestehende Tatsachengrundlage bereits jetzt die Bewertung rechtfertigen würde, dass ein Anspruch nicht in Betracht kommt, Entscheidungsreife anzunehmen wäre und entschieden werden könnte (vgl. Greger in: Zöller, Kommentar zur ZPO, 35. Auflage 2024, § 254 Rn. 9 m.w.Nw).
283
Allerdings ist die zugrundeliegende materiellrechtliche Wertung, ein Anspruch aus § 89b HGB komme nicht in Betracht, nicht gerechtfertigt, weshalb im Ergebnis eine Entscheidung noch nicht hätte getroffen werden dürfen, was zur Folge hat, dass der Ausspruch dem (Hilfs-) Antrag der Beklagten entsprechend nach § 538 Abs. 1 Nr. 4 ZPO aufzuheben und das Verfahren an das Landgericht zurückzuverweisen ist. Für eine Aufhebung des zugrundeliegenden Verfahrens bestand demgegenüber keine Veranlassung (vgl. Heßler in: Zöller, Kommentar zur ZPO, 35. Auflage 2024, § 538 ZPO, Rn. 57).
284
bb)
285
Der etwaige Anspruch auf einen Handelsvertreterausgleich ist auch nicht schon im Hinblick auf die Eigenkündigung des Klägers nach § 89b Abs. 3 Nr. 1 HGB ausgeschlossen, weil ein Verhalten der Beklagten begründeten Anlass zur Kündigung gegeben hat. Ein Verhalten im Sinne der Regelung erfordert nicht zwingend ein aktives Tun des Unternehmers ‒ vielmehr erfasst der Begriff alle Umstände, welche dem Unternehmer zuzurechnen sind (Hopt a.a.O., Rn. 56). Auch der Begriff des begründeten Anlasses ist weit zu verstehen. Insbesondere sind weniger strenge Anforderungen als an den wichtigen Grund nach § 89a Abs. 1 HGB zu stellen, weshalb auch ein unverschuldetes oder sogar rechtmäßiges Verhalten des Unternehmers genügen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 21.02.2006 - VIII ZR 61/04, juris, Rn. 7; Urteil vom 13.12.1995 - VIII ZR 61/95, juris Rn. 7; Hopt a.a.O., Rn. 57; Lehmann a.a.O., § 89b HGB, Rn. 98).
286
Erforderlich und ausreichend für einen begründeten Anlass im Sinne von § 89b Abs. 3 Nr. 1 HGB ist es, dass durch dem Unternehmer zuzurechnende Umstände eine für den Handelsvertreter nach Treu und Glauben nicht mehr hinnehmbare Situation entstanden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 21.02.2006 - VIII ZR 61/04, juris, Rn. 7; Urteil vom 13.08.2015 ‒ VII ZR 90/14, juris, Rn. 34). Dies kann etwa zu bejahen sein, wenn Provisionschancen verkürzt werden (Ströbl a.a.O., § 89b HGB, Rn. 196), eine Vertragsänderung initiiert wird, die den Handelsvertreter der Gefahr erheblicher Umsatzverluste aussetzt (BGH, Urteil vom 28.04.1999 ‒ VIII ZR 354/97, juris, Rn. 11) oder auch im Falle mangelnden wirtschaftlichen Entgegenkommens des Unternehmers (Ströbl a.a.O.).
287
Der Kläger hat seine Kündigung vom 16.07.2020 (Anl. K 9, Bl. 114 der LG-Akte) mit einem Widerspruch gegenüber der SUP-Liste für das 3. Quartal 2020 begründet; im Termin vom 02.09.2021 (Protokoll Bl. 588-591 der LG-Akte) hat er seinen Kündigungsentschluss dahin erläutert, es habe sich um einen längeren Prozess gehandelt, der bereits durch die neuen Vereinbarungen für das 2. Quartal 2019 in Gang gesetzt worden sei, da die Ziele so hochgesetzt worden seien, dass sie kaum mehr erreichbar gewesen seien, was sich im 1. Quartal 2020 fortgesetzt habe. Auch mit der Einstellung der Beklagten zur Bewältigung der Coronakrise im 2. Quartal 2020 sei er nicht einverstanden gewesen. Er habe den Eindruck gewonnen, man wolle die Handelsvertreter „eher verhungern lassen“. Zwar habe man Stundungen angeboten, was er jedoch abgelehnt habe, weil hierdurch die Probleme nur hinausgeschoben worden seien. Insgesamt sei unter den veränderten Bedingungen für ihn ein wirtschaftlicher Betrieb nicht mehr vorstellbar geworden.
288
Die Beklagte hat hierzu entgegnet, Änderungen der Provisionssätze seien ausdrücklich vereinbarte Geschäftsgrundlage des längerfristig angelegten TSP-Vertrages über die vertriebliche Zusammenarbeit (S. 40 Klageerwiderung, Bl. 243 der LG-Akte). Die Angaben im Termin hat die Beklagte dann zwar (mit Schriftsatz vom 04.10.2021, Bl. 613-621 der LG-Akte) als teilweise unplausibel und falsch bestritten und zu dem ihrer Ansicht nach angemessenen Entgegenkommen während der Corona-Pandemie vorgetragen.
289
Gleichwohl blieb auf diese Weise unstreitig, dass es Änderungen an den SuP-Vereinbarungen gab, welche die Beklagte veranlasste und der Kläger letztlich nicht mehr zu akzeptieren bereit war, sei es, dass sie für ihn nachteilig waren oder lediglich, dass er eine andere, für ihn günstigere Entwicklung erwartet hätte. Ebenfalls blieb unstreitig, dass die Beklagte in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie Maßnahmen ergriffen hat, die der Kläger als unzureichend ansah.
290
Im Übrigen ist auch zu berücksichtigen, dass Zif. 11.1 des Partnervertrages (Anlage K 1, Bl. 50 der LG-Akte) dem Handelsvertreter im Falle von unternehmerseitigen Änderungen der SuP-Vereinbarung ausdrücklich ein Kündigungsrecht zubilligt, so dass schon ausgehend von den vertraglichen Vereinbarungen in diesem Fall eine berechtigte Kündigung vorliegt, bzw. die vertraglichen Regelungen bereits eine Wertung dahin treffen, dass eine Änderung der SuP-Vereinbarung ein Verhalten des Unternehmers darstellt, welche dem Handelsvertreter begründeten Anlass dafür bietet, sich vom Vertrag zu lösen.
291
Zusammenfassend sind damit die ‒ gegenüber den Anforderungen an einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung deutlich geringeren ‒ Anforderungen an einen begründeten Anlass als erfüllt zu bewerten.
292
cc)
293
Soweit ein Ausgleichsanspruch nach § 89b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGB zunächst erfordert, dass der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit vom Handelsvertreter geworbenen neuen Kunden nach Beendigung des Vertretervertrages erhebliche Vorteile hat, kommen solche Vorteile hier grundsätzlich in Betracht. Im Ansatz zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass der Ausgleichsanspruch die Schaffung eines Kundenstamms durch den Handelsvertreter abgelten soll, den der Unternehmer nach Beendigung des Handelsvertretervertrags weiter nutzen kann (vgl. BGH, Urteil vom 24.09. 2020 ‒ VIII ZR 69/19, juris, Rn. 13 f. m.w.N.). Es erschließt sich indes nicht, weshalb das Landgericht annimmt, dass dies im stationären Handel so nicht gelten soll oder weshalb angesichts der Vielzahl von Vertriebswegen der Nutzen für die Beklagte in einem solchen Maße ungewiss sein soll, dass Vorteile schon nicht mehr in Betracht kommen sollten. Diese Wertung übersieht, dass auch dann, wenn der Handelsvertretervertrag eine Vergütung ausschließlich in Form von Einmalprovisionen vorsieht, grundsätzlich ein Ausgleichsanspruch in Betracht zu ziehen ist (vgl. zur Auslegung von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 86/653: EuGH, Urteil vom 23.03.2023 ‒ C-574/21, juris, Rn. 66).
294
Zwar wird teilweise formuliert, der Anspruch solle die „zu prognostizierenden erheblichen Vorteile aus der Nutzung der vom Handelsvertreter geschaffenen konkreten Geschäftsverbindung mit den von ihm geworbenen Stammkunden ausgleichen, nachdem er dem ausgeschiedenen Handelsvertreter für diese Geschäfte eine Provision nicht mehr zu zahlen hat“ (Löwisch a.a.O., § 89b HGB, Rn. 133). Ein Verständnis dahin, der Vorteil könne nur darin bestehen, dass nun mit den Stammkunden Geschäfte gemacht werden könnten, ohne jedwelche Provisionsansprüche bedienen zu müssen, ist jedoch nicht gerechtfertigt. Entscheidend ist die Prognose des Abschlusses weiterer Geschäfte mit dem vom Handelsvertreter geworbenen Kundenstamm (Ströbl a.a.O., § 89b HGB, Rn. 80). Gerade wegen der Vielfalt der Vertriebswege der Beklagten ist es realistisch, dass der Bestand einer Kundenverbindung über verschiedene Kommunikationswege für den Abschluss neuer Geschäfte (ggf. in anderen Sparten) sowie ggf. erweiternde Folgeverträge genutzt werden kann.
295
Die Annahme in Betracht kommender Vorteile wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Beklagte zur unentgeltlichen Datenweitergabe innerhalb des R.-Konzerns verpflichtet gewesen sein mag und sie selbst aus Geschäften anderer konzernangehöriger Gesellschaften keinen unmittelbaren Profit erwirtschaften mag. Die Konzernzugehörigkeit der Beklagten prägt die gesamte dem Handelsvertreter anvertraute Produktpallette und hierüber seine gesamte Tätigkeit, weshalb es der Beklagten nach Treu und Glauben verwehrt ist, sich gegenüber den vertraglich an sie gebundenen Handelsvertretern darauf zu berufen, ein relevanter Vorteil sei außerhalb ihres Geschäftsbereichs an anderer Stelle des Konzerns eingetreten, dem sie angehört. Ferner entfällt das Merkmal eines ihr zugeflossenen Vorteils nicht dadurch, dass sie sich dieses Vorteils durch unentgeltliche Weitergabe innerhalb des Konzerns entledigt zu haben wähnte.
296
dd)
297
Weiter kommt ein Ausgleichsanspruch nach § 89b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HGB nur dann in Betracht, wenn dies unter Berücksichtigung der konkreten Umstände der Billigkeit entspricht. Dabei entspricht ein Ausgleichsanspruch jedenfalls dann regelmäßig der Billigkeit, wenn es zu Provisionsverlusten des Vertreters kommt. Gemeint sind dabei nicht nur Provisionen aus bereits abgeschlossenen Geschäften, die nach dem Provisionssystem der Beklagten insbesondere unter Berücksichtigung der Regelung in Ziffer 4.1.1 der Anlage 2 „Dienstevermarktung“ zum TSP-Vertrag (Bl. 66 der LG-Akte: Prinzip der Einmalprovisionen) tatsächlich nicht in Betracht kommen, sondern auch zu erwartende Provisionen aus künftigen Geschäften mit von dem Handelsvertreter geworbenen Kunden (BGH, Urteil vom 13.05.1957 ‒ II ZR 19/57, juris, Rn. 5; Hopt a.a.O., § 89b HGB, Rn. 29), also solche, die der Kläger bei Fortbestand des Vertragsverhältnisses mit von ihm geworbenen Stammkunden ‒ wiederum als Einmalprovisionen ‒ durch die Vermittlung neuer provisionsrelevanter Verträge erzielt hätte.
298
Das Entstehen von Provisionsansprüchen aus Geschäften mit Stammkunden ist entgegen der Ansicht der Beklagten nach ihrem Provisionssystem nicht ausgeschlossen, sondern lediglich begrenzt, da Ziff. 4.1.1. b) der Anlage 2 zum TSP-Vertrag „Dienstevermarktung“ hierzu vorsieht, der Vertrag müsse „neu sein, d.h. der akquirierte Kunde ist in den letzten 12 Monaten vor Eingang des Auftrags nicht Inhaber dieses Produktes bzw. ist Inhaber einer geringeren Anzahl dieses Produktes gewesen: Die Zahl der Anschlüsse oder Produkte muss sich netto erhöht haben“. Dies bedeutet zwar, dass für die bloße Verlängerung eines Mobilfunk- oder Festnetzanschlussvertrages keine Provision verdient wird, wogegen aber beispielsweise dann, wenn das Datenvolumen erweitert, eine Flatrate ausgeweitet oder zu dem Festnetzanschluss ein Mobilfunkvertrag hinzugebucht wird, durchaus ein Provisionsanspruch entsteht. Es ist durchaus plausibel, dass die bestehende Kundenbeziehung für solche Abschlüsse ausgenutzt werden kann, sei es auch nur dadurch, dass der Kunde bei Fragen den ihm bekannten R.-Shop aufsucht und der Handelsvertreter hierbei über derartige Erweiterungen mit dem Kunden ins Gespräch kommen und einen Abschluss erzielen kann.
299
Allerdings ist zu beachten, dass keine Provisionsverluste des Klägers eintreten, soweit die Beklagte bzw. andere Konzerngesellschaften auf anderen Vertriebswegen mit vom Kläger geworbenen Kunden weitere Geschäfte machen, da er auch bei Fortbestehen des Vertrages aufgrund der vereinbarten Provisionsregelungen (Einmalprovision) insoweit keine Provisionen hätte beanspruchen können. Insoweit sind auch sonst keine Billigkeitsgründe ersichtlich, die ausnahmsweise ohne den Eintritt von Provisionsverlusten den Anspruch auf einen Handelsvertreterausgleich rechtfertigen könnten.
300
Das gleiche gilt, soweit vom Kläger geworbene Stammkunden in einem anderen R.-Shop weitere Verträge abschließen.
301
Ein Provisionsverlust könnte demgegenüber eintreten, wenn ‒ bei der hypothetisch vorzunehmenden Betrachtung - vom Kläger geworbene Stammkunden in dem vom Kläger betriebenen Shop einen weiteren Vertrag, für den nach den Provisionsvereinbarungen eine neue Einmalprovision anfallen würde, abgeschlossen hätten. Dabei wäre aber zunächst zu beachten, dass der dann für die Beklagte bzw. andere Konzerngesellschaften der nach § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB notwendige Vorteil nicht in der Gewinnung eines neuen Kunden, mit dem auch zukünftig Geschäfte gemacht werden können, liegen kann, da es sich bereits um einen Stammkunden handelt. Als Vorteil käme insoweit daher nur der Abschluss des konkreten Geschäftes in Betracht.
302
ee)
303
Abgesehen von den vorstehenden abstrakten Hinweisen unter cc) und dd) trifft der Senat keine abschließende Aussage zu der Frage, inwieweit dann, wenn der Kläger einen Antrag zu einem von ihm geltend gemachten Anspruch aus § 89b HGB zur Entscheidung stellt, aufgrund des dann gegebenen Sach- und Streitstandes die vorzunehmende Billigkeitsabwägung eine Bewertung dahin wird rechtfertigen können, dass dem Unternehmer erhebliche Vorteile verbleiben und dem Kläger Provisionsansprüche in einem solchen Maß entgangen sind, dass ein Ausgleich der Billigkeit entspricht. Maßgeblich für die vom Senat vorliegend getroffene Aufhebungsentscheidung ist allein, dass aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstandes nicht von vorneherein völlig ausgeschlossen werden kann, dass ein Ausgleichsanspruch in Betracht kommen kann (vgl. EuGH, a.a.O.).
304
Der Senat stellt aber klar, dass er der Ansicht ist, dass dem Aspekt, dass die Vermittlungstätigkeit vertragsgemäß durch Einmalprovisionen vollständig hat abgegolten werden sollen, erhebliche Bedeutung beizumessen sein wird.
305
III.
306
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO, die Festsetzung des Streitwertes auf den §§ 3 ZPO, 47, 48 GKG.
307
IV.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Rechtsfragen grundsätzlicher Natur, die über den konkreten Einzelfall hinaus von Interesse sein könnten, haben sich nicht gestellt und waren nicht zu entscheiden.