· Fachbeitrag · AGB-Klauseln
Rettung unwirksamer Widerrufsklauseln in Altverträgen durch Auslegung
Einer ergänzenden Vertragsauslegung von AGB-Klauseln in Alt-Arbeitsverträgen steht nicht entgegen, dass der Verwender in der Übergangsfrist keine Anpassung der Klauseln an die neue Rechtslage versucht hat (BAG 20.4.11, 5 AZR 191/10, Abruf-Nr. 112579). |
Sachverhalt
Der ArbN ist auf Grundlage eines vorformulierten Arbeitsvertrags seit 1975 als Tierarzt beschäftigt. Er erhält eine der Beamtenbesoldungsgruppe A 14 entsprechende Vergütung. Der zu Beginn des Arbeitsverhältnisses abgeschlossene Arbeitsvertrag sieht die Zahlung einer „frei widerruflichen“ Zulage vor. Im Jahre 1992 widerrief der ArbG die Zulage teilweise, im September 2010 vollständig. Der ArbN hält den Widerruf für unwirksam und erhob Klage auf Zahlung der Zulage und Feststellung der Unwirksamkeit des Widerrufs.
Nachdem das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen hatte, war die Berufung zum LAG erfolgreich. Die hiergegen gerichtete Revision des ArbG hatte Erfolg.
Entscheidungsgründe
Der 5. Senat des BAG betont, dass trotz der Unwirksamkeit des Widerrufsvorbehalts gemäß § 308 Nr. 4 BGB mangels Angabe von Widerrufsgründen eine ergänzende Vertragsauslegung notwendig sei. Dies wird vor allen Dingen damit begründet, dass ein Entfallen der Regelung, wie es in § 308 Abs. 2 BGB vorgesehen ist, zur Rückwirkung der Schuldrechtsreform führen würde. Die Lücke sei durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen. Dem stehe nicht entgegen, dass der ArbG während der Übergangsfrist im Jahre 2002 keine Anpassung der Klausel an die neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen versucht habe. Insofern enthalte Art. 229 § 5 EGBGB weder eine Verhandlungsobliegenheit noch eine Verpflichtung des ArbN ein entsprechendes Vertragsangebot des ArbG anzunehmen.
Praxishinweis
Wie die Entwicklung des Rechtsstreits vor den Instanzgerichten zeigt, ist die Frage der „ergänzenden Vertragsauslegung“ von Alt-Arbeitsverträgen bei unwirksamen Vertragsklauseln auch innerhalb des BAG umstritten. Während der 5. Senat Alt-Vertragsklauseln wie im aktuellen Fall durch ergänzende Vertragsauslegung zu „retten“ versucht, wendete das LAG München als Vorinstanz ebenso wie auch der 9. Senat des BAG (vgl. BAG NZA 07, 809) § 308 Nr. 4 BGB in Fällen der Nichtbenennung von Widerrufsgründen bei einem Widerrufsvorbehalt ohne Einschränkung an. Dem ArbG ist der Versuch einer Anpassung der in Alt-Arbeitsverträgen enthaltenen Regelung an die neue Rechtslage nach §§ 305 ff. BGB daher dringend anzuraten. Bei Widerrufsvorbehalten sollte zumindest die konkrete Richtung, aus welchen Gründen (wirtschaftliche, persönliche, verhaltensbedingte) ein Widerruf erfolgen kann, erkennbar sein.