Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · AGG

    Ein Konzept „60+“ für Führungskräfte stellt noch lange keine Altersdiskriminierung dar

    von RA Prof. Dr. Tim Jesgarzewski, FA ArbR, Prof. Dr. Jesgarzewski & Kollegen Rechtsanwälte, Osterholz-Scharmbeck, FOM Hochschule Bremen

    | Wird eine bereits aufgrund einer früheren Vereinbarung aus dem Unternehmen ausgeschiedene Führungskraft bei einem späteren Programm nicht mehr einbezogen, stellt dies bereits wegen fehlender Vergleichbarkeit mit den betroffenen ArbN keine Benachteiligung wegen des Alters dar (BAG 17.3.16, 8 AZR 677/14, Abruf-Nr. 185308 ). |

     

    Sachverhalt

    Der im Oktober 1952 geborene ArbN war in der Zeit von August 1985 bis Oktober 2012 beim ArbG, seit dem Jahr 1995 als Verkaufsleiter, beschäftigt. Als Verkaufsleiter gehörte er dem Kreis der leitenden Führungskräfte an.

     

    Im Arbeitsvertrag hatten die Parteien eine Befristung des Arbeitsverhältnisses mit Vollendung des 65. Lebensjahres vereinbart. Im Jahr 2003 führte die Beklagte das Konzept „60+“ für leitende Führungskräfte ein, das die Möglichkeit vorsah, das Arbeitsverhältnis mit Vollendung des 60. Lebensjahres u. a. gegen Zahlung eines Kapitalbetrags zu beenden. Im Juli 2003 unterbreitete der ArbG dem ArbN ein entsprechendes Angebot auf Änderung seines Arbeitsvertrags. Der ArbN nahm dieses an.

     

    Im Jahr 2012 trat an die Stelle des Konzepts „60+“ beim ArbG das Konzept „62+“. Alle leitenden Führungskräfte, die einen Vertrag auf der Grundlage des Konzepts „60+“ hatten und im Jahr 2012 das 57. Lebensjahr vollendeten, erhielten ab November 2012 ein Angebot. Dieses sah vor, einen Vertrag auf der Grundlage des neuen Konzepts abzuschließen.

     

    Der ArbN schied - wie vereinbart - bereits mit Ablauf des 31.10.12 aus dem Arbeitsverhältnis aus. Er erhielt den seinerzeit festgesetzten Kapitalbetrag. Er sieht sich nun durch die Vereinbarung der Befristung seines Arbeitsverhältnisses auf die Vollendung des 60. Lebensjahres benachteiligt. Ebenfalls fühlt er sich dadurch wegen des Alters benachteiligt, dass es der ArbG unterlassen hat, ihm eine Umstellung seines Arbeitsverhältnisses auf das Konzept „62+“ anzubieten. Er verlangt, dass der ArbG ihm nach § 15 Abs. 1 AGG den aufgrund des vorzeitigen Ausscheidens entstandenen materiellen Schaden ersetzt. Zudem verlangt er eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG.

     

    Aktuelle Entscheidung

    Der 8. Senat des BAG hat die Klage abgewiesen und damit die Vorinstanzen bestätigt (LAG Baden-Württemberg 24.6.14, 15 Sa 46/13). Die Richter sehen bereits keine Benachteiligung nach § 3 Abs. 1 AGG. Danach wird nur derjenige benachteiligt, der eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in vergleichbarer Situation.

     

    Der ArbN sei weder durch die Einbeziehung in das erste Programm 60+, noch durch die Nichteinbeziehung in das spätere Programm 62+ benachteiligt gewesen. Innerhalb des ersten Programms sei er genau wie alle anderen Führungskräfte einbezogen worden. Er habe die gleichen Wahlmöglichkeiten gehabt wie die anderen Beteiligten auch. Im Rahmen des zweiten Programms sei der ArbN dagegen nicht vergleichbar mit den potentiellen Teilnehmern. Er sei zum vorgesehenen Beginn der entsprechenden Regelungen bereits vereinbarungsgemäß ausgeschieden gewesen.

     

    Relevanz für die Praxis

    Selbst erfahrenen Praktikern fällt es schwer, die Grenzen einer Benachteiligung nach § 3 Abs. 1 AGG im Einzelfall trennscharf zu bestimmen. Dies gilt umso mehr, als § 3 Abs. 2 AGG auch den Umweg über eine mittelbare Benachteiligung eröffnet. Der entscheidende Parameter ist dabei stets die Vergleichsgruppe. Fehlt es an der Vergleichbarkeit der unterschiedlich behandelten ArbN, ist jeder Form der Benachteiligung der Boden entzogen.

     

    ArbG können das Urteil zum Maßstab dafür nehmen, wie sie ordnungsgemäß Arbeitnehmergruppen zusammenfassen können, um bestimmte Personalentwicklungsprogramme aufzulegen und durchzuführen.

     

    Insbesondere war vorliegend nicht das Lebensalter Anknüpfungspunkt für eine Ungleichbehandlung bei der Frage der Aufnahme des ArbN in das zweite Programm 62+. Anknüpfungspunkt war vielmehr die Tatsache, ob er sich zum Zeitpunkt der Durchführung noch im Unternehmen befindet oder nicht. Für den ArbN hat sich das von ihm zu tragende vertragliche Risiko realisiert, das er selbst mit Abschluss des ersten Vertrags übernommen hat.

     

     

    Quelle: Ausgabe 05 / 2016 | Seite 77 | ID 43998416