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  • · Fachbeitrag · Pausenzeiten

    Flexible Festlegung der Pause + „im Voraus feststehend“ = Wie geht das zusammen?

    | Verlangen betriebliche Erfordernisse eine flexible Festlegung der Pausen, ist der in § 4 S. 1 ArbZG vorgesehenen Anforderung des „im Voraus feststehend“ auch dann genügt, wenn der ArbN jedenfalls zu Beginn der Pause weiß, dass und wie lange er nunmehr zum Zwecke der Erholung Pause hat und frei über die Nutzung dieses Zeitraums verfügen kann. |

     

    Sachverhalt

    Die Parteien streiten über die Vergütung von Pausenzeiten. Der ArbN war 34 Jahre bis zum Ruhestand im Jahr 2022 beim ArbG beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Gemeinsame Manteltarifvertrag für die Beschäftigten und Auszubildenden in der Feinstblechpackungsindustrie (i. F. GMTV) Anwendung, der zur Arbeitszeit unter anderem bestimmt:

     

    • Im Manteltarifvertrag heißt es zur „Arbeitszeit“

    „Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit ohne Pausen beträgt 35 Stunden (‚normale Vollzeit‘). ... Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden ohne Pausen kann gleichmäßig oder ungleichmäßig, in der Regel von Montag bis Freitag verteilt werden, wobei 8 Stunden je Tag ohne Pausen bzw. 40 Stunden pro Woche nicht überschritten werden dürfen…. Eine davon abweichende Verteilung der Arbeitszeit in der Woche kann nach Maßgabe der betrieblichen Erfordernisse bei Abwägung der Interessenlage der Beschäftigten mit dem Betriebsrat vereinbart werden. ... Beschäftigten im Dreischichtbetrieb wird die regelmäßige Arbeitszeit, die durch die gesetzlich vorgeschriebene Ruhepause entfällt, bezahlt. … Die gleichmäßige bzw. ungleichmäßige Verteilung der Arbeitszeit gemäß § 5.5 und § 5.6 erfolgt auf der Basis einer Jahres- oder Halbjahresplanung, die rechtzeitig durch Betriebsvereinbarung festzulegen ist.“

     

    Entsprechend einer Betriebsvereinbarung wurde im Betrieb im Streitzeitraum in der Produktion in einem vollkontinuierlichen Fünfschichtsystem mit einem Schichtrhythmus von zehn Wochen gearbeitet. Dabei folgten nach je zwei Früh-, Spät- und Nachtschichten vier Tage frei. Die tägliche Arbeitszeit ohne Pausen betrug werktags 7 Stunden und 40 Minuten, sonntags 11 Stunden und 25 Minuten. Durchschnittlich ergab sich hieraus eine wöchentliche Arbeitszeit von 32,18 Stunden. Um die Differenz zu der tariflichen Vollarbeitszeit von 35 Stunden auszugleichen, vereinbarten die Betriebsparteien zusätzliche 19,18 sog. Einbringschichten mit einer Arbeitszeit von 7 Stunden und 40 Minuten. Im Rahmen der Regelung von pauschal geplanten Einbringzeiten heißt es in der Betriebsvereinbarung außerdem: „Darüber hinaus werden jedem Mitarbeiter im 5-Schichtsystem pauschal 7,5 Einbringstunden pro Jahr für die Beibehaltung der flexiblen Pausengestaltung gutgeschrieben. Nur aus dringenden Gründen soll ein Mitarbeiter seine abgesprochene Pause unterbrechen müssen. Danach muss er den Rest der Pause nehmen können.“

     

    Ohne hierzu verpflichtet zu sein, verbrachte der ArbN seine Pausen in der Regel in der Betriebskantine. Dort befindet sich ein Monitor, der eventuelle Störungen an Maschinen durch Blinken ‒ tonlos ‒ anzeigt.

     

    Der ArbN verlangte die Vergütung der Ruhepausen, die er im Zeitraum Juli bis Dezember 2021 genommen hat. Er ist der Ansicht, die Auslegung der Tarifnorm ergebe, dass Beschäftigte im Dreischichtbetrieb privilegiert werden sollten, indem ihnen die Zeit der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhepausen vergütet werde. In den Pausen habe er sich gleichsam in „Daueralarmbereitschaft“ befunden. Allein die Möglichkeit, dass der sich dort befindende Monitor durch Aufblinken einen Störfall an einer Maschine anzeigt und er von einem Vorgesetzten hätte gebeten werden können, seine Pause zu unterbrechen, habe ihn in eine permanente „Hab-Acht-Stellung“ versetzt, die dem Erholungseffekt der Pause entgegengestanden hätte.

     

    Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Das LAG Rheinland-Pfalz wies die Berufung des ArbN zurück.

     

    Entscheidungsgründe

    Das BAG (21.8.24, 5 AZR 266/23, Abruf-Nr. 244713) wies die Revision des ArbN ebenfalls zurück. Das LAG habe zu Recht einen Anspruch des ArbN auf Vergütung der Pausen verneint.

     

    Ein Vergütungsanspruch ergebe sich nicht aus dem GMTV. Durch die von ihm genommenen Pausen sei bei dem im Dreischichtbetrieb beschäftigt gewesenen ArbN in statthaft ungleichmäßig verteilter Arbeitszeit jedoch keine regelmäßige Arbeitszeit entfallen. Er habe unstreitig im Durchschnitt die „normale Vollzeit“ nach GMTV ‒ 35 Wochenstunden ohne Pausen ‒ gearbeitet.

     

    Das tarifliche Erfordernis für die Vergütung von Pausen, nämlich das Entfallen von regelmäßiger Arbeitszeit durch die gesetzlich vorgeschriebene Ruhepause, könne nicht im Wege der Auslegung gleichsam „weginterpretiert“ werden. Schon der Wortlaut sei derart klar und eindeutig, dass es sich verbiete, im Dreischichtbetrieb die gesetzlich vorgeschriebene Ruhepause auch zu vergüten, wenn keine regelmäßige Arbeitszeit entfalle. Wenn dies der übereinstimmende Wille der Tarifvertragsparteien gewesen wäre, hätte er im Wortlaut Niederschlag finden müssen. Müsse aber nach der Tarifnorm regelmäßige Arbeitszeit „entfallen“, könne es dafür entgegen der Ansicht des ArbN nicht ausreichen, dass sich durch die gesetzliche Ruhepause, die nach § 4 S. 1 ArbZG die Arbeitszeit gerade unterbreche, die bloße Anwesenheitszeit des ArbN im Betrieb verlängere. Dies sei kein Ausfall von Arbeitszeit i. S. d. GMTV, sondern Folge der gesetzlichen Pausenregelung.

     

    Die Annahme des LAG, die beim ArbG ‒ gestützt auf § 106 S. 1 GewO, § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ‒ mit Zustimmung des Betriebsrats praktizierte Pausengewährung genüge den Anforderungen an eine Ruhepause i. S. d. § 4 S. 1 ArbZG, stehe im Einklang mit der BAG-Rechtsprechung.

     

    Müssten Pausen aufgrund betrieblicher Erfordernisse flexibel festgelegt werden, sei der in § 4 S. 1 ArbZG vorgesehenen Anforderung „im Voraus feststehend“ auch genügt, wenn der ArbN jedenfalls zu Beginn der Pause wisse, dass und wie lange er nunmehr zum Zwecke der Erholung Pause habe und frei über die Nutzung dieses Zeitraums verfügen könne. Dem stehe nicht entgegen, dass nach der Gesetzesbegründung zu Beginn der täglichen Arbeitszeit zumindest ein bestimmter zeitlicher Rahmen feststehen müsse, innerhalb dessen der ArbN seine Ruhepause in Anspruch nehmen könne. Dieser Rahmen werde weder im Gesetz ‒ anders als in § 11 Abs. 2 S. 1 JArbSchG ‒ noch in der Gesetzesbegründung näher zeitlich fixiert. Er könne durch die Rechtsprechung auch nicht willkürfrei näher konkretisiert werden. Es bestehe auch kein Bedürfnis ihn zu konkretisieren, weil sich der Rahmen letztlich aus dem Erfordernis ergebe, innerhalb von sechs bzw. neun Stunden die Pausenzeit festzulegen. Wie die Pausenanordnung konkret ausgeübt werde, unterliege nach § 106 S. 1 GewO, § 315 Abs. 1 BGB der Billigkeitskontrolle.

     

    Des Weiteren bestehe nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Festlegung der Pausenzeiten. Bei der Anordnung von Ruhepausen werde zudem zu berücksichtigen sein, dass deren Zweck (insbesondere Erholung, Regeneration und Nahrungsaufnahme) in der Regel verlange, die Pausen nicht direkt an den Anfang oder kurz vor das Ende der Arbeitszeit des ArbN zu legen.

     

    Relevanz für die Praxis

    Auch das Unionsrecht konnte der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Die Ruhepause im Sinne von § 4 ArbZG ist arbeitszeitrechtlich Ruhezeit. Art. 2 Nr. 1 der Arbeitszeit-RL definiert den Begriff Arbeitszeit als „jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer … arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt“. In Art. 2 Nr. 2 der RL wird der Begriff Ruhezeit negativ definiert als „jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit“. Nach der Arbeitszeit-RL ist eine Zeitspanne entweder als Arbeitszeit oder als Ruhezeit einzustufen, weil die Richtlinie keine Zwischenkategorie vorsieht (EuGH 11.11.21, C-214/20-Dublin City Council).

     

    Arbeitszeit im Sinne der Arbeitszeit-RL sind Zeitspannen, während deren dem ArbN Einschränkungen von solcher Art auferlegt werden, dass sie seine Möglichkeit, die Zeit frei zu gestalten und sich seinen eigenen Interessen zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigen. Erreichen die Einschränkungen keinen solchen Intensitätsgrad und erlauben diese es dem ArbN, über seine Zeit zu verfügen und sich ohne größere Einschränkungen seinen eigenen Interessen zu widmen, liegt keine Arbeitszeit nach der RL vor. In unionsrechtskonformer Auslegung des Arbeitszeitgesetzes schloss sich das BAG dieser Rechtsprechung an (BAG 23.8.23, 5 AZR 349/22).

     

    Im Streitfall habe der ArbN ‒ außer der subjektiven Befindlichkeit einer „Hab-Acht-Stellung“, in der er sich beim Aufenthalt in der Kantine während der Pausen wegen des dortigen Monitors befunden haben will ‒ nicht einmal ansatzweise Tatsachen vorgetragen, die die Annahme rechtfertigen könnten, er habe seine Pausen zwingend in der Kantine und dort mit Blick auf den Monitor verbringen müssen. Entsprechende Anweisungen des ArbG habe der ArbN nicht vortragen. Er habe auch für keinen einzigen Monat des Streitzeitraums eine Pause benannt, die er auf Anordnung eines Vorgesetzten zur Behebung einer Störung an einer Maschine ab- bzw. unterbrechen musste. Damit seien dem ArbN in den Ruhepausen keine Einschränkungen auferlegt, die ihn objektiv hinderten, sich zu entspannen und Tätigkeiten nach eigener Wahl zu widmen.

    Quelle: Ausgabe 01 / 2025 | Seite 3 | ID 50267685