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  • · Fachbeitrag · Ausbildungsverhältnis

    Schuldet der Ausbilder gerade noch oder voll angemessene Ausbildungsvergütung?

    Ein Ausbildungsbetrieb, der dem Auszubildenden eine Ausbildungsvergütung zahlt, die mehr als 20 Prozent niedriger als die Referenzausbildungsvergütung liegt, muss rückwirkend die Differenz zwischen der geleisteten und der voll angemessenen „Ausbildungsvergütung“ zahlen. Ein Anspruch auf Abfindungszahlung wegen Abbruchs der Ausbildung steht dem Auszubildenden hingegen nicht zu (BAG 16.7.13, 9 AZR 784/11, Abruf-Nr. 133338).

     

    Sachverhalt

    Eine Auszubildende sollte in ihrem Ausbildungsbetrieb zur Kauffrau ausgebildet werden. Für eine solche Ausbildung empfiehlt die IHK eine Lohnstaffelung von 669 EUR im ersten, 731 EUR im zweiten und 801 EUR brutto im dritten Lehrjahr monatlich. Der Ausbildungsbetrieb, der keinem Tarifvertrag unterworfen ist, ist Dienstleister für Betriebe der Metallindustrie. Die Auszubildende war alleinige Auszubildende, sie arbeitete ansonsten nur mit dem Betriebsinhaber zusammen. Der Ausbildungsvertrag enthält für die Ausbildung eine Ausbildungsvergütung von 500 EUR brutto im ersten, 550 EUR brutto im zweiten und 600 EUR brutto im dritten Lehrjahr pro Monat.

     

    Nachdem seitens des Ausbilders ein Jahr nach Ausbildungsbeginn nur noch unregelmäßig die vereinbarte Ausbildungsvergütung gezahlt wurde, kündigte die Auszubildende den Arbeitsvertrag nach erfolgloser Mahnung nach einigen Monaten fristlos wegen der Vergütungsrückstände.

     

    Als sie in unmittelbarer zeitlicher Abfolge einen neuen Ausbildungsbetrieb fand, verklagte sie den bisherigen Ausbilder auf rückwirkende Zahlung der Differenz zwischen der gezahlten und der nach der Empfehlung der IHK angemessenen Ausbildungsvergütung. Darüber hinaus begehrte sie Schadenersatz in Form einer Abfindung.

     

    Das Arbeitsgericht hat in erster Instanz den Ausbildungsbetrieb nur zur Zahlung der Differenz zwischen der gezahlten und der gerade noch angemessenen, 20 Prozent unter den Empfehlungen der IHK liegenden, Ausbildungsvergütung verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das LAG zurückgewiesen. Die Revision der Auszubildenden war teilweise erfolgreich.

     

    Entscheidungsgründe

    Der vierte Senat des BAG betont im Gegensatz zu den Entscheidungen der Vorinstanzen, dass ein Auszubildender, dem eine nicht mehr angemessene, d.h. mehr als 20 Prozent nach unten von der Referenzvergütung abweichende Vergütung bezahlt wird, einen Anspruch auf Zahlung der vollen Differenz zwischen der geleisteten und der in vollem Umfang angemessenen Vergütung im Sinne des § 17 Abs. 1 S. 1 BBiG hat.

     

    In diesem Zusammenhang führt das BAG aus, dass die vereinbarte Vergütung nicht mehr angemessen gewesen sei. Als Referenzvergütung sei mangels einschlägiger tarifvertraglicher Vorschriften die von der IHK empfohlene Staffelung anzusehen. Diese sei zwar nicht bindend, aber eine Richtschnur für den oder die Auszubildende/n und den Ausbildungsbetrieb. Eine Reduktion auf das gerade noch angemessene, also eine Vergütung die 20 Prozent nach unten von der Referenzvergütung abweiche, scheide bereits deswegen aus, weil Ausbilder nicht sanktionslos gegen § 17 BBiG verstoßen dürften.

     

    Eine darüber hinaus gehende Abfindung stehe der Auszubildenden hingegen nicht zu. Diese sei zwar nach § 23 BBiG als Schadenersatzleistung denkbar, komme als normativer Schaden jedoch nur in Arbeitsverhältnissen, nicht hingegen in Ausbildungsverhältnissen als Entschädigung in Betracht. Nur echten ArbN werde durch den Verlust des Arbeitsplatzes die wirtschaftliche Lebensgrundlage tatsächlich entzogen.

     

    Praxishinweis

    Ausbildungsbetriebe haben eine angemessene Ausbildungsvergütung zu zahlen. Die Argumentation mit einer geringen Finanzdecke oder sonstigen betrieblichen Umständen hilft insofern nicht weiter. Der Referenzrahmen der Ausbildungsvergütung wird, vor allem in Kleinausbildungsbetrieben, mangels tariflicher Vorschriften durch die Referenzempfehlungen der Industrie- und Handelskammern oder der Handwerksinnungen vorgegeben. Diese Referenzrahmen dürfen nicht mehr als 20 Prozent unterschritten werden.

     

    Checkliste / Ausbildungsverhältnisse

    • Begriff: Berufsausbildung von Auszubildenden in anerkannten Ausbildungsberufen (§§ 1, 4 BBiG)
    • Abschluss eines Berufsausbildungsvertrags zwischen Ausbilder und Auszubildendem (§ 10 BBiG)
    • Vertragsniederschrift in Schriftform mit Inhalt nach § 11 Abs. 1 Nr. 1-9 BBiG
    • Anspruch des/der Auszubildenden auf angemessene Vergütung mit jährlicher Steigerung nach § 17 Abs. 1 BBiG
    • Probezeitvereinbarung zwischen mindestens 1 und höchstens 4 Monaten nach § 20 BBiG
    • Während der Probezeit beidseitige Kündigung ohne Frist möglich (Schriftform)
    • Nach Probezeit Kündigung nur aus wichtigem Grund oder durch Auszubildenden wegen Aufgabe/Wechsel der Berufsausbildung nach § 22 Abs. 2 BBiG
    • Gegebenenfalls Schadenersatzansprüche gegen anderen Teil, wenn dieser Auflösung des Ausbildungsverhältnisses „zu vertreten“ hat (§ 23 Abs. 1 BBiG)
    • Dabei Ausschlussfrist für Schadenersatzanspruch nach Beendigung (§ 23 Abs. 2 BBiG)
     

    Weiterführende Hinweise

    • Der praktische Fall - Der unangenehme Ausbilder: AA 12, 196
    • Keine Notwendigkeit tiefgreifender Änderungen im Jugendarbeitsschutzgesetz: ­AA 11, 181
    Quelle: Ausgabe 01 / 2014 | Seite 12 | ID 42458041