· Fachbeitrag · Schadenersatzansprüche
Wann muss der ArbN Detektivkosten beiwirksamer Verdachtskündigung erstatten?
Eine Erstattungspflicht für Detektivkosten, die der ArbG aufgewendet hat, durch den ArbN kommt dann in Betracht, wenn die durch die Detektei ermittelten Tatsachen zu einem so schwerwiegenden Verdacht einer vorsätzlichen Vertragsverletzung führen, dass eine hierauf begründete und ausgesprochene Verdachtskündigung als begründet angesehen werden muss. Die Belastungstatsachen müssen dabei schuldhafte (§ 619a BGB) Verletzungen arbeitsvertraglicher Haupt- oder Nebenpflichten darstellen. Solche Verletzungshandlungen können insbesondere darin liegen, dass der ArbN die Pflicht zur Rücksichtnahme auf Rechte, Rechtsgüter und Interessen des ArbG schuldhaft verletzt (BAG 26.9.13, 8 AZR 1026/12, Abruf-Nr. 141175). |
Sachverhalt
Der ArbN war als Busfahrer im Schichtdienst bei einem Busunternehmen beschäftigt. Im Jahr 2009 wies der ArbN neun Arbeitsunfähigkeitszeiträume zwischen fünf Tagen und fünf Wochen auf.
Im Jahr 2010 wurde nach zwei Arbeitsunfähigkeitszeiträumen auf Antrag des ArbG ein Untersuchungstermin für den ArbN beim medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) für den 2.3.10 bestimmt. Diesen nahm der ArbN ebenso wie einen weiteren Termin am 11.3.10 nicht wahr. Auf Nachfragen des ArbG teilte er mit, die entsprechenden Ladungen habe er erst zu spät erhalten.
Nach Einreichung einer weiteren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB) bis zum 22.3.10 ließ der ArbG den ArbN zwischen dem 16.3. und dem 21.3.10 von einer Detektei observieren. Diese stellte fest, dass der ArbN in einem von seiner Ehefrau geführten Bistro in der Zeit der Arbeitsunfähigkeit verschiedene Einkäufe mit dem PKW tätigte, seine Ehefrau abholte, ein Schild mit den Öffnungszeiten anbrachte und zwei volle Getränkekisten aus dem Kofferraum ins Bistro trug. Für die Observation wurden dem ArbG seitens der Detektei insgesamt 11.946,88 EUR netto in Rechnung gestellt.
Mit Schreiben vom 31.3.10, in dem die Observierung nicht erwähnt wurde, warf der ArbG dem ArbN vor, sich zweimal der Untersuchung durch den MDK entzogen zu haben. Hierauf reagierte der ArbN mit Vorlage einer neuen AUB ab dem 1.4.10 und einem Anwaltsschreiben vom 8.4.10. Eine weitere vom ArbN vorgelegte AUB verhält sich über eine Arbeitsunfähigkeit bis zum 5.5.10.
Im Rahmen einer neuen Observierung durch die Detektei zwischen dem 23.4. und dem 25.4.10 fielen weitere Kosten für die Überwachung in Höhe von 1.000 EUR zzgl. Mehrwertsteuer an. Unter dem 30.4.10 hielt der ArbG dem ArbN seine Aktivitäten in dem Bistro vor und drohte ihm eine Kündigung an. Der ArbN stritt ab, im Bistro gearbeitet oder Aktivitäten verrichtet zu haben.
Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte der ArbG dem ArbN unter dem 14.5.10 außerordentlich und hilfsweise fristgemäß zum 31.8.10. Unter dem 11.11.10 sprach der ArbG eine erneute außerordentliche hilfsweise fristgemäße Kündigung wegen Nichtweiterleitung vereinnahmter Bargelder aus.
Der ArbN erhob eine Kündigungsschutzklage gegen die ausgesprochenen Kündigungen. Widerklagend verlangt der ArbG Ersatz der entstandenen Detektivkosten in Höhe von insgesamt 12.946,88 EUR. Vor dem Arbeitsgericht wurde die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Der ArbN wurde auf die Widerklage hin verurteilt, 1.000 EUR an Detektivkosten an den ArbG zu erstatten. Die hiergegen von beiden Parteien eingelegten Berufungen vor dem LAG Hessen (18 Sa 492/11) blieben erfolglos. Die Revision des ArbN hinsichtlich seiner Verurteilung zur Zahlung von Detektivkosten führte zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LAG.
Entscheidungsgründe
Hierzu führte der 8. Senat des BAG aus, dass der ArbN zwar bei Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten gemäß § 280 Abs. 1 BGB verpflichtet sein könne, dem ArbG die notwendigen Kosten, die durch die Einschaltung einer Detektei entstanden seien, zu ersetzen. Dies setze hingegen voraus, dass der ArbG aufgrund eines konkreten Tatverdachts dem Detektiv bzw. der Detektei die Überwachung des ArbN übertragen habe und der ArbN einer vorsätzlichen Vertragsverletzung überführt werde.
Die Schadenersatzpflicht nach § 249 BGB erstrecke sich grundsätzlich auf alle Aufwendungen des Geschädigten, soweit sie nach den Umständen des Falls als notwendig anzusehen seien. Dabei verlange § 254 BGB allerdings von dem Geschädigten die Rücksichtnahme auch auf die Interessen des Schädigers und die Geringhaltung des Schadens. Dies bedeute, dass der ArbG nur die Erstattung solcher Kosten verlangen könne, die ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender ArbG nach den Umständen des Einzelfalls zur Beseitigung der Störung und zur Schadensverhütung als erforderlich ansehen durfte.
Bei einer Verdachtskündigung müsse der als Kündigungsgrund angenommene Verdacht objektiv durch sogenannte Belastungstatsachen begründet werden. Er müsse überdies so dringend sein, dass eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, dass der gekündigte ArbN die Straftat oder Pflichtverletzung begangen habe. Insofern stehe nach den Feststellungen des LAG Hessen gerade nicht fest, dass die Observation des ArbN durch die Detektei vorgelagerte und den Verdacht als Hilfstatsachen begründende Pflichtwidrigkeiten des ArbN erbracht habe.
Soweit das LAG feststelle, der ArbN habe sich zumindest genesungswidrig verhalten „falls er nicht mehr an Schmerzen litt“ handele es sich nicht um eine Hilfstatsache, sondern um eine Vermutung. Genesungswidrig könne sich ein ArbN nämlich nur verhalten, wenn er tatsächlich arbeitsunfähig gewesen sei. Die Kündigung sei hingegen vom LAG auf den schwerwiegenden Verdacht tatsächlich bestehender Arbeitsfähigkeit und erschlichener Entgeltfortzahlung gestützt worden. Nur soweit durch Feststellungen der Detektei im Rahmen der Observation diese Vermutung erhärtet worden sei, könne der ArbG die Aufwendungen, die ihm durch das Detektivbüro in Rechnung gestellt worden seien, als notwendig ansehen und vom ArbN erstattet verlangen.
Eine Ersatzpflicht des ArbN könne daher nur angenommen werden, wenn die Observation im April 2010 Indizien erbracht habe, die aufgrund eines vorsätzlichen Verhaltens des ArbN darauf hin deuteten, dass er in Wahrheit nicht erkrankt gewesen sei. Daher müsse das LAG im Rahmen der Zurückverweisung des Rechtsstreits bezüglich der Detektivkosten prüfen, ob für die Entscheidung des LAG über die Kündigung maßgebliche Hilfstatsachen auf die Observation durch das Detektivbüro im Zeitraum zwischen dem 23. und 25.4.10 zurückzuführen seien. Die Darlegungslast nach § 619a BGB dafür, dass der ArbN vorsätzlich seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis so verletzt habe, dass er dem ArbG gegenüber nach § 280 Abs. 1 BGB schadenersatzpflichtig sei, liege beim ArbG. Hierauf weist das BAG ausdrücklich hin.
Praxishinweis
Die Erstattung von Detektivkosten steht nach dem Urteil des 8. Senats unter zwei gravierenden Voraussetzungen:
- Zunächst muss ein schwerwiegender Verdacht einer vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung gerade durch das Tätigwerden des eingeschalteten Detektivbüros ermittelt worden sein. Dies bedeutet, dass objektive Belastungstatsachen durch die Tätigkeit der Detektei zutage gefördert werden müssen, auf die erfolgreich eine Tat- oder Verdachtskündigung gestützt werden kann. Weder Zufallsergebnisse, noch das Stützen der Kündigung auf eine andere Tatsachengrundlage berechtigen den ArbG, vom ArbN, auch wenn dieser mit der Kündigungsschutzklage nicht obsiegt, die Erstattung der Detektivkosten zu fordern.
- Darüber hinaus muss der ArbG nach § 254 BGB versuchen, den Schaden möglichst gering zu halten. Er darf nur Ermittlungskosten in einem solchen Umfang erstattet verlangen, die vernünftigerweise bei wirtschaftlicher Betrachtung nach den Umständen des Einzelfalls gerechtfertigt waren.
Checkliste / Erstattung von Detektivkosten |
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