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  • 11.07.2014 · IWW-Abrufnummer 142090

    Amtsgericht Darmstadt: Urteil vom 12.06.2014 – 6 Ca 22/13


    1. Die Darlegung von Indizien für eine Benachteiligung wegen einer angenommenen Behinderung erfordert zunächst, dass der anspruchsstellende Arbeitnehmer darlegt, von welchen Vorstellungen seiner Auffassung nach der Arbeitgeber bei der fraglichen Maßnahme ausgegangen ist und aus welchen Indizien er auf entsprechende Vorstellungen des Arbeitgebers schließt; dabei muss sich die vom Arbeitnehmer behauptete angenommene Behinderung im Sinne einer Parallelwertung in der Laiensphäre als eine Behinderung im Rechtssinne darstellen.

    2. Es kann es eine schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes eines Bewerbers darstellen, wenn dessen Bewerbung unbesehen seiner persönlichen Fähigkeiten und seiner Eignung für die angebotene Stelle im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens allein deshalb unberücksichtigt bleibt, weil der Bewerber ein Merkmal aufweist, welches der Arbeitgeber - ohne dass es hierfür nachvollziehbare Gründe gibt - generell nicht berücksichtigt.

    3. Soweit es nicht um eine Benachteiligung aus den in § 1 AGG genannten Gründen geht, wird man dem Arbeitgeber zugestehen müssen, im Rahmen seiner Entscheidungsfindung auch solche Umstände zu berücksichtigen, die zwar von der Stelle nicht zwingend geboten sind, die aber in seinem eigenen billigenswerten Interesse liegen.


    6 Ca 22/13

    Tenor

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

    Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 30.000,00 € festgesetzt.

    Tatbestand

    Die Parteien streiten über Entschädigungszahlungen wegen Diskriminierung und Verletzung des Persönlichkeitsrechtes.

    Der Beklagte zu 1) ist ein gemeinnütziger Verein. Als Patientenorganisation auf Bundesebene sind ihm etwa 90% der regionalen Borreliose-Selbsthilfegruppen sowie über 1.500 Einzelmitglieder und Förderer angeschlossen. Zweck des Vereins ist die Förderung der öffentlichen Gesundheit, insbesondere die Verhinderung von durch Zecken übertragenen Infektionskrankheiten, vorrangig Lyme-Borreliose, FSME und Co-Infektionen. Er betreibt hierzu das Sammeln von Informationen über Prävention, Diagnostik und Behandlung, multimediale Aufklärung, Beratung Erkrankter, Förderung von Selbsthilfe-Initiativen etc. und gesundheitspolitische Arbeit. Der Vorstand des Vereins ist ehrenamtlich tätig; die Mitglieder des Vorstandes sind selbst an Borreliose erkrankt mit allen damit einhergehenden Beschwerden und Behinderungen.

    Im Sommer 2012 war der Beklagte zu 1) großen Turbulenzen ausgesetzt. Bis auf den Schatzmeister trat im Sommer der gesamte Vorstand des Beklagten zu 1) zurück; die damalige Geschäftsführerin kündigte fristlos. Durch Selbstergänzung des Vorstandes konnte die Handlungsfähigkeit wieder hergestellt werden. Die Beklagte zu 2), die seinerzeitige Pressesprecherin des Beklagten zu 1) und damalige stellvertretende Vorsitzende, übernahm die Geschäftsführung kommissarisch. Auf die Ausschreibung der Stelle der Geschäftsführerin bewarb sich u. a. auch die Klägerin mit Bewerbungsschreiben vom 24. Juli 2012 (Bl. 41 - 44 d. A.). Der seinerzeitige erste Vorsitzende des Beklagten zu 1) und die Beklagte zu 2) führten mit der Klägerin im Privathaus der Beklagten zu 2) ein mehrstündiges Vorstellungsgespräch. Später gab die Klägerin ihren persönlichen Eindruck über dieses Gespräch dahingehend wieder, dass es sich um ein schönes, tolles, fruchtbares, intensives, familiäres Vorstellungsgespräch gehandelt habe. Mit der Klägerin wurde für den 28. August 2012 ein weiteres Vorstellungsgespräch vereinbart, an dem der gesamte vertretungsberechtigte Vorstand teilnehmen sollte. Am 26. August 2012, einem Sonntag, versandte die Beklagte zu 2) um 21:25 Uhr eine E-Mail (Bl. 45 d. A.) mit folgendem Inhalt:

    „… wir sprachen darüber, dass wir uns am Dienstag nochmals mit dem Schatzmeister aus Bremen treffen wollen.
    Selbstverständlich übernehmen wir Ihre Reisekosten. Doch vorweg hätte ich gerne noch ein Gespräch mit Ihnen geführt.
    Ich weiß nicht, ob Ihnen das im Laufe des Montag möglich ist.

    Worum geht es.
    Zum einen ist das noch eine für uns unsichere Geschichte mit Ihrem Umzug in unserer Region. Was Sie beruflich mitbringen, würde in unser Aufgabenspektrum prima passen.
    Aber als ehemalige Dicke (in jungen Jahren) möchte ich Sie fragen, was dazu geführt hat, dass Sie kein Normalgewicht haben. Sie müssen diese Frage nicht beantworten. Aber wenn Sie wollen, können Sie es mir erklären. Es geht dabei auch darum, dass Sie bei unseren Mitgliederversammlungen anwesend sein müssen und wir vielen immer wieder sagen müssen, dass sie das Thema Übergewicht ausschalten müssen, wenn es um Gutachten und Differentialdiagnosen der Borreliose geht. Im jetzigen Zustand wären sie natürlich kein vorzeigbares Beispiel und würden unsere Empfehlungen für Ernährung und Sport konterkarieren.
    Ich möchte Sie wirklich nicht kränken, auch weil ich aus persönlicher Erfahrung zwischen 12 und 22 die Last von Übergewicht kenne.
    Vielleicht haben Sie ja auch einen plausiblen Grund, der in den Griff zu bekommen ist.
    Mir fallen diese Worte wirklich schwer. Aber wir fragen uns schon: Warum tut sie das ihrem Körper an?
    Ich würde mich freuen, wenn Sie mich im Laufe des Montag anrufen würden.
    Heute will ich Ihnen den Sonntag nicht verderben.“

    Um circa 21:40 Uhr rief der Ehemann der Klägerin die Beklagte zu 2) an. Der genaue Ablauf und Inhalt dieses Telefonates ist zwischen den Parteien streitig. Am 27. August 2012 vereinbarte die Klägerin bei ihrem nunmehrigen Prozessbevollmächtigten einen Beratungstermin wegen Schadensersatzansprüchen aus Diskriminierung. Am 28. August 2012 reisten die Vorstandsmitglieder des Beklagten zu 1) zu dem für das zweite Vorstellungsgespräch vorgesehenen Termin an. Unter dem Datum des 29. August 2012 (Bl. 48 d. A.) teilte die Beklagte zu 2) der Klägerin schriftlich mit:

    „… Sie hätten Herrn W., den Schatzmeister, eines unserer aktiven Mitglieder und mich beeindruckt, wenn Sie am Dienstag wie ursprünglich vereinbart nach R. gekommen wären. Wir haben uns dann gestern für eine andere Bewerberin entschieden.“

    Die Stelle der Geschäftsführerin wurde zunächst nicht neu besetzt.

    Mit Schreiben vom 26. Oktober 2012 (Bl. 49 ff. d. A.), bei dem Beklagten zu 1), am gleichen Tag per Fax vorab eingegangen, forderte der nunmehrige Prozessbevollmächtigte der Klägerin namens seiner Mandantin in einem 15-seitigen Schreiben Schadensersatz und Entschädigung wegen Diskriminierung, Mobbing und Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Der Gesamtschaden betrage derzeit 33.500,00 €. Hinzu kämen die Kosten der Rechtsverfolgung sowie die Schäden aufgrund des entgangenen Gehalts für die Zukunft. Die Geltendmachung weiterer Schäden bleibe vorbehalten. Mit Schreiben vom 06. November 2012 wies die Beklagte zu 2) die Vorwürfe der Klägerin zurück. Das Schreiben vom 06. November 2012 (Bl. 65 f. d. A.) lautet - auszugsweise - wie folgt:

    „1. Wir haben die Bewerbung von Frau … nicht abgelehnt. Im Gegenteil: Sie war unsere Favoritin und wir haben sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen.
    Wir fühlten uns nur in einem Punkt getäuscht, dass aus dem Bewerbungsbild von Frau … nicht hervorging, welches enorme Übergewicht sie mit sich trägt. Weil es ihr jedoch gelang, uns von ihren Fähigkeiten zu überzeugen, luden wir Sie zu einem zweiten Gespräch am Dienstag, den 28.09.12 ein, zu dem eigens der Schatzmeister aus Bremen anreisen wollte.
    2. Im internen Gespräch diskutierten wir, was der Grund sein könne, dass eine gutaussehende junge Frau mit tollen Fähigkeiten und Ideen und dazu in diesem Alter dermaßen figurmäßig entgleist. Das irritierte uns.
    Bei Übergewicht geht die Medizin davon aus, dass der Mensch entweder mehr isst, als er benötigt; dann will er entweder zunehmen oder er besitzt nicht die Disziplin, seine Essenszufuhr zu steuern. Und dann gibt es Frustesser, die nicht im Stande sind, Stress auszuhalten, ohne sich selbst zu schädigen. Und es gibt die Möglichkeit, dass Menschen ihre seelischen Probleme mit Essen kompensieren. Oder der Mensch ist übergewichtig, weil sein Stoffwechsel nicht funktioniert, dann ist das eine Krankheit, die sicher als Behinderung angesehen werden kann.
    Als ehemalige Übergewichtige bot ich mich an, mit ihr ein Gespräch von Frau zu Frau zu führen. Dies versuchte ich, so zartfühlend wie möglich, mit einer Mail am 26.08.12 anzubahnen. Mit dem gewünschten Gespräch mit Frau … versuchten wir zu erfahren, mit welcher Persönlichkeit wir zu tun haben, mit welchem Grad von Zuverlässigkeit, Aufrichtigkeit und Selbstbewusstsein wir rechnen konnten, nachdem wir durch das Foto getäuscht wurden. Als ehemalige Übergewichtige weiß ich über die Dünnhäutigkeit eines Menschen, weshalb ich meine Worte sorgsam gewählt habe, wie sie nachlesen können.

    5. Trotzdem erwarteten wir Frau … wie vereinbart am Dienstag, den 28.08.12. Der Schatzmeister war eigens dazu aus Bremen angereist, zumal wir auch keine Absage erhalten hatten. Wir hatten noch eines unserer aktiven Mitglieder aus Frankfurt zu diesem Gespräch eingeladen, weil wir uns breite Bestätigung suchten, mit Frau … den richtigen Griff zu tun.
    6. Die Beschimpfungen von Herrn w… hatten wir zwar zur Kenntnis genommen; wir glaubten jedoch, dass Frau … sich selbst äußern würde.

    8. Wir haben uns zu keinem Zeitpunkt gegen Frau … entschieden, sondern sie selbst hat durch Nichterscheinen diese Entscheidung getroffen, nicht für uns arbeiten zu wollen, in dem sie unseren mit ihr getroffenen Termin nicht absagte und auch nicht erschien…“

    Die Klägerin hat am 25. Januar 2013 beim Arbeitsgericht Darmstadt Klage gegen den Beklagten zu 1) auf Zahlung von 30.000,00 € eingereicht. Die Klage ist dem Beklagten zu 1) am 02. Februar 2013 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 30. September 2013, beim Gericht eingegangen am gleichen Tage, hat die Klägerin die Klage gegen die Beklagte zu 2) erweitert. Die Klageerweiterung ist der Beklagten zu 2) am 08. Oktober 2013 zugestellt worden.

    Die Klägerin behauptet, dass sie die für eine mitteleuropäische Frau durchschnittliche Damenkleidergröße 42 trage. In dem zwischen ihrem Ehemann und der Beklagten zu 2) am Abend des 26. August 2012 geführten Gespräch habe die Beklagte zu 2) erklärt, wenn die Klägerin nicht Gründe für ihr Übergewicht mitteile, brauche sie nicht zum zweiten Vorstellungsgespräch am nächsten Dienstag zu kommen. Der Ehemann der Klägerin habe der Beklagten zu 2) erklärt, dass das Körpergewicht der Klägerin deren Privatangelegenheit sei und dass sie selbstverständlich keine Erklärung dazu abgeben werde. Weiter habe er gefragt, ob die Klägerin tatsächlich deswegen nicht zum zweiten Vorstellungsgespräch kommen solle. Die Beklagte zu 2) habe erklärt, wenn die Klägerin ihr Übergewicht nicht begründe, dann solle sie nicht kommen. Zum Beweis für die Inhalte des Telefonats verweist die Klägerin u. a. auf eine von ihr gefertigte Aktennotiz (Bl. 47 d. A.).

    Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie gegen den Beklagten zu 1) einen Anspruch habe auf Zahlung von 30.000,00 € als Entschädigung im Sinne von § 15 Abs. 2 AGG. Es läge eine Diskriminierung wegen einer Behinderung im Sinne des § 1 AGG vor. Adipositas sei eine behandlungsbedürftige Krankheit und deshalb als Behinderung im Sinne des § 1 AGG aufzufassen. Mit starkem Übergewicht seien regelmäßig erhebliche Einschränkungen bei der Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft verbunden z. B. beim Gehen, Laufen und sonstigen körperlich anstrengenden Tätigkeiten. Zusätzlich lägen regelmäßig Folgeerkrankungen vor wie z. B. Diabetes, Hypertonie.

    Die Klägerin behauptet, die Beklagten zu 1) und 2) seien bezogen auf ihre Person von einer schwerwiegenden Beeinträchtigung im Sinne von Adipositas ausgegangen und hätten allein deswegen die Einstellung verweigert. Bei der Klägerin liege Adipositas objektiv nicht vor, die Beklagten hätten dies jedoch unterstellt. Bereits die E-Mail vom 26. August 2012 zeige, dass einzig das (vermeintliche) Übergewicht der Klägerin ausschlaggebend sei für die Absage. Im Übrigen ergeben sich nach Auffassung der Klägerin Ansprüche gegen den Beklagten zu 1) und 2) aus den §§ 280 BGB, 826 BGB, 823 Abs. 1 BGB, 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 7 Abs. 1, 12 Abs. 1 AGG. Die Äußerungen und das Verhalten der Beklagten im Zusammenhang mit der Bewerbung der Klägerin stellten einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin dar. Es werde bestritten, dass die Beklagte zu 2) gegenüber der Klägerin eine andere Intention verfolgt habe, als die Klägerin zu demütigen, zu kränken oder in ihrer Würde zu verletzen.

    Die Klägerin beantragt,

    die Beklagten zu 1) und 2) gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin 30.000,00 € Ersatz für den immateriellen Schaden (Entschädigung und Schmerzensgeld) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

    Die Beklagten zu 1) und 2) beantragen,

    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte zu 1) behauptet, dass Grund für die Nichteinstellung der Klägerin einerseits ihr unentschuldigtes Erscheinen zum zweiten Vorstellungsgespräch, andererseits die noch ausstehende Neuformierung des Vorstandes der Beklagten zu 1) gewesen sei, nicht jedoch ihr Übergewicht. Die Klägerin sei ohne Angabe von Gründen zu dem zweiten Vorstellungsgespräch nicht erschienen. Die Beklagte zu 2) habe zu keinem Zeitpunkt das zweite Vorstellungsgespräch davon abhängig gemacht, dass zuvor noch ein persönliches Gespräch zwischen der Klägerin und der Beklagten erfolge. Sie habe auch nicht dem Ehemann der Klägerin erklärt, dass die Klägerin am 28. August 2012 nicht mehr zu erscheinen brauche. Mit einer derartigen Aussage hätte die Beklagte zu 2) ihre Befugnisse auch deutlich überschritten. Das Vorgehen der Beklagten zu 2) und der Inhalt der E-Mail vom 26. August 2012 seien mit dem Vorstand nicht abgestimmt worden. Die Beklagte zu 2) habe insoweit ausschließlich privat in ihrer Eigenschaft als Beraterin gehandelt. Der Beklagte zu 1) distanziere sich ausdrücklich von dieser E-Mail. Die Beklagte zu 2) habe der Klägerin Gelegenheit geben wollen, in einem persönlichen Gespräch nur mit ihr als ehemals Betroffener die Frage nach den Gründen für das Übergewicht zu klären um gegebenenfalls der Klägerin Hilfestellung zu geben. Dabei sei sie davon ausgegangen, dass dies der Klägerin entgegen kommen würde. Die Stelle der Geschäftsführerin sei zunächst gar nicht besetzt worden, da sich der Vorstand entschieden habe im Hinblick auf eine für Mitte November 2012 geplante außerordentliche Mitgliederversammlung zur Neuwahl des Vorstandes dem neugewählten Vorstand die Entscheidung über die Neubesetzung der Stelle vorzubehalten.

    Für den Beklagten zu 1) sei das Übergewicht der Klägerin nicht relevant für die Entscheidungsfindung gewesen. Die Beklagte zu 1) habe der Klägerin nicht unterstellt, an Adipositas zu leiden und etwa aus diesem Grund eine Einstellung verweigert. Im Übrigen sei nach Auffassung des Beklagten zu 1) eine Adipositas, selbst wenn ihr Krankheitswert zukomme, keine rechtlich relevante Funktionsbeeinträchtigung im Sinne des Behindertenbegriffs.

    Der Beklagte zu 1) behauptet, die Äußerungen der Beklagten zu 2) seien keinesfalls erfolgt, um die Klägerin zu kränken. Auf Mitgliederversammlungen des Beklagten zu 1) werde, was seitens der Klägerin nicht bestritten wird, offen über Behinderungen und Krankheiten gesprochen, dies sei gerade einer der Zwecke des Vereins. Auf Fragen von Mitgliedern nach dem Grund für das Übergewicht der Klägerin sollte aufgrund des Selbstverständnisses des Beklagten zu 1), der sich der Gesundheitspflege und -förderung verpflichtet habe, eine aufrichtige und loyale Antwort der Klägerin als Geschäftsführerin möglich sein, wobei jedes Mitglied Verständnis für eine an Adipositas erkrankte Geschäftsführerin gehabt hätte. Die Klägerin sei demgegenüber nicht einmal selbst in der Lage, mit ihrem Übergewicht offen umzugehen. Wenn die Klägerin in der Frage nach ihrem Übergewicht bereits einen persönlichen Angriff sehe, sei die Klägerin für die Stelle als Geschäftsführerin sicherlich nicht geeignet. Es bestehe beim Beklagten zu 1) ein ausgesprochen großes Verständnis für Kranke, deren Interessen er gerade vertrete. Menschen mit Behinderungen seien bei dem Beklagten zu 1) nicht nur gern gesehen, sondern ausdrücklich erwünscht.

    Die Beklagte zu 2) behauptet, dass sich mit ihrer E-Mail vom 26. August 2012 in ihrer Eigenschaft als Wissenschaftsjournalistin, welche sich seit über 30 Jahren aus eigenem Erleben mit dem Thema Übergewicht beschäftige, und aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung als Telefonberaterin von Borrelioseerkrankten an die Klägerin gewandt habe. Sie habe weder mit Worten noch mit Gedanken die Klägerin kränken oder diskriminieren wollen. Das Gegenteil sei der Fall gewesen. Sie habe der Klägerin eine Brücke bauen wollen zwischen der äußeren Wahrnehmung, die die Klägerin hinterlassen hätte und ihrem Wunsch, der Klägerin als künftigen Geschäftsführerin die Verwaltungsgeschicke des Beklagten zu 1) übertragen zu wollen. Das Vorstellungsgespräch sei fachlich überzeugend gewesen. Deshalb habe sich die Beklagte zu 2) angeboten, ein Gespräch mit der Klägerin zu führen. Sie sei zu keinem Zeitpunkt auf den Gedanken gekommen, dass ihre E-Mail die Klägerin verletzen könnte, da sie selbst sehr offen mit dem Problem Übergewicht umgehe und auch darüber schreibe. In dem Telefonat mit dem Ehemann der Klägerin habe sie diesem auf keinen Fall gesagt, dass die Klägerin den vereinbarten Termin nicht wahrzunehmen brauche. Die Mitglieder des Vorstandes des Beklagten zu 1) hätten viele Fragen an die Klägerin gehabt, die nur in einem persönliches Gespräch hätten beantworten werden können. Sie seien zu diesem Zeitpunkt fest davon ausgegangen, dass die Klägerin die neue Geschäftsführerin des Vereines werden würde, doch die Klägerin sei zu dem vereinbarten Termin nicht mehr erschienen.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist zulässig aber unbegründet.

    Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagten zu 1) und 2) auf Zahlung von 30.000,00 € nebst Zinsen.

    Insbesondere ergibt sich der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch gegenüber dem Beklagten zu 1) nicht aus § 15 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 7 Abs. 1, § 3 Abs. 1 AGG. Die Klägerin ist als Bewerberin im Sinne des § 6 Abs. 1 S. 2 AGG als Beschäftigte anzusehen, der Beklagte zu 2) ist Arbeitgeber im Sinne des § 6 Abs. 2 AGG. Gemäß § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt. § 1 AGG verbietet Benachteiligungen aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität. Gemäß § 15 Abs. 1 AGG ist bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen (§ 15 Abs. 2 S. 1 AGG).

    Die Klägerin ist nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Benachteiligungsgrundes benachteiligt worden. § 1 AGG ist hinsichtlich der genannten Benachteiligungsgründe abschließend. Eine Behinderung im Sinne des § 1 AGG liegt nicht vor. Das Übergewicht der Klägerin ist keine Behinderung im Sinne des AGG. Eine Behinderung im Sinne des § 1 AGG liegt unter Berücksichtigung des maßgeblichen supranationalen Rechts vor, wenn die körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit eines Menschen langfristig eingeschränkt ist und dadurch - in Wechselwirkung mit verschiedenen sozialen Kontextfaktoren (Barrieren) - seine Teilhabe an der Gesellschaft, wozu auch die Teilhabe am Berufsleben gehört, substantiell beeinträchtigt sein kann. Auf einen bestimmten Grad der Behinderung (GdB) kommt es nicht an. Ob eine Behinderung vorliegt, ist unter Beachtung dieses Begriffsverständnisses im Einzelfall festzustellen, wobei auch zu beachten ist, dass das Verständnis von Behinderung nicht statisch ist. Der Begriff der Behinderung gem. § 1 AGG entspricht nach dem Willen des nationalen Gesetzgebers den gesetzlichen Definitionen in § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX und § 3 BGG. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Der Gesetzgeber hat sich damit für einen modernen Behindertenbegriff entschieden, der an die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) anknüpft. Bei diesem bio-psycho-sozialen Behindertenbegriff wird Behinderung nicht durch die individuelle Funktionsstörung, sondern durch die Beeinträchtigung der (gesellschaftlichen) Teilhabe definiert. Eine Behinderung liegt vor, wenn sich die Beeinträchtigung auf die Partizipation in einem oder mehreren Lebensbereichen auswirkt. Ob eine Beeinträchtigung relevant ist, ergibt sich demnach erst aus dem Zusammenwirken von behindernden sozialen Kontextfaktoren (Barrieren) und individueller Gesundheitsstörung. Eine Gesundheitsstörung kann auch darin liegen, dass die (gesellschaftliche) Teilhabe durch das Verhalten anderer beeinträchtigt wird. Behinderung ist nach diesem Verständnis sowohl persönliche Eigenschaft als auch soziales Verhältnis. Eine Behinderung in diesem Sinne kann demnach erst durch das „Behindern“ eines Menschen durch eine Umwelt entstehen. Nach der Rechtsprechung des EuGH erfasst der Begriff der Behinderung im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG auch Einschränkungen, die insbesondere auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückführen sind, die in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren den Betreffenden an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern, hindern können, sofern die körperlichen, seelischen, geistigen oder Sinnesbeeinträchtigungen langfristig sind. Das schließt einen Zustand ein, der durch eine ärztlich diagnostizierte heilbare oder unheilbare Krankheit verursacht wird, wenn diese Krankheit die vorgenannten Einschränkungen mit sich bringt. Anderenfalls fällt eine Krankheit nicht unter den Begriff der Behinderung i. S. d. Richtlinie 2000/78/EG. Behinderung und Krankheit sind nach wie vor nicht gleichzusetzen (siehe BAG Urt. v. 19.12.13 - 6 AZR 190/12, Rn. 57 - 59, m. w. N., juris). Damit haben sich die unionsrechtliche Konzeption und die des nationalen Rechts angenähert. Aus den unterschiedlichen Definitionen ergeben sich jedoch nach wie vor Unterschiede im Begriffsverständnis, die für die vom AGG Erfassten teils günstiger, teils ungünstiger sind. Der Behindertenbegriff des AGG ist maßgeblich, soweit das nationale Recht von einem weiteren Behindertenbegriff als das supranationale Recht ausgeht. Im Übrigen ist der Behindertenbegriff des Unionsrechts zugrunde zu legen (vgl. BAG Urt. v. 19.12.13, - 6 AZR 190/12, Rn. 60, 63, juris).

    Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Klägerin tatsächlich nicht behindert ist im Sinne des nationalen/supranationalen Behindertenbegriffs.

    Es steht auch nicht zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass der Beklagte zu 1) bezogen auf die Klägerin von einer Behinderung im Sinne des § 1 AGG ausgegangen ist. Die Darlegung von Indizien für eine Benachteiligung wegen einer angenommenen Behinderung erfordert zunächst, dass der anspruchsstellende Arbeitnehmer darlegt, von welchen Vorstellungen seiner Auffassung nach der Arbeitgeber bei der fraglichen Maßnahme ausgegangen ist und aus welchen Indizien er auf entsprechende Vorstellungen des Arbeitgebers schließt; dabei muss sich die vom Arbeitnehmer behauptete angenommene Behinderung im Sinne einer Parallelwertung in der Laiensphäre als eine Behinderung im Rechtssinne darstellen. Dies kann dem Vorbringen der Klägerin nicht entnommen werden. Die Klägerin behauptet lediglich pauschal, dass die Beklagten zu 1) und 2) der Klägerin Adipositas entsprechend der ICF der WHO unterstellt hätten. Insoweit handele es sich um eine behandlungsbedürftige Erkrankung. Wegen der damit verbundenen Einschränkungen, z. B. beim Gehen, Laufen und sonstigen körperlich anstrengenden Tätigkeiten und regelmäßigen Folgeerkrankungen wie z. B. Diabetes oder Hypertonie, sei Adipositas als Behinderung im Sinne des § 1 AGG anzusehen. Dass die Beklagten von starkem Übergewicht im Sinne von Adipositas ausgegangen seien, ergebe sich insbesondere aus den Ausführungen der Beklagten zu 2) im Ablehnungsschreiben vom 06. November 2012. Im Ablehnungsschreiben vom 06. November 2012 habe die Beklagte zu 2) im Namen des Beklagten zu 1) u. a. ausgeführt, dass aus dem Bewerbungsbild der Klägerin nicht hervorgegangen sei, welches enorme Übergewicht die Klägerin mit sich trage und dass in einem internen Gespräch diskutiert worden sei, was der Grund sein könne, dass eine gutaussehende junge Frau mit tollen Fähigkeiten und Ideen und dazu in diesem Alter dermaßen figurmäßig entgleist sei. Der Beklagte zu 1) bestreitet, dass seitens der mit der Einstellung befassten Vorstandsmitglieder von einem Übergewicht im Sinne von Adipositas ausgegangen worden sei. Die von der Klägerin vorgetragenen Indizien rechtfertigen nicht die Annahme, dass der Beklagte zu 1) in Zusammenhang mit der Einstellung der Klägerin von einer Behinderung im Sinne des nationalen/supranationalen Rechts ausgegangen ist. Die Äußerung der Beklagten zu 2) im Schreiben vom 06. November 2012, dass die Klägerin enormes Übergewicht mit sich trage und „dermaßen figurmäßig“ entgleist sei, lassen allenfalls darauf schließen, dass die Beklagte zu 2) die Klägerin als stark übergewichtig wahrgenommen hat. Es gibt jedoch nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür, dass die Vorstandsmitglieder über die objektiven Gegebenheiten hinaus von einer behandlungsbedürftigen Erkrankung der Klägerin und hieraus resultierenden Einschränkungen für die gesellschaftliche/berufliche Teilhabe ausgegangen sind. Die Klägerin, welche nach eigenem Bekunden die für eine mitteleuropäische Frau durchschnittliche Damenkleidergröße 42 trägt und sich selbst „als vollschlank aber nicht adipös“ bezeichnet, hat augenscheinlich keine körperlichen Einschränkungen infolge ihres Gewichtes. Sie war und ist – auch nach der Wahrnehmung der Beklagten zu 1) und 2) - beruflich erfolgreich und gesellschaftlich gut integriert. Es gibt mithin nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür, dass sich die Beklagten bezogen auf die Klägerin, Umstände vorgestellt hätten, die, wenn sie vorlägen, als Behinderung im Sinne des § 1 AGG anzusehen wären.

    Die Klägerin hat gegen die Beklagten zu 1) und 2) auch keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, § 823 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG.

    Das durch Art. 1 und Art. 2 GG gewährleistete Persönlichkeitsrecht ist im Privatrechtsverkehr und damit auch im Arbeitsverhältnis bzw. bei der Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses zu beachten. Für einen Anspruch auf Schmerzensgeld bzw. Ersatz des ideellen Schadens wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist eine schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bzw. ein schweres Verschulden des Verletzenden Voraussetzung. Geringfügige Eingriffe lösen keine Entschädigungsansprüche aus. Ob eine schwerwiegende Verletzung vorliegt, welche die Zahlung einer Entschädigung erfordert, hängt von der Bedeutung und der Tragweite des Eingriffs, Anlass und Beweggründen des Handelnden sowie dem Grad seines Verschuldens ab. Zu berücksichtigen ist auch, in welche geschützten Bereiche eingegriffen wurde (vgl. BAG Urt. v. 24. 09.09 - 8 AZR 636/08, Rn. 41 - 43, juris).

    Es liegt keine schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes der Klägerin durch die Beklagten zu 1) und 2) vor.

    Zwar kann es eine schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes eines Bewerbers darstellen, wenn dessen Bewerbung unbesehen seiner persönlichen Fähigkeiten und seiner Eignung für die angebotene Stelle im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens allein deshalb unberücksichtigt bleibt, weil der Bewerber ein Merkmal aufweist, welches der Arbeitgeber - ohne dass es hierfür nachvollziehbare Gründe gibt – generell nicht berücksichtigt. Dabei wird dem Arbeitgeber nach der Werteordnung des Grundgesetzes im Hinblick auf dessen Grundrechte (Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG) ein beträchtlicher Entscheidungs- und Beurteilungsspielraum zuzubilligen sein. Soweit es nicht um eine Benachteiligung aus den in § 1 AGG genannten Gründen geht, wird man dem Arbeitgeber zugestehen müssen, im Rahmen seiner Entscheidungsfindung auch solche Umstände zu berücksichtigen, die zwar von der Stelle nicht zwingend geboten sind, die aber in seinem eigenen billigenswerten Interesse liegen.

    Es steht nicht zur Überzeugung des erkennenden Gerichtes fest, dass die Klägerin vom Beklagten zu 1) allein deshalb nicht eingestellt worden ist, weil sie übergewichtig ist. Dies beruht auf einer Würdigung der Gesamtumstände, insbesondere den schriftlichen Äußerungen der Beklagten zu 2) in der E-Mail vom 26. August 2012 sowie im Schreiben vom 06. November 2012. Da die Beklagte zu 2) sich in diesen Schreiben offenkundig ohne jegliches Problembewusstsein für die Vorgaben des AGG und offenkundig ohne jede rechtliche Beratung „frank und frei“ geäußert hat, geht das erkennende Gericht davon aus, dass die beiden Schreiben die maßgeblichen Überlegungen der Beklagten zu 1) und 2) zutreffend wiedergeben. Aufgrund der vom erkennenden Gericht vorgenommenen Würdigung aller Umstände geht das Gericht davon aus, dass der damalige Vorsitzende des Vereines sowie die Beklagte zu 2) - obgleich sie sich aufgrund des Bewerbungsbildes der Klägerin zunächst eine andere Vorstellung vom Erscheinungsbild der Klägerin gemacht hatten - deren Einstellung ernsthaft erwogen haben und dass die Klägerin sogar als Favoritin unter den verbliebenen Bewerbern galt. Sämtliche Beteiligten des ersten Bewerbungsgesprächs, einschließlich der Klägerin, haben dieses als erfolgreich und vielversprechend erlebt. Die Klägerin wurde zu einem zweiten Vorstellungsgespräch eingeladen, zu dem auch tatsächlich alle Vorstandsmitglieder angereist sind. Hätte man die Klägerin allein deshalb, weil sie übergewichtig ist, nicht einstellen wollen, hätte man sie sicherlich nicht zu einem zweiten Vorstellungsgespräch eingeladen. Der Umstand, dass die Vorstandsmitglieder zu dem mit der Klägerin vereinbarten Termin tatsächlich angereist sind, spricht dafür, dass jedenfalls für den Vorstand als Gesamtgremium das Bewerbungsverfahren der Klägerin bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen war und es im Ergebnis deshalb nicht zur Einstellung der Klägerin kam, weil diese zum zweiten Vorstellungsgespräch nicht erschienen ist.

    Auch wenn man zugunsten der Klägerin unterstellt, dass sich die Beklagte zu 2) in dem Telefongespräch mit dem Ehemann der Klägerin, wie in der Aktennotiz der Klägerin dokumentiert, geäußert hat, folgt hieraus nicht, dass der Beklagte zu 1) unbesehen der Persönlichkeit der Klägerin und ihren Fähigkeiten diese allein deshalb, weil sie übergewichtig ist, vom weiteren Bewerbungsverfahren ausgeschlossen hat. Vielmehr folgt daraus allenfalls, dass die Klägerin deshalb nicht eingestellt worden ist, weil sie nicht dazu bereit war, sich mit der Beklagten zu 2) über ihr fehlendes Normalgewicht auszutauschen. Dies würde aber keinen widerrechtlichen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin darstellen.

    Es ist nicht zu beanstanden, wenn ein Arbeitgeber während des Bewerbungsprozesses - in angemessener Form und soweit keine Diskriminierung im Sinne des § 7 AGG erfolgt - auf aus seiner Sicht bestehende mögliche Hindernisse für den Erfolg der Bewerbung hinweist und dem Bewerber die Möglichkeit gibt, hierzu Stellung zu nehmen, um seiner Bewerbung zum Erfolg zu verhelfen. Für den Bewerber mag es schmerzhaft sein, im Rahmen eines Bewerbungsprozesses damit konfrontiert zu werden, dass die Wahrnehmung des Arbeitgebers seiner Person und Fähigkeiten nicht der eigenen Wahrnehmung entspricht. Für das längerfristige berufliche Fortkommen des Bewerbers dürfte dies aber hilfreicher sein als bewusst neutral gehaltene Absagen geschulter Personalverantwortlicher. Letztlich entspricht dies auch den Vorstellungen des Gesetzgebers, wie sich beispielsweise aus der Regelung des § 82 S. 2 SGB IX für den Bereich des öffentlichen Dienstes ergibt. Selbstverständlich ist ein Bewerber nicht dazu verpflichtet, sich zu vom Arbeitgeber angenommenen Eignungsmängeln bzw. Einstellungshindernissen zu erklären, zumal wenn diese auch seine private Lebensführung betreffen. Er muss es dann aber, sofern keine Benachteiligung im Sinne des § 7 AGG vorliegt, hinnehmen, wenn der Arbeitgeber seine Zweifel als nicht ausgeräumt ansieht und es deshalb nicht zu einer Einstellung kommt.

    Die Frage nach den Gründen für das fehlende Normalgewicht diente auch dazu, sich ein Bild von der Klägerin zu machen, um die Eignung der Klägerin für die Stelle als Geschäftsführerin und Repräsentantin des Beklagten zu 1) abschließend beurteilen zu können.

    Dem Beklagten zu 1) ging es darum, aus seiner Sicht die beste Bewerberin bzw. den besten Bewerber auszuwählen. Dazu gehörte - wenn möglich - eine Bewerberin, die die Empfehlungen des Vereins zu gesundheitsbewusstem Verhalten glaubhaft vertreten kann. Dass hierfür eine Geschäftsführerin mit normalem BMI von Vorteil ist, dürfte auf der Hand liegen. Wenn die Geschäftsführerin diesem Ideal nicht entsprechen sollte, sollte es ihr jedenfalls möglich sein, mit der Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit selbstbewusst und authentisch umzugehen - ohne gleichzeitig die Empfehlungen des Vereins zu negieren. Dies ist ein berechtigtes Anliegen des Beklagten zu 1) im Rahmen einer Auswahlentscheidung. Weiterhin sollte die Geschäftsführerin nach den Vorstellungen des Beklagten zu 1) eine gewisse Belastbarkeit und Stressresistenz mit sich bringen. Insoweit mag die Annahme, dass Übergewicht unter bestimmten Umständen auf mangelnde Disziplin oder mangelnde Stressresistenz hindeutet, einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht standhalten. Sie ist aber, auch wenn man sie nicht teilt, als Teil eines zwangsläufig subjektiv geprägten Beurteilungsprozesses im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens aufgrund des dem Arbeitgeber zuzubilligenden Beurteilungsspielraums von der Rechtsordnung hinzunehmen.

    Die Äußerungen der Beklagten zu 2) in ihrer E-Mail vom 26. August 2012 und die von der Klägerin behaupteten Äußerungen in dem sich hieran anschließenden Telefongespräch beinhalten keinen widerrechtlichen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht; jedenfalls liegt keine schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vor. Zwar ist die Formulierung „im jetzigen Zustand wären Sie natürlich kein vorzeigbares Beispiel und würden unsere Empfehlung für Ernährung und Sport konterkarieren“ keineswegs „zartfühlend“. Dass sich die Klägerin, gerade weil man sich im ersten Vorstellungsgespräch so gut verstanden hat, verletzt und herabgesetzt gefühlt hat, auf ihr (gemessen am Maßstab des BMI) fehlendes Normalgewicht angesprochen und als „nicht vorzeigbares Beispiel, das die Empfehlung des Vereins für gesundheitsbewusstes Verhalten konterkariert“ befunden zu werden, ist nachvollziehbar. Auch wenn sich die Beklagte zu 2) nicht taktvoll verhalten hat, sind ihre Äußerungen, die von einem sachlichen Anliegen getragen und allein für die Klägerin bestimmt waren, im Rahmen eines internen offenen Meinungsaustausches als Bewertung im Rahmen der Meinungsfreiheit gedeckt. Auch wenn diese Äußerungen von der Klägerin als verletzend empfunden worden sind, sind sie nach Überzeugung des Gerichtes gerade nicht mit der Zielrichtung, die Klägerin zu kränken, geäußert worden. Das Gericht hat keine Zweifel daran, dass die Beklagte zu 2) daran interessiert war, dass die Klägerin als Geschäftsführerin eingestellt wird und im Interesse des Vereins erkunden wollte, inwieweit das wahrgenommene Übergewicht sich mit den Bedürfnissen und Zielen des Vereins in Einklang bringen ließe und der Klägerin ihren Rat als „ehemalige Dicke“ anbieten wollte. Dies zeigen beispielsweise die Formulierungen „ich möchte Sie wirklich nicht kränken“, „mir fallen diese Worte wirklich schwer“ und „heute will ich Ihnen den Sonntag nicht verderben“. Es ist kein Grund erkennbar, warum die Beklagte zu 2) eine Bewerberin, deren Einstellung sie – auch zu ihrer eigenen Entlastung - wollte, bewusst kränken sollte.

    Offenkundig hat die Beklage zu 2) zur fortgeschrittenen Stunde, die E-Mail wurde um 21:25 Uhr verschickt, nicht die richtigen Worte gefunden und übersehen, dass der im Verein gepflegte offene Austausch über persönliche Einschränkungen und Defizite, wie er z. B. auf freiwilliger Grundlage in der geschützten Atmosphäre einer Selbsthilfegruppe stattfindet, für die Ansprache einer Bewerberin verfehlt ist. Auch mag die familiäre Atmosphäre des vorangegangenen Vorstellungsgespräches die Hemmschwelle zu unangebrachten Vertraulichkeiten herabgesetzt haben.

    Die im Rahmen des Telefongesprächs mit dem Ehemann gegen 22:00 Uhr des gleichen Tages angeblich geäußerte Formulierung „wer undiszipliniert ist beim Essen, ist undiszipliniert beim Arbeiten“ ist zweifellos taktlos, als Teil der Meinungsäußerungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 GG aber in einem persönlichen Gespräch hinzunehmen. In einer freiheitlichen und pluralistischen Gesellschaft kann nicht alles, was nach gängigen Vorstellungen taktlos ist und/oder persönlich als kränkend empfunden wird, mit den Mitteln des Rechts unterbunden werden. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Äußerung im Rahmen eines Gespräches erfolgte, das zweifellos nicht in entspannter Atmosphäre stattfand. Wenige Minuten vor dem Telefongespräch hatte die Klägerin die E-Mail erhalten, welche die Klägerin nach eigenem Bekunden tief verletzt und zum Weinen gebracht hat. Der Anruf des Ehemannes der Klägerin sollte dazu dienen, den wahrgenommenen Angriff auf seine Ehefrau abzuwehren und die Forderung der Beklagten zu 2), sich zum Übergewicht zu äußern, zurückzuweisen. Dies dürfte die Beklagte zu 2) dazu veranlasst haben, sich entsprechend zu verteidigen, weil sie sich ihrerseits angegriffen und unverstanden gefühlt hat.

    Schließlich liegt auch in den Äußerungen der Beklagten zu 2) im Schreiben vom 06. November 2012, dass die Klägerin enormes Übergewicht mit sich trage und figurmäßig entgleist sei, keine widerrechtliche Persönlichkeitsrechtsverletzung.

    Auch wenn die Beklagte zu 2) mit der Formulierung „figurmäßig entgleist“ aus objektiver Sicht eine überzogene und unnötig harte Formulierung gewählt hat, ist eine Absicht, die Klägerin hierdurch zu kränken, nicht erkennbar. Vielmehr bezeichnet die Beklagte zu 2) die Klägerin gleichermaßen als eine gutaussehende junge Frau mit tollen Fähigkeiten und Ideen.

    Die Äußerung ist jedenfalls gemäß § 193 StGB als Wahrnehmung berechtigter Interessen gerechtfertigt. Die Äußerung der Beklagten zu 2) erfolgte im Zusammenhang mit der Abwehr des von der Klägerin geltend gemachten Entschädigungsanspruchs. Mit Schreiben vom 16. Oktober 2012 hatte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin dem Beklagten zu 1) vorgeworfen, die Klägerin wegen (angenommener) Behinderung diskriminiert zu haben und eine Entschädigung in beträchtlicher Größenordnung gefordert. Dieser im Ergebnis nicht gerechtfertigte Vorwurf an einen Verein, der die Belange von chronisch Erkrankten und Behinderten vertritt, konnte von diesem durchaus als beleidigend empfunden werden.

    Sonstige Anspruchsgrundlagen, aus denen sich ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten zu 1) oder die Beklagte zu 2) auf Ersatz des immateriellen Schadens ergeben könnte, sind nicht ersichtlich.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreites zu tragen, da sie unterlegen ist.

    Den Wert des Streitgegentandes i. S. d. § 61 Abs. 1 ArbGG hat die Kammer in Höhe der Klageforderung festgesetzt.

    RechtsgebietAGGVorschriften§ 1 AGG, § 7 AGG, § 15 AGG