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  • 16.04.2014 · IWW-Abrufnummer 141183

    Landesarbeitsgericht Hamm: Beschluss vom 10.02.2014 – 14 Ta 529/13

    1. Ist über einen Prozesskostenhilfeantrag noch nicht entschieden, erfasst die Antragstellung alle bis zum Zeitpunkt der Entscheidung anhängigen Streitgegenstände sowie einen bereits geschlossenen Mehrvergleich. Eines erneuten ausdrücklichen Bewilligungsantrags bedarf es nicht.

    2. Dies gilt für einen erst beabsichtigten Mehrvergleich auch dann, wenn das Arbeitsgericht Prozesskostenhilfe "in vollem Umfang" bewilligt, nachdem der Gegner der bedürftigen Partei den im Wege des § 278 Abs. 6 ZPO beabsichtigten Abschluss eines Vergleichs, der streitwerterhöhende Regelungen enthält, angezeigt hat.


    LAG Hamm

    10.02.2014

    14 Ta 529/13

    Tenor:

    Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 1. Oktober 2013 (1 Ca 731/13) als gegenstandslos aufgehoben.

    Es verbleibt bei der durch den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 18. März 2013 auch für den Mehrvergleich vom 27. März 2013 bewilligten Prozesskostenhilfe und Beiordnung ohne Zahlungsanordnung.

    Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
    Gründe

    I.

    Die Klägerin erhob am 21. Februar 2013 Klage auf Zahlung von Arbeitsentgelt unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges. Zugleich beantragte sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung ihrer Rechtsanwältin. Beigefügt war eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen. Nach einer ergänzenden Stellungnahme vom 13. März 2013 wurde laut Berechnung des zuständigen Rechtspflegers des Arbeitsgerichts am 14. März 2013 die für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsanordnung notwendige wirtschaftliche Bedürftigkeit der Klägerin festgestellt.

    Mit dem am 15. März 2013 eingegangenen Schriftsatz der Beklagten vom selben Tage wurde das Gericht gebeten, den Parteien gemäß § 278 Abs. 6 ZPO einen in diesem Schriftsatz formulierten Vergleichsvorschlag zu unterbreiten. Dieser beinhaltete eine Einigung der Parteien über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Ablauf des 31. Januar 2013, die Zahlung der vollständigen Vergütung einschließlich der Gewährung des ihr zustehenden Urlaubsanspruches an die Klägerin, die Zahlung einer Abfindung, die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses sowie eine Ausgleichsklausel. Der Vergleich wurde mit gerichtlichem Schreiben vom 18. März 2013 vorgeschlagen und nach Zustimmung der Parteien durch Beschluss vom 27. März 2013 gemäß § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt.

    Mit Beschluss vom 18. März 2013 bewilligte das Arbeitsgericht der Klägerin "in vollem Umfang mit Wirkung vom 21. Februar 2013" Prozesskostenhilfe nebst Beiordnung ohne Zahlungsanordnung. Unter dem 11. April 2013 setzte es die Vergütung der Prozessbevollmächtigten auf 377,83 € fest, berechnet nach dem Streitwert der Zahlungsforderung i .H. v. 1.177,47 €. Eine Berücksichtigung des Mehrvergleichs (bei einem Vergleichsstreitwert von 2.090,34 €) lehnte es mit der Begründung ab, dass es an einem besonderen Bewilligungsbeschluss fehle. Mit Schreiben vom 16. April 2013 teilte die Klägerin mit, dass vorliegend von einer stillschweigenden Antragstellung auf Prozesskostenhilfe für den Mehrvergleich auszugehen sei; im übrigen beantragte sie ausdrücklich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Mehrvergleich. Diesen Antrag lehnte das Arbeitsgericht durch die hier angefochtene Entscheidung vom 1. Oktober 2013 ab. Dagegen richtet sich die unmittelbar beim Landesarbeitsgericht am 16. Oktober 2013 eingegangene sofortige Beschwerde der Klägerin.

    II.

    Die gemäß § 46 Abs. 2 Satz 3, § 78 Satz 1 ArbGG, § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3 in der bis zum 31. Dezember 2013 gültige Fassung (im Folgenden: a. F.), §§ 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Klägerin vom 16. Oktober 2013 ist begründet. Der angefochtene Beschluss, mit dem die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den (aufgrund des Vergleichs vom 27. März 2013 entstandenen) Mehrvergleich abgelehnt wurde, war als gegenstandslos aufzuheben. Der Bewilligungsbeschluss vom 18. März 2013 erstreckt sich auf diesen Mehrvergleich. Das Arbeitsgericht hatte in diesem Beschluss der Klägerin für den ersten Rechtszug "in vollem Umfang" Prozesskostenhilfe gewährt. Ein einschränkender Zusatz, dass diese nur für den Zahlungsantrag gewährt werden sollte, nicht aber für den zu diesem Zeitpunkt bereits mitgeteilten Mehrvergleich, findet sich weder im Tenor noch in der Begründung der Entscheidung. Hätte das Arbeitsgericht nur für die Anträge aus der Klageschrift Prozesskostenhilfe bewilligen wollen, hätte es dies in geeigneter Weise deutlich machen müssen.

    1. Es ist anerkannt, dass Prozesskostenhilfebeschlüsse der Auslegung zugänglich sind. Für die Auslegung gerichtlicher Entscheidungen gilt dabei allein der objektiv erkennbare Inhalt, wie er sich aus der Entscheidungsformel und gegebenenfalls den Gründen ergibt (vgl. LAG Hamm, 27. August 2012, 4 Ta 792/11, n. v.). Gemessen daran erfasst die Bewilligungsentscheidung des Arbeitsgerichts vom 18. März 2013 auch den Mehrvergleich vom 27. März 2013, da zuvor seitens der Klägerin ein Antrag auf Bewilligung hierfür bereits gestellt war. Das ergibt die Auslegung des mit der Klage gestellten Bewilligungsantrages.

    a) Prozesskostenhilfe kann nur auf Antrag bewilligt werden, eine Gewährung von Amts wegen scheidet ebenso aus wie eine rückwirkende Bewilligung aus Billigkeitsgründen auf einen früheren Zeitpunkt für einen erst nach Beendigung der Instanz gestellten Antrag (vgl. Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 7. Auflage, 2014, Rn. 77, 80; Zöller/Geimer, ZPO, 30. Auflage, 2014, § 114 ZPO Rn. 13). Einen solchen Antrag hat die Klägerin in ihrer Klageschrift ausdrücklich gestellt. Dieser Antrag erstreckte sich auch auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Vergleich vom 27. März 2013, der einen Mehrvergleich beinhaltet. Eines erneuten ausdrücklichen Antrages bedurfte es hierfür nicht.

    aa) Nach § 114 ZPO a. F. (jetzt § 114 Abs. 1 ZPO) erhält eine Partei unter bestimmten Voraussetzungen "auf Antrag" Prozesskostenhilfe. Der Antrag ist gemäß § 117 Abs. 1 ZPO bei dem Prozessgericht zu stellen. Als bestimmender Schriftsatz muss er vom Antragsteller, seinem gesetzlichen Vertreter oder seinem Bevollmächtigten unterschrieben sein. Weitere Anforderungen an einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe enthält das Gesetz (abgesehen von den in § 117 Abs. 2 bis 4 ZPO geregelten Erfordernissen hinsichtlich der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen) dagegen nicht. Es schreibt insbesondere nicht vor, dass der Antrag "ausdrücklich" gestellt sein muss. Er kann daher konkludent oder stillschweigend gestellt werden, wenn sich ein dahingehender Wille der Partei aus den Umständen eindeutig folgern lässt (vgl. LAG Hamm, 27. August 2012, 4 Ta 792/11, n. v.; 30. September 2013, 14 Ta 157/13, n. v.; LAG Köln, 8. März 2012, 5 Ta 129/11, ArbuR 2012, 325 (Ls.) = [...], Rn. 3 f.; 23. Juli 2012, 1 Ta 153/12, AE 2013, 28 (Ls.) = [...], Rn. 9; LAG München, 15. März 2013, 10 Ta 50/13, [...], Rn. 10; LAG Mecklenburg-Vorpommern, 3. Dezember 2012, 3 Ta 32/12, JurBüro 2013, 256 <257>; Büttner/Wrobel-Sachs/ Gottschalk/Dürbeck, a. a. O., Rn. 78 f.; Zöller/Geimer, a. a. O., § 114 ZPO Rn. 14 im Widerspruch zu Rn. 13).

    bb) Es ist unzutreffend, dass einer stillschweigenden Antragstellung ein angeblich stark formalisiertes Prozesskostenhilfeverfahren entgegenstehen soll (so LAG Düsseldorf, 12. Januar 2010, 3 Ta 581/09, JurBüro 2010, 262; LAG Schleswig-Holstein, 6. März 2006, 2 Ta 3/06, EzA-SD 2006, Nr. 12, 12 (Ls.) = [...], Rn. 5; Zöller/Geimer, a. a. O., § 114 ZPO Rn. 13 im Widerspruch zu Rn. 14). Formalisiert ist in § 117 ZPO lediglich die Verwendung des Vordrucks, nicht aber die Antragstellung. § 115 ZPO trifft inhaltliche Regelungen für die Ermittlung des einzusetzenden Einkommens und Vermögens sowie die Bemessung der Ratenhöhe; eine "starke" Formalisierung ist darin nicht erkennbar. Sie vermag zudem nichts darüber auszusagen, ob in den Fällen, bei denen typischerweise bereits ein den Erfordernissen des § 117 ZPO genügender Antrag existiert, eine stillschweigende Antragserweiterung möglich ist oder nicht (vgl. LAG Hamm, 27. August 2012, 4 Ta 792/11, n. v.).

    Ebenso wenig ist ein sachlicher Grund dafür ersichtlich, warum (stets) eine förmliche Antragstellung zu erwarten ist (so noch LAG Hamm, 12. Juli 2005, 4 Ta 435/05, [...], Rn. 19). Dem Wortlaut des Gesetzes lässt sich in § 114 ZPO lediglich die Notwendigkeit eines Antrags, nicht aber das Erfordernis eines ausdrücklichen und/oder auf einen bestimmten Streitgegenstand oder eine bestimmte Prozesshandlung bezogenen Antrags entnehmen.

    Es besteht auch keine "Denknotwendigkeit", dass ein im Zusammenhang mit einer Klage gestellter Prozesskostenhilfeantrag sich nur auf die dort angesprochenen Streitgegenstände beziehen kann (so aber LAG Hessen, 1. August 2006, 19 Ta 373/06, LAGE ZPO 2002 § 114 Nr. 6, II. 2 der Gründe). Dies verkennt die Auslegungsfähigkeit von Prozesserklärungen. Diese macht es bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte möglich, dass der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (bereits) zu einem Zeitpunkt gestellt wird, in dem noch nicht alle Streitgegenstände "bekannt", d. h. anhängig und damit Gegenstand des Rechtsstreits sind.

    Für den Antrag im Sinne des § 114 ZPO gelten demnach keine Besonderheiten gegenüber anderen Prozesshandlungen, er ist wie private Willenserklärungen einer Auslegung zugänglich (vgl. LAG Köln, 8. März 2012, 5 Ta 129/11, ArbuR 2012, 325 (Ls.) = [...], Rn. 4 f.; 23. Juli 2012, 1 Ta 153/12, AE 2013, 28 (Ls.) = [...], Rn. 9; LAG München, 15. März 2013, 10 Ta 50/13, [...], Rn. 10, 12; LAG Mecklenburg-Vorpommern, 3. Dezember 2012, 3 Ta 32/12, JurBüro 2013, 256, <257>). Dabei tritt sein Wortlaut hinter dem feststellbaren Parteiwillen sowie dem Sinn und Zweck des Antrags zurück. Gerade im arbeitsgerichtlichen Verfahren ist bei der Auslegung von Prozesserklärungen ein großzügiger Maßstab anzulegen und zwar auch dann, wenn die Partei anwaltlich vertreten ist (vgl. BAG, 13. Dezember 2007, 2 AZR 818/06, NZA 2008, 589 <590 f.>, Rn. 20, 31; LAG Köln, 8. März 2012, a. a. O., Rn. 5; 23. Juli 2012, a. a. O.; LAG München, a. a. O., Rn. 12; LAG Mecklenburg-Vorpommern, a. a. O., Rn. 17; enger ("ausnahmsweise") Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, a. a. O., Rn. 79; dagegen für "großzügige" Auslegung und insoweit auch konkludente Antragstellung Zöller/Geimer, a. a. O., § 114 ZPO Rn. 14). Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass Prozesskostenhilfe keine wohlwollend von Gesetzgeber und Gerichten gewährte soziale Wohltat ist, sondern ein aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG folgender Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit (vgl. BVerfG, 13. Juli 2005, 1 BvR 175/05, NJW 2005, 3489; 19. Dezember 2007, 1 BvR 2036/07, FamRZ 2008, 581), was gesetzlich nicht begründeten und damit nur vermeintlich formalen Anforderungen Grenzen setzt.

    b) Ist über einen Prozesskostenhilfeantrag noch nicht entschieden, erfasst die Antragstellung alle bis zum Zeitpunkt der Entscheidung anhängigen Streitgegenstände sowie einen Mehrvergleich. Eines erneuten ausdrücklichen Bewilligungsantrags bedarf es nicht.

    aa) Ein Antragsteller erstrebt in der Regel Prozesskostenhilfe für die gesamte Instanz, d. h. im Zweifel erstreckt sich der Antrag auf das gesamte Verfahren einschließlich einer Anwaltsbeiordnung. Dies gilt in der Regel vor allem für Klageerweiterungen, Widerklagen und kann in besonders gelagerten Fällen sogar bei mehreren Verfahren zwischen denselben Parteien, die vor demselben Gericht zur selben Zeit verhandelt werden, angenommen werden. Bei lebensnaher Betrachtung kann nämlich regelmäßig davon ausgegangen werden, dass eine bedürftige Partei, die bereits einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt hat, auch für spätere Anträge im Hauptsacheverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt haben möchte, da jedenfalls im Regelfall ihre Bedürftigkeit einheitlich vorliegt und nicht angenommen werden kann, dass in Ermangelung eines ausdrücklichen Antrags sie bereit ist, die Kosten für eine Klageerweiterung oder für ein gesondertes Verfahren zu tragen. Im Zweifel hat das Gericht den Antragsteller gemäß § 139 ZPO zu befragen (vgl. LAG Hamm, 27. August 2012, 4 Ta 792/11, n. v.; 30. September 2013, 14 Ta 157/13, n. v.; LAG Köln, 8. März 2012, 5 Ta 129/11, ArbuR 2012, 325 (Ls.) = [...], Rn. 6; LAG München, 15. März 2013, 10 Ta 50/13, [...], Rn. 13; LAG Mecklenburg-Vorpommern, 3. Dezember 2012, 3 Ta 32/12, JurBüro 2013, 256, <257>). Weder die Notwendigkeit, die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers zu klären, noch das Bestehen materiell-rechtlicher Prüfungspflichten schließen eine konkludente Antragstellung aus, weil sich aus der Auslegung des Antrags für das Gericht zweifelsfrei ergibt, worauf sich die Prozesskostenhilfeantragstellung bezieht (a. A. LAG Köln, 27. April 2009, 7 Ta 102/08, AE 2009, 349 (Ls.) = [...], Rn. 6 f.). Dies gilt jedenfalls dann, wenn und solange über den Bewilligungsantrag - wie im vorliegenden Fall - noch nicht entschieden wurde (vgl. LAG Hamm, 27. August 2012, a. a. O.; 30. September 2013, a. a. O.; LAG Köln, 8. März 2012, a. a. O.; LAG Mecklenburg-Vorpommern, a. a. O.).

    Es kann offen bleiben, ob eine konkludente Antragstellung noch vorliegen kann, wenn bereits Prozesskostenhilfe für die bislang anhängigen Streitgegenstände bewilligt wurde (dafür LAG München, a. a. O.; zweifelnd BAG, 16. Februar 2012, 3 AZB 34/11, NZA 2012, 1390 <1390 f.>, Rn. 12), insbesondere ob es im Hinblick auf einen kostenrechtlich im Sinne des § 35 GKG zu verstehenden Begriff "Rechtszug" in § 119 Abs. 1 ZPO nach einem Bewilligungsbeschluss eines erneuten Antrages auf Prozesskostenhilfe für danach folgende Klageerweiterungen, Widerklagen, Mehrvergleiche pp. bedarf (vgl. näher Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, a. a. O., Rn. 482 f., 488 f.; Zöller/Geimer, a. a. O., § 119 Rn.1, 14, 25, 28). Das gilt jedoch nicht, wenn diese bereits vorliegen, bevor erstmals über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe entschieden wird (unrichtig daher LAG Berlin, 3. Dezember 2001, 19 Ta 2258/01, ARSt 2002, 92 (Ls.) = [...], Rn. 1, 3).

    bb) Dasselbe gilt für den Abschluss eines Vergleichs, der über den im Prozess anhängigen Streitgegenstand hinaus weitere Regelungen enthält, welche den Streitwert des Vergleiches erhöhen. Mangels besonderer Anhaltspunkte ist in der Regel davon auszugehen, dass eine Partei, die einen Prozesskostenhilfeantrag gestellt hat, diesen auch auf dem Mehrwert eines im weiteren Verlauf des Prozesses geschlossenen Vergleichs erstreckt wissen will, von dem weitere Gegenstände erfasst werden, die in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Streitgegenstand stehen (vgl. LAG Köln, 23. Juli 2012, 1 Ta 153/12, AE 2013, 28 (Ls.) = [...], Rn. 9). Es ist auch hier kein Grund ersichtlich, warum eine Partei lediglich hinsichtlich eines Teils Vergleichs die Bewilligung von Prozesskostenhilfe begehren sollte. Ein konkludenter Bewilligungsantrag liegt insbesondere vor, wenn über die Prozesskostenhilfebewilligung erst nach Abschluss des Vergleichs entschieden wird (vgl. LAG Hamm, 14. August 2000, 14 Ta 448/00, [...], Rn. 4), d. h. wenn über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe noch nicht entschieden ist, bevor die weiteren Streitgegenstände in den Prozess eingeführt oder weitere Regelungen in einem Vergleich getroffen werden.

    2. Das Arbeitsgericht hat am 18. März 2013 Prozesskostenhilfe "in vollem Umfang" bewilligt. Zu diesem Zeitpunkt war der zwischen den Parteien beabsichtigte, abgestimmte und nach entsprechendem gerichtliche Vorschlag sowie ihrer Zustimmung gemäß § 278 Abs. 6 ZPO am 27. März 2013 festgestellte Vergleich dem Gericht bereits bekannt. Der Vergleichsvorschlag war bereits am 15. März 2013 eingegangen. Angesichts des Umstands, dass von der Beklagtenseite ein nach § 278 Abs. 6 ZPO nach Zustimmung feststellender Vergleichsvorschlag angezeigt worden war, war der mit der Klage gestellte Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe in dieser Situation dahin auszulegen, dass auch für die im Vergleich über den eigentlichen Verfahrensgegenstand hinaus geregelten Gegenstände Prozesskostenhilfe gewährt werden sollte. Eine solche Auslegung war naheliegend. Die in dem Vergleich geregelten Gegenstände, welche eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses und eine Regelung seiner Abwicklung enthielten, standen in einem sachlichen Zusammenhang zu den dadurch mit erledigten, streitgegenständlichen Zahlungsansprüchen der Klägerin aus Annahmeverzug. Das Verfahren hierüber war mit Anlass gewesen, das Arbeitsverhältnis insgesamt zu beenden und eine geordnete Abwicklung der Beendigung unter Einschluss der streitigen Ansprüche zu vereinbaren. Eine konkludente Antragstellung hinsichtlich des für das Arbeitsgericht ohne weiteres ersichtlichen Mehrvergleichs lag vor, weil in einer solchen Situation die bedürftige Partei regelmäßig auch für diesen Prozesskostenhilfe benötigt und es fernliegt, dass sie hierfür die Kosten tragen will.

    Es bedarf vielmehr besonderer Anhaltspunkte dafür, dass für einen angezeigten Mehrvergleich, selbst wenn er nur beabsichtigt ist, jedoch noch nicht abgeschlossen wurde, keine Prozesskostenhilfe beantragt wird, obwohl die Partei bedürftig ist. Im vorliegenden Fall gab es keinen ersichtlichen Grund für die eine solche Annahme. Die Bedürftigkeit der Klägerin aufgrund ihrer Einkommensverhältnisse bestand unverändert fort, nachdem diese vier Tage vor Erlass des Bewilligungsbeschlusses festgestellt worden war. Es lag fern, dass die Klägerin trotzdem nur bezogen auf ihre Zahlungsansprüche Prozesskostenhilfe erhalten und ihren mit der Klageschrift gestellten Bewilligungsantrag hierauf beschränken wollte. Dem Arbeitsgericht musste es sich aufdrängen, dass die Klägerin Prozesskostenhilfe auch für die weiteren Vergleichsgegenstände (Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Zahlung von Vergütung, Urlaubsgewährung, Zeugniserteilung pp.), soweit diese Regelungen einen Mehrwert des Vergleichs begründen können, in Anspruch nehmen wollte. Etwaige Zweifel hätte das Gericht durch einfache Nachfrage beheben können. Dazu war es selbst bei einer anwaltlich vertretenen Partei kraft der ihm obliegenden Fürsorge- und Hinweispflichten (dazu näher LAG Hamm, 17. Juni 2013, 14 Ta 77/13, [...], Rn. 11 ff.) grundsätzlich gehalten. Es widerspricht insbesondere den Grundsätzen eines fairen Verfahrens, bei einem absehbaren Vergleichsschluss Prozesskostenhilfe in vollem Umfang zu bewilligen, ohne dabei klar zu stellen, dass sich die Bewilligung nur auf die Klageanträge bezieht, und sodann die bedürftige Partei darauf zu verweisen, sie habe vor Verfahrensbeendigung keinen ausdrücklichen Antrag für die Mehrvergleich gestellt. Nach seinem objektiv erkennbaren Inhalt erfasste der Bewilligungsbeschluss den Mehrvergleich, da ihm der dafür erforderliche Antrag bereits zugrunde lag. Aufgrund der Bewilligung konnte die Klägerin davon ausgehen, dass ihr für den von der Gegenseite bereits dem Gericht angezeigten abzuschließenden Vergleich Prozesskostenhilfe bewilligt worden war und es eines erneuten Antrags vor der Bestätigung des Vergleichsvorschlages nach § 278 Abs. 6 ZPO nicht mehr bedurfte.

    3. Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen nicht.

    RechtsgebietZPOVorschriften§ 278 Abs. 6 ZPO