01.06.2005 | Arbeitsentgelt
Übertarifliche Zulagen: Wann ist ein Widerruf im Formulararbeitsvertrag wirksam vorbehalten?
1. Die Vertragsklausel in einem Formulararbeitsvertrag, nach der dem ArbG das Recht zustehen soll, „übertarifliche Lohnbestandteile jederzeit unbeschränkt zu widerrufen“, ist gem. § 308 Nr. 4 BGB unwirksam. |
2. Wurde der Formulararbeitsvertrag vor dem 1.1.02 abgeschlossen, ist eine ergänzende Vertragsauslegung zur Schließung der entstandenen Lücke möglich. Es gelten dann die Widerrufsgründe, die die Vertragsparteien zu Grunde gelegt hätten, wenn ihnen die gesetzlich angeordnete Unwirksamkeit der Widerrufsklausel bekannt gewesen wäre. |
Sachverhalt
Dem Kläger standen nach dem am 7.9.98 geschlossenen Arbeitsvertrag neben dem Tariflohn u.a. eine außertarifliche Zulage und Fahrtkostenersatz zu. In dem Vertrag heißt es, die Firma habe das Recht, „diese übertariflichen Lohnbestandteile jederzeit unbeschränkt zu widerrufen“. Unter Bezugnahme auf diesen Widerrufsvorbehalt widerrief die Beklagte die genannten übertariflichen Leistungen gegenüber allen ArbN. Sie berief sich dabei auf ihre schlechte wirtschaftliche Lage. Der Kläger beantragte die gerichtliche Feststellung, dass der Widerruf rechtsunwirksam ist. Er machte geltend, Gründe für einen Widerruf lägen nicht vor. Eine Verrechnung der übertariflichen Bestandteile könne nur bei Tariferhöhungen vorgenommen werden. Der Fahrtkostenersatz sei keine Sondervergütung, sondern Aufwendungsersatz, der einseitig nicht gestrichen werden könne. Die Beklagte begründete ihren Klageabweisungsantrag damit, dass ohne den Widerruf der Bestand des Unternehmens gefährdet sei.
Entscheidungsgründe
Das BAG ist den der Feststellungsklage stattgebenden Entscheidungen der Vorinstanzen nicht gefolgt. Es hat den Rechtsstreit vielmehr zur weiteren Sachaufklärung an das LAG zurückverwiesen.
Das BAG hat es als grundsätzlich zulässig angesehen, die in Rede stehenden Vergütungsbestandteile, die es als übertarifliche Leistungen mit Rechtsanspruch (nicht bloß freiwillige Leistungen i.e.S.) bewertet hat, als widerruflich zu gestalten, falls wirtschaftliche Gründe für einen Widerruf vorlägen. Die Wirksamkeit des Widerrufsrechts sei in erster Linie an § 308 Nr. 4 BGB zu messen. Nach dieser Bestimmung sei die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, unwirksam, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Teil zumutbar sei. Die Vereinbarung eines Widerrufsrechts sei für den ArbN i.S. dieser Vorschrift jedenfalls zumutbar und deshalb wirksam, wenn durch den Widerruf der Tariflohn nicht unterschritten werde und der Schutz gegenüber Änderungskündigungen nicht umgangen werde. Das sei der Fall, wenn der widerrufliche Anteil am Gesamtverdienst unter 25 bis 30 v.H. liege. Diese materiellen Voraussetzungen für die Vereinbarung eines Widerrufsrechts seien im konkreten Fall erfüllt. Auch kämen als zusätzlich erforderlicher Widerrufsgrund die von der Beklagten vorgetragenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten in Betracht.
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