19.09.2018 · IWW-Abrufnummer 204420
Arbeitsgericht Köln: Urteil vom 24.07.2018 – 8 Ca 2481/18
Im arbeitsgerichtlichen Verfahren stellt aufgrund der abweichenden gesetzlichen Regelung in § 54 Abs. 1 Satz 1 ArbGG im Vergleich zu § 278 Abs. 2 Satz 1 ZPO auch bereits die Güteverhandlung eine Verhandlung in einem früheren Termin i. S. des § 251a Abs. 2 Satz 1 ZPO dar, so dass im – auch ersten – Kammertermin ein Urteil nach Lage der Akten ergehen kann.
Arbeitsgericht Köln
Tenor:
1) Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die schriftliche Kündigungserklärung der Beklagten vom ………………, dem Kläger zugegangen am …………………, nicht aufgelöst ist.
2) Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag zu 1) als Sicherheitsmitarbeiter weiter zu beschäftigen.
3) Die Beklagte wird verurteilt, die dem Kläger mit Datum vom ……………………… erteilte erste Abmahnung aus dessen Personalakte zu entfernen.
4) Die Beklagte wird verurteilt, die dem Kläger mit Datum vom ……………….. erteilte zweite Abmahnung aus dessen Personalakte zu entfernen.
5) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.365,25 Euro brutto abzüglich bereits geleisteter 1.030,16 Euro netto und weiter abzüglich zu Recht einbehaltener Kaution für die Dienstkleidung von 100,00 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz seit dem 16.03.2018 zu zahlen.
6) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 2.316,48 Euro brutto abzüglich bereits geleisteter 501,77 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz seit dem 16.04.2018 zu zahlen.
7) Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
8) Der Streitwert wird festgesetzt auf 16.948,68 Euro.
9) Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
1
T a t b e s t a n d:
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Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer Kündigung, Abmahnungen und Zahlungsansprüche.
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Die Beklagte betreibt ein Sicherheitsunternehmen.
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Der am …………… geborene Kläger ist seit dem ………………. bei der Beklagten als Sicherheits-Mitarbeiter zu einem Stundenlohn von 10,16 Euro brutto beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis ist befristet bis …………………...
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Der schriftliche Arbeitsvertrag der Parteien sieht keine feste Zahl zu leistender Stunden vor. Die tarifvertragliche Regelarbeitszeit im Sicherheitsgewerbe beträgt 228 Stunden pro Monat.
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Im Februar 2018 arbeitete der Kläger 232,75 Stunden für die Beklagte.Die Beklagte rechnete mit Lohnabrechnung für Februar 2018 (Anlage K2, Bl. 14 d. A.) jedoch lediglich 196,40 Stunden ab.
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Unter dem ...............erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Anlage K3, Bl. 18 d. A.).Dem Kläger wird vorgeworfen, er würde Rundgänge beim Kunden Jobcenter mit seinem Privathandy durchführen und er habe nicht verschlossene Teeküchen übersehen. Hierüber habe sich der Kunde Jobcenter am 21.02.2018 beschwert.
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Im März war der Kläger teilweise arbeitsunfähig erkrankt und wurde teilweise im Dienstplan nicht mehr berücksichtigt.
9
Unter dem ...............erteilte die Beklagte dem Kläger eine weitere Abmahnung, auf die ebenfalls wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Anlage K4, Bl. 19 d. A.). Hier wird dem Kläger vorgeworfen, am ...............seinen Vorgesetzten erst kurz vor 8.00 Uhr informiert zu haben, nicht zur Arbeit erscheinen zu können.
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Die Beklagte versuchte, wegen der Abmahnungen jeweils eine „Vertragsstrafe“ von 250.- Euro vom Lohnanspruch des Klägers abzuziehen.
11
Für Februar 2018 zahlte die Beklagte an den Kläger lediglich 1.030,16 Euro netto, für März 2018 lediglich 501,77 Euro netto.
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Hierauf wandte sich der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 03.04.2018 (ebenfalls vom Kläger als „Anlage K3“ bezeichnet, Bl. 15 – 17 d. A.) an die Beklagte.Der Kläger machte insofern Lohnansprüche geltend und nahm zu den Abmahnungen Stellung.
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Das Geltendmachungsschreiben vom 03.04.2018 wurde der Beklagten am 03.04.2018 per Telefax zugeleitet.
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Hierauf meldete sich der Sohn des Geschäftsführers der Beklagten und unmittelbare Vorgesetzte des Klägers ...............über den Messengerdienst „WhatsApp“ am 03.04.2018 um 18.58 Uhr beim Kläger und teilte dem Kläger folgendes mit: „Ich fasse dein Anwalt schreiben als Kündigung auf korrekt?“.
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Um 19.05 Uhr ergänzte Herr ...............insofern: „Guck mal diese faxxen dann woanders. Bis dann“.
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Daraufhin erklärte die Beklagte mit Kündigungsschreiben vom ..............., dem Kläger zugegangen am 07.04.2018, die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
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Der Kläger hat am ...............die vorliegende Klage erhoben. Er rügt die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung als unzulässige Maßregelung. Er macht Vergütungsansprüche für die Monate Februar und März 2018 geltend. Darüber hinaus wehrt er sich gegen die beiden Abmahnungen, die er für unberechtigt hält. Sein Privathandy habe er auf Weisung der Beklagten bei seinen Rundgängen mitführen müssen, um die Beklagte ggf. kontaktieren zu können. Er verweist darauf, dass ihm insofern – unstreitig – ein Diensthandy nicht zur Verfügung gestellt wurde. Am ...............sei er beim Arzt gewesen und habe die Beklagte nicht früher kontaktieren können.
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Der Kläger beantragt,
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1) festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die schriftliche Kündigungserklärung der Beklagten vom ..............., dem Kläger zugegangen am 07.04.2018, nicht aufgelöst ist,
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2) die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag zu 1) als Sicherheitsmitarbeiter weiter zu beschäftigen,
21
3) die Beklagte zu verurteilen, die dem Kläger mit Datum vom ...............erteilte erste Abmahnung aus dessen Personalakte zu entfernen,
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4) die Beklagte zu verurteilen, die dem Kläger mit Datum vom ...............erteilte zweite Abmahnung aus dessen Personalakte zu entfernen,
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5) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.365,25 Euro brutto abzüglich bereits geleisteter 1.030,16 Euro netto und weiter abzüglich zu Recht einbehaltener Kaution für die Dienstkleidung von 100,00 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz seit dem 16.03.2018 zu zahlen,
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6) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 2.316,48 Euro brutto abzüglich bereits geleisteter 501,77 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz seit dem 16.04.2018 zu zahlen.
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Die Beklagte hat auf die Klage entgegen gerichtlicher Auflage mit Fristsetzung durch Beschluss vom 29.05.2018 (Bl. 41 d. A.) nicht schriftsätzlich erwidert und ist im Kammertermin (durch Verzicht des anwesenden Beklagtenvertreters auf eine Antragstellung) säumig geblieben.
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In Anbetracht der Säumnis der Beklagten hat der Kläger eine Entscheidung nach Lage der Akten beantragt.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt und insbesondere die Sitzungsprotokolle sowie die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und deren Anlagen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die zulässige Klage war vollumfänglich begründet.
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I.
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Hierbei konnte entsprechend dem Antrag des Klägers in Anbetracht der Säumnis der Beklagten im Kammertermin nach Lage der Akten entschieden werden, nachdem im ersten Termin am ...............bereits eingehend zu sämtlichen Anträgen mündlich verhandelt worden ist, § 251a ZPO i. V. m. § 331a ZPO.
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§ 251a Abs. 1 ZPO bestimmt, dass das Gericht nach Lage der Akten entscheiden kann, wenn in einem Termin beide Parteien nicht erscheinen oder verhandeln.§ 251a Abs. 2 Satz 1 ZPO sieht insofern vor, dass ein Urteil nach Lage der Akten nur ergehen darf, wenn in einem früheren Termin bereits mündlich verhandelt worden ist; insofern ist Verkündungstermin zu bestimmen (§ 251a Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 ZPO). § 331a ZPO erweitert den Anwendungsbereich der Entscheidung nach Lage der Akten auch auf den Fall der nur einseitigen Säumnis; hier kann der Gegner anstelle eines Versäumnisurteils eine Entscheidung nach Lage der Akten beantragen. Dem Antrag ist zu entsprechen, wenn der Sachverhalt für eine derartige Entscheidung hinreichend geklärt erscheint (§ 331a Satz 1 letzter Halbsatz ZPO).
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Hiervon ausgehend lagen die Voraussetzungen für ein Urteil nach Lage der Akten vor.
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Die Beklagte ist im Kammertermin säumig geblieben; der Kläger hat eine Entscheidung nach Lage der Akten beantragt, diese ist in einem Verkündungstermin unter Beachtung der zweiwöchigen Frist (§ 251a Abs. 2Satz 2 ZPO) verkündet worden.
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Es ist auch bereits in einem früheren Termin – am ...............– mündlich verhandelt worden.
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Auch der Gütetermin im arbeitsgerichtlichen Verfahren stellt einen früheren Termin i. S. des § 251a Abs. 2 Satz 1 ZPO dar. Dies ist für das arbeitsgerichtliche Verfahren klargestellt durch § 54 Abs. 1 Satz ArbGG, wonach im arbeitsgerichtlichen Verfahren die mündliche Verhandlung mit einer Verhandlung vor dem Vorsitzenden zum Zwecke der gütlichen Einigung der Parteien beginnt (Güteverhandlung). Insofern weicht die Gesetzesformulierung zur Güteverhandlung im ArbGG von derjenigen der ZPO in § 278 Abs. 2 Satz 1 ZPO ab, wonach im Zivilverfahren der ordentlichen Gerichtsbarkeit der mündlichen Verhandlung eine Güteverhandlung lediglich „voraus“ geht, mithin noch nicht deren Bestandteil ist. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren ist dies vom Gesetzgeber anders geregelt, hier ist die Güteverhandlung kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung in § 54 Abs. 1 Satz 1 ArbGG ein vollwertiger Termin und Bestandteil der mündlichen Verhandlung und geht dieser gerade nicht lediglich „voraus“.
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Diese Abweichung im ArbGG von den allgemeinen zivilprozessualen Vorschriften ist dem arbeitsgerichtlichen Beschleunigungsgrundsatz geschuldet; es soll den Parteien im arbeitsgerichtlichen Verfahren die Möglichkeit erschwert werden, den Rechtsstreit durch eine „Flucht in die Säumnis“ zu verzögern (so auch z. B. ArbG Köln, Urteil vom 08.03.2013, 2 Ca 4314/12, juris, Rn 18).
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Zweck des gesetzlichen Erfordernisses einer vorangegangenen Verhandlung in der gleichen Instanz in § 251a Abs. 2 Satz 1 ZPO ist, dass die Parteien ihre Standpunkte wenigstens einmal auch mündlich vortragen konnten (Zöller-Greger, 30. Auflage, § 251a ZPO, Rn 3). Dieser Zweck wird gerade auch durch eine eingehende Güteverhandlung im arbeitsgerichtlichen Verfahren gewahrt, so wie vorliegend am ...............geschehen.
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Jedenfalls dann, wenn zwischen Güteverhandlung und Kammertermin die Anträge – wie vorliegend – unverändert bleiben, bestehen für die Beklagtenseite auch keinerlei Irritationen bei der Bestimmung des Streitgegenstandes.Die Beklagtenseite weiss, was auf sie zukommt. Sie muss bei Säumnis im Termin mit Erlass eines – bereits vorläufig vollstreckbaren – Versäumnisurteils oder bei Entscheidungsreife mit dem Erlass eines die Instanz beendenden und ebenfalls vorläufig vollstreckbaren Urteils nach Lage der Akte über den ihr bekannten Streitgegenstand rechnen.
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Insofern stellt auch die Güteverhandlung im arbeitsgerichtlichen Verfahren zweifelsfrei eine mündliche Verhandlung in einem früheren Termin i. S. des§ 251a Abs. 2 Satz 1 ZPO dar (so auch die klar herrschende Meinung, siehez. B. LAG Köln, Urteil vom 12.10.2017, 7 Sa 68/17, juris; LAG Hessen, Urteil vom 31.10.2000, 9 Sa 2072/99; ArbG Köln, Urteil vom 02.09.2011, 2 Ca 2969/11, juris, m. w. N., in der Literatur z. B. Germelmann u. a., ArbGG, 9. Auflage 2017, § 59, Rn 21; Lepke, DB 1997, S. 1564 ff.; a. A. zuletzt – allerdings ohne Auseinandersetzung mit dem abweichenden Wortlaut in § 54 Abs. 1 Satz 1 ArbGG einerseits und § 278 Abs. 2 Satz 1 ZPO andererseits: LAG Köln, Urteil vom 10.04.2018, 4 Sa 1024/16).
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Der Rechtsstreit war auch nach Lage der Akten zum Zeitpunkt des Kammertermins am 05.07.2018 entscheidungsreif, so dass eine streitige Endentscheidung ergehen konnte.
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II.
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Der Kündigungsschutzantrag war begründet. Die streitgegenständliche Kündigung vom ............... ist rechtsunwirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst.
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Die Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung liegen nicht vor.
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Nach § 626 BGB kann ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienst- oder Arbeitsverhältnisses bis Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienst- oder Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann (§ 626 Abs. 1 BGB).Die Kündigung kann nach § 626 Abs. 2 BGB nur innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis des Kündigungsberechtigten von den für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen erfolgen.
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Hiervon ausgehend lag bereits ein wichtiger Grund für die Beklagte zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht ansatzweise vor.Die Beklagte begründet ihre Kündigung damit, dass der Kläger Vergütungsansprüche über einen Rechtsanwalt außergerichtlich gegenüber der Beklagten geltend gemacht hat. Dies stellt jedoch keinen Pflichtenverstoß des Klägers und keinen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses dar, sondern die Wahrnehmung berechtigter Interessen.
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Im Gegenteil führt die von der Beklagten angegebene Begründung dazu, dass die streitgegenständliche Kündigung auch nach § 612a BGB unwirksam ist.
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§ 612a BGB bestimmt, dass ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Maßnahme nicht benachteiligen darf, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.
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Gegen dieses Maßregelungsverbot des § 612a BGB hat die Beklagte vorliegend mit Ausspruch der Kündigung vom ............... verstoßen. Der Kläger hat mit der anwaltlichen Geltendmachung seiner Vergütungsansprüche am 03.04.2018 in zulässiger Weise seine Rechte ausgeübt. Die Kündigung vom ............... stellt eine unmittelbare Reaktion der Beklagten auf diese zulässige Rechtsausübung dar. Dies hat die Beklagte selbst mit der WhatsApp-Korrespondenz vom 03.04.2018 unmissverständlich klargestellt. Sie führt hier aus, die anwaltliche Geltendmachung seien „Faxen“, die aus ihrer Sicht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen müssen. Insofern stellt der Ausspruch der Kündigung als unmittelbare Reaktion auf das Geltendmachungsschreiben eine offensichtliche Maßregelung des Klägers dar, welche nach § 612a BGB von der Rechtsordnung nicht hinzunehmen ist.
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Insofern kam es auch nicht mehr darauf an, ob die – lediglich als außerordentliche Kündigung erklärte – Kündigung vom ............... in eine hilfsweise ordentliche Kündigung umgedeutet werden kann. Denn auch eine hilfsweise ordentliche Kündigung wäre aufgrund des offensichtlichen Verstoßes der Beklagten gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB evident rechtsunwirksam. Das Maßregelungsverbot des § 612a BGB findet – gerade – auch auf ordentliche Kündigungen außerhalb der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes Anwendung, so dass auch der Umstand, dass zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs des sechsmonatige Wartefrist des § 1 Abs. 1 KSchG noch lief, nicht zu einer Rechtwirksamkeit einer (ordentlichen) Kündigung führen kann.
51
III.
52
Auch der Weiterbeschäftigungsantrag war begründet.
53
Nach der Rechtsprechung des Großen Senats des BAG hat der Arbeitnehmer nach Obsiegen im Kündigungsschutzprozess in der ersten Instanz regelmäßig einen Anspruch auf tatsächliche Weiterbeschäftigung (BAG, Beschluss vom 27.02.1985, GS 1/84, DB 1985, S. 2197 ff.). Denn ab dem Zeitpunkt des erstinstanzlichen Obsiegens des Arbeitnehmers mit dem Kündigungsschutzantrag überwiegt regelmäßig das Interesse des Arbeitnehmers an der tatsächlichen Weiterbeschäftigung gegenüber dem Interesse des Arbeitgebers an der tatsächlichen Durchsetzung seines Kündigungsentschlusses. Anhaltspunkte für eine im konkreten Einzelfall von dieser generellen Beurteilung der wechselseitigen Interessen abweichende Interessenabwägung zugunsten des Nichtbeschäftigungsinteresses der Beklagten liegen nicht vor.
54
IV.
55
Auch die Anträge hinsichtlich der beiden Abmahnungen vom ...............und ...............waren begründet.
56
Aus dem verfassungsrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers folgt, dass dieser die Entfernung einer rechtswidrigen Abmahnung aus seiner Personalakte verlangen kann.
57
Die insofern darlegungsbelastete Beklagte hat keinen Sachverhalt dargestellt, der sie zum Ausspruch einer Abmahnung berechtigen würde. Insofern sind die streitgegenständlichen Abmahnungen antragsgemäß aus der Personalakte zu entfernen.
58
V.
59
Auch die Zahlungsanträge waren begründet.
60
1.)
61
Für Februar 2018 hat der Kläger einen Vergütungsanspruch in Höhe von 2.365,25 Euro brutto. Der Kläger hat im Februar 2018 unstreitig 232,75 Stunden für die Beklagte gearbeitet. Multipliziert mit dem arbeitsvertraglich vereinbarten Stundenlohn von 10,16 Euro sowie unter Addition des unstreitigen mit der Februar-Abrechnung abgerechneten Nachtzuschlags von 0,51 Euro ergibt sich der titulierte Betrag.
62
2.)
63
Für März 2018 hat der Kläger einen Vergütungsanspruch in Höhe von 2.316,48 Euro brutto. Der Kläger setzt insofern die tarifvertraglich vereinbarte Regelarbeitszeit von 228 Stunden an. Die Beklagte ist dem nicht entgegen getreten. Die tatsächlich in dem einen Monat, in dem das Arbeitsverhältnis tatsächlich „gelebt“ wurde, geleisteten Arbeitsstunden liegen relativ nah an der tariflichen Regelarbeitszeit und belegen, dass jedenfalls das Arbeitsverhältnis nicht lediglich als Teilzeit-Arbeitsverhältnis praktiziert worden ist.
64
3.)
65
In Abzug zu bringen waren lediglich die tatsächlich geleisteten Nettozahlungen sowie darüber hinaus gehend der vom Kläger ausdrücklich akzeptierte Einbehalt für die „Kaution Dienstkleidung“. Zu weiteren Abzügen ist die Beklagte nicht berechtigt. Selbst bei einer etwaigen Berechtigung einer Abmahnung würde dies die Beklagte nicht berechtigen, insofern in Form einer „Vertragsstrafe“ Vergütungsansprüche des Klägers zu reduzieren. Zur Beachtung der gesetzlichen Pfändungsfreigrenzen bei einer Aufrechnung mit etwaigen Gegenforderungen (§ 394 BGB) trägt die insofern darlegungsbelastete Beklagte nicht ansatzweise etwas vor.
66
4.)
67
Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 286, 288 BGB. Da die monatlichen Vergütungszahlungen mit dem 15. des Folgemonats kalendermäßig bestimmt fällig wurden, befand sich die Beklagte ab dem 16. des Folgemonats mit der Leistung im Schuldnerverzug und hat insofern ab diesem Zeitpunkt Zinsen in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes zu zahlen.
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VI.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO i. V. m. § 46 Abs. 2 ArbGG. Hiernach hatte die Beklagte als unterlegene Partei des Rechtsstreits die Kosten zu tragen.
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Der gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzende Streitwert wurde auf drei Bruttomonatsgehälter für den Kündigungsschutzantrag sowie ein weiteres Bruttomonatsgehalt für den Weiterbeschäftigungsantrag und zwei weitere Bruttomonatsgehälter für die Anträge betreffend die beiden Abmahnungen festgesetzt; hinzu kam der bezifferte Wert der Zahlungsanträge.
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Gründe, die Berufung gemäß § 64 Abs. 3, Abs. 3 a ArbGG gesondert zuzulassen, waren nicht gegeben.