30.07.2010 | Tarifrecht
BAG gibt Tarifeinheit auf
Die Rechtsnormen eines Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten für Beschäftigte kraft Koalitionsmitgliedschaft nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG unmittelbar. Dies wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass für den Betrieb kraft Tarifbindung des ArbG (Verbandsmitgliedschaft oder eigener Abschluss des Tarifvertrags) mehr als ein Tarifvertrag Anwendung findet, wenn für den einzelnen ArbN jeweils nur ein Tarifvertrag gilt (sog. Tarifpluralität). Es gibt keinen übergeordneten Grundsatz, dass für verschiedene Arbeitsverhältnisse derselben Art in einem Betrieb nur einheitliche Tarifregelungen zur Anwendung kommen können (BAG 23.6.10, 10 AS 2/10, Abruf-Nr. 102187). |
Sachverhalt
Der Vierte Senat hat angefragt, ob der Zehnte Senat an seiner Rechtsauffassung zur eingeschränkten Geltung von § 4 Abs. 1 S. 1 TVG im Falle der sogenannten Tarifpluralität bei Tarifgeltung kraft Koalitionsmitgliedschaft nach § 3 Abs. 1 TVG festhält. Der Zehnte Senat hat bisher angenommen, nach dem Grundsatz der Spezialität komme hier allein der Tarifvertrag zur Anwendung, der dem Betrieb räumlich, betrieblich, fachlich und persönlich am nächsten stehe und deshalb den Erfordernissen und Eigenarten des Betriebs und der darin tätigen ArbN am besten gerecht werde (BAG 18.10.06, 10 AZR 576/05, BAGE 120, 1).
Entscheidungsgründe
Der Zehnte Senat schließt sich der Auffassung an, § 4 Abs. 1 S. 1 TVG gelte auch dann uneingeschränkt, wenn in einem Betrieb kraft Tarifbindung des ArbG nach § 3 Abs. 1 TVG auf mehrere Arbeitsverhältnisse derselben Art verschiedene Tarifverträge zur Anwendung kommen.
Das TVG ordnet in § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 die unmittelbare und zwingende Wirkung der Normen eines Tarifvertrags im Arbeitsverhältnis beiderseits Tarifgebundener an. Es besteht kein hinreichender Grund, die damit im Gesetz angelegte Möglichkeit auszuschließen, dass für verschiedene ArbN im Betrieb unterschiedliche Tarifverträge gelten. Insbesondere enthält das TVG keinen insoweit vorgehenden allgemeinen Grundsatz der Tarifeinheit. Die durch beiderseitige Verbandsmitgliedschaft oder durch Verbandsmitgliedschaft und eigenen Abschluss des Tarifvertrags legitimierte Geltung der Tarifnormen darf nicht entgegen der eindeutigen gesetzlichen Regelung aufgehoben werden.
Möchten Sie diesen Fachbeitrag lesen?
Kostenloses AA Probeabo
0,00 €*
- Zugriff auf die neuesten Fachbeiträge und das komplette Archiv
- Viele Arbeitshilfen, Checklisten und Sonderausgaben als Download
- Nach dem Test jederzeit zum Monatsende kündbar
* Danach ab 16,30 € / Monat
Tagespass
einmalig 10 €
- 24 Stunden Zugriff auf alle Inhalte
- Endet automatisch; keine Kündigung notwendig