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  • · Nachricht · Tarifrecht

    Bundesverfassungsgericht: Zwei Verfassungsbeschwerden gegen das Tarifeinheitsgesetz unzulässig

    | Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerden von zwei Gewerkschaften gegen das Tarifeinheitsgesetz nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Beschwerdebefugnis fehlt. Den Verfassungsbeschwerden kann nicht entnommen werden, dass die Beschwerdeführerinnen durch das angegriffene Gesetz in ihrem Recht auf kollektive Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG gegenwärtig betroffen sind. |

    Sachverhalt

    Die Beschwerdeführerin im Verfahren 1 BvR 1707/15 ist eine im Jahr 2011 gegründete Gewerkschaft, die aktuell überwiegend Beamtinnen und Beamte sowie daneben Tarifangestellte organisiert. Sie gibt an, sich in Tarifverhandlungen zu befinden; am Abschluss eines Tarifvertrags beteiligt war sie bislang nicht.

     

    Die Beschwerdeführerin im Verfahren 1 BvR 2257/15 ist eine im November 2010 gegründete und noch im Aufbau befindliche Gewerkschaft. Durch Entscheidungen der Gerichte für Arbeitssachen wurde ihr die Tariffähigkeit zum rechtswirksamen Abschluss von Tarifverträgen abgesprochen. Der zuständige Arbeitgeberverband habe die Aufnahme von Tarifverhandlungen abgelehnt. Zwischenzeitlich sei ihr der Abschluss eines Tarifvertrags gelungen.

     

    Mit ihren Verfassungsbeschwerden wenden sich die Beschwerdeführerinnen gegen die Vorschrift des § 4a Tarifvertragsgesetz (TVG).

    Wesentliche Erwägungen der Kammer

    Die Verfassungsbeschwerden sind nicht zur Entscheidung anzunehmen. Sie sind unzulässig, da ihnen nicht entnommen werden kann, dass die Beschwerdeführerinnen von der angegriffenen Vorschrift des Tarifeinheitsgesetzes betroffen und damit beschwerdebefugt sind.

     

    • 1. Beschwerdebefugt ist, wer durch die angegriffene Maßnahme selbst, unmittelbar und gegenwärtig betroffen ist. Gegenwärtig betroffen ist, auf wessen Rechtsstellung die angegriffene Vorschrift aktuell und nicht nur virtuell einwirkt und wen das Gesetz mit Blick auf seine künftig eintretenden Wirkungen zu später nicht mehr korrigierbaren Entscheidungen zwingt. Von gegenwärtiger Betroffenheit ist auch auszugehen, wenn klar abzusehen ist, dass und wie Beschwerdeführende in der Zukunft von der Regelung betroffen sein werden; allein die vage Aussicht, irgendwann einmal in Zukunft von der Regelung betroffen sein zu können, genügt jedoch nicht.

     

    • 2. In beiden Verfahren ist mangels substanziierter Ausführungen zur Tariffähigkeit nicht ersichtlich, dass die Beschwerdeführerinnen derzeit oder in naher Zukunft von der Kollisionsregel des § 4a Abs. 2 Satz 2 TVG erfasst werden, weil von ihnen wirksam abgeschlossene Tarifverträge verdrängt werden könnten.

     

      • Im Verfahren 1 BvR 1707/15 ist nicht erkennbar, dass für die Beschwerdeführerin das Tarifeinheitsgesetz unabhängig von ihrer Tariffähigkeit Auswirkungen zeitigte. Allgemeine Ausführungen zu eventuellen Verhaltensweisen potenzieller Mitglieder genügen insoweit nicht.

     

      • Im Verfahren 1 BvR 2257/15 konkretisiert die Beschwerdeführerin nicht, dass der zuständige Arbeitgeberband die Aufnahme von Tarifverhandlungen mit der Beschwerdeführerin abgelehnt hat. Soweit sie vorträgt, sie habe aufgrund des noch nicht abgeschlossenen Statusverfahrens keine Tarifverträge abschließen können, ist ein hinreichend konkreter Zusammenhang mit dem Tarifeinheitsgesetz nicht erkennbar. Der Verweis auf eine durch das Tarifeinheitsgesetz verursachte Gefährdung ihrer Existenz sowie allgemeine Überlegungen zu möglichen Gesetzesfolgen genügen nicht, um die Möglichkeit einer hinreichenden Betroffenheit in eigenen Rechten nachvollziehbar erkennen zu lassen.

     

    • Darüber hinaus trägt auch der Einwand der Beschwerdeführerin nicht, eine positive Prognose für ihre Tariffähigkeit werde verhindert, weil das Tarifeinheitsgesetz es unmöglich mache, Tarifverträge abzuschließen. Ein solcher Ursachenzusammenhang ist nicht hinreichend dargelegt. Die Tariffähigkeit entsteht nicht etwa mit dem Abschluss von Tarifverträgen, sondern ist eine Voraussetzung für deren Wirksamkeit.

     

    Quelle | BVerfG, Pressemitteilung zu den Beschlüssen vom 16.6.16, 1 BvR 1707/15 und 1 BvR 2257/15

    Quelle: ID 44167262