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  • · Fachbeitrag · Versetzung

    Versetzungsauswahl nur unter entfristet beschäftigten Arbeitnehmern?

    Bei der Versetzung aus dienstlichen Gründen hat der ArbG billiges Ermessen nach § 106 GewO zu wahren. Es ist dabei unzulässig, nur ArbN auszuwählen, die zuvor befristet beschäftigt waren und nunmehr aufgrund einer Rechtsprechungsänderung unbefristet tätig sind (BAG 10.7.13, 10 AZR 915/12, Abruf-Nr. 132468).

     

    Sachverhalt

    ArbN A war seit Juli 2009 bei einer Agentur für Arbeit befristet bis zum 31.12.11 tätig. Durch einer Rechtsprechungsänderung wurde eine Befristung aus haushaltsrechtlichen Gründen für die Bundesagentur für Arbeit für unwirksam erklärt. Daher wurde bei der A und bei zahlreichen Kolleginnen und Kollegen eine Entfristung des Arbeitsverhältnisses vorgenommen.

     

    Nach dieser Entfristung hörte die Agentur für Arbeit unter dem 21.6.11 die ArbN zur beabsichtigten Versetzung in eine andere Stadt an. Diese Versetzung wurde mit dem tariflichen Versetzungsrecht begründet und damit, dass in der ursprünglichen Dienststelle zu wenige Stellen im Haushaltsplan vorgesehen seien.

     

    In die Auswahl der zu versetzenden ArbN bezog die Agentur für Arbeit als ArbG nur Mitarbeiter ein, die zuvor befristet eingestellt worden waren und - wie die A - nunmehr unbefristet für die Agentur für Arbeit tätig sind. Unter dem 14.7.11 nahm die Agentur für Arbeit eine Versetzung der A an einen anderen Dienstort vor.

     

    Die hiergegen gerichtete Klage der A war in allen Instanzen erfolgreich.

     

    Entscheidungsgründe

    Der 10. Senat des BAG hat im Einklang mit den Vorinstanzen entschieden, dass die streitgegenständliche Versetzung der A unwirksam ist. Zwar ergebe sich aus § 106 GewO und den entsprechenden tarifvertraglichen Regelungen die Befugnis, ArbN an einen anderen Arbeitsort zu versetzen. Hierbei habe der ArbG aber billiges Ermessen im Sinne der § 106 GewO, § 315 BGB zu wahren. Dies sei jedoch bei der Versetzung der A an einen anderen Dienstort nicht geschehen.

     

    Die Auswahl der in den Kreis der möglicherweise zu versetzenden ArbN einzubeziehenden Mitarbeiter sei nur auf die zuvor befristet Beschäftigten eingeschränkt worden. Im Rahmen billigen Ermessens hätten hingegen auch alle unbefristet Beschäftigten in die Auswahl einbezogen werden müssen. Erst dann hätte der ArbG prüfen müssen, welchen ArbN die Versetzung am ehesten zumutbar sei.

     

    Dies begründet das BAG vor allem damit, dass unabhängig von einer vorherigen befristeten Beschäftigung die Ausgagslage für alle Mitarbeiter gleich 
gewesen sei. Bei allen unbefristet tätigen ArbN hätte ein tarifvertragliches Versetzungsrecht und die Unterzahl an Stellen in der Agentur für Arbeit des ursprünglichen Beschäftigungsortes bestanden. Keine Rolle spiele, dass die A und einige ihrer Kollegen zuvor lediglich befristet eingestellt worden 
waren.

     

    Auch die Behauptung des ArbG, er könne aus haushaltsrechtlichen Gründen die auf „Planstellen“ tätigen ArbN nicht in die Auswahl der zu versetzenden ArbN einbeziehen, überzeuge nicht. Insofern verweist das BAG darauf, dass der Stellenplan nur aussage, für wie viele ArbN Stellen vorhanden seien. Er sehe hingegen keine Bindung bestimmter ArbN an bestimmte „Planstellen“ vor.

     

    Praxishinweis

    Der ArbG muss bei der Überlegung, welchem Mitarbeiterkreis bzw. welchem Mitarbeiter eine Versetzung zumutbar ist, nach ähnlichen Erwägungen wie bei der Sozialauswahl der betriebsbedingten Kündigung vorgehen, um das gesetzlich vorgeschriebene „billige Ermessen“ zu wahren. Daher ist im Rahmen dieser Überlegungen bereits bei der Auswahl des Personenkreises, der für eine Versetzung grundsätzlich in Betracht kommt, sorgfältig vorzugehen. Ist bereits auf dieser Stufe die Auswahl des in Betracht kommenden Kreises der ArbN nicht korrekt, vor allem nicht umfangreich genug gefasst, ist die Versetzung trotz Vorliegens eines einleuchtenden Versetzungsgrundes unwirksam.

     

    Checkliste / Vorgehen des ArbG bei Versetzungen

    • Handelt es sich bei der geplanten Maßnahme begrifflich um eine Versetzung? (Legaldefinition § 95 Abs. 3 BetrVG = Zuweisung eines neuen Arbeitsbereich für mehr als einen Monat oder erhebliche Änderung der Umstände der 
Arbeitsleistung).

     

    • Wenn +: Besteht ein Betriebsrat (BR) im Betrieb des ArbG?

     

    • Wenn +: Mitteilung an den BR nach § 99 Abs. 1 BetrVG unter vollständiger 
Mitteilung aller Umstände und des auswahlrelevanten Personenkreises.

     

    • Nach Zustimmung des BR oder Ersetzung durch das ArbG nach § 99 Abs. 4 BetrVG: Durchführung der Versetzung.

     

    • Bei Bildung des auswahlrelevanten Personenkreises ist dieser weit genug zu fassen. Es sind die sozialen Auswahlkriterien wie Alter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und Belastung durch die Versetzung in der konkreten 
Lebenssituation angemessen zu berücksichtigen.
     

    Weiterführender Hinweis

    • Kriterien der Zuweisung eines neuen Arbeitsortes durch Versetzung des ArbN: BAG AA 13, 120
    • Die Krux mit den Versetzungsklauseln im Arbeitsvertrag - Weniger ist mehr: Laskawy/Rehfeld, AA 12, 43
    Quelle: Ausgabe 12 / 2013 | Seite 201 | ID 42407469