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  • 01.02.2007 | Teilzeitanspruch

    Arbeitszeitverringerung: So müssen Sie beim Antrag wegen Kinderbetreuung argumentieren

    von RA Christian Stake, FA Arbeitsrecht, Werne
    1. Der Anspruch des ArbN auf Verringerung seiner Arbeitszeit gem. § 8 Abs. 1 TzBfG kann unter den Voraussetzungen der sog. Leistungsverfügung durch Erlass einer gerichtlichen Interimsregelung vorläufig realisiert werden.  
    2. Da eine solche Leistungsverfügung zu einer teilweisen oder völligen Befriedigung des streitigen Anspruchs führt, sind an Darlegung und Glaubhaftmachung von Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund strenge Anforderungen zu stellen. Bei der Interessenabwägung ist auf die Wahrscheinlichkeit des Obsiegens in der Hauptsache und das Gewicht drohender Nachteile auf beiden Seiten abzustellen. Eine Beschränkung auf Notfälle ist als Maßstab zu eng.  
    3. Wesentliche Nachteile für den Verfügungsgrund können vorliegen, wenn der ArbN ohne die beantragte Arbeitszeitverkürzung nicht in der Lage ist, die Betreuung seiner Kinder zuverlässig zu gewährleisten. Er hat insoweit darzulegen und glaubhaft zu machen, dass er alle ihm zumutbaren Anstrengungen unternommen hat, um die Betreuung der Kinder sicherzustellen.  
    4. Eine familiäre Entscheidung, die Erziehung der Kinder neben dem vormittäglichen Besuch des Kindergartens und der begrenzten Betreuung durch eine Tagesmutter für die Dauer einer wesentlichen Entwicklungsphase der Kinder selbst zu übernehmen, ist aus verfassungsrechtlichen Gründen zu respektieren.  

     

    Praxishinweis

    Das LAG wies die Berufung des ArbG gegen die erstinstanzliche einstweilige Verfügung zurück. Der ArbG war dort verpflichtet worden, die Verfügungsklägerin entsprechend ihrem Hauptantrag bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu beschäftigen.  

     

    Mit der nachstehenden Musterformulierung können Sie den Verfügungsgrund im Rahmen einer einstweiligen Verfügung begründen, wenn Sie eine Arbeitszeitverringerung zur Kindesbetreuung erreichen wollen. Die Musterformulierung können Sie auch in unserem Online-Service für Abonnenten kostenlos herunterladen.  

     

    Musterformulierung: Begründung Arbeitszeitverringerung wegen Kindesbetreuung

    Der Verfügungsklägerin steht auch ein Verfügungsgrund zur Seite. Dieser ist gegeben, da die einstweilige Verfügung zur Abwehr wesentlicher Nachteile erforderlich erscheint. Die Verfügungsklägerin ist ohne die beantragte Arbeitszeitverkürzung nicht in der Lage, die Betreuung ihrer Kinder zuverlässig zu gewährleisten. Sie hat insoweit alle ihr zumutbaren Bemühungen unternommen, um eine anderweitige Betreuung zu gewährleisten.  

     

    (Ausführen, z.B.:) 

    • Es ist ihr nicht möglich, die Betreuung der Kinder bis auf zwei Nachmittage durch die Tagesmutter Frau Y. anderweitig zu sichern; ggf. eidesstattliche Versicherung der Tagesmutter.
    • Andere Möglichkeiten durch Fremdbetreuung, insbesondere durch weitere Tagesmütter, stehen nicht zur Verfügung, ggf. Nachweis der erfolglosen Versuche.
    • Die Verfügungsklägerin ist alleinerziehend. Der Vater der Kinder beteiligt sich nicht an der Betreuung der Kinder.
    • Die Verfügungsklägerin hat keine Betreuungsmöglichkeit durch Familienangehörige, Freunde oder sonstige Dritte. Die Gründe hierfür sind dem Gericht gegenüber nicht aufzuzeigen (LAG Hamburg 4.9.06, 4 Sa 41/06).
    • Mit Bescheid des Bezirksamts vom (Datum) zur „Bewilligung einer Förderung in Tagespflege“ wurde der Verfügungsklägerin lediglich eine Betreuungsleistung von bis zu zehn Stunden wöchentlich bewilligt.

     

    Beweis: Eidesstattliche Versicherung der Verfügungsklägerin  

     

    Der Verfügungsklägerin kann nicht vorgeworfen werden, sie hätte die Eilbedürftigkeit der erstrebten gerichtlichen Regelung selbst herbeigeführt, indem sie es unterlassen habe, ausreichende Vorsorge für den Fall zu treffen, dass die Verfügungsbeklagte ihrem Teilzeitbegehren nicht freiwillig entspreche. Es ist nicht ersichtlich, welche zumutbaren Maßnahmen die Verfügungsklägerin neben den aufgezeigten hätte noch ergreifen können, um den einstweiligen Rechtsschutz entbehrlich zu machen. Es steht außer Streit, dass sie den Antrag nach § 8 Abs. 1 TzBfG auf Verringerung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit fristgerecht gestellt hat. Somit bestand hinreichend Zeit zur Vereinbarung einer einvernehmlichen Regelung.  

     

    Die Verfügungsklägerin war nicht gehalten, nach der Geburt der Kinder einen Ganztagsbetreuungsplatz in einer Kindertagesstätte für die Zeit nach dem Ende ihrer Elternzeit zu beantragen. Ihr steht vielmehr die Entscheidung zu, sich selbst zu einem wesentlichen Teil um die Betreuung der Kinder zu kümmern und eine ganzheitliche Fremdbetreuung im Rahmen einer Drittbetreuung zu vermeiden. Diese familiäre Entscheidung, die Erziehung der Kinder neben dem vormittäglichen Besuch des Kindergartens und der begrenzten Betreuung durch eine Tagesmutter für die Dauer einer wesentlichen Entwicklungsphase der Kinder selbst zu übernehmen, ist aus verfassungsrechtlichen Gründen zu respektieren und kann nicht als Herbeiführung der Dringlichkeit für den Erlass einer einstweiligen Verfügung angesehen werden (LAG Hamburg 4.9.06, 4 Sa 41/06; LAG Berlin NZA 02, 858; LAG Hamm NZA-RR 03, 178). Diese im Rahmen der Familienplanung getroffene Entscheidung unterliegt der Entscheidungszuständigkeit der Verfügungsklägerin als sorgeberechtigte Mutter und damit dem Elternrecht des Art. 6 Abs. 2 GG. Die Verfügungsklägerin kann demgemäß auch nicht darauf verwiesen werden, sie hätte sich bereits bei Geburt ihres ersten Kindes um einen Platz in einem Ganztagskindergarten bemühen müssen. Hinzu tritt, dass darüber hinaus derartige Betreuungsplätze in X., dazu notwendigerweise in der Nähe des Wohnorts der Verfügungsklägerin, jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung standen.  

     

    Beweis: wie vor  

     

    Die Verfügungsklägerin hat mit der hauptsächlich von ihr zu übernehmenden Kinderbetreuung bei der vorgegebenen Sachlage überwiegende Interessen an einer Verringerung ihrer vertraglich vereinbarten Arbeitszeit geltend gemacht. Diese machen gegenüber den von der Verfügungsbeklagten nicht hinreichend dargelegten betrieblichen Gründen ein Obsiegen in der Hauptsache wahrscheinlich. Wenn die Versagung einer einstweiligen Verfügung ebenso einen endgültigen Zustand zuungunsten der Verfügungsklägerin herbeiführt wie auf Seiten der Verfügungsbeklagten eine Vorwegnahme der Hauptsache durch Erlass der einstweiligen Verfügung, muss bei der vorliegenden Sachlage das Interesse der Verfügungsbeklagten, ab Beendigung der Elternzeit bis zur Entscheidung in der Hauptsache an der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit festzuhalten, zurücktreten. Das Beharren der Verfügungsbeklagten auf einer Vollzeitbeschäftigung würde die Verfügungsklägerin in eine Pflichtenkollision bringen. Bei Vernachlässigung ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtungen im Interesse ihrer Kinder drohen ihr arbeitsvertragliche Sanktionen bis hin zum Verlust des Arbeitsplatzes.  

     

    Nach allem ist der Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig. Ohne die angestrebte vorläufige Regelung ist bei einer jedenfalls noch mehrere Monate andauernden rechtlichen Auseinandersetzung bis zum Erlass der Hauptsacheentscheidung der beanspruchte Teilzeitanspruch in seiner konkret verfolgten Zwecksetzung endgültig zunichte gemacht. Hinzu tritt, dass die einstweilige Verfügung mit der Entscheidung der erkennenden Kammer ohnehin auf den Erlass des erstinstanzlichen Urteils im Hauptsacheverfahren zeitlich beschränkt ist. Insoweit ist die kurzfristige teilweise Vorwegnahme der Hauptsache von der Verfügungsbeklagten hinzunehmen.  

     

    gez. Rechtsanwalt