01.04.2008 | AGG
Schadenersatz: Benachteiligung aus Gründen der Religion bei Einstellung im Tendenzbetrieb?
Das Selbstverständnis einer Religionsgemeinschaft ist kein absoluter und abschließender Maßstab für eine unterschiedliche Behandlung von Bewerbern. Dieses spielt für die konkrete Tätigkeit nur eine entscheidende Rolle, wenn diese dazu in einer direkten Beziehung steht (ArbG Hamburg 4.12.07, 20 Ca 105/07, Abruf-Nr. 080898). |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Das Diakonische Werk (Teil der Nordelbischen Evangelisch-lutherischen Kirche) hatte eine Stelle für einen Sozialpädagogen in dem Projekt „Integrationslotse“ ausgeschrieben. Hier ging es um ein Schulungs- und Informationsangebot im Bereich der beruflichen Integration von erwachsenen Migranten. Die Zugehörigkeit des Bewerbers zu einer christlichen Kirche wurde vorausgesetzt. Die Bewerberin ist Deutsche türkischer Herkunft und gehört keiner christlichen Kirche an. Auf Nachfrage teilte sie mit, keine Religion zu praktizieren. Auch halte sie den Eintritt in die Kirche nicht für nötig, da die Stelle keinen religiösen Bezug aufweise.
Der ArbG lehnte die Bewerberin ab. Diese fühlte sich dadurch wegen ihrer Religion benachteiligt und verlangte Schadenersatz. Das Arbeitsgericht sprach ihr eine Entschädigung gem. § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von drei Monatsverdiensten zu. Die Kernargumente lauten:
- § 9 Abs. 1 AGG müsse richtlinienkonform (Artikel 4 Abs. 2 RL 2000/78/EG vom 27.11.00) ausgelegt werden.
- Bei richtlinienkonformer Auslegung könne das Selbstverständnis einer Religionsgemeinschaft bei der Bewerberauswahl nur zum Tragen kommen, wenn die Tätigkeit in einer direkten Beziehung zu dem religiösen Selbstverständnis stehe. Das sei nicht für jegliche Tätigkeit bei der Kirche anzunehmen, sondern nur für den sog. verkündungsnahen Bereich.
- Im verkündungsfernen Bereich könne daher die Einstellung nicht von der Kirchenzugehörigkeit abhängig gemacht werden.
- Die Anforderung einer Kirchenzugehörigkeit sei nur gerechtfertigt, wenn diese nach Art der Tätigkeit für die betroffene Stelle erforderlich sei. Dies sei nur der Fall, wenn die Tätigkeit den religiösen Hintergrund des ArbG betreffe, d.h. die Tätigkeit (oder das Projektziel) nur von Personen mit Kirchenzugehörigkeit verwirklicht werden könne.
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