· Fachbeitrag · AGG: Entschädigung und Schadenersatz
Bei welchen Indizien ist von einer subjektiv nicht ernsthaften Bewerbung auszugehen?
Eine Bewerberin, die den stellenausschreibenden ArbG bereits in mehreren Prozessen erfolglos auf Entschädigungszahlungen nach dem AGG verklagt hat und ihm überdies die Erstattung von Prozesskosten aus den Vorprozessen schuldig geblieben ist, kann subjektiv nicht ernsthaft damit rechnen, bei einer erneuten Stellenausschreibung dieses ArbG berücksichtigt zu werden. Insbesondere, wenn zudem bundesweit von dieser Bewerberin Prozesse gegen weitere ArbG angestrengt werden, deuten starke Indizien darauf, dass es der Bewerberin nur um die Anstrengung einer weiteren gerichtlichen Auseinandersetzung geht (LAG Hamburg 19.2.14, 3 Sa 39/13, Abruf-Nr. 171533). |
Sachverhalt
Die Bewerberin verlangt vom ArbG Zahlung einer Entschädigung wegen behaupteter Benachteiligung bei einer Besetzung einer ausgeschriebenen Stelle. Die ArbN ist über 50 Jahre alt und russischer Herkunft. Sie hat ein Informatikstudium absolviert. Der ArbG war bereits in der Vergangenheit zweimal von der Bewerberin erfolglos auf Zahlung von Entschädigung gerichtlich in Anspruch genommen worden.
Am 5.7.12 schrieb der ArbG eine Stelle als „Softwareentwickler Microsoft.Net (w/m) ...“ und eine Stelle als „Softwareentwickler Microsoft.Net (w/m) ...“ aus. Auf diese Positionen bewarb sich die Bewerberin mittels des vom ArbG eingerichteten Onlinebewerbungstools. Nach Abschluss des Bewerbungsverfahrens lehnte der ArbG die Bewerberin am 5.10.12 ab.
Mit der Klage vom 19.9.12 hat sie vom ArbG ursprünglich die Bescheidung über ihre Bewerbungen begehrt. Nach Erhalt der Ablehnungen hat die Bewerberin die Klage auf Zahlung einer zeitlich unbegrenzten monatlichen Entschädigung in Höhe von 1.000 EUR umgestellt. Überdies begehrt sie nun eine zeitlich unbegrenzte weitere Entschädigungszahlung in Höhe von 3.000 EUR monatlich. Hierzu hat sie die Ansicht vertreten, dass sie vom ArbG wegen der Merkmale „Geschlecht“, „Alter“ und „russischer Herkunft“ nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen und damit mehrfach diskriminiert worden sei.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen
Entscheidungsgründe
Das LAG bewertet die Klage als rechtsmissbräuchlich. Die Bewerbung bei dem ArbG habe dazu gedient, einen Anlass für die Erhebung einer weiteren Entschädigungsklage zu schaffen, ohne dass die Bewerberin ernsthaft die Absicht gehabt habe, von dem ArbG bei der Stellenbesetzung berücksichtigt zu werden. Die Überzeugung der Kammer ergebe sich aus mehreren Indizien:
- Unstreitig sei die ArbN in einer Vielzahl von Verfahren bundesweit als sogenannte AGG-ArbN (AGG-Hopperin) aufgetreten. Hierin allein liege allerdings noch kein ausreichender Umstand, der die Bewerbung bei dem ArbG als subjektiv nicht ernsthaft erscheinen ließe. Jedenfalls im vorliegenden Verfahren kämen aber weitere Umstände hinzu, die das Vorgehen der ArbN als rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen würden.
- Die Bewerberin habe den ArbG bereits in der Vergangenheit zu Unrecht auf Zahlung von Entschädigungen verklagt. Überdies schulde sie dem ArbG nach wie vor die Kostenerstattung aus einer dieser Rechtsstreitigkeiten. Ihr habe daher von vornherein klar sein müssen, dass ihre Bewerbung erfolglos bleiben würde. Von einem ArbG könne nicht erwartet werden, dass er eine Bewerbung berücksichtige oder dies auch nur ernsthaft in Erwägung ziehe, wenn die Bewerberin ihn schon mehrfach zu Unrecht verklagt habe und ihm darüber hinaus die Kostenerstattung schuldig geblieben sei. Dass sich die Bewerberin gleichwohl erneut bei dem ArbG beworben habe, deute bereits darauf hin, dass es ihr letztlich nur darum gehe, einen Anlass für die Erhebung einer Entschädigungsklage zu schaffen.
- Hinzu kämen die von der Bewerberin mit der Klage verfolgten Rechtsschutzziele. Zunächst hat sie am 19.9.12 Klage auf Berücksichtigung und Beantwortung ihrer Bewerbungen vom 10.7.12 erhoben, obwohl sie die ArbG noch am 6.9.12 an ihre Bewerbungen erinnert habe. Eine Bewerberin, der es ernsthaft darum gegangen wäre, dass ihre Bewerbungen Berücksichtigung finden, wäre nicht so vorgegangen. Sie hätte vielmehr zunächst abgewartet, ob in angemessener Zeit nach dem 6.9.12 eine Absage oder eine sonstige Reaktion des ArbG erfolgt wäre.
- Angemessen wäre insofern zumindest ein Zeitraum von einem Monat gewesen. Bewerbungsprozesse benötigen erfahrungsgemäß mitunter erhebliche Zeit, abhängig von der Anzahl der Bewerbungen und der Komplexität des Auswahlverfahrens. Die Erhebung der Klage weniger als zwei Wochen, nachdem die Bewerberin an ihre Bewerbungen erinnert habe, verdeutliche, dass es ihr letztlich nur auf eine erneute gerichtliche Auseinandersetzung mit dem ArbG ankam.
Praxishinweis
In erfreulicher Klarheit werden vom LAG Hamburg Indizien benannt, die für den ArbG-Vertreter auch in anderen Fällen des sogenannten „AGG-Hoppings“ als Richtschnur dienen können. Zumindest dann, wenn eine Bewerberin, die bundesweit Partei von Entschädigungsprozessen ist, sich mehrfach erfolglos auf Ausschreibungen eines ArbG bewirbt, ist von einer subjektiv ernsthaften Bewerbung nicht mehr auszugehen. Eine solche Bewerbung dient nicht dazu, eine Arbeitsstelle zu erhalten, sondern dem Zweck, die Ausgangsbasis für eine Klage auf Entschädigung bzw. Schadenersatz nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG zu schaffen.
Weiterführende Hinweise
- Schadenersatz und Entschädigung nach § 15 AGG in AA 14, 116
- Zweimonatige Frist nach § 15 Abs. 4 AGG in AA 12, 129