· Fachbeitrag · Nach dem Arbeitsverhältnis
Abmahnung bleibt bei Klage in der Personalakte
| Es gibt keinen Anspruch auf Löschung einer Abmahnung aus der Personalakte nach Art. 17 DSGVO, wenn die Abmahnung Gegenstand einer Schadenersatzklage ist. |
Sachverhalt
Der ArbN war 25 Jahre bei der ArbG als Kraftfahrer beschäftigt. Mit Schreiben vom 25.10.21 monierte die ArbG, dass der ArbN seine Arbeitsverhinderung nicht unverzüglich vor Dienstbeginn am 18.10.21 mitgeteilt hat. Seine Krankmeldung sei nur bis 15.10.21 bekannt gewesen. Die Abmahnung wurde dem ArbN im verschlossenen Kuvert übermittelt. Der ArbN klagte auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte, Abgabe des Widerrufs durch öffentlichen Aushang im Eingangsbereich der Betriebsstätten sowie die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von knapp 2.400 EUR brutto. Das Arbeitsgericht Nordhausen wies die Klage ab (15.11.22, 1 Ca 212/22).
Entscheidungsgründe
Auch das LAG Thüringen (24.10.23, 5 Sa 424/22, Abruf-Nr. 239378) wies die Berufung als unbegründet zurück. Die Richter teilten im wesentlichen die Begründung des Arbeitsgerichts und kamen zu folgenden Ergänzungen:
Antrag auf Entfernung
Der Antrag auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte sei unzulässig. Es fehle das Rechtsschutzbedürfnis, da das Arbeitsverhältnis der Parteien zwischenzeitlich beendet sei. Zwar habe der ArbN zu Recht darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung des BAG die Fürsorgepflicht des ArbG auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Rechte und Pflichten begründen könne (BAG 14.9.94, 5 AZR 632/93). Für die Kammer seien keine Anhaltspunkte für eine fortdauernde Beeinträchtigung des ArbN ersichtlich. Entgegen der Behauptung des ArbN werde mit der Abmahnung nicht gerügt, dass er unentschuldigt gefehlt habe. Vielmehr habe die ArbG moniert, dass er nicht unverzüglich vor Dienstbeginn seine Arbeitsverhinderung mitgeteilt habe. Dies habe der ArbN unstreitig nicht getan. Inwieweit sich andere arbeitsrechtliche Nachteile für den ArbN ergeben sollten, sei nicht ersichtlich.
Selbst wenn man ein Rechtsschutzbedürfnis annehmen würde, wäre der Antrag unbegründet. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses habe ein ArbN regelmäßig keinen Anspruch mehr auf Entfernung aus der Personalakte, selbst einer zu Unrecht erteilten Abmahnung. Ein solcher Anspruch könne nur ausnahmsweise gegeben sein, wenn objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, eine Abmahnung könne dem ArbN auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schaden. Der ArbN habe keine solchen Anhaltspunkte dargelegt. Vielmehr verfolge er in demselben Verfahren Schadenersatzansprüche gegenüber der ArbG wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten. Dabei spiele die Abmahnung die zentrale Rolle. Hieraus ergebe sich ein Dokumentationserfordernis der ArbG, hier die Aufbewahrung der Abmahnung, zumindest bis zur Klärung der Schadenersatzklage.
Der Hinweis des ArbN auf § 17 DSGVO führe zu keinem anderen Ergebnis. Nach Art. 17 Abs. 1 a DSGVO besteht ein Anspruch auf Löschung der personenbezogenen Daten, sofern diese für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig sind. Da die vorliegende streitige Abmahnung Gegenstand der Schadenersatzklage sei, bestehe zumindest bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens nach Art. 17 Abs. 3 a DSGVO kein Löschungsanspruch, da die Speicherung zur Ausübung und Verteidigung von Rechtsansprüchen erforderlich sei.
Der Widerrufsanspruch
Ein Widerrufsanspruch bestehe ebenfalls nicht. Dieser setze als quasinegatorischer Beseitigungsanspruch mittels öffentlichen Aushangs voraus, dass der zu widerrufende Vorwurf auf gleiche Weise bekannt gegeben worden sei. Nur in einem solchen Fall könne der ArbN den Widerruf etwa durch öffentlichen Aushang verlangen (BAG 21.2.79, 5 AZR 568/77). Eine Bekanntgabe oder Veröffentlichung der gegenüber dem ArbN erhobenen Vorwürfe sei nicht vorgetragen worden. Vielmehr sei unstreitig, dass die ArbG die Abmahnung im verschlossenen Umschlag übergeben habe. Die erste Instanz habe insoweit zu Recht sogar darauf hingewiesen, dass die Abmahnung weder betriebsintern bekannt geworden sei noch der ArbG ein etwaiges betriebsinternes Bekanntwerden zu verantworten habe.
Der Schmerzensgeldanspruch
Auch das Bestehen eines Schmerzensgeldanspruchs konnte der ArbG nicht dartun. Zwar verweise er auf die maßgebliche höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach bei schweren Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht des ArbN ein Schmerzensgeldanspruch in Betracht komme. Der Vorwurf des Verbreitens von Unwahrheiten stelle jedoch ohne Hinzutreten weiterer Umstände keine Straftat dar. Vielmehr sei der Vorwurf in der Abmahnung, der ArbN habe nicht vor Dienstbeginn seine Arbeitsverhinderung unverzüglich mitgeteilt, unbestritten. Eine fortwirkende Herabsetzung des Rufs des ArbN ohne die Beeinträchtigung in seinem beruflichen Fortkommen sei nicht erkennbar.
Relevanz für die Praxis
„Entfernung der Abmahnung“ nach dem Arbeitsverhältnis ist derzeit häufiger streitgegenständlich. Daher einige wichtige Entscheidungen.
Rechtsprechungsübersicht / Wichtige Entscheidungen zum Thema Entfernung der Abmahnung | |
Sächsisches LAG 31.3.23, 4 Sa 117/21, Abruf-Nr. 235320 | Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht kein Rechtsschutzinteresse auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte. Art. 17 Abs. 1 DSGVO hat zu keiner Änderung der Rechtsprechung geführt. |
LAG Baden-Württemberg 28.7.23, 9 Sa 73/21, Abruf-Nr. 237584 (anhängig BAG, 8 AZR 215/23) | Der ArbN kann nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO nach Ende des Arbeitsverhältnisses regelmäßig die Löschung (Entfernung) einer Abmahnung aus der Personalakte verlangen. |
LAG Hamm 13.9.22, 6 Sa 87/22, Abruf-Nr. 232393 | Insbesondere besteht für den Antrag auf Verurteilung der ArbG zur Entfernung der Abmahnung auch nach Ende des Arbeitsverhältnisses ein Rechtsschutzbedürfnis. Dieses folge bereits aus der Nichterfüllung des behaupteten materiellen Anspruchs. |