06.09.2022 · IWW-Abrufnummer 231133
Landesarbeitsgericht Hamm: Urteil vom 07.07.2022 – 18 Sa 161/22
1. Die "bisherige Entgeltstufe" im Sinne des § 16 Abs. 2 AVR-DD ist die Erfahrungsstufe, nach der der Mitarbeiter vor der Herabgruppierung vergütet wurde. Im Hinblick auf die Einstufung ist nur die Verweildauer in der höheren Entgeltgruppe im Rahmen der Tätigkeit zu berücksichtigen, die vor der Herabgruppierung ausgeübt wurde (und nicht - auch - der Zeitraum, in dem der Mitarbeiter zuvor mit anderen Tätigkeiten betraut war).
2. Dies gilt auch dann, wenn der Mitarbeiter zunächst unter der Geltung des § 16 AVR-DD a.F. höhergruppiert und sodann unter der Geltung des § 16 AVR-DD herabgruppiert wurde und dies dazu führt, dass die Stufenzuordnung nach der Herabgruppierung sich gegenüber der Stufenzuordnung vor der Höhergruppierung verschlechtert.
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 12.01.2022 - 3 Ca 1549/21 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche der Klägerin sowie über die Frage, aus welcher Erfahrungsstufe die Klägerin ihr Grundentgelt erhält.
Die Klägerin ist seit dem 14.08.2000 für die Beklagte tätig. Im Arbeitsvertrag, den die Parteien unter dem 08.04.2009 abschlossen, heißt es auszugsweise:
Im Hinblick auf die Stufenzuordnung regeln die Arbeitsvertragsrichtlinien des A Werkes der B in Deutschland (nachfolgend: AVR-DD) unter anderem Folgendes:
§ 16 AVR-DD lautete in der bis zum 30.04.2019 geltenden Fassung:
Die Klägerin war zunächst als Pflegehelferin tätig. Seit dem 01.04.2005 arbeitete sie als Fachkraft und erhielt eine Vergütung nach Maßgabe des BAT-KF. Vom 01.04.2009 bis zum 31.03.2016 erhielt die Klägerin als Fachkraft eine Vergütung nach Maßgabe der Entgeltgruppe 7 der AVR-DD. Im Zeitraum vom 01.04.2016 bis zum 14.03.2021 war die Klägerin als Bereichskoordinatorin eingesetzt. Mit Aufnahme der Tätigkeit wurde sie in die Entgeltgruppe 9 Basisstufe höhergruppiert. Zuletzt erhielt sie als Bereichskoordinatorin eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 9 Erfahrungsstufe 1.
Zum 15.03.2021 wurde die Klägerin auf eigenen Wunsch wieder als Fachkraft im Pflege- und Betreuungsdienst beschäftigt. Ihre Arbeitszeit betrug zunächst 19,5 Wochenstunden; im Zeitraum vom 01.08. bis zum 31.10.2021 waren es 16 Wochenstunden. Seit dem 15.03.2021 erhält die Klägerin eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 7 Erfahrungsstufe 1 der AVR-DD. Einen von der Beklagten vorgelegten Änderungsvertrag, der auf den 26.03.2021 datiert ist, unterzeichnete die Klägerin nicht, da sie mit der Einstufung in die Erfahrungsstufe 1 nicht einverstanden war. Mit anwaltlichem Schreiben vom 15.07.2021 ließ die Klägerin die Beklagte auffordern, schriftlich zu bestätigen, dass ab April 2021 eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 7, Erfahrungsstufe 3 erfolgt. Mit ihrer Klage, die am 24.08.2021 bei dem Arbeitsgericht eingegangen ist, hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe, seitdem sie ab April 2021 wieder als Fachkraft im Pflege- und Betreuungsdienst beschäftigt werde, eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 7 Erfahrungsstufe 3 zu. Ihre bisherige Verweildauer als Fachkraft in der Entgeltgruppe 7 seit dem 01.04.2009 sei bei der Stufenzuordnung zu berücksichtigen. Die bisherige Erfahrungszeit verfalle nicht. § 16 Abs. 2 AVR-DD sehe nach der Herabgruppierung die stufengleiche Eingruppierung und zusätzlich die Berücksichtigung der bisherigen Erfahrungszeit vor. Die erforderliche Berücksichtigung der Verweildauer sei nicht auf die Verweildauer der vorherigen höheren Entgeltgruppe beschränkt; vielmehr sei die gesamte Verweildauer im Rahmen des Arbeitsverhältnisses zu berücksichtigen. Anderenfalls gelangte man zu dem nicht sachgerechten Ergebnis, dass die Klägerin nach der Übernahme einer höherwertigeren Tätigkeit ein geringeres Entgelt erhielte als zuvor. - Die Klägerin hat die Zahlung von Restentgelt für den Zeitraum von April bis August 2021 eingefordert. Sie hat ihre Ansprüche auf Grundlage der Differenz zwischen der erhaltenen Vergütung nach der Entgeltgruppe 7 Erfahrungsstufe 1 und der begehrten Vergütung nach der Entgeltgruppe 7 Erfahrungsstufe 3 in der Klageschrift berechnet und die Forderung geringfügig reduziert, nachdem die Beklagte auf die im Monat August 2021 herabgesetzte Arbeitszeit hingewiesen hatte,.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
Die Beklagte hat beantragt,
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Klägerin könne lediglich eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 7 Erfahrungsstufe 1 der AVR-DD beanspruchen. § 16 Abs. 2 AVR-DD ordne eine stufengleiche Herabgruppierung an. Die Klägerin sei nach der Aufnahme ihrer Tätigkeit als Bereichskoordinatorin im April 2016 richtigerweise in die Entgeltgruppe 9 Basisstufe höhergruppiert worden. Die Eingruppierung in die Basisstufe habe der seinerzeit geltenden Vorschrift des § 16 Abs. 1 AVR-DD (a. F.) entsprochen. Im Laufe ihrer Tätigkeit als Bereichskoordinatorin habe die Klägerin bis zum 14.03.2021 eine Heraufstufung in die Erfahrungsstufe 1 erlangt. Mit dieser Stufenzuordnung sei die Klägerin dann nach Aufnahme der Tätigkeit als Fachkraft seit dem 15.03.2021 in die Entgeltgruppe 7 herabgruppiert worden. Dabei habe die Beklagte die 12-monatige Verweildauer in der Erfahrungsstufe 1 bis März 2021 berücksichtigt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Eingruppierung der Klägerin in die Entgeltgruppe 7 Stufe 1 AVR-DD sei nicht zu beanstanden. Die Stufenzuordnung richte sich nach § 16 Abs. 2 AVR-DD. Soweit diese Vorschrift die Berücksichtigung der Verweildauer (Erfahrungszeit) anordne, sei nicht die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses gemeint, sondern lediglich die Verweildauer in der bisherigen Entgeltstufe der höheren Entgeltgruppe. Das ergebe sich aus der Systematik und dem Gesamtzusammenhang der Bestimmung. Die AVR-DD enthielten keine Regelung, die dem "Verlust" von Stufenlaufzeiten im Falle einer Höhergruppierung nach Maßgabe von § 16 Abs. 1 AVR-DD entgegenwirke.
Das Urteil erster Instanz ist der Klägerin am 24.01.2022 zugestellt worden. Sie hat mit einem Schriftsatz, der am 08.02.2022 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen ist, Berufung eingelegt und die Berufung mit einem am 24.02.2022 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, bei der Herabgruppierung sei die gesamte im Arbeitsverhältnis zurückgelegte Erfahrungszeit zu berücksichtigen. § 16 Abs. 2 AVR-DD ordne an, dass Verweildauer und Erfahrungszeit kumulativ zu berücksichtigen seien. Soweit nach den Entgelttabellen innerhalb einer Entgeltgruppe nur die Verweildauer in der vorherigen Stufe maßgeblich sei, könne dieser Sprachgebrauch bei der anders gelagerten Frage einer Herabgruppierung keine Berücksichtigung finden. Nach den AVR-DD sei der Verlust von Stufenlaufzeiten nicht hinzunehmen; um diesem Verlust entgegenzuwirken, sei gerade der Begriff der Erfahrungszeit in § 16 Abs. 2 AVR-DD verwendet worden.
Die Klägerin beantragt,
Die Beklagte beantragt,
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend. Nach § 16 Abs. 2 AVR-DD sei nur die Verweildauer in der bisherigen Entgeltstufe vor der Herabgruppierung zu berücksichtigen. Der Begriff der Erfahrungszeit stelle lediglich einen Klammerzusatz dar; § 16 Abs. 2 AVR-DD sei nicht zu entnehmen, dass eine Erfahrungszeit bezogen auf die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses Grundlage der Stufenzuordnung sein solle.
Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung ist zulässig.
Die Klägerin hat die Berufung insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet.
II. Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dies gilt sowohl im Hinblick auf den Zahlungsantrag als auch im Hinblick auf den Feststellungsantrag. Der Klägerin steht kein Anspruch darauf zu, eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 7 Erfahrungsstufe 3 der AVR-DD zu erhalten. Die Beklagte vergütet die Klägerin zu Recht nach der Entgeltgruppe 7 Erfahrungsstufe 1 der AVR DD. Das ergibt sich aus § 16 Abs. 2 AVR-DD. Diese Vorschrift ordnet an, dass ein herabgruppierter Mitarbeiter vom Beginn des auf die Wirksamkeit der Herabgruppierung folgenden Monats an das Grundentgelt aus der niedrigeren Entgeltgruppe der bisherigen Entgeltstufe unter Berücksichtigung der Verweildauer (Erfahrungszeit) beanspruchen kann.
1. Für die Eingruppierung der Klägerin ist die Vorschrift des § 16 Abs. 2 AVR-DD maßgeblich.
Die Eingruppierung richtet sich nach den Bestimmungen der AVR-DD. Die Parteien haben die Anwendung dieses Regelwerks in der jeweils gültigen Fassung im Arbeitsvertrag vom 08.04.2009 vereinbart.
Die Vorschrift des § 16 Abs. 2 AVR-DD findet Anwendung, da die Klägerin im März 2021 herabgruppiert wurde. Sie war vom 01.04.2016 bis zum 14.03.2021 als Bereichskoordinatorin tätig und als solche, worüber zwischen den Parteien kein Streit besteht, in die Entgeltgruppe 9 der AVR-DD eingruppiert. Seit dem 15.03.2021 ist die Klägerin, wie bereits im Zeitraum vor dem 01.04.2016, als Fachkraft im Pflege- und Betreuungsdienst eingesetzt. Diese Tätigkeit ist nach Maßgabe der Entgeltgruppe 7 der AVR-DD zu vergüten. Auch darüber besteht Übereinstimmung zwischen den Parteien.
2. Gemäß § 16 Abs. 2 AVR-DD steht der Klägerin nach der erfolgten Herabgruppierung eine Vergütung nach Maßgabe der Entgeltgruppe 7 Erfahrungsstufe 1 zu, die sie, wie zwischen den Parteien unstreitig ist, tatsächlich bezieht.
a) Die Herabgruppierung der Klägerin zum 15.03.2021 hatte aus der Entgeltgruppe 9 Stufe 1 zu erfolgen.
Die bisherige Entgeltstufe der Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit als Bereichskoordinatorin war die Erfahrungsstufe 1. Die Klägerin konnte als Bereichskoordinatorin keine Vergütung nach einer höheren Erfahrungsstufe verlangen. Dies beruht auf § 16 Abs. 1 S. 1 AVR-DD in der bis zum 30.04.2019 geltenden Fassung. Die alte Fassung ist im Hinblick auf die Höhergruppierung der Klägerin maßgeblich, da sich die Änderung ihrer Tätigkeit (von der Fachkraft zur Bereichskoordinatorin) zum 01.04.2016 vollzog.
§ 16 Abs. 1 S. 1 AVR-DD a. F. bestimmte, dass der Mitarbeiter im Falle einer Höhergruppierung das Grundentgelt aus der höheren Entgeltgruppe mindestens entsprechend der Basisstufe erhält, wobei das bisherige Entgelt nicht unterschritten werden darf. Nach dieser Vorschrift war die Klägerin richtigerweise in die Basisstufe der Entgeltgruppe 9 einzustufen. Dass das bisherige Entgelt, das die Klägerin als Fachkraft im Pflege- und Betreuungsdienst bezog, nicht höher war als das Entgelt, das sie als Bereichskoordinatorin nach Maßgabe der Entgeltgruppe 9 Basisstufe erhielt, ist zwischen den Parteien unstreitig.
Gemäß § 15 Abs. 3 AVR-DD in Verbindung mit Entgelttabelle (Anlage 2 zu den AVR-DD) war die Klägerin als Bereichskoordinatorin nach einer 48-monatigen Verweildauer in der Basisstufe - also zum 01.04.2020 - in die Erfahrungsstufe 1 höherzustufen. Als die Klägerin zum 15.03.2021 wieder als Fachkraft im Pflege- und Betreuungsdienst tätig wurde und daher eine Herabgruppierung in die Entgeltgruppe 7 zu erfolgen hatte, befand sie sich - immer noch - in der Erfahrungsstufe 1, da sie die 48-monatige Verweildauer, die für eine Heraufstufung aus der Erfahrungsstufe 1 in die Erfahrungsstufe 2 erforderlich ist, noch nicht zurückgelegt hatte.
b) Die "bisherige Entgeltstufe" im Sinne des § 16 Abs. 2 AVR-DD ist die Erfahrungsstufe, nach der die Klägerin als Bereichskoordinatorin vor der Herabgruppierung vergütet wurde (und nicht die Entgeltstufe, nach der die Klägerin vor der Aufnahme ihrer Tätigkeit als Bereichskoordinatorin für ihre vorherige Tätigkeit als Fachkraft vergütet wurde); im Hinblick auf die Einstufung ist nur die Verweildauer in der Entgeltgruppe 9 im Rahmen der Tätigkeit als Bereichskoordinatorin zu berücksichtigen (und nicht - auch - der Zeitraum, in dem die Klägerin vor ihrer Tätigkeit als Bereichskoordinatorin als Fachkraft arbeitete). Dies ergibt sich aus einer sachgerechten Auslegung der Vorschrift des § 16 Abs. 2 AVR-DD.
aa) Für die Auslegung kirchlicher Arbeitsvertragsregelungen gilt Folgendes (BAG, Beschluss vom 17.11.2021 - 4 ABR 1/21; Urteil vom 16.02.2012 - 6 AZR 573/10; zu den AVR-DD: BAG, Urteil vom 23.10.2012 - 4 AZR 48/11):
Kirchliche Arbeitsrechtsregelungen sind nach den Grundsätzen auszulegen, die für die Tarifauslegung gelten. Danach ist vom Wortlaut der kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen auszugehen und dabei deren maßgeblicher Sinn zu erforschen. Der wirkliche Wille der kirchlichen Normgeber und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Bestimmungen ist mit zu berücksichtigen, soweit sie in den kirchlichen Vorschriften Niederschlag gefunden haben. Dabei ist auch auf den systematischen Zusammenhang abzustellen.
bb) Bei Anwendung dieser Auslegungsgrundsätze ist zunächst davon auszugehen, dass, soweit § 16 Abs. 2 AVR-DD auf die "bisherige Entgeltstufe" abstellt, die Erfahrungsstufe gemeint ist, die vor der Herabgruppierung für die Vergütung maßgeblich war (im Streitfall mithin die Erfahrungsstufe 1, in die die Klägerin zuletzt als Bereichskoordinatorin vor der Herabstufung eingestuft war).
Das ergibt sich aus dem Regelungszusammenhang. § 16 Abs. 2 AVR-DD behandelt systematisch gerade den Fall der Herabgruppierung. Dann ist es folgerichtig, als "bisherige Entgeltstufe" die Entgeltstufe der höheren Entgeltgruppe anzusehen, aus der der Mitarbeiter in die niedrigere Entgeltgruppe herabgruppiert wird. Das ist spiegelbildlich für die Höhergruppierung in § 16 Abs. 1 S. 1 AVR-DD entsprechend geregelt. Wollte man demgegenüber auf die Einstufung im Rahmen einer weiter zurückliegenden Tätigkeit abstellen, so brächte dies eine erhebliche Rechtsunsicherheit mit sich, falls der Mitarbeiter mehrfach höher- bzw. herabgruppiert wurde. Der Vorschrift des § 16 AVR-DD lassen sich auch keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, welche Einstufung - wenn nicht die Erfahrungsstufe der Entgeltgruppe, aus der der Mitarbeiter herabgruppiert wird, maßgeblich sein soll - sonst heranzuziehen ist.
cc) Bei sachgerechter Auslegung nach den vorstehend geschilderten Auslegungsgrundsätzen ist ferner davon auszugehen, dass für die Einstufung lediglich der Zeitraum zu berücksichtigen ist, der unmittelbar vor der Herabgruppierung in der höheren Entgeltgruppe zurückgelegt wurde.
(1) Durch den Klammerzusatz "(Erfahrungszeit)" stellt § 16 Abs. 2 AVR-DD klar, dass die Verweildauer der Erfahrungszeit in einer Entgeltgruppe entspricht.
Nach § 15 Abs. 3 und 4 AVR-DD entspricht die Dauer der "Erfahrungszeit" den in der Entgelttabelle angegebenen Monaten. Die in der jeweiligen Stufe vor einer Höherstufung zurückzulegenden Monate bezeichnet die Entgelttabelle (Anlage 2 zu den AVR-DD) als "Verweildauer". Sowohl die Erfahrungszeit im Sinne des § 15 AVR-DD als auch die Verweildauer im Sinne der Entgelttabelle sind aber jeweils bezogen auf eine bestimmte Entgeltgruppe. Es ist nicht anzunehmen, dass § 16 Abs. 2 AVR-DD sich von diesem Begriffsverständnis lösen will.
(2) Sinn des § 16 Abs. 2 AVR-DD ist es, zu verhindern, dass die Verweildauer/Erfahrungszeit nach der Herabgruppierung neu beginnt.
Dieser Regelungszweck ergibt sich aus der Gegenüberstellung von alter und neuer Fassung der Vorschrift. Bis zum 30.04.2019 fehlte in § 16 Abs. 2 AVR-DD eine entsprechende Klarstellung; die Vorschrift sah in alter Fassung lediglich vor, dass der Mitarbeiter nach einer Herabgruppierung "mindestens entsprechend der Basisstufe" eingestuft wird. § 16 Abs. 1 S. 1 AVR-DD a. F. sah dementsprechend vor, dass im Falle einer Höhergruppierung ebenfalls lediglich eine Einstufung "mindestens entsprechend der Basisstufe" erfolgt. Nach der alten Fassung der Norm wurde demnach ein Verlust von Erfahrungszeiten in Kauf genommen. Durch die Anordnung, die bisherige Verweildauer/Erfahrungszeit sowohl vor einer Höhergruppierung als auch vor einer Herabgruppierung zu berücksichtigen, will die Neufassung diejenigen Mitarbeiter, die höher- bzw. herabgruppiert worden sind, besserstellen.
Eine noch weitergehende Begünstigungsabsicht dahingehend, dass auch nicht unmittelbar vor dem Umgruppierungsvorgang zurückgelegte Erfahrungszeiten während des Arbeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, lässt sich der Vorschrift nicht entnehmen. Dagegen spricht insbesondere, dass § 16 Abs. 2 AVR-DD auf die "bisherige Entgeltstufe" vor der Herabgruppierung (siehe oben unter II 2 b bb der Entscheidungsgründe) abstellt und nicht auf eine jemals zuvor erreichte höhere Entgeltstufe.
(3) Die Klägerin kann gegen das Auslegungsergebnis nicht einwenden, sie "verliere" Erfahrungszeit, die sie vor der Höhergruppierung als Fachkraft zurückgelegt habe und werde nach der Übernahme einer höherwertigen Tätigkeit niedriger eingestuft als zuvor.
(a) Dies ist lediglich eine Folge daraus, dass bei der Höhergruppierung der Klägerin, die 2016 erfolgte, weil die Klägerin eine Tätigkeit als Bereichskoordinatorin aufnahm, noch § 16 Abs. 1 AVR-DD a. F. galt.
Nach dieser Vorschrift war die Erfahrungszeit in der bisherigen Stufe der niedrigeren Vergütungsgruppe nicht zu berücksichtigen; vielmehr hatte eine Einstufung in die Basisstufe der höheren Entgeltgruppe zu erfolgen, sofern dadurch das bisherige Entgelt aus der niedrigeren Entgeltgruppe nicht unterschritten wird. Wäre bei der Höhergruppierung der Klägerin bereits § 16 Abs. 1 AVR-DD in aktueller Fassung anwendbar gewesen, so hätte die Erfahrungszeit der Klägerin in der bisherigen Stufe der niedrigeren Entgeltgruppe in die höhere Entgeltgruppe übertragen werden müssen.
Zwar ist durch die Neufassung des § 16 AVR-DD eine Besserstellung der Arbeitnehmer insofern bezweckt gewesen, als die Erfahrungszeit in der bisherigen Stufe sowohl bei einer Höhergruppierung als auch bei einer Herabgruppierung Berücksichtigung finden soll. Das Regelwerk der AVR-DD sieht allerdings keine besondere Bestimmung für die Fälle vor, in denen die Höhergruppierung nach der alten Fassung des § 16 Abs. 1 AVR-DD und die Herabgruppierung nach der aktuellen Fassung des § 16 Abs. 2 AVR-DD erfolgte.
(b) Das Fehlen einer solchen Regelung rechtfertigt es nicht, zugunsten der Klägerin in ergänzender Auslegung des § 16 Abs. 2 AVR-DD die vor der Höhergruppierung der Klägerin zurückgelegte Erfahrungszeit als Fachkraft im Zeitraum von April 2009 bis März 2016 bei der Stufenzuordnung zu berücksichtigen.
(aa) Geht man davon aus, dass für die ergänzende Auslegung der AVR-DD als kirchlicher Arbeitsvertragsregelung nach den Grundsätzen richtet, die für die ergänzende Auslegung tarifvertraglicher Vorschriften gelten (dazu BAG, Urteil vom 10.05.1989 - 6 AZR 660/87; LAG Hamm, Urteil vom 14.03.2019 - 18 Sa 1196/18, Urteil vom 11.03.2011 - 18 Sa 1170/10 m.w.N.), bestehen für die ergänzende Auslegung folgende Voraussetzungen:
Erforderlich ist, dass eine unbewusste Regelungslücke besteht, die die Gerichte zu schließen befugt sind. Eine Lücke ist eine planwidrige Unvollständigkeit des Normwerkes. Normlücken wie Regelungslücken sind Lücken innerhalb des Regelungszusammenhangs des Gesetzes oder Tarifvertrages. Ob eine derartige Lücke vorliegt, ist zu beurteilen vom Standpunkt des Gesetzes oder Tarifvertrages selbst, der zugrundeliegenden Regelungsabsicht und dem verfolgten Zweck des tarifvertraglichen Plans.
(bb) Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
(aaa) Es fehlt schon an einer Regelungslücke.
Mit dem Inkrafttreten der Neuregelung des § 16 AVR-DD zum 01.05.2019 und dem Fehlen einer Übergangsregelung ist die Entscheidung getroffen worden, dass es Fälle geben kann, in denen sich die Höhergruppierung nach § 16 Abs. 1 AVR-DD a. F. richtet (mit einem "Verlust" der Erfahrungszeit) und bei einer anschließenden Herabgruppierung auch unter der Geltung des § 16 AVR-DD in aktueller Fassung eine Kompensation für diesen "Verlust" nicht erfolgt.
(bbb) Ebenso wenig lässt sich feststellen, dass es - was für die Schließung einer etwaigen Regelungslücke durch die Gerichte erforderlich wäre - einen Regelungsplan des Inhalts gibt, unter der Geltung von § 16 AVR-DD in neuer Fassung solle ein Verlust von Erfahrungszeiten, die vor einer Höhergruppierung zurückgelegt worden sind, in jedem Fall ausgeschlossen sein.
Der mit der Neuregelung des § 16 AVR-DD verfolgte Zweck, Mitarbeiter im Hinblick auf zurückgelegte Erfahrungszeiten bei Umgruppierungen im Vergleich zur bisherigen Rechtslage besser zu stellen, wird nämlich auch dann erreicht, wenn die vor einer Höhergruppierung zurückgelegten Erfahrungszeiten im Rahmen der Herabgruppierung nach § 16 Abs. 2 AVR-DD n. F. keine Berücksichtigung finden. Im Streitfall wäre die Klägerin, hätte bei ihrer Herabgruppierung ebenso wie bei ihrer Höhergruppierung noch § 16 Abs. 2 AVR-DD a. F. gegolten, wäre die Klägerin in die Entgeltgruppe 7 eingruppiert worden, ohne dass die Laufzeit der Verweildauer in der Entgeltgruppe 9 Erfahrungsstufe 1 berücksichtigt worden wäre. Nach § 16 Abs. 2 AVR-DD n. F. wird aber ihre Verweildauer in der Erfahrungsstufe 1 der Entgeltgruppe 9 berücksichtigt. Die beabsichtigte Besserstellung gegenüber der alten Rechtslage ist damit eingetreten.
(ccc) Ob - ausgehend von der Überlegung, die Klägerin dürfe nach erfolgter Höher- und Herabgruppierung nicht schlechter stehen, als wenn sie neu eingestellt worden wäre - die Vorschrift des § 15 Abs. 6 AVR-DD entsprechend anwendbar ist, kann dahin stehen.
Rechtsfolge einer entsprechenden Anwendung dieser Vorschrift wäre lediglich die Berücksichtigung beruflicher Tätigkeit der letzten fünf Jahre. In diesem Zeitraum ist nur die Erfahrungsstufe 1 der Entgeltgruppe 7 erreichbar. Eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 7 Erfahrungsstufe 1 erhält die Klägerin aber bereits.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin unterlag im Rechtsstreit und hat die Kosten zu tragen.
IV. Die Revision ist gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen worden. Aus Sicht der Kammer kommt der entscheidungserheblichen Rechtsfrage, ob es bei der Höhergruppierung eines Mitarbeiters unter der Geltung des § 16 Abs. 1 AVR-DD a. F. und einer späteren Herabgruppierung des Mitarbeiters nach § 16 Abs. 2 AVR-DD n. F. bei der Nichtberücksichtigung von Erfahrungszeiten verbleibt, die vor der Höhergruppierung zurückgelegt wurden, grundsätzliche Bedeutung zu.