03.06.2008 | Der praktische Fall
Zustellung eines Kündigungsschreibens: Muss Anwalt die Mandantenangaben hierzu prüfen?
Darf sich ein Rechtsanwalt auf die Angaben seines Mandanten zur Zustellung des Kündigungsschreibens verlassen? Oder verletzt er seine anwaltlichen Pflichten, wenn er keine eigenen Nachforschungen betreibt? Diese Fragen können für den Rechtsanwalt von besonderer haftungsrechtlicher Bedeutung werden, wenn die Frist des § 4 S. 1 KSchG zur Einreichung der Kündigungsschutzklage versäumt wird. Der Beitrag gibt Antworten auf die Fragen zur Anwaltshaftung in derartigen Fällen.
Ausgangsfall |
Der Mandant M hatte Rechtsanwalt RA mitgeteilt, dass das Kündigungsschreiben in einem freigestempelten Briefumschlag in seinem Briefkasten lag. Daraus hatte RA geschlossen, dass es mit der Post gesandt worden ist und M frühestens einen Tag nach der Aufgabe zugegangen sein könne. Demgegenüber hatte es das Arbeitsgericht für erwiesen erachtet, dass die Kündigung durch einen Boten gebracht worden und M einen Tag früher zugegangen sei, als RA angenommen hatte. Die Kündigungsschutzklage des M wurde daher wegen Versäumung der Drei-Wochenfrist abgewiesen. M verlangt von RA Schadenersatz. |
Grundsatz: Anwalt darf auf Angaben des Mandanten vertrauen
Grundsätzlich darf ein Rechtsanwalt solange auf die Richtigkeit der tatsächlichen Angaben seines Mandanten vertrauen und braucht insoweit keine eigenen Nachforschungen anzustellen, als er die Unrichtigkeit weder kennt noch erkennen muss. Dieser Grundsatz gilt allerdings nicht in Bezug auf Informationen, die nur scheinbar tatsächlicher Natur sind. Teilt der Mandant eine sogenannte Rechtstatsache mit, muss der Anwalt sie durch Rückfragen in die zugrunde liegenden tatsächlichen Umstände und Vorgänge auflösen oder, sofern dies keine zuverlässige Klärung erwarten lässt, weitere Ermittlungen anstellen (BGH NJW 94, 2293; BGH NJW-RR 95, 825).
Ausnahme: Gesteigerte Pflichten bei Rechtsmittelfristen
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH muss ein Rechtsanwalt im Übrigen alles ihm Zumutbare unternehmen, damit Rechtsmittelfristen gewahrt werden (BGH NJW-RR 98, 786). Dazu gehört vorrangig, dass er eigenverantwortlich das für den Beginn des Laufs der Rechtsmittelfrist maßgebliche Zustellungsdatum feststellt. Er darf sich bei der Formalienprüfung also nicht auf die Angaben der Partei verlassen, sondern muss sich erforderlichenfalls einen Zustellungsnachweis vorlegen lassen oder bei Gericht das Zustellungsdatum erfragen (BGH a.a.O.). Es bedeute nach Ansicht des BGH nur eine geringe Mühe, das genaue Eingangsdatum durch eine telefonische Rückfrage bei der Geschäftsstelle des Gerichts festzustellen. Eine derartige Rückfrage sei im Interesse der Rechtssicherheit von einem Rechtsanwalt zu verlangen, damit das Ende der Rechtsmittelbegründungsfrist zuverlässig festgestellt wird und diese Feststellung nicht in unnötiger Weise von bloßen Mutmaßungen und Wahrscheinlichkeitserwägungen abhängig bleibt.
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