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  • · Fachbeitrag · Kündigung

    Psst... Was in privater WhatsApp steht, bleibt vertraulich und rechtfertigt keine Kündigung

    von RA‘in Heike Mareck, Dortmund

    | Äußerungen in einer privaten WhatsApp-Gruppe rechtfertigen keine Kündigung. Durch den geschlossenen Kreis des Chats darf jeder Teilnehmer davon ausgehen, dass Äußerungen nur von den jeweils anderen Teilnehmern gelesen werden. Die Äußerungen unterfallen dem Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. |

     

    Sachverhalt

    Der ArbN war beim ArbG (Stadt) als Mitarbeiter des Kontroll- und Vollzugsdienstes beschäftigt und unter anderem an Abschiebungen beteiligt. Organisatorisch gehörte er einer Gruppe aus vier Männern und zwei Frauen an, die Nachrichten auf ihren privaten Smartphones per WhatsApp austauschten. Teil der Kommunikation waren auch aus dem Internet heruntergeladene Bilder. Der ArbG hörte im August 2017 den Personalrat zur beabsichtigten fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem ArbN an. Dabei führte er unter anderem aus:

     

    Bei Gesprächen Ende Juli seien Informationen bekannt geworden, die den Vorwurf der Verwendung und Verbreitung rechtsextremistischen Gedankenguts durch rechtsextremistische Bilder rechtfertigen. Es läge ein Chat-Protokoll vor. Daraus gehe hervor, dass der ArbN von seinem privaten Mobiltelefon aus Bilder versendet habe, die einen eindeutigen rechtsextremistischen Bezug aufweisen. Im Rahmen dieses Gruppen-Chats seien sowohl private als auch dienstliche Belange zwischen den einzelnen Gruppenmitgliedern geteilt worden. Der ArbN vertrete in seiner Funktion als Mitarbeiter den ArbG nach außen. Der Personalrat äußerte Bedenken gegen die beabsichtigte Kündigung. Dem ArbN wurde fristlos gekündigt.

     

    Entscheidungsgründe

    Das Arbeitsgericht Mainz (15.11.17, 4 Ca 1240/17, 4 Ca 1241/17, 4 Ca 1242/17, 4 Ca 1243/17, Abruf-Nr. 200726) gab dem ArbN recht. Der ArbG sei weder zur fristlosen noch ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt gewesen.

     

    Dabei könne zugunsten des ArbG davon ausgegangen werden, dass die Teilnahme am Chat einen wichtigen Grund nach § 626 Abs. 1 BGB darstelle und somit an sich geeignet sei, die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. Der Wirksamkeit einer jeden Kündigung stehe jedoch die Vertraulichkeit des Chats entgegen. Die Kammer zog hierbei ein Urteil des BAG (10.12.09, 2 AZR 534/08, Abruf-Nr. 166699) heran, wo es um vertrauliche Gespräche unter Mitarbeitern ging. Bezogen auf den vorliegenden Streit kam die 4. Kammer zum Ergebnis, dass durch den geschlossenen Teilnehmerkreis des Chats jeder der Teilnehmer davon ausgehen durfte, dass Äußerungen nur von den fünf anderen gelesen werden.

     

    Die Chat-Kommunikation sei ferner auch privat erfolgt. Denn sie habe ausschließlich auf den privaten Smartphones der Teilnehmer stattgefunden. Die Privatheit und damit Vertraulichkeit dieser Kommunikation sei auch nicht dadurch aufgehoben, dass vereinzelt dienstliche Belange, wie etwa Krankmeldungen oder Diensteinteilungen, erörtert wurden. Schließlich komme es nicht auf den Chatverlauf im Ganzen, sondern auf die jeweilige Äußerung an.

     

    Zudem gelte der Erfahrungssatz, dass angreifbare Bemerkungen über Vorgesetzte, sofern sie im Kollegenkreis erfolgen, in der sicheren Erwartung geäußert werden, sie würden nicht über den Kreis der Gesprächsteilnehmer hinausdringen. Nichts anderes könne für Äußerungen bzw. das Versenden von Bilddateien gelten, die nicht den Erwartungen entsprächen, die der Dienstherr an seine Mitarbeiter stelle. Daher sei der Chat genauso schutzwürdig wie das Sechs-Augen-Gespräch in dem vom BAG entschiedenen Fall. Das habe zur Folge, dass die spätere Offenbarung des Inhalts gegenüber dem ArbG durch ein Gruppenmitglied, die offensichtlich gegen den Willen der anderen erfolgt sei, „arbeitsrechtlich nicht zu deren Lasten“ gehen könne.

     

    Daher habe der ArbG die verhaltensbedingte Kündigung nicht aussprechen und die Äußerungen bzw. Bilddateiversendungen nicht als Grundlage für eine personenbedingte Kündigung wegen fehlender Verfassungstreue heranziehen dürfen. Der ArbG legte beim LAG Rheinland-Pfalz Revision ein ( 2 Sa 9/18).

     

    Relevanz für die Praxis

    Geschehen diffamierende oder ehrverletzende Äußerungen über Vorgesetzte und/oder Kollegen in vertraulichen Gesprächen unter Arbeitskollegen, ist damit eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht so ohne Weiteres zu rechtfertigen. Denn vertrauliche Äußerungen unterfallen dem Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG. Die vertrauliche Kommunikation in der Privatsphäre ist Ausdruck der Persönlichkeit und damit grundrechtlich gewährleistet. Äußerungen, die gegenüber Außenstehenden oder der Öffentlichkeit wegen ihres ehrverletzenden Verhaltens nicht schutzwürdig sind, genießen in Vertraulichkeitsbeziehungen verfassungsrechtlichen Schutz. Hebt der Gesprächspartner später gegen den Willen des sich negativ äußernden ArbN die Vertraulichkeit auf, kann dieses arbeitsrechtlich nicht zu dessen Lasten gehen.

     

    Quelle: Ausgabe 05 / 2018 | Seite 80 | ID 45248935