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  • 01.12.2010 | Kirchlicher ArbG

    Die Kündigung von Kirchenangestellten wegen Ehebruchs und das Abwägungsgebot

    von VorsRiLAG a.D. und RA Dr. Lothar Beseler, Meerbusch

    1. Die nationalen Gerichte sind zur Abwägung zwischen dem Recht der ArbN auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK einerseits und den Konventionsrechten der katholischen Kirche und der Mormonenkirche andererseits bei der Gewährung eines ausreichenden Kündigungsschutzes verpflichtet.  
    2. Die Eigenständigkeit von Religionsgemeinschaften ist gegen unzulässige staatliche Einmischung nach Art. 9 EMRK (Religionsfreiheit) i.V.m. Art. 11 EMRK (Vereinigungsfreiheit) geschützt.  
    (EGMR 23.9.10, 425/03, 1620/03, Abruf-Nr. 103656)

     

    Sachverhalt

    Der EMR hatte in zwei Kündigungsstreitigkeiten zu entscheiden, in denen ein kirchlicher ArbG einem ArbN wegen Ehebruchs fristlos gekündigt hatte.  

     

    • Im ersten Fall ging es um einen Gebietsdirektor Öffentlichkeitsarbeit für Europa der Mormonen-Kirche. Er unterrichtete im Dezember 1993 seinen Seelsorger, dass es mit seiner Ehe seit Jahren bergab gehe und er ein außereheliches Verhältnis mit einer anderen Frau gehabt habe. Der ArbG sprach daraufhin die fristlose Kündigung aus. Der ArbN wurde später in einem internen Disziplinarverfahren exkommuniziert. Seine Kündigungsschutzklage wurde schließlich vom BAG unter Hinweis auf ein Urteil des BVerfG vom 4.6.85 (2 BvR 1703/83) abgewiesen.

     

    Das BVerfG nahm die Verfassungsbeschwerde nicht an, da der kirchliche ArbG das Recht habe, Arbeitsverhältnisse eigenständig zu regeln. Arbeitsgerichte seien an die religiösen und moralischen Maßstäbe der Kirchen nur insoweit gebunden, als diese nicht mit den Grundsätzen der Rechtsordnung in Konflikt stünden. Die von der Mormonenkirche geforderte Pflicht zur ehelichen Treue widerspreche der Rechtsordnung aber nicht, da der Ehe im deutschen Grundgesetz auch eine herausragende Bedeutung zukomme. Die Kündigung sei für die Kirche notwendig gewesen, um ihre Glaubwürdigkeit zu bewahren, die angesichts der Tätigkeit des ArbN als Gebietsdirektor Öffentlichkeitsarbeit für Europa in Frage gestanden habe. Im Übrigen sei die Kirche nicht verpflichtet gewesen, eine vorherige Abmahnung auszusprechen, da dem ArbN wegen seiner langjährigen Tätigkeit für die Kirche die Schwere seines Fehlverhaltens habe bewusst sein müssen.

     

    • Im zweiten Fall war ein ArbN seit Mitte der 1980er Jahre bei der katholischen Pfarrgemeinde X als Organist und Chorleiter angestellt, als er sich 1994 von seiner Frau trennte. Von 1995 an lebte er mit seiner neuen Partnerin zusammen. Nachdem seine Kinder im Kindergarten davon gesprochen hatten, dass der ArbN wieder Vater werden würde, führte der Dekan im Juli 1997 zunächst ein Gespräch mit ihm. Wenige Tage später sprach die Gemeinde seine Kündigung mit Wirkung zum April 1998 aus, da er gegen die Grundordnung der katholischen Kirche für den kirchlichen Dienst im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse verstoßen habe. Indem er außerhalb der von ihm geschlossenen Ehe mit einer anderen Frau zusammenlebt, die von ihm ein Kind erwarte, habe er nicht nur Ehebruch begangen, sondern sich auch der Bigamie schuldig gemacht. Die Klage wurde vom LAG ebenfalls abgewiesen. Das BVerfG nahm die Verfassungsbeschwerde nicht an.