· Fachbeitrag · AGG: Benachteiligung wegen des Geschlechts
Nichteinstellung wegen eines Schulkinds?
Bei einer mittelbaren Benachteiligung wegen des Geschlechts kann die besondere Benachteiligung des einen Geschlechts durch ein dem Anschein nach neutrales Kriterium mit einem Verweis auf statistische Erhebungen dargelegt werden. Die herangezogene Statistik muss aber aussagekräftig und damit auf die umstrittene Fallkonstellation anwendbar sein (BAG 18.9.14, 8 AZR 753/13, Abruf-Nr. 143054). |
Sachverhalt
Der ArbG betreibt einen lokalen Radiosender. Er suchte im Frühjahr 2012 für eine Vollzeitstelle eine Buchhaltungskraft mit abgeschlossener kaufmännischer Ausbildung. Die ArbN bewarb sich auf diese Stelle im April 2012. Im der Bewerbung beigefügten Lebenslauf wies sie auf ihre Ausbildungen als Verwaltungsfachfrau und zur Bürokauffrau hin. Außerdem gab sie dort an „Familienstand: verheiratet, ein Kind“. Anfang Mai 2012 erhielt die ArbN eine Absage. Auf dem zurückgesandten Lebenslauf war der Angabe zum Familienstand hinzugefügt „7 Jahre alt!“. Dies und die von der ArbN stammende Angabe „ein Kindd“ war unterstrichen.
Die ArbN sieht sich als Mutter eines schulpflichtigen Kinds, die eine Vollzeitbeschäftigung anstrebt, benachteiligt. Die Notiz des ArbG auf ihrem Lebenslauf spreche dafür, dass der ArbG Vollzeittätigkeit und die Betreuung eines siebenjährigen Kinds nicht oder nur schlecht für vereinbar halte. Der ArbG hat eine Entschädigung wegen einer Benachteiligung aufgrund des Geschlechts abgelehnt. Er hat darauf verwiesen, eine junge verheiratete Frau eingestellt zu haben, die über eine höhere Qualifikation verfüge.
Entscheidungsgründe
Die Revision des ArbG, der vom LAG wegen mittelbarer Benachteiligung der ArbN zu einer Entschädigung in Höhe von 3.000 EUR verurteilt worden war, hatte vor dem 8. Senat des BAG Erfolg. Die vom Berufungsgericht herangezogene Statistik (Mikrozensus) für den Anteil von Ehefrauen mit Kind an der Gesamtzahl der Vollbeschäftigten lasse keine Aussagen für den Fall der ArbN zu. Das LAG als Tatsachengericht werde aber zu prüfen haben, ob in dem Verhalten des ArbG eine unmittelbare Benachteiligung der ArbN aufgrund ihres Geschlechts zu sehen sei. Das erfordere eine Auslegung des Vermerks auf dem zurückgesandten Lebenslauf.
Praxishinweis
Eine unmittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 1 AGG, die bei einer Frau auch darin liegen kann, dass sie wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft ungünstiger als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation behandelt wird, liegt hier nach dem Vermerk als Vermutungstatsache nach§ 22 AGG deutlich näher als die Prüfung einer mittelbaren Benachteiligung gem. § 3 Abs. 2 AGG. Ein dem Anschein nach neutrales Verfahren ist bei dem vorliegenden Sachverhalt zumindest zweifelhaft. Der Vermerk erweckt klar den Eindruck, der ArbG lege auf Bewerbungen von Müttern keinen Wert.