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  • 03.07.2008 | Kündigungsrecht

    Ausschlussfrist muss trotz Bereitschaft des ArbN zum Aufhebungsvertrag eingehalten werden

    von RA Christian Stake, FA Arbeitsrecht, Werne
    Das Berufen des ArbN auf den Ablauf der Frist des § 626 Abs. 2 BGB ist auch dann nicht treuwidrig, wenn er gegenüber dem ArbG wiederholt seine Bereitschaft signalisiert hat, einen Aufhebungsvertrag schließen zu wollen und der ArbG deshalb zunächst nicht kündigt (LAG Hessen 9.2.07, 3 Sa 383/06, Abruf-Nr. 071233).

     

    Sachverhalt

    ArbN A wurden ehrenrührige Behauptungen gegenüber Vorgesetzten vorgeworfen. Nach einer Besprechung zwischen dem ArbG, A und dessen Anwalt teilte der Anwalt schriftlich mit, dass A mit dem Abschluss eines Aufhebungsvertrags einverstanden sei. Es müssten aber noch die Modalitäten geklärt werden. Die Verhandlungen hierüber zogen sich hin. Nach fünf Monaten verweigerte A schließlich den Abschluss des Aufhebungsvertrags. Daraufhin kündigte der ArbG das Arbeitsverhältnis fristlos aus wichtigem Grund.  

     

    Die Kündigungsschutzklage des A hatte Erfolg. Die Argumentation des LAG können Sie der folgenden Musterklage entnehmen.  

     

    Musterformulierung: Kündigungsschutzklage mit Berufen auf Ausschlussfrist

    In dem Rechtsstreit  

    A ./. X GmbH, Az ...  

     

    wird beantragt,  

     

    festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung vom ..., zugegangen am ..., aufgelöst wurde, sondern darüber hinaus fortbesteht.

     

    Begründung 

    Die Kündigung vom ..., zugegangen am ..., ist unwirksam.  

     

    A. Ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung liegt nicht vor (... ausführen).  

     

    B. Die Kündigung ist auch unwirksam, weil die Beklagte die Zwei-Wochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB (bzw. der entsprechenden Tarifvorschrift § 54 Abs. 2 BAT) nicht eingehalten hat.  

     

    Nach § 626 Abs. 2 BGB (§ 54 Abs. 2 BAT) kann die Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Erforderlich ist eine sichere und möglichst vollständige Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen. Hierzu gehören im Sinne der Zumutbarkeitserwägungen sowohl die Umstände die für, als auch diejenigen, die gegen die Kündigung sprechen. Regelmäßig ist eine Anhörung des ArbN erforderlich, um ihm Gelegenheit zu geben, die gegen ihn sprechenden Tatsachen auszuräumen oder abzumildern. Um den Beginn der Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht länger als unbedingt notwendig hinauszuschieben, muss die Anhörung des Kündigungsgegners innerhalb einer kurz zu bemessenden Frist erfolgen, die regelmäßig nicht länger als eine Woche sein darf.  

     

    • Die Beklagte forderte den Kläger mit Schreiben vom ... zur Stellungnahme auf, die am ... einging.
    • Am ... fand ein Gespräch zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten sowie dem Kläger und seinem Bevollmächtigten statt.
    • Nach dem ... hat es keine weiteren Ermittlungen seitens der Beklagten gegeben, die hätten abgewartet werden müssen.

     

    Die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB begann daher am ... zu laufen und endete am ... . Diese Frist wird durch die Kündigung der Beklagten nicht gewahrt.  

     

    C. Es ist auch nicht treuwidrig, dass sich der Kläger auf den Ablauf der Frist beruft. So kann sich ein ArbN lediglich nicht auf den Ablauf der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB berufen, wenn er sich sonst in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten setzen und dadurch gegen Treu und Glauben verstoßen würde (BAG AP Nr. 26 zu § 626 BGB Ausschlussfrist = NZA 88, 429). Der Einwand der Arglist gegenüber dem ungenutzten Ablauf der Ausschlussfristen greift daher nur unter strengen Voraussetzungen. Dazu muss insbesondere die Fristversäumung vom Gekündigten in seinem Interesse veranlasst und durch sein Verhalten verursacht worden sein (KR-Fischermeier, 7. Aufl., § 626 BGB, Rn. 362; LAG Hessen 9.2.07, 3 Sa 383/06, Abruf-Nr. 071233). Das war vorliegend nicht der Fall. Es liegt mithin kein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers vor:  

     

    • Er hat die Beklagte nicht um eine Bedenkzeit o.Ä. gebeten.

     

    • Durch seine bereits im Gespräch am ... erklärte Bereitschaft, das Arbeitsverhältnis durch einen Auflösungsvertrag beenden zu wollen, hat er die Beklagte nicht von der Beachtung der Frist des § 626 BGB abgehalten.

     

    • Der Beklagten war bekannt, dass ein formwirksamer Aufhebungsvertrag die Schriftform nach § 623 BGB voraussetzt. Es lag in ihrer alleinigen Verantwortung, während des Laufs der Frist des § 626 Abs. 2 BGB den formwirksamen Abschluss des Aufhebungsvertrags herbeizuführen.

     

    • Hieran hat sie der Kläger in keiner Weise gehindert. Er hat die Beklagte insbesondere nicht darum gebeten, im Hinblick auf den bevorstehenden Abschluss des Aufhebungsvertrags keine Kündigung auszusprechen oder hiermit noch zu warten.

     

    • Vielmehr hatte es die Beklagte in der Hand, während des Laufs der Ausschlussfrist dem Kläger eine Frist zur Unterzeichnung des Aufhebungsvertrags zu setzen, um bei deren Nichtbeachtung durch den Kläger noch wirksam fristlos kündigen zu können. Dies ist nicht erfolgt.

     

    • Die Parteien haben auch weder am ... noch danach zeitlich fest begrenzte Verhandlungen über den Aufhebungsvertrag vereinbart. Dies hätte vorausgesetzt, dass sie sich über einen Endtermin der Verhandlungen geeinigt hätten. Dies ist jedoch nicht erfolgt. Vielmehr hat die Beklagte lediglich die in losen Abständen vorgebrachten Änderungswünsche des Klägers berücksichtigt.

     

    • Der Kläger hat auch nicht etwa der Beklagten in böswilliger Absicht vorgespiegelt, einen Aufhebungsvertrag schließen zu wollen. Er hat es sich schlicht anders überlegt. Dies allein führt jedoch nicht zu einer Treuwidrigkeit des Verhaltens des Klägers, denn er ist in seiner Entscheidung, ob er einen Aufhebungsvertrag schließt, bis zur tatsächlichen Unterschriftsleistung frei. Gerade dies ist der Schutzzweck des § 623 BGB.

     

    D. Es liegt schließlich auch kein Grund für eine außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB (§ 54 Abs. 1 BAT) darin, dass der Kläger sich am ... weigerte, den Aufhebungsvertrag zu unterschreiben. Sein Verhalten ist bereits „an sich“ nicht geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Die Vertragsfreiheit gewährleistet dem ArbN die Befugnis, nach Belieben darüber zu entscheiden, ob er einen Aufhebungsvertrag schließt oder nicht. Auch wenn der Kläger zunächst seine Bereitschaft erklärte, einen Aufhebungsvertrag vereinbaren zu wollen, führte dies nicht zu einer Bindung i.S. eines Vorvertrags. Ansonsten würde die Schutzfunktion des § 623 BGB umgangen. Ein arbeitsvertragswidriges Verhalten des Klägers liegt daher nicht vor.  

     

    gez. Rechtsanwalt