09.12.2016 · IWW-Abrufnummer 190514
Arbeitsgericht Düsseldorf: Beschluss vom 28.11.2016 – 2 BV 286/16
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Arbeitsgericht Düsseldorf
2 BV 286/16
Tenor:
1. Die Betriebsratswahl vom 04.03.2016 wird für unwirksam erklärt.2. Im Übrigen wird der Antrag zu 1.) aus der Antragsschrift zurückgewiesen.
Gründe 1
I.
2
Die Beteiligten streiten um die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl, hilfsweise um die Auflösung des Betriebsrats und weiter hilfsweise um den Ausschluss einzelner Mitglieder aus dem Betriebsrat.
3
Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der Sicherheitsbranche und beschäftigt etwa 60 Arbeitnehmer. Ein Betriebsrat war im Betrieb bislang nicht gewählt worden. Die Besonderheiten des Betriebs bringen es mit sich, dass sich die Arbeitnehmer auch während ihrer Pausen normalerweise nicht am Sitz der Arbeitgeberin aufhalten, sondern z.B. in Räumlichkeiten, die von Kundenunternehmen zur Verfügung gestellt werden.
4
Mit Unterstützung der Gewerkschaft ver.di riefen der Mitarbeiter F. sowie die Beteiligten zu 3) und 4) zur Wahl eines Betriebsrats auf und luden zu einer Wahlversammlung zur Wahl des Wahlvorstandes für den 24.2.2016 in die am Betriebssitz der Arbeitgeberin vorhandenen Räumlichkeiten ein. Auf die entsprechende Einladung (Bl. 53-54 d.A.) wird Bezug genommen.
5
An der Versammlung nahmen 27 Arbeitnehmer teil. Kurzfristig wurde die Versammlung in ein nahe gelegenes Hotel verlegt. Dabei wurde ein Wahlvorstand – bestehend aus den Beteiligten zu 3)-5) – gewählt. Darüber hinaus wurde eine Bewerberliste aufgestellt, und angekündigt, dass die zweite Wahlversammlung zur Wahl des Betriebsrates am 4.3.2016 stattfinden solle. Der Wahlvorstand ging hierbei von dem vereinfachten Wahlverfahren für Kleinbetriebe nach § 14a Abs. 1, 2, 5 BetrVG aus. Umstritten ist zwischen den Beteiligten, ob dies auf eine Vereinbarung des Wahlvorstands mit dem Geschäftsführer der Arbeitgeberin zurückzuführen ist oder nicht. Auf das Wahlausschreiben vom 24.2.2016 (Bl. 60-62 d.A.) wird Bezug genommen.
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Die Wahlunterlagen wurden nicht verschickt, sondern den einzelnen Arbeitnehmern vom Wahlvorstand überreicht. Dabei wurde den Arbeitnehmern gleichzeitig die Möglichkeit gegeben, den Stimmzettel sofort auszufüllen. In diesem Fall wurde der Umschlag mit dem Stimmzettel nach dem Wahlvorgang wieder vom Wahlvorstand mitgenommen. Die Einzelheiten hierzu werden von den Beteiligten unterschiedlich dargestellt.
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Die Auszählung der Stimmen, die von den Beteiligten unterschiedlich dargestellt wird, fand dann am 4.3.2016 statt.
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Die Auszählung ergab nach Angaben des Betriebsrats folgende Stimmenverteilung:
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1. Der Beteiligte zu 4), I. 46 Stimmen
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2. Der Beteiligte zu 3), I. 44 Stimmen
12
3. Der Beteiligte zu 5), I. 33 Stimmen
13
4. I. 32 Stimmen
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5. I. 25 Stimmen
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Nicht in den Betriebsrat bzw. als Ersatzmitglieder gewählt wurden weitere Arbeitnehmer mit 20, 17, 13, 13, 9, 9 und 6 Stimmen.
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Nachdem die Arbeitgeberin zunächst vorgetragen hatte, dass den Mitarbeitern das Wahlergebnis durch eine MMS eines abfotografierten Zettels mit den Wahlergebnissen, auf den Bezug genommen wird (Bl. 63 d.A.), mitgeteilt worden sei, wurde im Kammertermin unstreitig, dass dies nur hinsichtlich derjenigen Arbeitnehmer galt, von denen der Wahlvorstand die entsprechenden Mobiltelefonnummern hatte.
17
Zum Vorsitzenden des Betriebsrats wurde der Beteiligte zu 3) gewählt.
18
Die Arbeitgeberin hatte mit Antrag vom 15.3.2016 die Betriebsratswahl angefochten. Das entsprechende Verfahren zum Aktenzeichen 2 BV 73/16 vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf wurde nach Antragsrücknahme vom 7.4.2016 eingestellt.
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In der Folgezeit stellte der Betriebsrat eine Reihe von Forderungen auf. Umstritten ist, ob der Beteiligte zu 5) diesen Forderungen – etwa nach einem Büro für den Betriebsrat oder der Kündigung bestimmter Arbeitnehmer – mit den Worten Nachdruck verlieh, wenn dies nicht geschehe, „koste das 5.000,- EUR“, womit nach Darstellung der Arbeitgeberseite die Kosten für etwaige Einigungsstellenverfahren gemeint gewesen seien.
20
Es gab zwischen der Arbeitgeberin und dem Betriebsrat auch Unstimmigkeiten über den Zeitpunkt der Betriebsratssitzungen.
21
Am 4.7.2016 hatte der Geschäftsführer der Arbeitgeberin Herrn F. zu einem Gespräch eingeladen, nachdem dieser länger erkrankt gewesen war. Unstreitig wurde in diesem Gespräch über die Konditionen für die Aufhebung von Arbeitsverhältnissen der Beteiligten zu 3)-5) gesprochen. Es kam auch zu weiteren Gesprächen, an denen jeweils der Geschäftsführer der Arbeitgeberin und entweder Herr F., der Beteiligte zu 3) oder beide Arbeitnehmer teilnahmen. Der Inhalt der einzelnen Gespräche ist zwischen den Beteiligten streitig.
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So fand ein Treffen zwischen dem Geschäftsführer der Arbeitgeberin, Herrn F. und dem Beteiligten zu 3) am 10.7.2016 statt. Zuvor hatte es Unstimmigkeiten darüber gegeben, dass der Betriebsrat seine nächste Sitzung am 13.7.2016 abhalten wollte. Nach dem Gespräch, in welchem es wieder um das Ausscheiden der Beteiligten zu 3)-5) gegen Zahlung eines Geldbetrags gehen sollte, teilte der Betriebsrat per E-Mail mit, die Sitzung vom 13.7.2016 falle aus. Auf die E-Mail (Bl. 106 d.A.) wird Bezug genommen.
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Nach einem weiteren Gespräch am 13.7.2016 erstattete der Geschäftsführer der Beklagten Strafanzeigen u.a. wegen Erpressung gegen Herrn F. und die Beteiligten zu 3)-5).
24
Danach kam es noch zu einem weiteren Gespräch zwischen dem Geschäftsführer der Arbeitgeberin und Herrn F. und zu einem weiteren Gespräch mit dem Beteiligen zu 3).
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Am 28.7.2016 wurden Herr F. sowie die Beteiligten zu 3)-5 von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt.
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Die Arbeitgeberin übersandte dem Betriebsrat am 30.7.2016 vier Anhörungen zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung der Beteiligten zu 3) bis 5) sowie des Mitarbeiters F..
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Am 2.8.2016 ließ der Betriebsrat durch den Prozessbevollmächtigten des Betriebsrats die Arbeitgeberin außergerichtlich auffordern, ein angebliches Hausverbot aufzuheben, die Beteiligung des Betriebsrats für den Dienstplan des Monats August 2016 nachzuholen, die Kosten des Seminars „Betriebsverfassung – Einführung und Überblick“ i.H.v. 5595 € zu übernehmen und den Betrag an die Gewerkschaft Verdi zu zahlen und bis zum 8.8.2016 ein Betriebsratsbüro nebst Ausstattung zur Verfügung zu stellen, da das bisher genutzte Büro unzureichend sei.
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Am 3.8.2016 wurden aufgrund einer Presseinformation der Beteiligten zu 3) bis 5) sowie dem zuständigen Gewerkschaftssekretär der Gewerkschaft ver.di in zwei Zeitungen darüber berichtet, der Geschäftsführer der Arbeitgeberin habe den Betriebsräten und der Vertrauensperson Geld angeboten, damit sie das Unternehmen verlassen würden. Dabei wurde auch ein anonymisierter Arbeitsvertrag verteilt. In einem Fernsehinterview vom 3.8.2016 behauptete der Gewerkschaftssekretär zudem, die Arbeitgeberin versuche, die Arbeit des Betriebsrats seit Monaten zu behindern.
29
Am 10.8.2016 kündigte die Arbeitgeberin den Beteiligten zu 3) bis 5) sowie dem Mitarbeiter F. außerordentlich fristlos unter der Voraussetzung, dass die Wahl zum Betriebsrat nichtig sei. Entsprechende Kündigungsschutzklagen sind anhängig.
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Mit am 11.08.2016 eingegangenem Antrag hat die Arbeitgeberin die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung der zu 3) bis 5) beteiligten Betriebsratsmitglieder beantragt. Das Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen 1 BV 278/16 geführt. Die Anträge wurden inzwischen zurückgewiesen.
31
Am 16.8.2016 teilten die Beteiligten zu 3) bis 5) per MMS sinngemäß mit, sie seien weiterhin im Amt und jede Maßnahme, die im Betriebsrat ohne ihre Beteiligung ausgeübt werde, habe strafrechtliche Konsequenzen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage (Bl. 325 der Akte) Bezug genommen.
32
Mit am 16.8.2016 beim Arbeitsgericht eingegangenen Verfahren hat die Arbeitgeberin die Feststellung der Nichtigkeit der Betriebsratswahl begehrt sowie hilfsweise die Auflösung des Betriebsrats bzw. höchst hilfsweise den Ausschluss der Beteiligten zu 3) bis 5) aus dem Betriebsrat verlangt.
33
Die Arbeitgeberin trägt vor,
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sie sei mit einem vereinfachten Wahlverfahren nicht einverstanden gewesen, allenfalls habe der Geschäftsführer zu diesem Vorschlag geschwiegen. Das Wahlverfahren leide unter so großen Mängeln, dass die Wahl nichtig sei. Die Arbeitgeberin sei nicht damit einverstanden gewesen, den Arbeitnehmern die Wahlunterlagen an ihren Arbeitsplatz zu bringen, vielmehr habe der Geschäftsführer eine Versendung per Post an die jeweilige Wohnanschrift gewollt. Dies sei vom Wahlvorstand nicht gewollt gewesen. Die Mitglieder des Wahlvorstandes hätten den Arbeitnehmern nicht nur gezeigt, wie sie wählen sollten, sondern auch, wen sie wählen sollten. In einem Fall sei der Stimmzettel selbst sogar von einem Mitglied des Wahlvorstands ausgefüllt worden. Auch sei die Stimmauszählung nicht öffentlich gewesen, da sie fortgesetzt worden sei, als sich der Geschäftsführer wegen eines Telefongesprächs habe entfernen müssen.
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Die Arbeitgeberin behauptet insoweit, die Rücknahme der Anfechtung der Wahl sei auf Druck des Gewerkschaftssekretärs erfolgt, der am 23.3.2016 gesagt habe, man werde mit der Angelegenheit der Wahlanfechtung an die Öffentlichkeit gehen, wenn der Geschäftsführer den Anfechtungsantrag nicht zurücknehme. Am 5.4.2016 habe der Gewerkschaftssekretär noch einmal gesagt: „Wenn Sie nicht mitmachen wollen, dann machen wir es auf die harte Tour und das kostet Sie sehr viel Geld. Dann können Sie Ihren Laden dichtmachen. Das müssen Sie entscheiden“.
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Die zu 3) bis 5) beteiligten Betriebsratsmitglieder hätten selbst bzw. über den Arbeitnehmer F. mitgeteilt, sie würden die Arbeitgeberin mit Verfahren überziehen und enorme Kosten durch die Ausübung von Mitbestimmungsrechten verursachen, wenn die Arbeitgeberin nicht an sie Abfindungen zahlen würde. In Gesprächen hierzu seien am 4.7.2016 8.000 bis 15.000 EUR gefordert worden, am 10.7.2016 50.000 EUR, am 13.7.2016 die Vermittlung eines neuen Arbeitsverhältnisses und schließlich am 20.7.2016 die Zahlung von 25.000 EUR zuzüglich 2.500 EUR für die Beteiligten zu 3) bis 5) sowie dem Mitarbeiter F.. Sie hätten angekündigt, der Arbeitgeberin schaden zu wollen, in dem sie durch ihre Tätigkeit als Betriebsräte so hohe Kosten wie möglich zum Nachteil der Arbeitgeberin produzieren zu wollen. Den Beteiligten zu 3) bis 5) sei das finanzielle Schicksal der Arbeitgeberin gleichgültig. Sie hätten Straftaten gegen das Vermögen und die persönliche Freiheit gegenüber dem Geschäftsführer der Arbeitgeberin verwirklicht.
37
Wegen der Äußerungen auf der Pressekonferenz liege eine falsche Verdächtigung vor. Die Beauftragung des Bevollmächtigten sei sachfremd gewesen. Die Zusage an den Betriebsrat, ihm Zugang zu seinen Büroräumen zur Wahrnehmung von erforderlicher Betriebsarbeit zu gewähren, bestehe weiterhin fort. Sie sei aufgrund des Schweigens des Betriebsrats davon ausgegangen, der Dienstplan im August 2016 sei genehmigt. Sie habe sich auch nicht endgültig geweigert, die Kosten für das Betriebsratsseminar zu übernehmen. Streitig sei lediglich der Zeitraum gewesen. Das vorhandene Betriebsratsbüro sei ordnungsgemäß ausgestattet. Bei Bedarf würden zwei Stühle aus dem Sekretariat entliehen. Zwar befinde sich dort aus Sicherheitsgründen eine Kamera. Diese nehme jedoch keinen Ton auf, sondern mache nur Bildaufnahmen und sei zudem abgeklebt worden.
38
Die Arbeitgeberin beantragt,
39
1.
40
Es wird festgestellt, dass die Betriebsratswahl im Betrieb der J. vom 04.03.2016 nichtig ist;
41
hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1),
42
2.
43
der am 04.03.2016 gewählte Betriebsrat der J. wird aufgelöst.
44
hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 2),
45
3.
46
Herr I. wird aus dem Betriebsrat ausgeschlossen.
47
4.
48
Herr B. wird aus dem Betriebsrat ausgeschlossen.
49
5.
50
Herr N. wird aus dem Betriebsrat ausgeschlossen.
51
Der Betriebsrat und die Beteiligten zu 3)-5) beantragen,
52
die Anträge zurückzuweisen.
53
Der Betriebsrat trägt vor,
54
Anlass für die Gründung des Betriebsrates sei die Tatsache gewesen, dass die Arbeitgeberin die geltenden Tarifverträge stets falsch angewendet habe. Der Geschäftsführer habe mitgeteilt, er werde sich auch weiterhin nicht an die Tarifverträge halten. Anlässlich der ersten Wahlversammlung habe er erklärt, er könne die Konkurrenz nur aufgrund niedriger Kosten unterbieten und habe hierbei keinen Betriebsrat einkalkuliert, der ihm das Geschäft kaputtmachen würde. Nach Mitteilung der Absicht, einen Betriebsrat zu gründen, sei der Beteiligte zu 3) vom Arbeitgeber bedroht worden und darauf hingewiesen worden, dass er mit seinem Arbeitsplatz spiele.
55
Der Gewerkschaftssekretär habe den Geschäftsführer bereits frühzeitig angesprochen, dass das vereinfachte Wahlverfahren angesichts der vorhandenen Betriebsgröße mit 61 Arbeitnehmern mit deutlich geringeren Kosten verbunden sei. Damit sei der Geschäftsführer einverstanden gewesen. Eine entsprechende Vereinbarung sei dann auch mit dem Wahlvorstand geschlossen worden.
56
Zur Vermeidung von Kosten sei auch mit der Geschäftsleitung vereinbart worden, dass die Wahlunterlagen für die Briefwahl persönlich durch die Wahlvorstandsmitglieder übergeben würden. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der überwiegende Teil der Belegschaft einen Migrationshintergrund hätte und die Arbeitnehmer aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit noch nie an einer Wahl teilgenommen hätten. Die Wahlvorstandsmitglieder hätten dabei anhand von Musterstimmzetteln und Briefwahlunterlagen auf Wunsch das Wahlverfahren erläutert.
57
Der Rücknahme der Anfechtung seien zwar Gespräche vorausgegangen, doch habe sich der Geschäftsführer der Arbeitgeberin davon überzeugen lassen, dass die Anfechtung aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen nicht sinnvoll sei.
58
Eine beantragte Betriebsratsschulung habe erst nach Rücknahme des Wahlanfechtungsantrags stattgefunden. Erst danach sei ein unzureichendes Betriebsratsbüro eingerichtet worden. Die Betriebsratssitzungen hätten in einem wöchentlichen Sitzung zum stattgefunden, nachdem der Arbeitgeber Seminar wieder infrage gestellt.
59
Der Geschäftsführer habe anlässlich eines Personalgesprächs mit Herrn F. am 4.7.2016 angeboten, Abfindungen an die BR-Mitglieder zu zahlen. Herr F. habe zugesagt, mit den betreffenden Betriebsratsmitgliedern zu sprechen. In dem weiteren Gespräch am 10.7.2016 habe F. mitgeteilt, das Angebot sei zu niedrig, daraufhin habe es der Geschäftsführer der Arbeitgeberin aufgestockt. Am 11.7.2016 sei dann dem Beteiligten zu 3) ein Betrag von 25.000 EUR angeboten worden. Die Sitzung vom 13.7. sei nur verlegt worden, weil Unterlagen nicht rechtzeitig vorlagen.
60
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschriften vom 15.9.2016 und 28.11.2016 sowie auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
61
II.
62
Der Hauptantrag hatte nur teilweise Erfolg.
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1. Die Anträge sind zulässig.
64
a) Der Hauptantrag auf Feststellung der Nichtigkeit der Betriebsratswahl ist zulässig. Unabhängig davon, dass die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl stets in jedem Verfahren von jedem Prozessbeteiligten geltend gemacht werden kann und sich hier auch als Vorfrage in anderen Verfahren stellt, greift § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO nicht ein, da das isolierte Verfahren auf Feststellung der Nichtigkeit durch den in § 19 Abs. 2 BetrVG genannten Personenkreis inter omnes wirkt (vgl. Richardi/Thüsing, § 19 BetrVG Rn. 91) und daher aufgrund der erweiterten Rechtskraft hierfür stets ein Feststellungsinteresse besteht.
65
Als Anfechtungsberechtigt im Sinne des § 19 Abs. 2 BetrVG ist die Arbeitgeberin auch befugt, in einem isolierten Verfahren die Nichtigkeit der Wahl geltend zu machen. Der Arbeitgeberin kann auch nicht der Einwand der Arglist entgegengehalten werden mit der Begründung, er habe die Existenz des Betriebsrats über einen längeren Zeitraum akzeptiert (BAG, Urt. v. 27.4.1976 – 1 AZR 482/75, AP Nr. 4 zu § 19 BetrVG 1972; BeckOK/Besgen, § 19 Rn. 29; a.A. Fitting, § 19 Rn. 8).
66
b) Beteiligte im Verfahren sind Arbeitgeberin und Betriebsrat entsprechend den Regelungen zu § 19 Abs. 2 BetrVG. Soweit die Beteiligten zu 3)-5) als Beteiligte hinsichtlich des zweiten Hilfsantrags der Arbeitgeberin geführt worden sind, ist dies – anders als im Klageverfahren – unschädlich. Denn eine Beteiligung Nichtbeteiligter ist unproblematischer als die Nichtbeteiligung Beteiligter, ferner wird die vorliegende gestufte Antragstellung durchaus empfohlen (Richardi/Thüsing, § 23 Rn. 47 m.w.N.). Schließlich führt das BAG aus:
67
„Werden in einem Beschlußverfahren mehrere selbständige Anträge zur Entscheidung gestellt, so ist hinsichtlich eines jeden Antrages gesondert zu prüfen, welche Personen und Stellen Beteiligte am Verfahren über diesen Antrag sind. Es gilt insoweit nichts anderes, als wenn die mehreren selbständigen Anträge in getrennten Verfahren anhängig gemacht worden wären“ (BAG, Beschl. v. 31.1.1989 – 1 ABR 60/87, AP Nr. 12 zu § 81 ArbGG 1979).
68
2. Soweit sich der Antrag auf die Feststellung der Nichtigkeit der Betriebsratswahl richtet, ist er unbegründet, da die Wahl nicht nichtig ist.
69
a) Nach der Rechtsprechung des BAG ist eine Betriebsratswahl nur nichtig bei groben und offensichtlichen Verstößen gegen wesentliche Grundsätze des gesetzlichen Wahlrechts, die so schwerwiegend sind, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr besteht (BAG, Beschl. v. 17.1.1978 – 1 ABR 71/76, AP Nr. 1 zu § 1 BetrVG 1972; BAG, Beschl. v.10.6.1983 – 6 ABR 50/82, AP Nr. 10 zu § 19 BetrVG 1972; BAG, Beschl. v. 13.9.1984 – 6 ABR 43/83, AP Nr. 3 zu § 1 BetrVG 1972; BAG, Beschl. v. 22.3.2000 – 7 ABR 34/98, AP Nr. 8 zu § 14 AÜG; BAG, Beschl. v. 19.11.2003 – 7 ABR 25/03, AP Nr. 55 zu § 19 BetrVG 1972). Wegen der schwerwiegenden Folgen einer von Anfang an unwirksamen Betriebsratswahl kann deren jederzeit feststellbare Nichtigkeit nur bei besonders krassen Wahlverstößen angenommen werden (BAG, Beschl. v.10.6.1983 – 6 ABR 50/82, AP Nr. 10 zu § 19 BetrVG 1972; BAG, Beschl. v. 19.11.2003 – 7 ABR 25/03, AP Nr. 55 zu § 19 BetrVG 1972). Voraussetzung dafür ist, dass der Mangel offenkundig ist und deshalb ein Vertrauensschutz in die Gültigkeit der Wahl zu versagen ist. Die Betriebsratswahl muss „den Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn tragen" (BAG, Beschl. v. 17.1.1978 – 1 ABR 71/76, AP Nr. 1 zu § 1 BetrVG 1972; BAG, Beschl. v. 19.11.2003 – 7 ABR 25/03, AP Nr. 55 zu § 19 BetrVG 1972). Dass dies nur in absoluten Extremfällen angenommen werden kann, rechtfertigt sich bereits daraus, dass die Nichtigkeit der Wahl im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen ist (BAG, Beschl. v. 19.11.2003 – 7 ABR 24/03, AP Nr. 54 zu § 19 BetrVG 1972) und das BetrVG einen betriebsratslosen Zustand normalerweise zu vermeiden sucht. Schließlich führt die erfolgreiche Anfechtung nach § 19 BetrVG nur zur Unwirksamkeit der Betriebsratswahl ex nunc. Ein nicht ordnungsgemäß gewählter Betriebsrat ist bis zum Ablauf der regelmäßigen Amtszeit oder der Rechtskraft eines der Anfechtung stattgebenden Beschlusses mit allen betriebsverfassungsrechtlichen Befugnissen im Amt. Dies dient der Funktionsfähigkeit des Betriebsrats und schützt das Vertrauen – auch der Belegschaft – in die Gültigkeit der vom Betriebsrat im Rahmen seiner Geschäftsführung vorgenommenen Handlungen (BAG, Beschl. v. 19.11.2003 – 7 ABR 24/03, AP Nr. 54 zu § 19 BetrVG 1972). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nur geboten, wenn bei der Betriebsratswahl so grob und offensichtlich gegen Wahlvorschriften verstoßen wurde, dass auch nur von dem Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr gesprochen werden kann und dies jedem mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Dritten sofort ohne weiteres erkennbar ist. Denn ein auf diese Weise in das Amt berufenes Gremium besitzt weder die Legitimation zur Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben, noch können die Betriebspartner und die Belegschaft darauf vertrauen, dass ein Betriebsrat besteht, der rechtswirksam betriebsverfassungsrechtliche Aufgaben wahrnehmen kann. Nur in diesem Ausnahmefall, in dem für jeden evident ist, dass ein wirksam gewählter Betriebsrat nicht besteht, ist die Wahl von Anfang an nichtig (BAG, Beschl. v. 19.11.2003 – 7 ABR 24/03, AP Nr. 54 zu § 19 BetrVG 1972). Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass eine „Addition“ von Fehlern bis hin zur Nichtigkeit nicht stattfindet: „Führen Verstöße gegen Wahlvorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes und der Wahlordnung 2001 jeder für sich genommen nicht zur Nichtigkeit der Wahl, kann sich auch aus einer Gesamtwürdigung der einzelnen Verstöße nicht ergeben, dass die Betriebsratswahl nichtig ist“ (BAG, Beschl. v. 19.11.2003 – 7 ABR 24/03, AP Nr. 54 zu § 19 BetrVG 1972).
70
b) Diese Voraussetzungen liegen schon nach dem Vorbringen der Arbeitgeberin nicht vor.
71
aa) Dies gilt zunächst für die Behauptung der Arbeitgeberin, eine Zustimmung zum vereinfachten Wahlverfahren gem. § 14a Abs. 5 BetrVG habe nicht vorgelegen. Selbst wenn man die Richtigkeit dieses Vorbringens unterstellt, führt weder das grundsätzlich falsche Wahlverfahren noch die aus der Anwendung der „falschen“ Vorschriften resultierenden Folgefehler zur Nichtigkeit der Wahl (BAG, Beschl. v. 19.11.2003 – 7 ABR 24/03, AP Nr. 54 zu § 19 BetrVG 1972). Anders könnte man dies allenfalls in dem Fall sehen, dass schon die anderen Voraussetzungen des § 14a Abs. 5 BetrVG nicht gegeben wären, etwa, weil deutlich mehr als 100 Arbeitnehmer beschäftigt wären. Dieser Fall ist aber offensichtlich nicht gegeben.
72
bb) Soweit die Arbeitgeberin in mehreren Fällen behauptet hat, der Wahlvorstand habe Einfluss auf die Wahl genommen, indem einzelnen Mitarbeitern vorgeschlagen worden sein soll, welche Kandidaten gewählt werden sollten und in einem Fall sogar der Stimmzettel eines Mitarbeiters von einem Mitglied des Wahlvorstands ausgefüllt worden sein soll, führt dies selbst dann nicht zur Nichtigkeit der Wahl, wenn dies sich als zutreffend herausstellte. Ein Nichtigkeitsgrund ist damit nicht schlüssig behauptet.
73
Dabei ist selbstverständlich, dass die Wahl insbesondere frei und geheim zu sein hat (BAG, Beschl. v. 6.12.2000 – 7 ABR 34/99, AP Nr. 48 zu § 19 BetrVG 1972). Im Betriebsverfassungsrecht hat der allgemeine Grundsatz der freien Wahl im Verbot der Wahlbehinderung und der Wahlbeeinflussung nach § 20 Abs. 1 u. 2 BetrVG seinen Ausdruck gefunden. Die Vorschrift dient auch der Integrität der Betriebsratswahl. Diese soll allein auf der freien Entscheidung der Betriebsangehörigen beruhen (BVerfG, Beschl. v. 24.2.1999 – 1 BvR 123/93, AP Nr. 18 zu § 20 BetrVG 1972; BAG, Beschl. v. 6.12.2000 – 7 ABR 34/99, AP Nr. 48 zu § 19 BetrVG 1972). Jeder Verstoß gegen diese Grundsätze ist ein schwerer Fehler, der allerdings nicht zwangsläufig die Wahl nichtig macht (vgl. BAG, Beschl. v. 6.12.2000 – 7 ABR 34/99, AP Nr. 48 zu § 19 BetrVG 1972). Vielmehr ist bei der rechtlichen Prüfung in Erinnerung zu rufen, dass für die Nichtigkeit der Wahl der Fehler so schwer sein muss, dass er der Wahl insgesamt den „Stempel der Nichtigkeit“ aufdrückt. Diese Voraussetzungen sind bei den von der Arbeitgeberin benannten Fällen nicht gegeben, und zwar aus zwei Gründen: Erstens wurde auch nach dem Vorbringen der Arbeitgeberin die Belegschaft insgesamt nicht unzulässig beeinflusst (anders beispielsweise im Fall BAG, Beschl. v. 8.3.1957 – 1 ABR 5/55, AP Nr. 1 zu § 19 BetrVG, wo die ganze Wahl durch ein vorangegangenes, durch Suggestivfragen bestimmtes Abstimmungsverfahren beeinflusst war). Vielmehr handelt es sich hierbei um einzelne Fälle und nicht um ein gewissermaßen standardisiertes Verfahren zur Beeinflussung der gesamten Belegschaft. Zweitens ist auch die Intensität des behaupteten Drucks zu berücksichtigen. Diese erreicht jedenfalls nicht den Schweregrad, der für die Nichtigkeit einer Wahl erforderlich wäre. Der „Vorschlag“, bestimmte Personen zu wählen oder gar die „Übernahme“ der Wahl an sich auf Nachfrage, sind zwar schwere Verstöße gegen die Vorschriften über das Wahlverfahren, erreichen aber weitem nicht den Grad, der für die Nichtigkeit der Wahl insgesamt für erforderlich gehalten wird (Fitting, § 20 BetrVG Rn. 32: „nur in Fällen offenen Terrors, der sich auf den eigentlichen Wahlakt erstreckt“).
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cc) Soweit die Arbeitgeberin weitere Fehler im Verfahren, bei der Wahl selbst und bei der Auszählung geltend gemacht hat, handelt es sich hierbei sämtlich um Fälle, die eine Nichtigkeit der Wahl evident nicht zu begründen vermögen. Auf diese Fälle wird unten, unter 3., eingegangen. Allerdings sei insoweit die Anmerkung erlaubt, dass jedenfalls die Ordnungsgemäßheit einer Stimmenauszählung nicht dadurch in Frage stehen kann, dass der Geschäftsführer aus freiem Willensentschluss zwischenzeitlich den Raum verlassen hat, um ein Telefongespräch zu führen. Die Auszählung der Stimmen muss zwar öffentlich sein, führt aber nicht dazu, dass sie zu unterbrechen wäre, wenn die Öffentlichkeit meint, sie habe Wichtigeres zu tun.
75
3. Die Wahl ist allerdings wirksam angefochten worden. Folglich war gem. § 19 Abs. 1 BetrVG die Unwirksamkeit der Wahl auszusprechen.
76
a) Der Antrag ist zulässig. Die Arbeitgeberin ist anfechtungsberechtigt im Sinne von § 19 Abs. 2 BetrVG. In dem Antrag, die Wahl für nichtig zu erklären, ist denknotwendig als „Minus“ der Antrag gemäß § 19 Abs. 2 BetrVG enthalten. Dies wird sogar für den umgekehrten Fall vertreten, obwohl dies wesentlich weniger evident ist: „Bei nicht rechtzeitig geltend gemachter Wahlanfechtung ist daher stets zu prüfen, ob der Antrag nicht deshalb Erfolg hat, weil der vorgetragene Sachverhalt möglicherweise die Wahlnichtigkeit begründet“ (Richardi/Thüsing, § 19 BetrVG Rn. 92). Abgesehen davon hat der Prozessbevollmächtigte der Arbeitgeberin im Kammertermin vom 28.11.2016 zusätzlich eine entsprechende Erklärung abgegeben, sodass der Antrag jedenfalls entsprechend ausgelegt werden muss. Soweit hierin eine Antragsänderung im Sinne von § 83 Abs. 3 S. 1 ArbGG zu sehen ist, ist diese sachdienlich, weil sämtliche Prozessergebnisse verwertet werden können und der Sachverhalt in den entscheidenden Punkten unstreitig ist.
77
b) Die Arbeitgeberin hat auch die Frist des § 19 Abs. 2 S. 2 BetrVG gewahrt. Diese Frist läuft nämlich noch gar nicht läuft, was wiederum nicht zur Folge hat, dass eine Anfechtung noch nicht stattfinden könnte (Fitting, § 19 BetrVG Rn. 37 m.w.N.; mit Einschränkungen – die aber hier nicht einschlägig sind – so auch GK/Kreutz, § 19 BetrVG Rn. 84). Dies ist jedenfalls dann auch sachgerecht, wenn nicht mehr damit gerechnet werden kann, dass der Wahlvorstand selbst die Wahl für nichtig hält (GK/Kreutz, § 19 BetrVG Rn. 84). Dieser Umstand steht daher einer erfolgreichen Anfechtung nicht im Weg. Im Einzelnen:
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aa) Die Frist zur Anfechtung läuft noch nicht. Daher konnte sich die Arbeitgeberin mit ihrem Antrag noch bei der Einleitung des Verfahrens am 16.8.2016 und noch in der Kammerverhandlung vom 28.11.2016 auf Gründe berufen, welche die Anfechtbarkeit begründen. Anknüpfungspunkt für den Beginn der Frist des § 19 Abs. 2 S. 2 BetrVG ist nämlich die Bekanntmachung des Wahlergebnisses (§ 18 Abs. 3 BetrVG). Folgt man dem Betriebsrat und war ein vereinfachtes Wahlverfahren durchzuführen, ergeben sich die Einzelheiten zur Bekanntmachung des Wahlergebnisses aus § 18 Abs. 3 BetrVG i.V.m. §§ 34 Abs. 3 S. 2, 23 Abs. 1 S. 2, 18 S. 1 WO, folgt man der Arbeitgeberseite, ist § 18 S. 1 WO direkt anwendbar. Nach § 18 S. 1 WO hat der Wahlvorstand die Namen der Betriebsratsmitglieder „durch zweiwöchigen Aushang in gleicher Weise bekannt zu machen wie das Wahlausschreiben“. Insofern hätten in Anwendung von § 3 Abs. 4 S. 1 WO die Namen der Betriebsratsmitglieder für zwei Wochen an den gleichen Stellen ausgehängt werden müssen wie das Wahlausschreiben. Solange ein solcher Aushang nicht stattgefunden hat, kann die Frist des § 19 Abs. 2 S. 2 BetrVG nicht zu laufen beginnen, sodass die Wahl noch die ganze Wahlperiode über anfechtbar bleiben kann (allgemeine Meinung; vgl. nur Fitting, § 19 BetrVG Rn. 37; GK-BetrVG/Kreutz, § 19 BetrVG Rn. 83 m.w.N.).
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bb) Im Kammertermin wurde unstreitig, dass ein zweiwöchiger Aushang nicht stattgefunden hat, sodass keine Wahlbekanntmachung vorliegt. Soweit die Arbeitgeberin – ohne dass dies von den übrigen Beteiligten bestritten worden wäre – vorgetragen hatte, dass das Wahlergebnis den Arbeitnehmern gegenüber durch ein per Mobiltelefon versendetes Foto des Auszählungszettels bekannt gemacht worden sei, wurde im Kammertermin sogar unstreitig, dass dies nur diejenigen Arbeitnehmer betraf, von denen der Wahlvorstand die entsprechenden Kontaktdaten hatte. Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass die Möglichkeit zur elektronischen Bekanntmachung im gesamten Betrieb ohnehin nur neben den Aushang treten darf, nämlich „ergänzend“ (§ 18 WO i.V.m. § 3 Abs. 4 S. 2 WO). Eine Bekanntmachung der Wahl im Sinne von § 18 Abs. 3 BetrVG i.V.m. der WO hat folglich nicht stattgefunden.
80
cc) Soweit der Betriebsrat und die Beteiligten zu 3)-5) im Kammertermin geltend gemacht haben, ein Aushang sei ihnen verboten worden, ist dies aus mehreren Gründen nicht zur Verteidigung der Vorgehensweise des Wahlvorstands geeignet. Zunächst ist dies wenig glaubhaft, konnte schließlich das Wahlausschreiben offenbar ordnungsgemäß bekannt gemacht werden. Jedenfalls hat sich keine Seite darauf berufen, das Wahlausscheiben sei entgegen § 3 Abs. 4 BetrVG nicht ausgehängt worden. Darüber hinaus wurde der Wahlvorstand während des Wahlverfahrens durch die Gewerkschaft ver.di unterstützt. Insofern hätte es verschiedene Möglichkeiten gegeben, die Wahlbekanntmachung durchzusetzen, zumal in der Verweigerung des Aushangs durchaus eine Straftat (§ 119 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG) gesehen werden kann. Im Termin wurden auch keine Anstrengungen benannt, die auf die ordnungsgemäße Bekanntmachung gerichtet gewesen wären. Es dürfte ohne weiteres zumutbar sein, sich auch in einem Betrieb wie dem hier vorliegenden, an die gesetzlichen Vorschriften zu halten. Jedenfalls ist es zumutbar, entsprechende Anstrengungen zu unternehmen, die darauf gerichtet sind, den gesetzlichen Vorschriften zu genügen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass durch die Unterlassung der Wahlbekanntmachung die Wahl als solche nicht in Frage steht. Dass deren Fehler aber über eine längere Zeit überprüft werden können, ist wiederum von der Rechtsfolge her unproblematisch, zumal dieser Fehler die Wahl nicht seinerseits anfechtbar macht, da sich durch eine nicht ordnungsgemäße Bekanntmachung das Ergebnis nicht ändern kann (GK-BetrVG/Kreutz, § 19 Rn. 83). Mit anderen Worten: Findet bei einer ordnungsgemäßen Wahl keine ordnungsgemäße Bekanntmachung statt, hat dies letztlich keinerlei Konsequenzen.
81
Vor diesem Hintergrund war den Beteiligten und insbesondere dem Betriebsrat auch keine Gelegenheit zur Stellungnahme mehr einzuräumen. Der Sachverhalt ist unstreitig, dem Betriebsrat seit der Zustellung der Antragsschrift am 25.8.2016 bekannt und wurde im Kammertermin vom 28.11.2016 ausführlich erörtert.
82
c) Die Betriebsratswahl vom 4.3.2016 war für unwirksam zu erklären. Bei der Wahl wurden verschiedene Fehler gemacht, die geeignet waren, das Wahlergebnis zu beeinflussen.
83
aa) Bei der Wahl wurden – die Aufzählung ist nicht abschließend – jedenfalls folgende Fehler gemacht, die aufgrund des unstreitigen Vortrags der Beteiligten feststehen. Dies gilt selbst dann, wenn man die vom Betriebsrat behauptete Vereinbarung zur Durchführung des vereinfachten Wahlverfahrens nach § 14a Abs. 1, 2 u. 5 BetrVG zugrunde legt.
84
(1) Die Wahl fand entgegen § 14a Abs. 1 S. 4 BetrVG nicht eine Woche nach der ersten Versammlung (24.2.2016) und damit am 2.3.2016, sondern am 4.3.2016 statt. Dies war gesetzeswidrig.
85
(2) Entgegen § 31 Abs. 1 S. 3 Nr. 13 WO i.V.m. § 24 Abs. 1 S. 1 WO wurde in Nummer 14 der „weiteren Hinweise“ im Wahlausschreiben für den gesamten Betrieb („für alle Betriebsteile“) Briefwahl angeordnet. Dies ist ein schwerer Fehler im Wahlverfahren und ist weder mit dem Wortlaut des § 24 Abs. 1 S. 1 WO („auf ihr Verlangen“), noch mit dem Wortlaut des § 24 Abs. 3 WO („räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt“) zu vereinbaren (BAG, Beschl. v. 27.1.1993 – 7 ABR 37/92, AP Nr. 29 zu § 76 BetrVG 1952; LAG Niedersachsen, Beschl. v. 9.3.2011 – 17 TaBV 41/10 – juris). Eine Briefwahl für alle Arbeitnehmer ist nach dem Gesetz ausdrücklich nicht vorgesehen und steht nicht zur Disposition des Wahlvorstands.
86
(3) Die Anordnung der Briefwahl für den gesamten Betrieb (Nummer 14 der „weiteren Hinweise“ im Wahlausschreiben) ist wiederum in sich widersprüchlich zu der gleichzeitigen Mitteilung, dass die Wahlversammlung zur Wahl des Betriebsrates am 4.3.2016, 11:00 bis 13:00 Uhr stattfinde. Aus dem Wahlausschreiben ergibt sich daher nicht einmal mit eindeutiger Sicherheit, wann und wo man seine Stimme abgeben konnte. Darüber hinaus ist nicht einmal klar, ob die Wahlversammlung am 4.3.2016 überhaupt stattgefunden hat.
87
(4) Aus dem Wahlausschreiben ist nicht eindeutig ersichtlich, welche Zahl von Betriebsratsmitgliedern zu wählen war. Dies ist ein Verstoß gegen § 31 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 WO. Denn die Angaben, dass drei Mitglieder zu wählen seien und die Angabe, dass fünf Mitglieder zu wählen seien, stehen im Wahlausschreiben vermeintlich gleichwertig nebeneinander. Denn dass fünf Betriebsratsmitglieder zu wählen waren, ergibt sich allenfalls für den mit der regelmäßigen Arbeitnehmerzahl vertrauten und juristisch kundigen Menschen, der unter die Vorschriften der §§ 9 S. 1, 14a Abs. 5 BetrVG zu subsumieren vermag. Das Wahlausschreiben verfolgt allerdings nicht das Ziel, Rätsel aufzugeben, vielmehr geht es darum, bei allen wahlberechtigten Arbeitnehmern für Klarheit zu sorgen. Dieser Zweck wurde offensichtlich verfehlt.
88
(5) Nach dem Wahlausschreiben mussten die per Briefwahl abgegebenen Stimmen eine Stunde vor Beginn der Wahlversammlung – und damit drei Stunden vor deren Ende – eingegangen sein. Auch dies ist mit den Vorschriften der WO nicht zu vereinbaren. Denn in § 26 Abs. 1 WO ist vorgesehen, dass sämtliche Stimmzettel auszuzählen sind, die bis „unmittelbar vor Abschluss der Stimmabgabe“ eingehen.
89
bb) Sämtliche genannten Fehler sind auch geeignet, sich auf das Ergebnis auszuwirken. Nach § 19 Abs. 1 BetrVG berechtigt ein Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften nur dann nicht zur Anfechtung der Wahl, wenn er das Wahlergebnis objektiv weder ändern noch beeinflussen konnte. Dafür ist entscheidend, ob bei einer hypothetischen Betrachtungsweise eine Wahl ohne den Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zwingend zu demselben Wahlergebnis geführt hätte (BAG, Beschl. v. 31.5.2000 – 7 ABR 78/98, AP Nr. 12 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb; BAG, Beschl. v. 13.10.2004 – 7 ABR 5/04, AP Nr. 1 zu § 2 WahlO BetrVG 1972; BAG, Beschl. v. 25.5.2005 – 7 ABR 39/04, AP Nr. 2 zu § 14 BetrVG 1972). Eine verfahrensfehlerhafte Betriebsratswahl muss nur dann nicht wiederholt werden, wenn sich konkret feststellen lässt, dass auch bei der Einhaltung der Wahlvorschriften kein anderes Wahlergebnis erzielt worden wäre. Kann diese Feststellung nicht getroffen werden, bleibt es bei der Unwirksamkeit der Wahl (BAG, Beschl. v. 31.5.2000 – 7 ABR 78/98, AP Nr. 12 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb; BAG, Beschl. v. 25.5.2005 – 7 ABR 39/04, AP Nr. 2 zu § 14 BetrVG 1972).
90
Nach diesen Maßstäben waren die genannten Fehler geeignet, sich auf das Wahlergebnis auszuwirken. Dies gilt zunächst für die Anordnung der Briefwahl für den ganzen Betrieb entgegen der klaren gesetzlichen Regelung (§ 24 WO). Dieser Fehler war geeignet, das Wahlergebnis zu beeinflussen, unabhängig von der von der Arbeitgeberin aufgeworfenen Frage, ob die Arbeitnehmer auch bei der Briefwahl beeinflusst worden sind. Denn allein dadurch, dass die Stimme bei angeordneter Briefwahl – je nachdem – mehrere Tage vor der eigentlichen Wahl abgegeben werden muss, ist nicht auszuschließen, dass einige Arbeitnehmer anders gewählt hätten, wenn sie die Möglichkeit zur persönlichen Stimmabgabe gehabt hätten (BAG, Beschl. v. 27.1.1993 – 7 ABR 37/92, AP Nr. 29 zu § 76 BetrVG 1952). Gleiches gilt auch für den falschen Wahltermin (4.3.2016 statt 2.3.2016) selbst. Denn auch hier ist nicht auszuschließen, dass Arbeitnehmer zwei Tage früher anders gewählt hätten. Dass die in sich widersprüchlichen Angaben über die Tatsache, dass Briefwahl für den ganzen Betrieb angeordnet wurde und gleichzeitig eine Wahlversammlung durchgeführt werden sollte, Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt haben kann, versteht sich von selbst. Die in sich widersprüchliche Angabe über die Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder kann sich ebenfalls auf das Wahlergebnis ausgewirkt haben. Denn nach den Angaben in der im Kammertermin überreichten Wahlniederschrift haben 59 Arbeitnehmer an der Wahl teilgenommen, insgesamt wurden 267 gültige Stimmen (und fünf ungültige Stimmen) abgegeben. 59 Arbeitnehmer hätten aber bei fünf zu wählenden Betriebsratsmitgliedern zusammen 295 Stimmen abgeben können, sodass es nahe liegt, dass einige Arbeitnehmer weniger als fünf Stimmen abgegeben haben. Beispielsweise erhält man 267 Stimmen, wenn 45 Arbeitnehmer je fünf Bewerber angekreuzt haben und 14 Arbeitnehmer je drei Stimmen abgegeben haben. Jedenfalls ist nicht auszuschließen, dass diese Abweichung der tatsächlichen Stimmenzahl von der möglichen Stimmenzahl auf den falschen Angaben in dem Wahlausschreiben beruht. Dass die Stimmzettel vor Beginn der Wahlversammlung hätten beim Wahlvorstand eingehen müssen, war ebenfalls geeignet, die Wahl zu beeinflussen. Denn hierdurch könnten sich Arbeitnehmer genötigt gesehen haben, ihre Stimme möglichst schnell abzugeben, andere haben gegebenenfalls gar nicht mehr an der Wahl teilgenommen, weil sie davon ausgegangen sind, die Stimmabgabe komme ohnehin zu spät. Dass auch nicht auf die Möglichkeit nachträglicher schriftlicher Stimmabgabe hingewiesen wurde (§ 35 WO), sei hierbei nur am Rande erwähnt.
91
4. Über die Hilfsanträge war nicht mehr zu befinden. Zwar hatte der Hauptantrag nur teilweise Erfolg, jedoch hat der auf Auflösung des Betriebsrats gerichtete erste Hilfsantrag dieselbe Rechtsfolge wie die Unwirksamkeit der Wahl. Beide Anträge führen bei Rechtskraft eines entsprechenden Beschlusses zur Auflösung des Betriebsratsgremiums bzw. ex nunc zur Beendigung der Amtszeit (vgl. einerseits BAG, Beschl. v. 13.3.1991 – 7 ABR 5/90, AP Nr. 20 zu § 19 BetrVG 1972; BAG, Beschl. v. 27.7.2011 – 7 ABR 61/10, AP Nr. 2 zu § 16 BetrVG 1972 und andererseits Fitting, § 23 BetrVG Rn. 41).
2 BV 286/16
Tenor:
1. Die Betriebsratswahl vom 04.03.2016 wird für unwirksam erklärt.2. Im Übrigen wird der Antrag zu 1.) aus der Antragsschrift zurückgewiesen.
Gründe 1
I.
2
Die Beteiligten streiten um die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl, hilfsweise um die Auflösung des Betriebsrats und weiter hilfsweise um den Ausschluss einzelner Mitglieder aus dem Betriebsrat.
3
Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der Sicherheitsbranche und beschäftigt etwa 60 Arbeitnehmer. Ein Betriebsrat war im Betrieb bislang nicht gewählt worden. Die Besonderheiten des Betriebs bringen es mit sich, dass sich die Arbeitnehmer auch während ihrer Pausen normalerweise nicht am Sitz der Arbeitgeberin aufhalten, sondern z.B. in Räumlichkeiten, die von Kundenunternehmen zur Verfügung gestellt werden.
4
Mit Unterstützung der Gewerkschaft ver.di riefen der Mitarbeiter F. sowie die Beteiligten zu 3) und 4) zur Wahl eines Betriebsrats auf und luden zu einer Wahlversammlung zur Wahl des Wahlvorstandes für den 24.2.2016 in die am Betriebssitz der Arbeitgeberin vorhandenen Räumlichkeiten ein. Auf die entsprechende Einladung (Bl. 53-54 d.A.) wird Bezug genommen.
5
An der Versammlung nahmen 27 Arbeitnehmer teil. Kurzfristig wurde die Versammlung in ein nahe gelegenes Hotel verlegt. Dabei wurde ein Wahlvorstand – bestehend aus den Beteiligten zu 3)-5) – gewählt. Darüber hinaus wurde eine Bewerberliste aufgestellt, und angekündigt, dass die zweite Wahlversammlung zur Wahl des Betriebsrates am 4.3.2016 stattfinden solle. Der Wahlvorstand ging hierbei von dem vereinfachten Wahlverfahren für Kleinbetriebe nach § 14a Abs. 1, 2, 5 BetrVG aus. Umstritten ist zwischen den Beteiligten, ob dies auf eine Vereinbarung des Wahlvorstands mit dem Geschäftsführer der Arbeitgeberin zurückzuführen ist oder nicht. Auf das Wahlausschreiben vom 24.2.2016 (Bl. 60-62 d.A.) wird Bezug genommen.
6
Die Wahlunterlagen wurden nicht verschickt, sondern den einzelnen Arbeitnehmern vom Wahlvorstand überreicht. Dabei wurde den Arbeitnehmern gleichzeitig die Möglichkeit gegeben, den Stimmzettel sofort auszufüllen. In diesem Fall wurde der Umschlag mit dem Stimmzettel nach dem Wahlvorgang wieder vom Wahlvorstand mitgenommen. Die Einzelheiten hierzu werden von den Beteiligten unterschiedlich dargestellt.
7
Die Auszählung der Stimmen, die von den Beteiligten unterschiedlich dargestellt wird, fand dann am 4.3.2016 statt.
8
Die Auszählung ergab nach Angaben des Betriebsrats folgende Stimmenverteilung:
9
10
1. Der Beteiligte zu 4), I. 46 Stimmen
11
2. Der Beteiligte zu 3), I. 44 Stimmen
12
3. Der Beteiligte zu 5), I. 33 Stimmen
13
4. I. 32 Stimmen
14
5. I. 25 Stimmen
15
Nicht in den Betriebsrat bzw. als Ersatzmitglieder gewählt wurden weitere Arbeitnehmer mit 20, 17, 13, 13, 9, 9 und 6 Stimmen.
16
Nachdem die Arbeitgeberin zunächst vorgetragen hatte, dass den Mitarbeitern das Wahlergebnis durch eine MMS eines abfotografierten Zettels mit den Wahlergebnissen, auf den Bezug genommen wird (Bl. 63 d.A.), mitgeteilt worden sei, wurde im Kammertermin unstreitig, dass dies nur hinsichtlich derjenigen Arbeitnehmer galt, von denen der Wahlvorstand die entsprechenden Mobiltelefonnummern hatte.
17
Zum Vorsitzenden des Betriebsrats wurde der Beteiligte zu 3) gewählt.
18
Die Arbeitgeberin hatte mit Antrag vom 15.3.2016 die Betriebsratswahl angefochten. Das entsprechende Verfahren zum Aktenzeichen 2 BV 73/16 vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf wurde nach Antragsrücknahme vom 7.4.2016 eingestellt.
19
In der Folgezeit stellte der Betriebsrat eine Reihe von Forderungen auf. Umstritten ist, ob der Beteiligte zu 5) diesen Forderungen – etwa nach einem Büro für den Betriebsrat oder der Kündigung bestimmter Arbeitnehmer – mit den Worten Nachdruck verlieh, wenn dies nicht geschehe, „koste das 5.000,- EUR“, womit nach Darstellung der Arbeitgeberseite die Kosten für etwaige Einigungsstellenverfahren gemeint gewesen seien.
20
Es gab zwischen der Arbeitgeberin und dem Betriebsrat auch Unstimmigkeiten über den Zeitpunkt der Betriebsratssitzungen.
21
Am 4.7.2016 hatte der Geschäftsführer der Arbeitgeberin Herrn F. zu einem Gespräch eingeladen, nachdem dieser länger erkrankt gewesen war. Unstreitig wurde in diesem Gespräch über die Konditionen für die Aufhebung von Arbeitsverhältnissen der Beteiligten zu 3)-5) gesprochen. Es kam auch zu weiteren Gesprächen, an denen jeweils der Geschäftsführer der Arbeitgeberin und entweder Herr F., der Beteiligte zu 3) oder beide Arbeitnehmer teilnahmen. Der Inhalt der einzelnen Gespräche ist zwischen den Beteiligten streitig.
22
So fand ein Treffen zwischen dem Geschäftsführer der Arbeitgeberin, Herrn F. und dem Beteiligten zu 3) am 10.7.2016 statt. Zuvor hatte es Unstimmigkeiten darüber gegeben, dass der Betriebsrat seine nächste Sitzung am 13.7.2016 abhalten wollte. Nach dem Gespräch, in welchem es wieder um das Ausscheiden der Beteiligten zu 3)-5) gegen Zahlung eines Geldbetrags gehen sollte, teilte der Betriebsrat per E-Mail mit, die Sitzung vom 13.7.2016 falle aus. Auf die E-Mail (Bl. 106 d.A.) wird Bezug genommen.
23
Nach einem weiteren Gespräch am 13.7.2016 erstattete der Geschäftsführer der Beklagten Strafanzeigen u.a. wegen Erpressung gegen Herrn F. und die Beteiligten zu 3)-5).
24
Danach kam es noch zu einem weiteren Gespräch zwischen dem Geschäftsführer der Arbeitgeberin und Herrn F. und zu einem weiteren Gespräch mit dem Beteiligen zu 3).
25
Am 28.7.2016 wurden Herr F. sowie die Beteiligten zu 3)-5 von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt.
26
Die Arbeitgeberin übersandte dem Betriebsrat am 30.7.2016 vier Anhörungen zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung der Beteiligten zu 3) bis 5) sowie des Mitarbeiters F..
27
Am 2.8.2016 ließ der Betriebsrat durch den Prozessbevollmächtigten des Betriebsrats die Arbeitgeberin außergerichtlich auffordern, ein angebliches Hausverbot aufzuheben, die Beteiligung des Betriebsrats für den Dienstplan des Monats August 2016 nachzuholen, die Kosten des Seminars „Betriebsverfassung – Einführung und Überblick“ i.H.v. 5595 € zu übernehmen und den Betrag an die Gewerkschaft Verdi zu zahlen und bis zum 8.8.2016 ein Betriebsratsbüro nebst Ausstattung zur Verfügung zu stellen, da das bisher genutzte Büro unzureichend sei.
28
Am 3.8.2016 wurden aufgrund einer Presseinformation der Beteiligten zu 3) bis 5) sowie dem zuständigen Gewerkschaftssekretär der Gewerkschaft ver.di in zwei Zeitungen darüber berichtet, der Geschäftsführer der Arbeitgeberin habe den Betriebsräten und der Vertrauensperson Geld angeboten, damit sie das Unternehmen verlassen würden. Dabei wurde auch ein anonymisierter Arbeitsvertrag verteilt. In einem Fernsehinterview vom 3.8.2016 behauptete der Gewerkschaftssekretär zudem, die Arbeitgeberin versuche, die Arbeit des Betriebsrats seit Monaten zu behindern.
29
Am 10.8.2016 kündigte die Arbeitgeberin den Beteiligten zu 3) bis 5) sowie dem Mitarbeiter F. außerordentlich fristlos unter der Voraussetzung, dass die Wahl zum Betriebsrat nichtig sei. Entsprechende Kündigungsschutzklagen sind anhängig.
30
Mit am 11.08.2016 eingegangenem Antrag hat die Arbeitgeberin die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung der zu 3) bis 5) beteiligten Betriebsratsmitglieder beantragt. Das Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen 1 BV 278/16 geführt. Die Anträge wurden inzwischen zurückgewiesen.
31
Am 16.8.2016 teilten die Beteiligten zu 3) bis 5) per MMS sinngemäß mit, sie seien weiterhin im Amt und jede Maßnahme, die im Betriebsrat ohne ihre Beteiligung ausgeübt werde, habe strafrechtliche Konsequenzen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage (Bl. 325 der Akte) Bezug genommen.
32
Mit am 16.8.2016 beim Arbeitsgericht eingegangenen Verfahren hat die Arbeitgeberin die Feststellung der Nichtigkeit der Betriebsratswahl begehrt sowie hilfsweise die Auflösung des Betriebsrats bzw. höchst hilfsweise den Ausschluss der Beteiligten zu 3) bis 5) aus dem Betriebsrat verlangt.
33
Die Arbeitgeberin trägt vor,
34
sie sei mit einem vereinfachten Wahlverfahren nicht einverstanden gewesen, allenfalls habe der Geschäftsführer zu diesem Vorschlag geschwiegen. Das Wahlverfahren leide unter so großen Mängeln, dass die Wahl nichtig sei. Die Arbeitgeberin sei nicht damit einverstanden gewesen, den Arbeitnehmern die Wahlunterlagen an ihren Arbeitsplatz zu bringen, vielmehr habe der Geschäftsführer eine Versendung per Post an die jeweilige Wohnanschrift gewollt. Dies sei vom Wahlvorstand nicht gewollt gewesen. Die Mitglieder des Wahlvorstandes hätten den Arbeitnehmern nicht nur gezeigt, wie sie wählen sollten, sondern auch, wen sie wählen sollten. In einem Fall sei der Stimmzettel selbst sogar von einem Mitglied des Wahlvorstands ausgefüllt worden. Auch sei die Stimmauszählung nicht öffentlich gewesen, da sie fortgesetzt worden sei, als sich der Geschäftsführer wegen eines Telefongesprächs habe entfernen müssen.
35
Die Arbeitgeberin behauptet insoweit, die Rücknahme der Anfechtung der Wahl sei auf Druck des Gewerkschaftssekretärs erfolgt, der am 23.3.2016 gesagt habe, man werde mit der Angelegenheit der Wahlanfechtung an die Öffentlichkeit gehen, wenn der Geschäftsführer den Anfechtungsantrag nicht zurücknehme. Am 5.4.2016 habe der Gewerkschaftssekretär noch einmal gesagt: „Wenn Sie nicht mitmachen wollen, dann machen wir es auf die harte Tour und das kostet Sie sehr viel Geld. Dann können Sie Ihren Laden dichtmachen. Das müssen Sie entscheiden“.
36
Die zu 3) bis 5) beteiligten Betriebsratsmitglieder hätten selbst bzw. über den Arbeitnehmer F. mitgeteilt, sie würden die Arbeitgeberin mit Verfahren überziehen und enorme Kosten durch die Ausübung von Mitbestimmungsrechten verursachen, wenn die Arbeitgeberin nicht an sie Abfindungen zahlen würde. In Gesprächen hierzu seien am 4.7.2016 8.000 bis 15.000 EUR gefordert worden, am 10.7.2016 50.000 EUR, am 13.7.2016 die Vermittlung eines neuen Arbeitsverhältnisses und schließlich am 20.7.2016 die Zahlung von 25.000 EUR zuzüglich 2.500 EUR für die Beteiligten zu 3) bis 5) sowie dem Mitarbeiter F.. Sie hätten angekündigt, der Arbeitgeberin schaden zu wollen, in dem sie durch ihre Tätigkeit als Betriebsräte so hohe Kosten wie möglich zum Nachteil der Arbeitgeberin produzieren zu wollen. Den Beteiligten zu 3) bis 5) sei das finanzielle Schicksal der Arbeitgeberin gleichgültig. Sie hätten Straftaten gegen das Vermögen und die persönliche Freiheit gegenüber dem Geschäftsführer der Arbeitgeberin verwirklicht.
37
Wegen der Äußerungen auf der Pressekonferenz liege eine falsche Verdächtigung vor. Die Beauftragung des Bevollmächtigten sei sachfremd gewesen. Die Zusage an den Betriebsrat, ihm Zugang zu seinen Büroräumen zur Wahrnehmung von erforderlicher Betriebsarbeit zu gewähren, bestehe weiterhin fort. Sie sei aufgrund des Schweigens des Betriebsrats davon ausgegangen, der Dienstplan im August 2016 sei genehmigt. Sie habe sich auch nicht endgültig geweigert, die Kosten für das Betriebsratsseminar zu übernehmen. Streitig sei lediglich der Zeitraum gewesen. Das vorhandene Betriebsratsbüro sei ordnungsgemäß ausgestattet. Bei Bedarf würden zwei Stühle aus dem Sekretariat entliehen. Zwar befinde sich dort aus Sicherheitsgründen eine Kamera. Diese nehme jedoch keinen Ton auf, sondern mache nur Bildaufnahmen und sei zudem abgeklebt worden.
38
Die Arbeitgeberin beantragt,
39
1.
40
Es wird festgestellt, dass die Betriebsratswahl im Betrieb der J. vom 04.03.2016 nichtig ist;
41
hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1),
42
2.
43
der am 04.03.2016 gewählte Betriebsrat der J. wird aufgelöst.
44
hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 2),
45
3.
46
Herr I. wird aus dem Betriebsrat ausgeschlossen.
47
4.
48
Herr B. wird aus dem Betriebsrat ausgeschlossen.
49
5.
50
Herr N. wird aus dem Betriebsrat ausgeschlossen.
51
Der Betriebsrat und die Beteiligten zu 3)-5) beantragen,
52
die Anträge zurückzuweisen.
53
Der Betriebsrat trägt vor,
54
Anlass für die Gründung des Betriebsrates sei die Tatsache gewesen, dass die Arbeitgeberin die geltenden Tarifverträge stets falsch angewendet habe. Der Geschäftsführer habe mitgeteilt, er werde sich auch weiterhin nicht an die Tarifverträge halten. Anlässlich der ersten Wahlversammlung habe er erklärt, er könne die Konkurrenz nur aufgrund niedriger Kosten unterbieten und habe hierbei keinen Betriebsrat einkalkuliert, der ihm das Geschäft kaputtmachen würde. Nach Mitteilung der Absicht, einen Betriebsrat zu gründen, sei der Beteiligte zu 3) vom Arbeitgeber bedroht worden und darauf hingewiesen worden, dass er mit seinem Arbeitsplatz spiele.
55
Der Gewerkschaftssekretär habe den Geschäftsführer bereits frühzeitig angesprochen, dass das vereinfachte Wahlverfahren angesichts der vorhandenen Betriebsgröße mit 61 Arbeitnehmern mit deutlich geringeren Kosten verbunden sei. Damit sei der Geschäftsführer einverstanden gewesen. Eine entsprechende Vereinbarung sei dann auch mit dem Wahlvorstand geschlossen worden.
56
Zur Vermeidung von Kosten sei auch mit der Geschäftsleitung vereinbart worden, dass die Wahlunterlagen für die Briefwahl persönlich durch die Wahlvorstandsmitglieder übergeben würden. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der überwiegende Teil der Belegschaft einen Migrationshintergrund hätte und die Arbeitnehmer aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit noch nie an einer Wahl teilgenommen hätten. Die Wahlvorstandsmitglieder hätten dabei anhand von Musterstimmzetteln und Briefwahlunterlagen auf Wunsch das Wahlverfahren erläutert.
57
Der Rücknahme der Anfechtung seien zwar Gespräche vorausgegangen, doch habe sich der Geschäftsführer der Arbeitgeberin davon überzeugen lassen, dass die Anfechtung aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen nicht sinnvoll sei.
58
Eine beantragte Betriebsratsschulung habe erst nach Rücknahme des Wahlanfechtungsantrags stattgefunden. Erst danach sei ein unzureichendes Betriebsratsbüro eingerichtet worden. Die Betriebsratssitzungen hätten in einem wöchentlichen Sitzung zum stattgefunden, nachdem der Arbeitgeber Seminar wieder infrage gestellt.
59
Der Geschäftsführer habe anlässlich eines Personalgesprächs mit Herrn F. am 4.7.2016 angeboten, Abfindungen an die BR-Mitglieder zu zahlen. Herr F. habe zugesagt, mit den betreffenden Betriebsratsmitgliedern zu sprechen. In dem weiteren Gespräch am 10.7.2016 habe F. mitgeteilt, das Angebot sei zu niedrig, daraufhin habe es der Geschäftsführer der Arbeitgeberin aufgestockt. Am 11.7.2016 sei dann dem Beteiligten zu 3) ein Betrag von 25.000 EUR angeboten worden. Die Sitzung vom 13.7. sei nur verlegt worden, weil Unterlagen nicht rechtzeitig vorlagen.
60
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschriften vom 15.9.2016 und 28.11.2016 sowie auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
61
II.
62
Der Hauptantrag hatte nur teilweise Erfolg.
63
1. Die Anträge sind zulässig.
64
a) Der Hauptantrag auf Feststellung der Nichtigkeit der Betriebsratswahl ist zulässig. Unabhängig davon, dass die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl stets in jedem Verfahren von jedem Prozessbeteiligten geltend gemacht werden kann und sich hier auch als Vorfrage in anderen Verfahren stellt, greift § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO nicht ein, da das isolierte Verfahren auf Feststellung der Nichtigkeit durch den in § 19 Abs. 2 BetrVG genannten Personenkreis inter omnes wirkt (vgl. Richardi/Thüsing, § 19 BetrVG Rn. 91) und daher aufgrund der erweiterten Rechtskraft hierfür stets ein Feststellungsinteresse besteht.
65
Als Anfechtungsberechtigt im Sinne des § 19 Abs. 2 BetrVG ist die Arbeitgeberin auch befugt, in einem isolierten Verfahren die Nichtigkeit der Wahl geltend zu machen. Der Arbeitgeberin kann auch nicht der Einwand der Arglist entgegengehalten werden mit der Begründung, er habe die Existenz des Betriebsrats über einen längeren Zeitraum akzeptiert (BAG, Urt. v. 27.4.1976 – 1 AZR 482/75, AP Nr. 4 zu § 19 BetrVG 1972; BeckOK/Besgen, § 19 Rn. 29; a.A. Fitting, § 19 Rn. 8).
66
b) Beteiligte im Verfahren sind Arbeitgeberin und Betriebsrat entsprechend den Regelungen zu § 19 Abs. 2 BetrVG. Soweit die Beteiligten zu 3)-5) als Beteiligte hinsichtlich des zweiten Hilfsantrags der Arbeitgeberin geführt worden sind, ist dies – anders als im Klageverfahren – unschädlich. Denn eine Beteiligung Nichtbeteiligter ist unproblematischer als die Nichtbeteiligung Beteiligter, ferner wird die vorliegende gestufte Antragstellung durchaus empfohlen (Richardi/Thüsing, § 23 Rn. 47 m.w.N.). Schließlich führt das BAG aus:
67
„Werden in einem Beschlußverfahren mehrere selbständige Anträge zur Entscheidung gestellt, so ist hinsichtlich eines jeden Antrages gesondert zu prüfen, welche Personen und Stellen Beteiligte am Verfahren über diesen Antrag sind. Es gilt insoweit nichts anderes, als wenn die mehreren selbständigen Anträge in getrennten Verfahren anhängig gemacht worden wären“ (BAG, Beschl. v. 31.1.1989 – 1 ABR 60/87, AP Nr. 12 zu § 81 ArbGG 1979).
68
2. Soweit sich der Antrag auf die Feststellung der Nichtigkeit der Betriebsratswahl richtet, ist er unbegründet, da die Wahl nicht nichtig ist.
69
a) Nach der Rechtsprechung des BAG ist eine Betriebsratswahl nur nichtig bei groben und offensichtlichen Verstößen gegen wesentliche Grundsätze des gesetzlichen Wahlrechts, die so schwerwiegend sind, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr besteht (BAG, Beschl. v. 17.1.1978 – 1 ABR 71/76, AP Nr. 1 zu § 1 BetrVG 1972; BAG, Beschl. v.10.6.1983 – 6 ABR 50/82, AP Nr. 10 zu § 19 BetrVG 1972; BAG, Beschl. v. 13.9.1984 – 6 ABR 43/83, AP Nr. 3 zu § 1 BetrVG 1972; BAG, Beschl. v. 22.3.2000 – 7 ABR 34/98, AP Nr. 8 zu § 14 AÜG; BAG, Beschl. v. 19.11.2003 – 7 ABR 25/03, AP Nr. 55 zu § 19 BetrVG 1972). Wegen der schwerwiegenden Folgen einer von Anfang an unwirksamen Betriebsratswahl kann deren jederzeit feststellbare Nichtigkeit nur bei besonders krassen Wahlverstößen angenommen werden (BAG, Beschl. v.10.6.1983 – 6 ABR 50/82, AP Nr. 10 zu § 19 BetrVG 1972; BAG, Beschl. v. 19.11.2003 – 7 ABR 25/03, AP Nr. 55 zu § 19 BetrVG 1972). Voraussetzung dafür ist, dass der Mangel offenkundig ist und deshalb ein Vertrauensschutz in die Gültigkeit der Wahl zu versagen ist. Die Betriebsratswahl muss „den Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn tragen" (BAG, Beschl. v. 17.1.1978 – 1 ABR 71/76, AP Nr. 1 zu § 1 BetrVG 1972; BAG, Beschl. v. 19.11.2003 – 7 ABR 25/03, AP Nr. 55 zu § 19 BetrVG 1972). Dass dies nur in absoluten Extremfällen angenommen werden kann, rechtfertigt sich bereits daraus, dass die Nichtigkeit der Wahl im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen ist (BAG, Beschl. v. 19.11.2003 – 7 ABR 24/03, AP Nr. 54 zu § 19 BetrVG 1972) und das BetrVG einen betriebsratslosen Zustand normalerweise zu vermeiden sucht. Schließlich führt die erfolgreiche Anfechtung nach § 19 BetrVG nur zur Unwirksamkeit der Betriebsratswahl ex nunc. Ein nicht ordnungsgemäß gewählter Betriebsrat ist bis zum Ablauf der regelmäßigen Amtszeit oder der Rechtskraft eines der Anfechtung stattgebenden Beschlusses mit allen betriebsverfassungsrechtlichen Befugnissen im Amt. Dies dient der Funktionsfähigkeit des Betriebsrats und schützt das Vertrauen – auch der Belegschaft – in die Gültigkeit der vom Betriebsrat im Rahmen seiner Geschäftsführung vorgenommenen Handlungen (BAG, Beschl. v. 19.11.2003 – 7 ABR 24/03, AP Nr. 54 zu § 19 BetrVG 1972). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nur geboten, wenn bei der Betriebsratswahl so grob und offensichtlich gegen Wahlvorschriften verstoßen wurde, dass auch nur von dem Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr gesprochen werden kann und dies jedem mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Dritten sofort ohne weiteres erkennbar ist. Denn ein auf diese Weise in das Amt berufenes Gremium besitzt weder die Legitimation zur Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben, noch können die Betriebspartner und die Belegschaft darauf vertrauen, dass ein Betriebsrat besteht, der rechtswirksam betriebsverfassungsrechtliche Aufgaben wahrnehmen kann. Nur in diesem Ausnahmefall, in dem für jeden evident ist, dass ein wirksam gewählter Betriebsrat nicht besteht, ist die Wahl von Anfang an nichtig (BAG, Beschl. v. 19.11.2003 – 7 ABR 24/03, AP Nr. 54 zu § 19 BetrVG 1972). Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass eine „Addition“ von Fehlern bis hin zur Nichtigkeit nicht stattfindet: „Führen Verstöße gegen Wahlvorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes und der Wahlordnung 2001 jeder für sich genommen nicht zur Nichtigkeit der Wahl, kann sich auch aus einer Gesamtwürdigung der einzelnen Verstöße nicht ergeben, dass die Betriebsratswahl nichtig ist“ (BAG, Beschl. v. 19.11.2003 – 7 ABR 24/03, AP Nr. 54 zu § 19 BetrVG 1972).
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b) Diese Voraussetzungen liegen schon nach dem Vorbringen der Arbeitgeberin nicht vor.
71
aa) Dies gilt zunächst für die Behauptung der Arbeitgeberin, eine Zustimmung zum vereinfachten Wahlverfahren gem. § 14a Abs. 5 BetrVG habe nicht vorgelegen. Selbst wenn man die Richtigkeit dieses Vorbringens unterstellt, führt weder das grundsätzlich falsche Wahlverfahren noch die aus der Anwendung der „falschen“ Vorschriften resultierenden Folgefehler zur Nichtigkeit der Wahl (BAG, Beschl. v. 19.11.2003 – 7 ABR 24/03, AP Nr. 54 zu § 19 BetrVG 1972). Anders könnte man dies allenfalls in dem Fall sehen, dass schon die anderen Voraussetzungen des § 14a Abs. 5 BetrVG nicht gegeben wären, etwa, weil deutlich mehr als 100 Arbeitnehmer beschäftigt wären. Dieser Fall ist aber offensichtlich nicht gegeben.
72
bb) Soweit die Arbeitgeberin in mehreren Fällen behauptet hat, der Wahlvorstand habe Einfluss auf die Wahl genommen, indem einzelnen Mitarbeitern vorgeschlagen worden sein soll, welche Kandidaten gewählt werden sollten und in einem Fall sogar der Stimmzettel eines Mitarbeiters von einem Mitglied des Wahlvorstands ausgefüllt worden sein soll, führt dies selbst dann nicht zur Nichtigkeit der Wahl, wenn dies sich als zutreffend herausstellte. Ein Nichtigkeitsgrund ist damit nicht schlüssig behauptet.
73
Dabei ist selbstverständlich, dass die Wahl insbesondere frei und geheim zu sein hat (BAG, Beschl. v. 6.12.2000 – 7 ABR 34/99, AP Nr. 48 zu § 19 BetrVG 1972). Im Betriebsverfassungsrecht hat der allgemeine Grundsatz der freien Wahl im Verbot der Wahlbehinderung und der Wahlbeeinflussung nach § 20 Abs. 1 u. 2 BetrVG seinen Ausdruck gefunden. Die Vorschrift dient auch der Integrität der Betriebsratswahl. Diese soll allein auf der freien Entscheidung der Betriebsangehörigen beruhen (BVerfG, Beschl. v. 24.2.1999 – 1 BvR 123/93, AP Nr. 18 zu § 20 BetrVG 1972; BAG, Beschl. v. 6.12.2000 – 7 ABR 34/99, AP Nr. 48 zu § 19 BetrVG 1972). Jeder Verstoß gegen diese Grundsätze ist ein schwerer Fehler, der allerdings nicht zwangsläufig die Wahl nichtig macht (vgl. BAG, Beschl. v. 6.12.2000 – 7 ABR 34/99, AP Nr. 48 zu § 19 BetrVG 1972). Vielmehr ist bei der rechtlichen Prüfung in Erinnerung zu rufen, dass für die Nichtigkeit der Wahl der Fehler so schwer sein muss, dass er der Wahl insgesamt den „Stempel der Nichtigkeit“ aufdrückt. Diese Voraussetzungen sind bei den von der Arbeitgeberin benannten Fällen nicht gegeben, und zwar aus zwei Gründen: Erstens wurde auch nach dem Vorbringen der Arbeitgeberin die Belegschaft insgesamt nicht unzulässig beeinflusst (anders beispielsweise im Fall BAG, Beschl. v. 8.3.1957 – 1 ABR 5/55, AP Nr. 1 zu § 19 BetrVG, wo die ganze Wahl durch ein vorangegangenes, durch Suggestivfragen bestimmtes Abstimmungsverfahren beeinflusst war). Vielmehr handelt es sich hierbei um einzelne Fälle und nicht um ein gewissermaßen standardisiertes Verfahren zur Beeinflussung der gesamten Belegschaft. Zweitens ist auch die Intensität des behaupteten Drucks zu berücksichtigen. Diese erreicht jedenfalls nicht den Schweregrad, der für die Nichtigkeit einer Wahl erforderlich wäre. Der „Vorschlag“, bestimmte Personen zu wählen oder gar die „Übernahme“ der Wahl an sich auf Nachfrage, sind zwar schwere Verstöße gegen die Vorschriften über das Wahlverfahren, erreichen aber weitem nicht den Grad, der für die Nichtigkeit der Wahl insgesamt für erforderlich gehalten wird (Fitting, § 20 BetrVG Rn. 32: „nur in Fällen offenen Terrors, der sich auf den eigentlichen Wahlakt erstreckt“).
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cc) Soweit die Arbeitgeberin weitere Fehler im Verfahren, bei der Wahl selbst und bei der Auszählung geltend gemacht hat, handelt es sich hierbei sämtlich um Fälle, die eine Nichtigkeit der Wahl evident nicht zu begründen vermögen. Auf diese Fälle wird unten, unter 3., eingegangen. Allerdings sei insoweit die Anmerkung erlaubt, dass jedenfalls die Ordnungsgemäßheit einer Stimmenauszählung nicht dadurch in Frage stehen kann, dass der Geschäftsführer aus freiem Willensentschluss zwischenzeitlich den Raum verlassen hat, um ein Telefongespräch zu führen. Die Auszählung der Stimmen muss zwar öffentlich sein, führt aber nicht dazu, dass sie zu unterbrechen wäre, wenn die Öffentlichkeit meint, sie habe Wichtigeres zu tun.
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3. Die Wahl ist allerdings wirksam angefochten worden. Folglich war gem. § 19 Abs. 1 BetrVG die Unwirksamkeit der Wahl auszusprechen.
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a) Der Antrag ist zulässig. Die Arbeitgeberin ist anfechtungsberechtigt im Sinne von § 19 Abs. 2 BetrVG. In dem Antrag, die Wahl für nichtig zu erklären, ist denknotwendig als „Minus“ der Antrag gemäß § 19 Abs. 2 BetrVG enthalten. Dies wird sogar für den umgekehrten Fall vertreten, obwohl dies wesentlich weniger evident ist: „Bei nicht rechtzeitig geltend gemachter Wahlanfechtung ist daher stets zu prüfen, ob der Antrag nicht deshalb Erfolg hat, weil der vorgetragene Sachverhalt möglicherweise die Wahlnichtigkeit begründet“ (Richardi/Thüsing, § 19 BetrVG Rn. 92). Abgesehen davon hat der Prozessbevollmächtigte der Arbeitgeberin im Kammertermin vom 28.11.2016 zusätzlich eine entsprechende Erklärung abgegeben, sodass der Antrag jedenfalls entsprechend ausgelegt werden muss. Soweit hierin eine Antragsänderung im Sinne von § 83 Abs. 3 S. 1 ArbGG zu sehen ist, ist diese sachdienlich, weil sämtliche Prozessergebnisse verwertet werden können und der Sachverhalt in den entscheidenden Punkten unstreitig ist.
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b) Die Arbeitgeberin hat auch die Frist des § 19 Abs. 2 S. 2 BetrVG gewahrt. Diese Frist läuft nämlich noch gar nicht läuft, was wiederum nicht zur Folge hat, dass eine Anfechtung noch nicht stattfinden könnte (Fitting, § 19 BetrVG Rn. 37 m.w.N.; mit Einschränkungen – die aber hier nicht einschlägig sind – so auch GK/Kreutz, § 19 BetrVG Rn. 84). Dies ist jedenfalls dann auch sachgerecht, wenn nicht mehr damit gerechnet werden kann, dass der Wahlvorstand selbst die Wahl für nichtig hält (GK/Kreutz, § 19 BetrVG Rn. 84). Dieser Umstand steht daher einer erfolgreichen Anfechtung nicht im Weg. Im Einzelnen:
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aa) Die Frist zur Anfechtung läuft noch nicht. Daher konnte sich die Arbeitgeberin mit ihrem Antrag noch bei der Einleitung des Verfahrens am 16.8.2016 und noch in der Kammerverhandlung vom 28.11.2016 auf Gründe berufen, welche die Anfechtbarkeit begründen. Anknüpfungspunkt für den Beginn der Frist des § 19 Abs. 2 S. 2 BetrVG ist nämlich die Bekanntmachung des Wahlergebnisses (§ 18 Abs. 3 BetrVG). Folgt man dem Betriebsrat und war ein vereinfachtes Wahlverfahren durchzuführen, ergeben sich die Einzelheiten zur Bekanntmachung des Wahlergebnisses aus § 18 Abs. 3 BetrVG i.V.m. §§ 34 Abs. 3 S. 2, 23 Abs. 1 S. 2, 18 S. 1 WO, folgt man der Arbeitgeberseite, ist § 18 S. 1 WO direkt anwendbar. Nach § 18 S. 1 WO hat der Wahlvorstand die Namen der Betriebsratsmitglieder „durch zweiwöchigen Aushang in gleicher Weise bekannt zu machen wie das Wahlausschreiben“. Insofern hätten in Anwendung von § 3 Abs. 4 S. 1 WO die Namen der Betriebsratsmitglieder für zwei Wochen an den gleichen Stellen ausgehängt werden müssen wie das Wahlausschreiben. Solange ein solcher Aushang nicht stattgefunden hat, kann die Frist des § 19 Abs. 2 S. 2 BetrVG nicht zu laufen beginnen, sodass die Wahl noch die ganze Wahlperiode über anfechtbar bleiben kann (allgemeine Meinung; vgl. nur Fitting, § 19 BetrVG Rn. 37; GK-BetrVG/Kreutz, § 19 BetrVG Rn. 83 m.w.N.).
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bb) Im Kammertermin wurde unstreitig, dass ein zweiwöchiger Aushang nicht stattgefunden hat, sodass keine Wahlbekanntmachung vorliegt. Soweit die Arbeitgeberin – ohne dass dies von den übrigen Beteiligten bestritten worden wäre – vorgetragen hatte, dass das Wahlergebnis den Arbeitnehmern gegenüber durch ein per Mobiltelefon versendetes Foto des Auszählungszettels bekannt gemacht worden sei, wurde im Kammertermin sogar unstreitig, dass dies nur diejenigen Arbeitnehmer betraf, von denen der Wahlvorstand die entsprechenden Kontaktdaten hatte. Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass die Möglichkeit zur elektronischen Bekanntmachung im gesamten Betrieb ohnehin nur neben den Aushang treten darf, nämlich „ergänzend“ (§ 18 WO i.V.m. § 3 Abs. 4 S. 2 WO). Eine Bekanntmachung der Wahl im Sinne von § 18 Abs. 3 BetrVG i.V.m. der WO hat folglich nicht stattgefunden.
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cc) Soweit der Betriebsrat und die Beteiligten zu 3)-5) im Kammertermin geltend gemacht haben, ein Aushang sei ihnen verboten worden, ist dies aus mehreren Gründen nicht zur Verteidigung der Vorgehensweise des Wahlvorstands geeignet. Zunächst ist dies wenig glaubhaft, konnte schließlich das Wahlausschreiben offenbar ordnungsgemäß bekannt gemacht werden. Jedenfalls hat sich keine Seite darauf berufen, das Wahlausscheiben sei entgegen § 3 Abs. 4 BetrVG nicht ausgehängt worden. Darüber hinaus wurde der Wahlvorstand während des Wahlverfahrens durch die Gewerkschaft ver.di unterstützt. Insofern hätte es verschiedene Möglichkeiten gegeben, die Wahlbekanntmachung durchzusetzen, zumal in der Verweigerung des Aushangs durchaus eine Straftat (§ 119 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG) gesehen werden kann. Im Termin wurden auch keine Anstrengungen benannt, die auf die ordnungsgemäße Bekanntmachung gerichtet gewesen wären. Es dürfte ohne weiteres zumutbar sein, sich auch in einem Betrieb wie dem hier vorliegenden, an die gesetzlichen Vorschriften zu halten. Jedenfalls ist es zumutbar, entsprechende Anstrengungen zu unternehmen, die darauf gerichtet sind, den gesetzlichen Vorschriften zu genügen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass durch die Unterlassung der Wahlbekanntmachung die Wahl als solche nicht in Frage steht. Dass deren Fehler aber über eine längere Zeit überprüft werden können, ist wiederum von der Rechtsfolge her unproblematisch, zumal dieser Fehler die Wahl nicht seinerseits anfechtbar macht, da sich durch eine nicht ordnungsgemäße Bekanntmachung das Ergebnis nicht ändern kann (GK-BetrVG/Kreutz, § 19 Rn. 83). Mit anderen Worten: Findet bei einer ordnungsgemäßen Wahl keine ordnungsgemäße Bekanntmachung statt, hat dies letztlich keinerlei Konsequenzen.
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Vor diesem Hintergrund war den Beteiligten und insbesondere dem Betriebsrat auch keine Gelegenheit zur Stellungnahme mehr einzuräumen. Der Sachverhalt ist unstreitig, dem Betriebsrat seit der Zustellung der Antragsschrift am 25.8.2016 bekannt und wurde im Kammertermin vom 28.11.2016 ausführlich erörtert.
82
c) Die Betriebsratswahl vom 4.3.2016 war für unwirksam zu erklären. Bei der Wahl wurden verschiedene Fehler gemacht, die geeignet waren, das Wahlergebnis zu beeinflussen.
83
aa) Bei der Wahl wurden – die Aufzählung ist nicht abschließend – jedenfalls folgende Fehler gemacht, die aufgrund des unstreitigen Vortrags der Beteiligten feststehen. Dies gilt selbst dann, wenn man die vom Betriebsrat behauptete Vereinbarung zur Durchführung des vereinfachten Wahlverfahrens nach § 14a Abs. 1, 2 u. 5 BetrVG zugrunde legt.
84
(1) Die Wahl fand entgegen § 14a Abs. 1 S. 4 BetrVG nicht eine Woche nach der ersten Versammlung (24.2.2016) und damit am 2.3.2016, sondern am 4.3.2016 statt. Dies war gesetzeswidrig.
85
(2) Entgegen § 31 Abs. 1 S. 3 Nr. 13 WO i.V.m. § 24 Abs. 1 S. 1 WO wurde in Nummer 14 der „weiteren Hinweise“ im Wahlausschreiben für den gesamten Betrieb („für alle Betriebsteile“) Briefwahl angeordnet. Dies ist ein schwerer Fehler im Wahlverfahren und ist weder mit dem Wortlaut des § 24 Abs. 1 S. 1 WO („auf ihr Verlangen“), noch mit dem Wortlaut des § 24 Abs. 3 WO („räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt“) zu vereinbaren (BAG, Beschl. v. 27.1.1993 – 7 ABR 37/92, AP Nr. 29 zu § 76 BetrVG 1952; LAG Niedersachsen, Beschl. v. 9.3.2011 – 17 TaBV 41/10 – juris). Eine Briefwahl für alle Arbeitnehmer ist nach dem Gesetz ausdrücklich nicht vorgesehen und steht nicht zur Disposition des Wahlvorstands.
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(3) Die Anordnung der Briefwahl für den gesamten Betrieb (Nummer 14 der „weiteren Hinweise“ im Wahlausschreiben) ist wiederum in sich widersprüchlich zu der gleichzeitigen Mitteilung, dass die Wahlversammlung zur Wahl des Betriebsrates am 4.3.2016, 11:00 bis 13:00 Uhr stattfinde. Aus dem Wahlausschreiben ergibt sich daher nicht einmal mit eindeutiger Sicherheit, wann und wo man seine Stimme abgeben konnte. Darüber hinaus ist nicht einmal klar, ob die Wahlversammlung am 4.3.2016 überhaupt stattgefunden hat.
87
(4) Aus dem Wahlausschreiben ist nicht eindeutig ersichtlich, welche Zahl von Betriebsratsmitgliedern zu wählen war. Dies ist ein Verstoß gegen § 31 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 WO. Denn die Angaben, dass drei Mitglieder zu wählen seien und die Angabe, dass fünf Mitglieder zu wählen seien, stehen im Wahlausschreiben vermeintlich gleichwertig nebeneinander. Denn dass fünf Betriebsratsmitglieder zu wählen waren, ergibt sich allenfalls für den mit der regelmäßigen Arbeitnehmerzahl vertrauten und juristisch kundigen Menschen, der unter die Vorschriften der §§ 9 S. 1, 14a Abs. 5 BetrVG zu subsumieren vermag. Das Wahlausschreiben verfolgt allerdings nicht das Ziel, Rätsel aufzugeben, vielmehr geht es darum, bei allen wahlberechtigten Arbeitnehmern für Klarheit zu sorgen. Dieser Zweck wurde offensichtlich verfehlt.
88
(5) Nach dem Wahlausschreiben mussten die per Briefwahl abgegebenen Stimmen eine Stunde vor Beginn der Wahlversammlung – und damit drei Stunden vor deren Ende – eingegangen sein. Auch dies ist mit den Vorschriften der WO nicht zu vereinbaren. Denn in § 26 Abs. 1 WO ist vorgesehen, dass sämtliche Stimmzettel auszuzählen sind, die bis „unmittelbar vor Abschluss der Stimmabgabe“ eingehen.
89
bb) Sämtliche genannten Fehler sind auch geeignet, sich auf das Ergebnis auszuwirken. Nach § 19 Abs. 1 BetrVG berechtigt ein Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften nur dann nicht zur Anfechtung der Wahl, wenn er das Wahlergebnis objektiv weder ändern noch beeinflussen konnte. Dafür ist entscheidend, ob bei einer hypothetischen Betrachtungsweise eine Wahl ohne den Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zwingend zu demselben Wahlergebnis geführt hätte (BAG, Beschl. v. 31.5.2000 – 7 ABR 78/98, AP Nr. 12 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb; BAG, Beschl. v. 13.10.2004 – 7 ABR 5/04, AP Nr. 1 zu § 2 WahlO BetrVG 1972; BAG, Beschl. v. 25.5.2005 – 7 ABR 39/04, AP Nr. 2 zu § 14 BetrVG 1972). Eine verfahrensfehlerhafte Betriebsratswahl muss nur dann nicht wiederholt werden, wenn sich konkret feststellen lässt, dass auch bei der Einhaltung der Wahlvorschriften kein anderes Wahlergebnis erzielt worden wäre. Kann diese Feststellung nicht getroffen werden, bleibt es bei der Unwirksamkeit der Wahl (BAG, Beschl. v. 31.5.2000 – 7 ABR 78/98, AP Nr. 12 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb; BAG, Beschl. v. 25.5.2005 – 7 ABR 39/04, AP Nr. 2 zu § 14 BetrVG 1972).
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Nach diesen Maßstäben waren die genannten Fehler geeignet, sich auf das Wahlergebnis auszuwirken. Dies gilt zunächst für die Anordnung der Briefwahl für den ganzen Betrieb entgegen der klaren gesetzlichen Regelung (§ 24 WO). Dieser Fehler war geeignet, das Wahlergebnis zu beeinflussen, unabhängig von der von der Arbeitgeberin aufgeworfenen Frage, ob die Arbeitnehmer auch bei der Briefwahl beeinflusst worden sind. Denn allein dadurch, dass die Stimme bei angeordneter Briefwahl – je nachdem – mehrere Tage vor der eigentlichen Wahl abgegeben werden muss, ist nicht auszuschließen, dass einige Arbeitnehmer anders gewählt hätten, wenn sie die Möglichkeit zur persönlichen Stimmabgabe gehabt hätten (BAG, Beschl. v. 27.1.1993 – 7 ABR 37/92, AP Nr. 29 zu § 76 BetrVG 1952). Gleiches gilt auch für den falschen Wahltermin (4.3.2016 statt 2.3.2016) selbst. Denn auch hier ist nicht auszuschließen, dass Arbeitnehmer zwei Tage früher anders gewählt hätten. Dass die in sich widersprüchlichen Angaben über die Tatsache, dass Briefwahl für den ganzen Betrieb angeordnet wurde und gleichzeitig eine Wahlversammlung durchgeführt werden sollte, Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt haben kann, versteht sich von selbst. Die in sich widersprüchliche Angabe über die Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder kann sich ebenfalls auf das Wahlergebnis ausgewirkt haben. Denn nach den Angaben in der im Kammertermin überreichten Wahlniederschrift haben 59 Arbeitnehmer an der Wahl teilgenommen, insgesamt wurden 267 gültige Stimmen (und fünf ungültige Stimmen) abgegeben. 59 Arbeitnehmer hätten aber bei fünf zu wählenden Betriebsratsmitgliedern zusammen 295 Stimmen abgeben können, sodass es nahe liegt, dass einige Arbeitnehmer weniger als fünf Stimmen abgegeben haben. Beispielsweise erhält man 267 Stimmen, wenn 45 Arbeitnehmer je fünf Bewerber angekreuzt haben und 14 Arbeitnehmer je drei Stimmen abgegeben haben. Jedenfalls ist nicht auszuschließen, dass diese Abweichung der tatsächlichen Stimmenzahl von der möglichen Stimmenzahl auf den falschen Angaben in dem Wahlausschreiben beruht. Dass die Stimmzettel vor Beginn der Wahlversammlung hätten beim Wahlvorstand eingehen müssen, war ebenfalls geeignet, die Wahl zu beeinflussen. Denn hierdurch könnten sich Arbeitnehmer genötigt gesehen haben, ihre Stimme möglichst schnell abzugeben, andere haben gegebenenfalls gar nicht mehr an der Wahl teilgenommen, weil sie davon ausgegangen sind, die Stimmabgabe komme ohnehin zu spät. Dass auch nicht auf die Möglichkeit nachträglicher schriftlicher Stimmabgabe hingewiesen wurde (§ 35 WO), sei hierbei nur am Rande erwähnt.
91
4. Über die Hilfsanträge war nicht mehr zu befinden. Zwar hatte der Hauptantrag nur teilweise Erfolg, jedoch hat der auf Auflösung des Betriebsrats gerichtete erste Hilfsantrag dieselbe Rechtsfolge wie die Unwirksamkeit der Wahl. Beide Anträge führen bei Rechtskraft eines entsprechenden Beschlusses zur Auflösung des Betriebsratsgremiums bzw. ex nunc zur Beendigung der Amtszeit (vgl. einerseits BAG, Beschl. v. 13.3.1991 – 7 ABR 5/90, AP Nr. 20 zu § 19 BetrVG 1972; BAG, Beschl. v. 27.7.2011 – 7 ABR 61/10, AP Nr. 2 zu § 16 BetrVG 1972 und andererseits Fitting, § 23 BetrVG Rn. 41).