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  • · Fachbeitrag · Minderjährige

    Besonderheiten bei der Kündigung von Arbeits- und Berufsausbildungsverträgen

    von RAin Dr. Cornelia Hansen, LL.M., FAin für Arbeitsrecht, Münster

    | Bei der einseitigen Beendigung von Arbeitsverträgen und Berufsausbildungsverträgen mit Minderjährigen stellen sich bei der Zustellung der Kündigung teils unerwartete Probleme. Die Kündigung von Berufsausbildungsverträgen weist darüber hinaus weitere Stolpersteine auf, die der Ausbilder im Blick haben muss. |

    1. Beendigung von Arbeitsverhältnissen mit Minderjährigen

    Schließt ein Minderjähriger über 7, aber unter 18 Jahren (§§ 2, 106 BGB) einen Arbeits- oder Berufsbildungsvertrag bzw. ändert dessen Inhalt, muss der gesetzliche Vertreter als Wirksamkeitsvoraussetzung dem zustimmen (§§ 107, 108 BGB). Erforderlich ist regelmäßig die Zustimmung beider Elternteile (§ 1629 Abs. 1 S. 2 BGB), es sei denn, ein Elternteil hat das alleinige Sorge- und Vertretungsrecht. Gleichermaßen wird eine gegenüber dem Minderjährigen abgegebene Willenserklärung nach § 131 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 BGB erst wirksam, wenn sie den gesetzlichen Vertretern zugeht.

     

    Ausnahme von Zustimmungspflicht durch Ermächtigung der Eltern

    Von diesen Grundsätzen macht § 113 BGB eine Ausnahme. Danach können die Eltern durch eine Art Generalermächtigung ihrem minderjährigen Kind ermöglichen, ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis zu begründen und die damit im Zusammenhang stehenden Entscheidungen alleine wirksam zu treffen. Das entspricht dem praktischen Bedürfnis, dass der Minderjährige im Arbeitsverhältnis Entscheidungen treffen können soll, ohne jedes mal den Erziehungsberechtigten um Zustimmung zu bitten. Wegen der hohen Bedeutung der Ermächtigung reicht dafür ein bloßes Dulden der Tätigkeiten des Minderjährigen nicht aus. An eine konkludente Ermächtigung sind hohe Anforderungen zu stellen (vgl. BAG 19.7.74, 5 AZR 517/73).

     

    Folgen der Ermächtigung nach § 113 Abs. 1 S. 1 BGB

    Liegt die Ermächtigung vor, ist der Minderjährige für alle Rechtsgeschäfte unbeschränkt geschäftsfähig, die die das Eingehen und Beenden des Arbeitsverhältnisses und die sich daraus ergebenen Verpflichtungen betreffen. Der Jugendliche steht also für alle verkehrsüblichen - nicht jedoch ungewöhnlich belastenden - Geschäfte dem vollgeschäftsfähigen ArbN gleich (vgl. BAG 8.6.99, 3 AZR 71/98). Konsequenterweise kann dann auch gegenüber dem Minderjährigen wirksam die Kündigung erklärt werden (vgl. LAG Hamm 8.9.70, 3 Sa 481/70; Palandt, 73. Auflage, § 113, Rn. 4 m.w.N.). Auf einen Zugang beim gesetzlicher Vertreter kommt es nicht an.

     

    Beachte | Selbst wenn dem ArbG eine solche Ermächtigung des gesetzlichen Vertreters vorliegt, bedeutet dies nicht zwingend, dass der Vertrag mit dem Jugendlichen durch eine ihm gegenüber erklärte Kündigung beendet wird.

     

    Der gesetzliche Vertreter kann nach § 113 Abs. 2 BGB die Ermächtigung jederzeit durch Erklärung auch nur gegenüber dem Minderjährigen zurücknehmen oder einschränken (vgl. Palandt, a.a.O., § 113, Rn. 5, 1, § 112 Rn. 2). Es gilt dann wieder der Grundsatz, dass eine gegenüber dem Jugendlichen abgegebene Willenserklärung nach § 131 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 BGB erst wirksam wird, wenn sie dem gesetzlichen Vertreter zugeht.

     

    Folgen für den ArbG bei fehlender Ermächtigung

    Der irrige Glauben an das Vorliegen einer Ermächtigung kann erhebliche Konsequenzen nach sich ziehen. Man denke nur an die fristgebundene außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB. Geht die Kündigung im Falle der (dem ArbG nicht bekannten) widerrufenen Ermächtigung nicht innerhalb der Zwei-Wochen-Frist dem gesetzlichen Vertreter zu, ist sie unwirksam. Die fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann dann nicht mehr auf den Grund gestützt werden, der Anlass der außerordentlichen Kündigung war. Es bleibt nur die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung bzw. der Abmahnung.

     

    PRAXISHINWEIS | Um diese Stolperfalle zu umgehen, ist dringend zu empfehlen, bei Kündigungen gegenüber Minderjährigen die Kündigung rein vorsorglich stets auch dem gesetzlichen Vertreter zuzustellen. Darüber hinaus kann der ArbG mit dem gesetzlichen Vertreter des jugendlichen ArbN vereinbaren, dass ein etwaiger Widerruf der Ermächtigung auch dem ArbG unverzüglich mitzuteilen ist. Diese Abrede alleine schützt den ArbG jedoch nicht ausreichend, da die Nichtbeachtung der Vereinbarung seitens des Vertreters die Wirksamkeit des Widerrufs der Ermächtigung nicht tangiert.

     

    2. Besonderheiten bei Berufsausbildungsverhältnissen

    Weitere bzw. andere Besonderheiten bringt die Kündigung von Berufsausbildungsverhältnissen mit sich.

     

    Ermächtigungsmöglichkeit nach § 113 BGB gilt hier nicht

    Zu beachten ist zunächst, dass bei Berufsausbildungsverträgen mit Minderjährigen § 113 BGB nach überwiegender Meinung insgesamt nicht greift. Der gesetzliche Vertreter kann also gegenüber dem minderjährigen Auszubildenden keine wirksame Ermächtigung erteilen. Auch § 10 Abs. 2 BBiG ist nach h.M. so auszulegen, dass § 113 BGB keine Anwendung findet. Begründet wird dies damit, dass bei Berufsausbildungsverträgen der Ausbildungszweck und nicht das „in Arbeit bzw. in Dienst treten“ im Vordergrund steht (vgl. Palandt, a.a.O., § 113, Rn. 2; Erfurter Kommentar-Schlachter, 14. Aufl., § 10 BBiG, Rn. 4; offengelassen BAG 8.12.11, 6 AZR 354/10). Möchte der Ausbilder den Vertrag wirksam kündigen, muss die Kündigungserklärung gem. § 131 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 BGB also dem gesetzlichen Vertreter zugehen.

     

    Es gelten eingeschränkte Kündigungsmöglichkeiten

    Altersunabhängig sind bei der Kündigung eines Berufsausbildungsvertrags durch den Ausbilder stets die weiteren Besonderheiten des BBiG zu beachten. Zunächst kann nach § 22 Abs. 2 BBiG nach der Probezeit - nach § 20 BBiG höchstens vier Monate - das Berufsausbildungsverhältnis vom Ausbilder nur aus wichtigem Grund gekündigt werden. Die ordentliche Kündigung ist per se ausgeschlossen. Die beim Arbeits- und Dienstvertrag aus § 626 BGB bekannte zweiwöchige Ausschlussfrist gilt nach § 22 Abs. 4 BBiG auch bei der Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses.

     

    Zudem ist die Rechtsprechung bei der Annahme eines wichtigen Grunds hier noch zurückhaltender als bei Arbeitsverträgen. Voraussetzung ist danach, dass dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragspartner und des Charakters der Ausbildung als Erziehungsverhältnis die Fortsetzung nicht zuzumuten ist (vgl. Beckers, Fachanwaltskommentar Arbeitsrecht, 5. Aufl., § 22 BBiG, Rn. 4).

     

    Besondere Formalien sind zu beachten

    Weiter sind die zwingenden Formalia des § 22 Abs. 3 BBiG zu beachten. Danach ist Schriftform Zwang. Anders als beim Arbeitsvertrag muss die Kündigung aus wichtigem Grund (d.h. jede Kündigung außerhalb der Probezeit) zudem unmittelbar die Kündigungsgründe enthalten. Die die Kündigung begründenden Tatsachen müssen so eindeutig beschrieben werden, dass der fragliche Lebenssachverhalt auch im Falle eines Gerichtsverfahrens nicht ernsthaft zweifelhaft sein kann und die Erfolgsaussichten einer Klage erkennbar sind. Fehlt diese Begründung oder ist sie unzureichend, ist die Kündigung wegen Formmangel nach § 125 S. 1 BGB nichtig. Auch ein Nachschieben von Gründen heilt diesen Mangel nicht (vgl. Erfurter Kommentar, § 22 BBiG, Rn. 7 m.w.N.).

     

    Leitgedanke bei Abmahnungen ist das Ausbildungsverhältnis

    Auch bei kündigungsvorbereitenden Abmahnungen sollte stets die Besonderheit des Berufsausbildungsverhältnisses im Blick behalten werden. Im Vordergrund stehen das Erziehungsverhältnis und der Zweck, den Auszubildenden zu schulen. Daher ist nicht jedes Verhalten abmahnwürdig, welches beim Arbeitsverhältnis eine Abmahnung rechtfertigt.

     

    PRAXISHINWEIS | Die Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses durch den Ausbilder sollte bei minderjährigen Auszubildenden grundsätzlich dem Erziehungsberechtigten zugestellt werden. Sie muss schriftlich erfolgen und die Gründe der Kündigung umfassend enthalten. Nach der Probezeit ist die ordentliche Kündigung ausgeschlossen. Es kommt nur eine außerordentliche Kündigung in Betracht. Diese muss innerhalb der Ausschlussfrist von zwei Wochen ausgesprochen werden. Die Anforderungen an den wichtigen Grund sind sehr hoch. Es sind stets der Erziehungs- und Schulungszweck des Berufsausbildungsverhältnisses zu beachten.

     

     

    Weiterführender Hinweis

    • Azubi muss Schmerzensgeld für Verletzung des Kollegen zahlen: Hess. LAG in AA 13, 200
    Quelle: Ausgabe 03 / 2014 | Seite 51 | ID 42525836