24.04.2023 · IWW-Abrufnummer 234878
Verwaltungsgericht Hannover: Urteil vom 28.04.2022 – 18 A 3735/21
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Verwaltungsgericht Hannover
Tenor:
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand:
Der Beklagte steht im Amt eines Kriminalhauptkommissars (BesGr. A 11 NBesO) im Dienst des Landes Niedersachsen und war bis zu seiner vorläufigen Dienstenthebung bei der Klägerin tätig.
Der Beklagte wurde 1963 geboren; er ist geschieden. Der Beklagte trat zum 1. April 1981 ‒ seinerzeit als Polizeihauptwachtmeister-Anwärter ‒ in den Polizeidienst des Landes Niedersachsen ein. Im April 1998 wechselte der Beklagte mit seiner Ernennung zum Kriminalkommissar in den damaligen gehobenen Dienst. Zuletzt wurde der Beklagte am 17. August 2010 zum Kriminalhauptkommissar befördert.
Seit dem 4. Januar 2011 hat der Beklagten den nach Besoldungsgruppe A 11 NBesO bewerteten Dienstposten „Sachbearbeiter Prävention“ inne.
Die dienstlichen Beurteilungen während der gesamten dienstlichen Laufbahn des Beklagten waren stets zumindest durchschnittlich, zum Teil sogar überdurchschnittlich. Zuletzt wurde der Beklagte mit Regelbeurteilung zum Stichtag 1. September 2017 mit der Wertstufe „C - oberer Bereich“ beurteilt.
Disziplinarrechtlich ist der Beklagte bislang nicht in Erscheinung getreten.
Aufgrund eines öffentlichen Auftrittes auf einer Versammlung der Initiative „Querdenker 23“ in Dortmund am 9. August 2020 leitete die Klägerin unter dem 14. August 2020 ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten ein (Beiakte 1), Bd. 1 (sog. (Hauptakte I), Bl. 93).
Der Beklagte betätigte sich danach auch weiterhin mit öffentlichen Auftritten und Interviews in einem Bereich, den die Klägerin der sog. „Querdenker-Szene“ zuordnet.
Mit Verfügungen vom 21. August 2020 (Beiakte 11, Bd. 1, Bl.207), 5. November 2020 (Beiakte 1, Bd. 2, Bl. 211), 20. November 2020 /Beiakte 1 Bd. 3, Bl. 47), 4. Dezember 2020 Beiakte 1, Bd. 3, Bl. 250), 29. Dezember 2020 (Beiakte 1, Bd. 4, Bl. 65), 19. Februar 2021 (Beiakte 1, Bd. 5, Bl. 9) und 25. Februar 2021 (Beiakte 1, Bd. 5, Bl. 40) wurde das Disziplinarverfahren jeweils ausgedehnt.
Die Klägerin hat mit Verfügung vom 29. März 2021 mehrere gegenüber dem Beklagten erhobene Vorwürfe aus dem Disziplinarverfahren ausgeschieden. Dies betraf den Vorwurf des Verstoßes gegen das Datenschutzgesetz (Abfrage in polizeilichen Auskunftssystem ohne ersichtlichen Grund), der Verletzung von Dienst-und Privatgeheimnissen, der Verwendung eines Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation durch Zeigen des sogenannten „Hitlergrußes“, eines Verstoßes gegen das Infektionsschutzgesetz (Verstoß gegen das Beherbergungsverbot für Privatreisende), des Aufrufs zu europaweiten Blockademaßnahmen von Infrastrukturknotenpunkten und des Besitzes von Bilddateien mit zum Teil rassistischen, sexistischen und frauendiskriminierenden Inhalten einschließlich eines Verstoßes gegen die Grundsätze der dienstlichen Nutzung des Dienst-Laptops (Beiakte 1, Bd, 6 Bl.135).
Im Laufe des behördlichen Disziplinarverfahrens führte die Klägerin folgende Zeugenvernehmungen durch:
am 1. Oktober 2020: PKH F., (Beiakte 1, Bd. 1; Bl. 140 ff.);
am 8. Oktober 2020: KOK’in G., (Beiakte 1, Bd. 1; Bl. 256 ff.);
am 6. Oktober 2020: PHK a.D. H., (Beiakte 1, Bd. 1; Bl. 299 ff.);
am 9. Oktober 2020: POK I. (Beiakte 1, Bd. 1; Bl. 329 ff.);
am 15. Oktober 2020: J., (Beiakte 1, Bd. 1; Bl. 397 ff.);
am 21. Oktober 2020: K., (Beiakte 1, Bd. 2; Bl. 84 ff.);
am 15. Oktober 2020: L., (Beiakte 1, Bd. 2; Bl. 113 ff.);
am 15. Oktober 2020: M., (Beiakte 1, Bd. 2; Bl. 129 ff.);
am 21. Oktober 2020 N., (Beiakte 1, Bd. 4; Bl. 43ff.);
am 10. November 2020: O., (Beiakte 1, Bd. 2; Bl. 286 ff.);
am 9. November 2020: P., (Beiakte 1, Bd. 2; Bl. 320 ff.);
am 9. November 2020: Q., (Beiakte 1, Bd. 2; Bl. 341 ff.);
am 12. November 2020: R., (Beiakte 1, Bd. 2; Bl. 360 ff.);
am 12. November 2020: S., (Beiakte 1, Bd. 2; Bl. 395 ff.);
am 13. November 2020: T., (Beiakte 1, Bd. 3; Bl. 2 ff.);
am 9. November 2020: U., (Beiakte 1, Bd. 3; Bl. 56ff.);
am 19. November 2020: V., (Beiakte 1, Bd. 3; Bl. 77 ff.);
am 23. November 2020: W., (Beiakte 1, Bd. 3; Bl. 134 ff.);
am 24. November 2020: X., (Beiakte 1, Bd. 3; Bl. 156 ff.);
am 25. November 2020: Y., (Beiakte 1, Bd. 3; Bl. 201 ff.);
am 3. Dezember 2020: Z., (Beiakte 1, Bd. 3; Bl. 295 ff.);
am 8. Dezember 2020: AA., (Beiakte 1, Bd. 3; Bl. 317 ff.);
am 8. Dezember 2020: AB., (Beiakte 1, Bd. 3; Bl. 336 ff.);
am 13. Januar 2021: AC., (Beiakte 1, Bd. 6; Bl. 138 ff.);
am 15. Januar 2021: AD., (Beiakte 1, Bd. 4; Bl. 161 ff.);
am 20. Januar 2021: AE., (Beiakte 1, Bd. 4; Bl. 213 ff.);
am 19. Januar 2021: AF., (Beiakte 1, Bd. 4; Bl. 261 ff.);
am 21. Januar 2021: AG., (Beiakte 1, Bd. 4; Bl. 298 ff.);
am 22. Januar 2021: AH., (Beiakte 1, Bd. 4; Bl. 315 ff.);
am 28. Januar 2021: AI., (Beiakte 1, Bd. 6; Bl. 340 ff.);
Wegen der Aussagen der Zeugen wird auf die Disziplinarvorgänge Bezug genommen.
Am 24. August 2020 erfolgte einer Durchsuchung der Büroräume und der Wohnung des Beklagten. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Beiakte 011, Bd. 1, Bl. 247 ff., Bl. 265 ff. verwiesen.
Mit Verfügungen vom 28. Dezember 2020 wurde der Beklagte gemäß § 38 NDiszG vorläufig des Dienstes unter Einbehaltung eines Teils seiner Dienstbezüge enthoben.
Mit Schreiben vom 29. März 2021 (Beiakte 1, Bd. 6, Bl. 40) wurde dem Beklagten das wesentliche Ermittlungsergebnis bekanntgegeben und ihm Gelegenheit gegeben, sich dazu zu äußern.
Die Klägerin hat am 12. Mai 2021 Klage erhoben.
Der Beklagte habe gegen seine Treuepflicht (§ 33 Abs. 1 S. 3 BeamtStG), gegen seine Pflicht zur Mäßigung und Zurückhaltung (§ 33 Abs. 2 BeamtStG), gegen seine Wohlverhaltenspflicht (§ 34 S. 3 BeamtStG) und gegen seine Gehorsamspflicht (§ 35 S. 2 BeamtStG) verstoßen, indem er
I. ... sich der Reichsbürgerbewegung angeschlossen habe.
Der Beklagte habe seinen Personalausweis abgegeben, stattdessen einen Staatsbürgerausweis beantragt und als Geburtsstaat „Preußen“ in amtlichen Formularen eingetragen. Auch habe er einen Zusatzvermerk zur Abstammung „gemäß Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz, Stand 1913" in das Register „Entscheidungen in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten" (EStA) mit Bezugnahme auf das vormalige „Reichsund Staatsangehörigkeitsgesetz" (RuStAG) beantragt. Zudem habe er sowohl bei öffentlichen Auftritten als auch in dienstlichen Beratungsgesprächen mit Bürgern reichsbürgerideologische und verschwörungsgläubige Überzeugungen verbreitet.
II. ... Verschwörungstheorien verbreitet habe.
Dies ergebe sich aus Aussagen des Zeugen AJ., aus Redebeiträgen bei öffentlichen Auftritten in verschiedenen Städten und aus Interviews vom 21. Februar 2021 in A-Stadt bzw. vom 29. August 2020 in Berlin.
III. ... staatliche Institutionen und deren Organe verunglimpft habe.
Eine Verunglimpfung staatlicher Institutionen und Organe sei unter anderem in seinen öffentlichen Reden in Dortmund am 9. August 2020, in Konstanz am 3. Oktober 2020, in Darmstadt am 22. August 2020, in Lauenau am 7. Dezember 2020 und in Neheim am 8. Januar 2021 erfolgt sowie in Interviews vom 7. November 2020 in Leipzig und Dresden sowie in einer Talk-Runde in Köln (veröffentlich am 31. Januar 2021).
IV. ... wiederholt gegen dienstliche Weisungen verstoßen habe.
Der Beklagte habe sich entgegen einer Anordnung seines Vorgesetzten in einer E-Mail vom 2. Juni 2020 geweigert, bei Beratungsgesprächen eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen und diese Weisung bei verschiedenen Beratungsgesprächen missachtet, wobei er in einem Fall - entgegen der Weisung, Abstands- und Hygieneregeln einzuhalten - die Gesprächspartner auch mit Handschlag begrüßt habe (S. 87 f. der Klageschrift).
Die Klägerin ist der Auffassung, der Beklagte sei durch sein Verhalten als Polizeibeamter nicht mehr tragbar, das Vertrauensverhältnis zu ihm sei endgültig zerstört.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er gehöre der „Reichsbürgerszene“ nicht an. Er habe den Staatsangehörigkeitsausweis vielmehr beantragt, um für eine Auswanderung bzw. einem Immobilienerwerb im Ausland vorbereitet zu sein. Dies habe er auch so seiner damaligen Dezernentin mitgeteilt. Gerade die Beantragung eines Ausweispapieres der Bundesrepublik Deutschland zeige, dass die Existenz dieses Staates nicht geleugnet werde (S. 2 des Ss. v. 25. April 2022). Mit der Angabe von „Preußen“ als Geburtsland in einem Antragsformular habe er seine deutsche Abstammung belegen wollen (S.24 des Ss. v. 25. April 2022).
Er sei nicht verfassungsfeindlich, sondern setzte sich vielmehr für eine demokratische und rechtsstaatliche Ordnung ein und kritisiere, dass sich Exekutive, Legislative und Jurisdiktion von dieser Ordnung entfernt hätten (S. 6 des Ss. v. 25. April 2022). Er stehe mit beiden Füßen auf dem Boden des Grundgesetzes (S.17 des Ss. v. 25. April 2022).
Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung beantragt, die Öffentlichkeit auszuschließen. Diesen Antrag hat die Disziplinarkammer abgelehnt.
Der Beklagte hat des Weiteren in der mündlichen Verhandlung gerügt, dass in der Sitzung ein wesentlicher Teil der Öffentlichkeit allein durch die 3-G-Regelung ausgeschlossen und dass die Anzahl der Zuhörer auf 15 Plätze begrenzt worden sei, wovon ein erheblicher Teil von Pressevertretern in Anspruch genommen werde.
Die Kammer hat durch Beschluss in der mündlichen Verhandlung das Disziplinarverfahren auf die Vorwürfe zu I. bis III. beschränkt und den Themenkomplex zu IV. - Verstoß gegen dienstliche Weisungen ‒ aus dem Disziplinarverfahren ausgeschieden; insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Disziplinarvorgangs Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
A.
Der Antrag des Beklagten auf Ausschluss der Öffentlichkeit war abzulehnen.
Gemäß § 171 Nr 1 b GVG kann das Gericht für die Verhandlung oder für einen Teil davon die Öffentlichkeit zum Schutz der Privatsphäre ausschließen. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, soweit Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten, eines Zeugen oder eines durch eine rechtswidrige Tat Verletzten zur Sprache kommen, deren öffentliche Erörterung schutzwürdige Interessen verletzen würde.
Im vorliegenden Verfahren geht es nicht um Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich des Beklagten, sondern im Wesentlichen um die disziplinarrechtliche Bewertung seines öffentlichen Handelns und seiner in der Öffentlichkeit gemachten Äußerungen., Die Voraussetzungen für einen Ausschluss der Öffentlichkeit nach dieser Vorschrift liegen deshalb nicht vor.
Auch die Voraussetzungen des § 172 Nr. 1a GVG sind nicht erfüllt. Danach kann das Gericht für die Verhandlung die Öffentlichkeit ausschließen, wenn eine Gefährdung des Lebens, des Leibes oder der Freiheit eines Zeugen oder einer anderen Person zu besorgen ist. Erforderlich ist insoweit eine konkrete Gefahr für einzelne Personen. Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdung des Beklagten bestehen nicht.
Im Übrigen handelt es sich bei dem Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlung um ein grundlegendes Prinzip demokratischer Rechtspflege. Deshalb sind die Anforderungen an den Ausschluss der Öffentlichkeit hoch, und diese hohen Anforderungen sind hier nicht erfüllt.
B.
Der Öffentlichkeitsgrundsatz ist nicht dadurch verletzt, dass die Anzahl der Zuschauerinnen und Zuschauer im Sitzungssaal begrenzt war. Die Kammer war nicht gehindert, aufgrund der mündlichen Verhandlung zu entscheiden.
Zum einen lässt sich die Rüge der Prozessvertreter des Beklagten, der Öffentlichkeitsgrundsatz sei durch die Begrenzung der Anzahl der Zuschauerinnen und Zuschauer verletzt, nur schwer mit dem vorhergehenden Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit zum Schutz der Privatsphäre ihres Mandanten in Einklang bringen, zum anderen greift die Rüge in der Sache nicht durch.
Eine Verhandlung ist dann "öffentlich" i. S. v. § 55 VwGO i. V. m. § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn sie in Räumen oder an Örtlichkeiten stattfindet, die während der Dauer der Verhandlung grundsätzlich jedermann zugänglich sind. Der Umstand, dass möglicherweise ‒ der Kammer ist nicht bekannt geworden, dass interessierte Besucherinnen oder Besucher keinen Zugang zum Sitzungssaal gefunden haben - nur ein Teil des Einlass begehrenden Publikums sowie Medienvertreter im Sitzungssaal Platz finden konnten, stellt keine Verletzung des Grundsatzes der Öffentlichkeit der Verhandlung dar. Denn dieser gebietet weder aus § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG noch aus verfassungsrechtlicher Sicht eine Verpflichtung des Gerichts, jedem Interessierten einen Platz zu verschaffen (vgl. Schmidt, COVID-19, Rechtsfragen zur Corona-Krise, 3. Auflage 2021, § 15.II.1 Rn. 35 m.w.N.). Zulässig ist insbesondere auch eine Reduzierung der Zuhörerzahl in einem Saal, um Abstandsregelungen im Zuge einer Pandemiebekämpfung durch das Freihalten von Sitzen einhalten zu können (vgl. Lückemann, in: Zöller, ZPO, 34. Auflage 2022, § 169 GVG Rn. 6; vgl. dazu auch VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 4. März 2022 ‒ 5 K 469/21 ‒, Rn. 52 - 53, juris). Vorliegend war der Zugang der am Sitzungstag erschienenen Öffentlichkeit aus den allgemeinkundigen pandemiebedingten Gründen zum Schutze aller Prozessbeteiligten sowie der Teilnahmeinteressenten in Abhängigkeit von den Gegebenheiten der vorhandenen Räumlichkeiten des Gerichts unter Beachtung der fachlich-epidemiologisch empfohlenen Abstände erfolgt.
C.
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Beklagte hat vorsätzlich handelnd ein Dienstvergehen i.S. d. § 47 Abs.1 BeamtStG begangen. Dieses Dienstvergehen macht seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gem. § 11 NDiszG erforderlich.
Nach § 33 Abs. 1 BeamtStG müssen Beamte sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten. Gem. § 33 Abs.2 BeamtStG haben Beamte bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergibt. Das Verhalten des Beamten muss zudem nach § 34 S. 3 BeamtStG a.F. weiterhin der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordert (die zwischenzeitlich erfolgten Änderungen der hier maßgeblichen §§ 47 Abs. 1 und 34 BeamtStG sind für die hier zu entscheidende Klage nicht entscheidungserheblich).
Diese Pflichten hat der Beklagte durch sein Verhalten in einer Weise verletzt, die in besonderem Maße geeignet ist, dass Vertrauen in einer für sein Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Er hat dadurch ein einheitliches, teilweise innerdienstliches, teilweise außerdienstliches Dienstvergehen im Sinne des § 47 Abs. 1 BeamtStG begangen.
Im Einzelnen:
I.
Die Klägerin hat dem Beklagten zu Recht vorgeworfen, sich die Ansichten der sog. Reichsbürgerszene zu eigen gemacht und diese öffentlich propagiert zu haben.
Der Beklagte hat mit seinem Verhalten die Legitimität der Bundesrepublik Deutschland und seiner staatlichen föderalen Gliederungen auf eine subtile Art öffentlich infrage gestellt hat und sich damit wie ein Reichsbürger verhalten. Dies geschah durch die Abgabe seines Bundespersonalausweises beim Bürgeramt der Stadt Alfeld mit dem Hinweis, dass er diesen nicht mehr benötige (Bl. 173 Hauptakte I (entspricht Beiakte 001, Bd. 1)), die Angabe „Preußen“ als Geburtsstaat bei seiner Auskunft an das Bundesverwaltungsamt aus dem Register Entscheidungen in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten (Bl. 167 Hauptakte I.), die Angabe „Preußen“ als Wohnsitzstaat in einem Antrag auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises vom 4. Mai 2020 (vgl. Aussagen des Zeugen N., Hauptakte Bd. IV (entspricht Beiakte 001, Bd. 4), Bl. 43, 51ff; Aussagen der Zeugin M., „Hauptakte Bd. IV (entspricht Beiakte 001, Bd. 4), Bl. 129, 137 ff.¸ Aussagen der Zeugin AK., „Hauptakte Bd. IV, Bl. 113, 122 ff; sowie Asservate bei der Klägerin, vgl. Seite 10 der Disziplinarklageschrift), die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises nach § 30 Staatsangehörigkeitsgesetz ohne einen sachlich gerechtfertigten, nachvollziehbaren Anlass (vgl. die Kopie des Staatsangehörigkeitsausweises Bl: 170 Hauptakte I (entspricht Beiakte 001, Bd. 1)) und durch die Beantragung eines Zusatzvermerks zur Abstammung „gemäß Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz Stand 1913 “ in das Register „Entscheidungen in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten“ (Aussage des N., Beiakte „Hauptakte Bd. IV“, Bl. 43,52 sowie Asservate der Klägerin, vgl. Seite 11 der Disziplinarklageschrift). Dies wurde im Übrigen von dem Beklagten auch nicht bestritten. Hinzukommen verschiedene Einlassungen bei öffentlichen Veranstaltungen, in denen er über seine vermeintliche Staatenlosigkeit räsoniert (vgl. etwa Interview des Beklagten in Berlin am 29. August 2020, Beiakte 001 Bd. 1 („Hauptakte Bd. II, Bl. 67 ff.“) sowie die Berliner Rede vom 11. Oktober 2020, „Hauptakte Bd. III, Bl. 369“).
Der Beklagte hat keine vernünftige Erklärung dafür abgegeben, warum er seinen Personalausweis zurückgeben hat und aus welchem Grund er der Auffassung ist, dieser werde nicht mehr benötigt. Seine Einlassung in der mündlichen Verhandlung, er sei im Besitz eines gültigen Reisepasses, ist nicht überzeugend.
Die Vernichtung und Rückgabe von Ausweisdokumenten gehört zu den klassischen Aktivitäten von „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“ (https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/publikationen/DE/reichsbuerger-und-selbstverwalter/2019-05-reichsbuerger-und-selbstverwalter-handlungsempfehlungen-fuer-den-behoerdenalltag.pdf?__blob=publicationFile&v=7).
Ein reichsbürgertypisches Verhalten zeigte der Beklagte auch mit der Angabe „Preußen“ als Geburtsstaat in dem Antragsformular für den Staatsangehörigkeitsausweis. Der Beklagte hat damit den Anschein erweckt, vom Fortbestehen des Staates/Königreichs Preußen auszugehen und damit die Existenz und die Legitimation der Bundesrepublik Deutschland und seiner föderalen Gliederungen in Abrede zu stellen, wie dies - bei allen Unterschieden im öffentlichen Agieren dieses Personenkreises - gemeinsames Charakteristikum der „Reichsbürger“ ist (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 20. April 2021 ‒ 3 LD 1/20 ‒ (juris Rn. 87 ‒ 107). Gleiches gilt für die Angabe „Preußen“ in den Formularfeldern „Geburtsstaat“ und „Wohnsitzstaat“ in seinem Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit vom 4. Mai 2020. Der Beamte hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, er habe, als er diesen Antrag gestellt habe, seine Abstammung nachweisen wollen. Als es um die Angaben zu seinem Vater und Großvater gegangen sei, habe er ebenfalls eingetragen, dass sie ursprünglich aus Staatengebilden stammten vor Gründung der Bundesrepublik Deutschland, und dies habe er dann auch für sich getan. Diese Einlassungen können nicht überzeugen. In dem Antragsformular war nach dem Geburtsstaat gefragt, nicht nach einer historisch-geographischen Abstammung. Die jeweiligen Antragsformulare waren ohne weiteres verständlich, zumal der Beklagte aufgrund seiner Ausbildung und seines beruflichen Werdegangs mit dem Umgang mit behördlichen Formularen und den Anforderungen an das korrekte Ausfüllen von Antragsformularen vertraut gewesen sein muss. Eine Auslegungsspielraum, woraus sich die jeweils abgefragte des Staates bezieht, ließen die Formulare nicht zu (vgl. BVerwG, Urt. vom 2. Dezember 2021, 2 A 7/21, juris Rn. 38).
Als reichsbürgertypisch ist auch der Umstand zu bewerten, dass der Beklagte ohne nachvollziehbaren Grund am 4. Mai 2020 einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragt hat. In der Reichsbürgerszene kursiert die Behauptung, das Reichs -und Staatsangehörigkeitsgesetz in seiner Fassung vom 22. Juli 1913 sei unverändert gültig und daher müsse man, um der Staatenlosigkeit zu entgehen, nach den damaligen Gesetzen einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragen. Dabei lässt die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises als solche nicht ohne weiteren Umstände auf eine Reichsbürgergesinnung schließen. Denn für die Beantragung eines entsprechenden Dokumentes kann es gute Gründe geben. In der Regel benötigt man nach den Hinweisen des Bundesverwaltungsamts einen Staatsangehörigkeitsausweis, wenn Zweifel an der deutschen Staatsangehörigkeit bestehen und ein solcher ausdrücklich von einer Behörde verlangt wird. Erforderlich kann ein Staatsangehörigkeitsausweis sein, wenn zum Beispiel erstmalig ein deutscher Reisepass beantragt wird, ein Adoptionsverfahren durchgeführt werden soll oder diplomatischer Schutz begehrt wird, zur Beantragung von Rente oder Sozialhilfe im Ausland oder, wenn man in den diplomatischen Dienst eingestellt werden will. Die Einlassung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung auf entsprechenden Vorhalt des Gerichts, bei der Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises handele es sich lediglich um eine vorsorgliche Maßnahme im Hinblick auf einen beabsichtigten Grundstückserwerb im Ausland oder eine Auswanderung, sieht das Gericht als Schutzbehauptung an. Konkrete diesbezügliche Pläne hat der Beklagte nicht dargelegt, es ist auch nicht ersichtlich, welche ausländische Stelle von ihm einen Staatsangehörigenausweis verlangt hat oder von welcher Seite Zweifel an seiner deutschen Staatsangehörigkeit aufgeworfen wurden. Der Beklagte war im Besitz eines Personalausweises und eines Reisepasses. Seine deutsche Staatsangehörigkeit ist ‒ soweit erkennbar ‒ seit seiner Geburt nie seitens einer Behörde in Frage gestellt worden.
Die Beantragung eines Staatsangehörigenausweises ohne einen vernünftigen Anlass ist eine charakteristische Verhaltensweise von Menschen, die die Reichsbürgerideologie vertreten (vgl. BMI, Reichsbürger und Selbstverwalter, www.bmi.bund.de/SharedDocs/topthemen/DE/topthema-reichsbuerger/topthema-reichsbuerger.html; MI NRW, Reichsbürger und Selbstverwalter Erkennen, einordnen, richtig handeln, www.im.nrw/sites/default/files/media/document/file/Broschüre_Reichsbuerger.pdf).
Vielfach wird von Angehörigen der Szene propagiert, man solle den "Gelben Schein" beantragen. Hintergrund hierfür ist, dass "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" weder einen Personalausweis noch einen Reisepass als Nachweis für den Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit akzeptieren. Als Nachweis der deutschen Staatsangehörigkeit gilt vielen "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" nur ein offizieller Staatsangehörigkeitsausweis ("Gelber Schein"). In der Reichsbürger-Szene kursiert die Behauptung, das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz in seiner Fassung vom 22. Juli 1913 sei unverändert gültig. Daher müsse man, um der Staatenlosigkeit und dem damit einhergehenden „Sklavenstatus“ zu entgehen, nach den damaligen Gesetzen einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragen. (BMI, Reichsbürger und Selbstverwalter, www.bmi.bund.de/SharedDocs/topthemen/DE/topthema-reichsbuerger/topthema-reichsbuerger.html; MI NRW, Reichsbürger und Selbstverwalter Erkennen, einordnen, richtig handeln, www.im.nrw/sites/default/files/media/document/file/Broschüre_Reichsbuerger.pdf
Der Beklagte hat mit seinem Verhalten die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und seiner föderalen Gliederungen durch seine Aktivitäten und seine Äußerungen zwar nicht ausdrücklich in Abrede gestellt. So sind keine Äußerungen dokumentiert, in denen der Beamte erklärt, das „Deutsche Reich“ bestehe fort, die Bundesrepublik Deutschland gebe es gar nicht und sei nur eine GmbH. Gleichwohl ist der in der Disziplinarklageschrift erhobene Vorwurf der Zugehörigkeit zu Reichsbürgerbewegung berechtigt. Denn diese Szene ist heterogen. Die Argumente und Ideologien der sogenannten Reichsbürger sind breit gefächert, vielfältig und bilden kein geschlossenes System. Sie widersprechen sich auch zum Teil (vgl. „Reichsbürger“, „Reichsregierungen“ und „Selbstverwalter“.- Informationen und Handlungsempfehlungen zur „Reichsbürgerszene“, Ministerium für Inneres und Sport, Sachsen-Anhalt, 2018, ttps://mi.sachsen-anhalt.de/fileadmin/Bibliothek/Politik_und_Verwaltung/MI/MI/3._Themen/Verfassungsschutz/Reichsb_Selbstverw_Neuauflage.pdf).
Der Beklagte hat ‒ und das ist ein gemeinsames Charakteristikum der Reichsbürgerszene - die Legitimität der Bundesrepublik und seiner Untergliederungen auf die beschriebene Weise jedenfalls mittelbar in Zweifel gezogen. Wenn der Beklagte die Legitimation des Staates und seiner föderalen Gliederungen vorbehaltlos anerkennen würde, also des Staates, zu dessen Verfassungsordnung er sich bekennen und für die er einzutreten hat, dann bestünde kein Zweifel, dass er in jedem Antragsformular als Geburtsstaat oder als Wohnsitzstaat die Bundesrepublik Deutschland einträgt und nicht ein Staatengebilde, das seit 1947 rechtlich nicht mehr existiert. Wenn der Beamte die Existenz und Legitimität der Bundesrepublik Deutschland vorbehaltlos anerkennen würde, dann hätte er nicht seinen Personalausweis abgeben, dann würde er nicht ohne nachvollziehbaren Anlass einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragen. Letztlich hat der Beklagte mit seinem Verhalten doch seinen Zweifeln an der Legitimität und Existenz der Bundesrepublik Deutschland Ausdruck verliehen.
Dass der Beamte die Existenz und Legitimität der Bundesrepublik Deutschland nicht vorbehaltlos anerkennt, ist auch in verschiedenen öffentlichen Redebeiträgen zum Ausdruck gekommen. Hervorzuheben ist etwa die Rede in Berlin am 29. August 2020, wo der Beklagte erklärt hat, dass eine Internetrecherche ergeben habe, er sei ein Staatenloser und dass er sich einen Staatsangehörigkeitsausweis haben ausstellen lassen, weil sein Personalausweis nur den Status als Staatenloser darstelle.
„Schnell das Internet gefragt, [...] also war für mich konkludent, ich bin ein Staatenloser."
„Ich war ja nun in der Lage, meine deutsche Staatsangehörigkeit mit meinem neuen amtlich ausgestellten Staatsangehörigkeitsausweis rechtsverbindlich in allen Angelegenheiten nachzuweisen und so fragte ich mich, wozu ich denn wohl noch meinen Personalausweis brauche, der den Status "Staatenloser" darstellt?"
(Beiakte 002, Bd. 2 (entspricht Hauptakte II); S. 66).
Auch in einer Rede am 27. September 2020 in Aschaffenburg (Nachweise s. Klageschrift S. 12) hat der Beklagte sich ähnlich ausgelassen.
In Aschaffenburg führte der Beklagte u.a. aus:
„. ... ich einige Zeit zuvor einen Ausweis beantragt habe ..., mit dem ich meine Staatsangehörigkeit nachweisen kann."
Der Beklagte hat mit diesem Verhalten gegen seine Pflichten aus § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG (Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung) verstoßen.
Das OVG Lüneburg hat in seinem Urteil vom 20. April 2021 ‒ 3 LD 1/20 ‒ (juris Rn. 87 ‒ 107) in einem vergleichbaren Fall ausgeführt:
„Die Pflicht, sich durch das gesamte Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG), gehört zu den Kernpflichten eines jeden Beamten (Bay. VGH, Urteil vom 16. Januar 2019 - 16a D 15.2672 -, juris Rn. 25; Nds. OVG, Beschluss vom 8. Oktober 2020 - 3 ZD 11/20 -; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, BBG, Stand: April 2021, Bd. 1, § 33 BeamtStG Rn. 3). Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse und die damit verbundenen Eingriffsrechte des Staates sind durch Art. 33 Abs. 4 GG einem Personenkreis vorbehalten, dessen Rechtsstellung in besonderer Weise Gewähr für Verlässlichkeit und Rechtsstaatlichkeit bietet (BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 - BVerwG 2 C 25.17 -, juris Rn. 15). Beamte realisieren die „Machtstellung“ des Staates (BVerfG, Urteil vom 27. April 1959 - 2 BvF 2/58 -, juris Rn. 65), sie haben als „Repräsentanten der Rechtsstaatsidee“ (BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2014 - BVerwG 2 C 51.13 -, juris Rn. 26) dem ganzen Volk zu dienen und ihre Aufgaben im Interesse des Wohls der Allgemeinheit unparteiisch und gerecht zu erfüllen (Urteil vom 17. November 2017, a. a. O., Rn. 15). Beamte stehen daher in einem besonderen öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis. Aufgrund dieser Treuepflicht gehört es jedenfalls zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG, dass sich der Beamte zu der Verfassungsordnung, auf die er vereidigt ist, bekennt und für sie eintritt (BVerwG, Urteil vom 17. November 2017, a. a. O., Rn. 15).
Der Beamte, der „sozusagen als Staat Befehle geben kann“ (BVerfG, Urteil vom 27. April 1959, a. a. O., Rn. 65), muss sich mit den Prinzipien der verfassungsmäßigen Ordnung ohne innere Distanz identifizieren. Damit ist nicht eine Verpflichtung gemeint, sich die Ziele oder eine bestimmte Politik der jeweiligen Regierung zu eigen zu machen. Gefordert ist aber die Bereitschaft, sich mit der Idee des Staates, dem der Beamte dienen soll, mit der freiheitlich-demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung dieses Staates zu identifizieren und für sie einzutreten. Dies schließt nicht aus, an Erscheinungen dieses Staates Kritik zu üben und für Änderungen der bestehenden Verhältnisse mit den verfassungsrechtlich vorgesehenen Mitteln einzutreten, solange in diesem Gewand nicht eben dieser Staat und seine verfassungsmäßige Grundlage in Frage gestellt werden. An einer „unkritischen“ Beamtenschaft können Staat und Gesellschaft kein Interesse haben. Unverzichtbar ist aber, dass der Beamte den Staat und die geltende verfassungsrechtliche Ordnung bejaht, sie als schützenswert anerkennt, in diesem Sinne sich zu ihnen bekennt und aktiv für sie eintritt. Der Staat ist darauf angewiesen, dass seine Beamten für ihn einstehen und Partei für ihn ergreifen (BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 -, juris Rn. 42; BVerwG, Urteil vom 17. November 2017, a. a. O., Rn. 16). Die Grundentscheidung des Grundgesetzes zur Konstituierung einer wehrhaften Demokratie lässt es nicht zu, dass Beamte im Staatsdienst tätig werden, die die freiheitlich-demokratische, rechts- und sozialstaatliche Ordnung ablehnen und bekämpfen. Diesen Personen fehlt die Eignung für die Ausübung eines öffentlichen Amtes (BVerwG, Urteil vom 17. November 2017, a. a. O., Rn. 18); ihnen kann von den Bürgern nicht das zur Wahrnehmung des öffentlichen Amtes berufserforderliche Vertrauen entgegengebracht werden (BVerwG, Urteil vom 17. November 2017, a. a. O., Rn. 18).
Das bloße Haben einer Überzeugung und die bloße Mitteilung, dass man diese habe, reichen für die Annahme einer Verletzung der dem Beamten auferlegten Treuepflicht grundsätzlich nicht aus. Ein Dienstvergehen besteht erst, wenn der Beamte aus seiner politischen Überzeugung Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten im Sinne seiner politischen Überzeugung zieht (BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975, a. a. O., Rn. 45; Beschluss vom 6. Mai 008 - 2 BvR 337/08 -, juris Rn. 31; BVerwG, Urteil vom 17. November 2017, a. a. O., Rn. 21), die entsprechende politische Überzeugung also bewusst und erkennbar nach außen betätigt.
Dies zugrunde gelegt, hat die Beklagte ihre Kernpflicht aus § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG verletzt.
aa) Mit ihren Angaben im Rahmen der Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises am 10. Mai 2016 hat die Beklagte bewusst nach außen hin erkennbar gegenüber der Verwaltung des Landkreises I. ein Verhalten an den Tag gelegt, das darauf schließen lässt, dass sie der „Reichsbürger“- bzw. „Selbstverwalter“-Szene angehört bzw. sich deren Ideologie zu eigen gemacht hat.
Nach der auf der Website des Bundesamtes für Verfassungsschutz enthaltenen Definition (www.verfassungsschutz.de/de/arbeitsfelder unter: „Was sind 'Reichsbürger' und 'Selbstverwalter'?“) sind „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Begründungen - unter anderem unter Berufung auf das historische Deutsche Reich, verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht - die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen, den demokratisch gewählten Repräsentanten die Legitimation absprechen oder sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend definieren (diese Definition zugrunde legend auch BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2019 - BVerwG 2 WDB 5.19 -, juris Rn. 11; Sächs. OVG, Beschluss vom 3. Dezember 2018 - 3 B 379/18 -, juris Rn. 15; in diesem Sinne der Ablehnung der Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Bundesländer bzw. der Negierung der Existenz der Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland und damit der in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Rechtsordnung auch OVG NRW, Beschluss vom 22. März 2017 - 3d B 296/17.O -, juris Rn. 7; Nds. OVG, Beschluss vom 18. Juli 2017 - 11 ME 181/17 -, juris Rn. 4, 12; Hess. VGH, Beschluss vom 20. Juni 2018 - 4 B 1090/18 -, juris Rn. 5; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 23. Oktober 2019 - 7 A 10555/19 -, juris Rn. 33f.; Bay. VGH, Beschluss vom 22. Juli 2020 - 24 ZB 20.418 -, juris Rn. 9). Dementsprechend verstößt ein Beamter, welcher der „Reichsbürgerszene“ angehört, gegen seine Treuepflicht aus § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. März 2017, a. a. O., Rn. 7), also gegen seine Pflicht, sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhalt einzutreten.“
Dem schließt sich die Kammer an. Aus den gleichen Erwägungen, die das Oberverwaltungsgericht Lüneburg in dem seiner Entscheidung zugrundeliegenden Fall angestellt hat, hat der Beklagte durch sein Verhalten gegen die Treuepflicht aus § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG verstoßen.
In den Verhalten des Beklagten liegt zudem ein Verstoß gegen die Mäßigungspflicht des § 33 Abs. 2 BeamtStG sowie gegen die Wohlverhaltenspflicht des § 34 Satz 3 BeamtStG a.F. (vgl. BVerwG, Urt. vom 1. Dezember 2021 ‒ 2 A 7/21- juris, Rn 24 ff, das in einem ähnlich gelagerten Fall ebenfalls einen Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht und gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten festgestellt hat).
II.
Der Beklagte hat seine Dienstpflichten weiterhin dadurch verletzt, dass er Verschwörungstheorien verbreitet hat. Die in der Disziplinarklageschrift aufgeführten Redebeiträge des Beklagten in öffentlichen Veranstaltungen sowie seine Einlassungen in dienstlichen oder privaten Gesprächen hat der Beklagte nicht in Abrede gestellt. Diese sind vollständig in den umfangreichen Disziplinarvorgängen dokumentiert.
So hat der Beklagte etwa am 22 August 2020 in Darmstadt ausgeführt, dass die Ereignisse der letzten Monate seines Erachtens nicht auf Zufällen beruhen würden, sondern auf einer jahrelangen Agenda und dass hinter dem „derzeitigen Wahnsinn“ mehr stehe als nur Zufall. Auch in seiner Rede in A-Stadt am 21. November 2020 führte der Beklagte aus, dass es um mehr als Corona gehe, nämlich um den „Great Reset“ (Nachweise s. Klageschrift Seite 58).
Gegenüber den Zeugen Dr. AJ. griff der Beklagte weiterhin auch antisemitische Verschwörungstheorien auf. Dem Zeugen sagte der Beklagte u.a.
„[...] dass es auffällig sei, wie viele Juden da oben mitspielen würden.“
(Aussage des Dr. AL., Beiakte „Hauptband VI, Bl.138, 149).
Der Beklagte wies zwar darauf hin, er sei kein Antisemit, führte nach Aussagen des Zeugen dann jedoch weiter aus, das hätte jetzt „mit den normalen Standard-Juden nichts zu tun, aber das sei halt da oben schon ein bisschen auffällig“ (Aussage des Dr. AL., a.a.O. Bl. 149). Damit verbreitete der Beklagte antisemitische Klischees, auch wenn er sich selbst nicht als Antisemiten definiert.
Nach den Angaben dieses Zeugen führte der Beklagte ihm gegenüber in dem Beratungsgespräch auch aus, dass die Oberschicht Kinder entführen und aus deren Blut ein Junggebliebenenelixier gewinnen würde (Aussage des Dr. AL., Beiakte „Hauptband VI“, Bl.138, 148).
Gegenüber Bekannten sprach der Beklagte zudem von Bunkern, in denen Flüchtlinge gehalten und ausgebildet würden (Aussage des Zeugen G. K., Beiakte Hauptband VI, Bl.213, 231), im Kollegenkreis hat er Links zu Videodateien verteilt, indem es u.a. um Bunker in Berlin ging, wo Flüchtlinge gehalten oder ausgebildet werden sollen (Aussage des PHK AM., Beiakte „Hauptband III“, Bl.62, 88).
In einem Interview des Beklagten in Berlin am 29. August 2020 (BA Bd. II, Seite 67-73) sagte der Beklagte:
Interviewer-Frage: „Du hast mir gesagt, dass du Militärfahrzeuge gesehen hast."
Antwort des Beklagten; „Das war auf der Autobahn aus Richtung A-Stadt kommend, es war ' eine Kolonne von 10,12 Fahrzeugen. Mit neuen Bundeswehrkennzeichen und es waren definitiv Fahrzeuge, die amerikanischen Ursprungs zu sein schienen. [...]
Also spricht einiges dafür, dass das unter dem Deckmantel oder unter dem Schafsfell vielleicht ein Wolf ist, dass da irgendwelche Militärkräfte getarnt im Einsatz sind. Mehr kann man da nur spekulieren oder interpretieren, aber irgendetwas tut sich auch in diesen Kreisen, ja. Auf militärischer Seite."
Damit hat der Beklagte wiederholt Verschwörungstheorien von einem heimlich geplanten Umsturz verbreitet. Soweit der Beklagte sich in der mündlichen Verhandlung dahingehend eingelassen hat, dass er die in Rede stehenden Behauptungen als solche ja gar nicht aufgestellt habe, sondern in den Gesprächen lediglich darüber gesprochen habe, dass es solche Theorien gäbe, entlastet dies ihn nicht. Denn eine Distanzierung von seinen Aussagen ist nicht erkennbar, vielmehr befeuert der Beklagte durch seine Äußerungen die Vorstellung, dass viele politische Entwicklungen und Zustände, etwa die Corona-Pandemie, mit dem zielgerichteten, konspirativen Wirken einer kleinen Gruppe von Akteuren zu einem illegalen oder illegitimen Zweck zu erklären sind.
Dieses Muster bedient der Beklagte auch in seiner Rede in Darmstadt am 22. August 2020:
„Und ich hoffe nach wie vor, dass die deutsche Justiz und der Gerichtshof der Europäischen Union schnellstmöglich beginnen, die Ereignisse der letzten Monate, die meines Erachtens nicht auf Zufällen beruhen, sondern auf einer jahrelangen Agenda zurückliegen, im Detail aufzuarbeiten. [...]“
Mit der öffentlichen Verbreitung solcher Verschwörungstheorien hat der Beklagte gegen seine Pflicht zur politischen Mäßigung und Zurückhaltung gemäß § 33 Abs. 2 BeamtStG und gegen die Wohlverhaltenspflicht (§ 34 Satz 3 BeamtStG a. F.) verstoßen.
III.
Der Beklagte hat seine Dienstpflichten außerdem auch dadurch verletzt, dass er staatliche Institutionen und deren Organe verunglimpft hat.
So hat der Beklagte Parallelen staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie zu dem Handeln der Nationalsozialisten konstruiert. Er hat die Bundesregierung u.a. als Regime bezeichnet und ihr strafbares Verhalten vorgeworfen.
So hat er in einer Rede in Dortmund am 9. August 2020 (vgl. Beiakte Hauptband I, S. 48 ff) gesagt:
„Im dunkelsten Kapitel unserer deutschen Geschichte haben Regierende ihre Sicherheitskräfte schon einmal bedingungslosem Gehorsam unterworfen und sie für die abscheulichsten Verbrechen missbraucht, die anderen Menschen je angetan wurden. Heute habe ich Angst, denn mein Bauch sagt mir, dass sich grade alles wieder in dieselbe Richtung entwickelt."
In seiner Konstanzer Rede vom 3. Oktober 2020 (a.a.O. Bd. III, S. 114 ff.) hat der Beklagte geäußert:
„Mir wird vorgehalten, dass ich hier fiese Nazivergleiche angestellt habe [...]. Was ich gemacht habe? Ich habe im Internet mal recherchiert, um sich mit Wissen zu versorgen [...] und dabei habe ich dann einfach mal solche Begriffe wie die SS, die SA oder den SD, den Sicherheitsdienst im Deutschen Reich, im Dritten Reich, recherchiert [...]. Das macht mir einfach Angst, weil ich einfach Parallelen erkenne zu dem Sicherheitsapparat, den ich heute hier sehe, für den ich fast 40 Jahre tätig war.“
In der Kölner Talk-Runde (veröffentlicht am 31. Januar 2021, Beiakte Hauptakte Bd. VI, S. 405 ff) sagte der Beklage u.a.:
„Wir haben ja die Entwicklung damals in unserer Geschichte gesehen, wie es, sage ich mal, zum Nazireich gekommen ist. [...] Und wenn ich mir das in der heutigen Zeit mal vergleiche. [...] Die [Parallelen] sind sichtbar, ja klar. [...]" ...„Und ich sage: Wehret den Anfängen! Und für mich steht ganz klar fest, ich lasse das nicht zu. Bis zu meinem letzten Atemzug werde ich ein solches System bekämpfen. So etwas werde ich nie wieder zulassen."
In dieser Kölner Talk-Runde am 31. Januar 2021 hat der Beklagte weiterhin die Polizei diffamiert:
„Und ich hab' auch meine Zweifel daran, ganz ehrlich gesagt, bei eigenem Erleben oder bei dem, was ich gesehen habe, dass das Polizisten sind, ausgebildete Polizisten. [...] Wenn wir sehen, dass hier von der Polizei solche Maßnahmen getroffen werden, die völlig unverhältnismäßig sind. Die teilweise unrechtmäßig sind, dass hier Menschen in Uniformen rumlaufen, wo man sich wirklich ernsthaft die Frage stellen muss, sind das ausgebildete Polizisten oder wer steht hier als Statist vor mir? Entblößt sich das System immer weiter. [...] Es wird dann eine Widerstandshandlung irgendwo provoziert, weil man den Menschen wehtut oder die dann berechtigt, auch Widerstand leisten gegen diese Maßnahmen, um dann ne Rechtfertigung zu haben, diese Gewaltspirale weiter zu vollziehen. [...]
Aber meiner Einschätzung nach werden hier durch die Polizei vielfach politische Vorgaben umgesetzt. Das hat mit dem, was man als Polizist in der Ausbildung gelernt hat oder was man auch in den Gesetzen wiederfindet, nichts mehr zu tun."
Dies gilt auch für die Rede des Beklagten in Sinsheim am 28. März 2021 (Beiakte Hauptakte VII - entspricht Beiakte 001, Bd. 7, Seite 15), wo er die Polizei als Söldnertruppe in Misskredit zog:
„[...] widerrechtlich festnehmen und ihre Maßnahmen nicht begründen können und ihren Namen nicht nennen [...], das sind aus meiner Sicht Söldner. Und wenn sich herausstellt - es gibt Indizien [...]- dass das eine Söldnertruppe ist, dann ist ein Söldner, von jedem, von jedem Menschen und von jedem Soldaten darf der getötet werden. Ich möchte das nicht erleben aber es könnte irgendwann passieren, wenn sie mit ihrer Gewalt das weiter steigern. Die Gewalt darf so nie enden. Ich möchte kein Blut auf der Straße sehen."
In einem Interview in Dresden am 31. Oktober 2020 (Beiakte 001, Bd. 4 - entsprechend Hauptakte IV -, S. 245 ff) bezeichnete der Beklagte die Bundesregierung als „Regime“ und verwendete damit einen Ausdruck, der im allgemeinen Sprachgebrauch für ein totalitäres Regierungssystem verwendet wird:
„[...] wenn das Ganze hier irgendwann mal durch ist, dann werden sich alle, die dieses Regime hier, sage ich mal, unterstützen, anders kann ich das leider nicht mehr bezeichnen, die werden sich dafür zu verantworten haben und ja, wer sich jetzt noch auf diese Seite stellt und da mitmacht, der macht sich aus meiner Sicht strafbar."
Auch bei anderer Gelegenheit ‒ so im Interview in Leipzig am 7. November 2020 (BA 001, Bd. 4 (Hauptakte IV), S.262) - bezeichnete der Beklagte die Bundesregierung als „Regime“.
Verunglimpfend sind auch seine Einlassungen in einem in Dresden geführten Interview am 31. Oktober 2020 (a.a.O., S. 245 ff)
„[Das] muss man doch endlich mal merken, das ist doch Faschismus pur."
In der Rede in Neheim am 8. Januar 2021 (Beiakte 001 Bd. 6 (Hauptakte Bd. VI), S. 134 ff) sagte der Beklagte:
„Und stattdessen wird man hier in dieser Demokratie denunziert, diffamiert und versucht, systematisch zu zerstören. [...] Denn der einzige Grund jemanden so zu behandeln, kann sein, Angst auszulösen, damit die anderen Kollegen nicht aufstehen. Und in einem solchen System spätestens muss man sich Gedanken machen. Ich habe mal gehört in einer Demokratie hat das Volk keine Angst vor den Politikern, denn die kotrollieren sie. In einer Diktatur und in einem Faschismus sieht das anders aus. Da ist es nämlich genau umgedreht."
In der Rede in Lauenau am 7. Dezember 2020 ließ sich der Beklagte wie folgt aus:
„Wir haben keine Gewaltenteilung mehr, wie ich es in meiner ersten Rede gesagt habe. Wir haben eine völlige Willkür in allen Bereichen des öffentlichen Lebens und davon müssen wir wegkommen." (vgl. BA 1,HA Bd. VI, Seite 3-4).
In seiner Rede in Lauenau am 7. Dezember 2020 vertrat der Beklagte daneben wiederholt die Auffassung, dass es in Deutschland weder Gewaltenteilung noch Rechtsstaatlichkeit gebe:
„Ich stehe nach wie vor auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und habe wirklich bis zum Einstieg in die Corona-Thematik gedacht, wir haben eine Demokratie, wir haben einen Rechtsstaat. Wir haben leider beides nicht mehr.
Wir haben keine Gewaltenteilung mehr, wie ich es in meiner ersten Rede gesagt habe. Wir haben eine völlige Willkür in allen Bereichen des öffentlichen Lebens und davon müssen wir wegkommen."
All die Einlassungen, die vollständig in den Disziplinarborgängen dokumentiert sind und die der Beklagte auch gar nicht in Zweifel gezogen hat, sind geeignet, die Bundesrepublik Deutschland und seine föderalen Gliederungen sowie die Organe dieses Staates, denen zu dienen es die Aufgabe eines Beamten ist, zu diffamieren und herabzuwürdigen. Mit diesen Äußerungen hat der Beklagte die Grenze der auch einen Beamten zustehenden Meinungsfreiheit weit überschritten. Er hat mit seinem Verhalten vorsätzlich und schuldhaft gegen seine Pflicht zur politischen Mäßigung und Zurückhaltung gemäß § 33 Abs. 2 BeamtStG und gegen die Wohlverhaltenspflicht (§ 34 Satz 3 BeamtStG a. F.) verstoßen.
D.
Der Beklagte handelte auch schuldhaft, und zwar vorsätzlich. Von einem vorsätzlichen Handeln ist auszugehen, wenn der Beamte bewusst und gewollt das Verhalten verwirklicht, welches die Pflichtverletzung darstellt (vgl. Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, a. a. O., § 77 BBG Rn. 22). Dies war hier der Fall. Der Beklagte hat gezielt und bewusst die ihm im Rahmen dieser Disziplinarklage vorgeworfenen Handlungen begangen.
Schuldausschließungsgründe sind nicht ersichtlich. Auch Anhaltspunkte für eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) liegen nicht vor.
E.
Nach alledem hat der Beklagte mit seinen Verstößen gegen die vorgenannten beamtenrechtlichen Pflichten ein schuldhaftes Dienstvergehen gem. § 47 Abs. 1 BeamtStG begangen.
Dabei ist hervorzuheben, dass dem Beamten nicht als Dienstvergehen zum Vorwurf gemacht wird, dass er - etwa im Zusammenhang mit seiner Kritik an den Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie - bestimmte politische Überzeugungen gewonnen und diese auch nach außen vertreten hat. Auch einer Beamtin oder einem Beamten steht das Recht auf Meinungsfreiheit zu. So ist es auch dem Beklagten unbenommen, Maßnahmen des Gesundheitsschutzes während der Corona-Krise zu kritisieren, ihren Sinn und ihre Rechtmäßigkeit anzuzweifeln, auch mit ggf. nachvollziehbarem Zorn. Jedoch hat es der Beklagte nicht bei einer sachlichen Kritik belassen. Er nutzte seine Auftritte gegen die Corona-Maßnahmen vielmehr zur Agitation gegen den Staat und seine Organe, zur Verbreitung von Verschwörungsgeschichten und der Reichsbürgerideologie. Dies geht dies über das von der Meinungsfreiheit des Beamten umfasste Recht, sich zu staatlichem Handeln kritisch zu äußern, weit hinaus. Der Beklagte hat mit seinem gesamten Verhalten vielmehr gezeigt, dass er nicht mehr uneingeschränkt zu dem Staat, dessen Repräsentant er als Polizeibeamter ist und dem zu dienen es seine Aufgabe ist, steht.
Das einheitliche Dienstvergehen, welches dem Beklagten vorzuwerfen ist, liegt zum Teil im innerdienstlichen, zum Teil im außerdienstlichen Bereich.
Da der Beklagte Verschwörungstheorien auch in Ausübung des Dienstes verbreitet hat, etwa im Gespräch mit dem Zeugen Dr. AJ. (vgl. die Nachweise weiter oben), liegt jedenfalls insoweit zum Teil ein innerdienstliches Dienstvergehen vor.
Soweit der Beklagte mit der Vertretung reichsbürgerlicher Ideologien und Auffassungen gegen seine beamtenrechtliche Treuepflicht (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG) verstoßen hat, kommt es im Weiteren bereits nicht mehr darauf an, ob dieses Verhalten im Rahmen der Dienstausübung oder außerhalb des eigentlichen Dienstes erfolgt ist. Ein Verstoß gegen die Treuepflicht ist grundsätzlich immer als innerdienstlich zu qualifizieren.
Die Treuepflicht als beamtenrechtliche Kernpflicht ist als solche unteilbar und nicht auf den dienstlichen Bereich beschränkt. Vielmehr ist auch das außerdienstliche Verhalten mit der Folge erfasst, dass bei einem pflichtwidrigen Verhalten im Zusammenhang mit der Treuepflicht wegen der Dienstbezogenheit insoweit auch stets ein innerdienstliches Dienstvergehen gegeben ist (BVerwG, Urt. vom 2. Dezember 2021 ‒ 2 A 7/21 ‒ juris, Rdr. 26).
Hinzu kommt, dass der Beklagte seine reichsbürgerliche Ideologie auch im Dienst weiterverbreitet hat. So hat der Beklagte auf seiner Dienststelle im Kollegenkreis die Reichsbürgerideologie vertreten, indem er unter anderem dafür geworben hat, sich einen Staatsbürgerschaftsausweis zu besorgen (Nachweise s. Klageschrift Bl. 37 ff.). Der Beklagte hat darüber hinaus dienstliche Bratungsgespräche mit Bürgern genutzt, um ebenfalls seine Auffassungen weiter zu verbreiten. So hat er am 3. August 2020 gegenüber dem Zeugen Dr. AN. verschwörungs- und reichsbürgertypische Äußerungen getätigt und einschlägige Buchveröffentlichungen empfohlen (Nachweise s. Klageschrift Bl. 39 ff.). Entsprechendes bestätigte die Zeugin AG., die ebenfalls vom Beklagten dienstlich beraten wurde (Nachweise s. Klageschrift Bl. 41). Der Beklagte hat dieses „reichsbürgerliche“ Verhalten bereits 2017 am Beratungsstand der Polizei anlässlich der damaligen Infa-Messe in A-Stadt (Nachweise s Klageschrift, Bl. 41 f.) gezeigt.
Soweit das Dienstvergehen in einem Verstoß gegen die Mäßigungs- und Zurückhaltungspflicht nach § 33 Abs. 2 BeamtStG und gegen die Wohlverhaltenspflicht nach § 34 S. 3 BeamtStG liegt, fallen die entsprechenden Äußerungen des Beklagten zum überwiegenden Teil in den außerdienstlichen Bereich.
Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für das Amt des Beamten bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen, § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG.
Mit dieser Vorgabe hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, von einem Beamten unterhalb dieser „Erheblichkeitsschwelle“ kein wesentlich anderes Sozialverhalten zu erwarten als von jedem anderen Bürger (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - BVerwG 2 C 9.14 -, juris Rn. 14 m. w. Nw.; Urteil vom 24.Oktober 2019 - BVerwG 2 C 4.18 -, juris Rn. 11). Ob und in welchem Umfang durch das außerdienstliche Verhalten eines Beamten das für sein Amt erforderliche Vertrauen beeinträchtigt wird, hängt deshalb in maßgeblicher Weise von Art und Intensität der jeweiligen Verfehlung ab (BVerwG, Urteil vom 18.Juni 2015, a. a. O., Rn. 15). Dabei kommt vorsätzlichen Straftaten eine besondere Bedeutung zu (BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 - BVerwG 2 C 16.10 -, juris Rn. 24; Urteil vom 18. Juni 2015, a. a. O., Rn. 15; Urteil vom 24. Oktober 2019, a. a. O., Rn. 12); maßgeblich ist auch, ob der Pflichtenverstoß des Beamten einen Bezug zu seinem Amt aufweist (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015, a. a. O., Rn. 15). Dabei ist in der älteren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf das konkret-funktionelle Amt des Beamten - also seinen Dienstposten - abgestellt worden (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 8. Mai 2001 - BVerwG 1 D 20.00 -, juris Rn. 25); in seiner jüngeren Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht hieran jedoch nicht mehr festgehalten und sieht seither das dem Beamten verliehene Amt im statusrechtlichen Sinne als Bezugspunkt des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG an (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015, a. a. O., Rn. 16ff.; Urteil vom 24. Oktober 2019, a. a. O., Rn. 13). Aus dem sachlichen Bezug des Dienstvergehens zum konkreten Aufgabenbereich kann sich aber eine Indizwirkung ergeben. Der Beamte wird mit dem ihm übertragenen konkreten Amt identifiziert. Je näher der Bezug des außerdienstlichen Fehlverhaltens eines Beamten zu dem ihm übertragenen Aufgabenbereich ist, umso eher kann davon ausgegangen werden, dass sein Verhalten geeignet ist, das Vertrauen zu beeinträchtigen, welches sein Beruf erfordert (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015, a. a. O., Rn. 20; Urteil vom 24. Oktober 2019, a. a. O., Rn. 13).
Dies zugrunde gelegt, sind im Streitfall die qualifizierenden Anforderungen des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG erfüllt. Mit der Verunglimpfung des Staates und seiner Organe und der Verbreitung kruder Verschwörungstheorien, die zum Teil schon als antisemitisch einzuordnen sind, hat der Beklagte in besonderem Maße das Vertrauen in einer für sein Amt als Polizeibeamter bedeutsamen Weise beeinträchtigt. Der Beklagte hat bei seinen öffentlichen Auftritten zudem immer wieder auch seine Eigenschaft als Polizeibeamter herausgestellt (er bezeichnete sich als „Schutzmann mit Herz und Hirn“, vgl. nur Bericht in der HAZ vom 29. April 2022, S. 18). Damit weisen seine dienstpflichtwidrigen Äußerungen einen so engen Bezug zu seiner Tätigkeit als Polizeivollzugsbeamter bzw. zu seinem Statusamt als Kriminalhauptkommissar auf, dass die disziplinarrechtlich relevante „Erheblichkeitsschwelle“ des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG überschritten ist.
Die öffentlichen Auftritte des Beklagten stellen dessen persönliche Eignung für seine dienstliche Tätigkeit nachhaltig in Frage und sind deshalb geeignet, das Ansehen der Polizei - aber darüber hinaus auch das Vertrauen der Allgemeinheit in das Beamtentum als Sachwalter einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung - in besonderem Maße zu erschüttern.
Nach alledem ist auch das außerdienstlichen Handeln des Beklagten insoweit als außerdienstliches Dienstvergehen zu qualifizieren und bildet mit dem innerdienstlichen Teil ein einheitliches Dienstvergehen.
F.
Das Dienstvergehen des Beamten wiegt so schwer, dass eine Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis erforderlich ist.
Die Disziplinarmaßnahme ist nach den Vorschriften des § 14 Abs. 1 S. 2 NDiszG nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen, wobei entsprechend § 14 Abs. 1 S. 3 NDiszG das Persönlichkeitsbild des Beamten einschließlich seines bisherigen dienstlichen Verhaltens angemessen zu berücksichtigen ist und ferner berücksichtigt werden soll, in welchem Umfang der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit beeinträchtigt hat (§ 14 Abs. 1 S. 4 NDiszG).
Die Entfernung eines aktiven Beamten aus dem auf Lebenszeit begründeten Beamtenverhältnis im Wege des Disziplinarverfahrens setzt dabei ein schweres Dienstvergehen voraus, durch das der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat.
Bei der Gesamtwürdigung sind die im Einzelfall bemessungsrelevanten Tatsachen zu ermitteln und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Bewertung einzubeziehen. Davon ausgehend kommt es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Disziplinarmaßnahme geboten ist (BVerwG, Urteil vom 29. März 2012 - 2 A 11.10 - DokBer 2012, 260 Rn. 72 m.w.N.; (BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 2021 ‒ 2 A 7/21 ‒, Rn. 47, juris). Die gegen den Beamten auszusprechende Disziplinarmaßnahme muss nach alledem in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen. Dabei ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Für die Beurteilung der Schwere des Dienstvergehens sind objektive und subjektive Handlungsmerkmale der Verfehlung, die besonderen Umstände der Tatbegehung und die unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte zu berücksichtigen (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 18. Juni 2013, Az. 20 LD 5/12, S. 26). Zudem kommt es für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme auch auf die persönlichen Verhältnisse und das sonstige dienstliche Verhalten des Beklagten bei und nach dem Dienstvergehen an und insbesondere auch auf die Frage, ob sein Verhalten mit seinem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild übereinstimmt oder davon abweicht (vgl, hierzu umfassend OVG Lüneburg, Urteil vom 18.Juni 2013, a.a.O., S. 27). Bei der Bemessung von Art und Maß der Disziplinarmaßnahme ist dabei eine disziplinarische Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände vorzunehmen.
Ergibt die Gesamtwürdigung, dass das für die Aufrechterhaltung des Beamtenverhältnisses unerlässliche Vertrauensverhältnis zwischen dem Beklagten und dem Dienstherrn endgültig zerstört ist, so ist ein aktiver Beamter nach § 14 Abs. 2 S. 1 NDiszG aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Lediglich in den Fällen, in welchen ein Restvertrauen in den Beamten angenommen werden kann, ist eine Disziplinarmaßnahme unterhalb der Höchstmaßnahme gem. § 14 Abs. 1 S. 1 NDiszG nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmen. Ein verbleibendes Restvertrauen kann im vorliegenden Fall angesichts der Schwere der Verfehlungen jedoch nicht angenommen werden.
Von einem endgültigen Verlust des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit ist dann auszugehen, wenn aufgrund der prognostischen Gesamtwürdigung auf der Grundlage aller im Einzelfall bedeutsamen be- und entlastenden Gesichtspunkte der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig in erheblicher Weise gegen seine Dienstpflichten verstoßen oder die durch sein Fehlverhalten herbeigeführte Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums sei bei einer Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht wiedergutzumachen. Unter diesen Voraussetzungen muss das Beamtenverhältnis im Interesse der Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und der Integrität des Berufsbeamtentums beendet werden (BVerwG, Urteile vom 29. März 2012 - 2 A 11.10 - DokBer 2012, 260 Rn. 73 m.w.N. und vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 - BVerwGE 154, 10 [BVerwG 17.12.2015 - BVerwG 5 C 9.15] Rn. 12 ff.; BVerwG, Urteil vom 02. Dezember 2021 ‒ 2 A 7/21 ‒, Rn. 48, juris).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist hier die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis die erforderliche und angemessene Disziplinarmaßnahme.
Der Beklagte ist 1981, vor über 40 Jahren, in den Polizeidienst des Landes Niedersachsen getreten. Er hat während seiner gesamten Dienstzeit ausweislich der Personalakte als Polizeibeamter Dienst geleistet, der nie Grund zur Beanstandung gegeben hat. Seine Beurteilungen endeten immer mit einer durchschnittlichen, teilweise (das gilt auch für seine letzte dienstliche Beurteilung) auch überdurchschnittlichen Bewertung. Der Beamte ist disziplinarrechtlich nicht vorbelastet. Diese Umstände sind zu seinen Gunsten zu berücksichtigen.
Gleichwohl kann der Beamte nicht im Dienst verbleiben, er ist als Polizeibeamter nicht mehr tragbar. Sein Verhalten lässt einen Ansehensverlust der niedersächsischen Polizei befürchten, sollte er im Dienst verbleiben. Das Vertrauensverhältnis zu seinem Dienstherrn ist endgültig zerstört. Dies beruht auch darauf, dass der Beklagte in einer Vielzahl von Fällen öffentlich in der zu beanstandenden Weise agitiert und dabei immer wieder auch seine Eigenschaft als Polizeibeamter hervorgehoben hat. Als Beamter im Dienst der niedersächsischen Polizei hat sich der Beklagte damit untragbar gemacht. Offenbar hat sich der Beklagte auch innerlich sehr stark von dem Polizeidienst entfernt und kann sich mit seiner Aufgabe als Polizeibeamter nicht mehr identifizieren. Dies hat er auch in der mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht. Seinen Dienst wollte er gleichwohl nicht quittieren. Diese Äußerungen fanden sogar Eingang in die Presseberichterstattung (vgl. HAZ vom 29. April 2022, S. 18).
Der Beklagte hat sich von seinen öffentlichen Äußerungen in der mündlichen Verhandlung auch nicht distanziert. Er hat zwar versucht, bestimmte Äußerungen und Handlungen zu relativieren (etwa durch seine Erklärungsversuche bezüglich der Angabe „Preußen“ als Geburtsstaat oder mit seinen Einlassungen, er habe die in Rede stehenden Verschwörungstheorien etwa über Bunker, die unter dem Flughafen in Berlin oder dem Bahnhof in Stuttgart errichtet worden sind, um dort Flüchtlinge zu verstecken, als solche gar nicht aufgestellt, sondern in den Gesprächen lediglich darüber gesprochen, dass es solche Theorien gäbe), zeigte letztendlich aber keine Einsicht. Von den in Reden, Gesprächen und in Interviews verbreiteten Verschwörungstheorien und Verunglimpfungen des Staates ist der Beklagte nicht abgerückt.
Das Gericht hält die schwerste Disziplinarmaßnahme, die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, für unausweichlich, trotz des bisherigen beanstandungsfreien dienstlichen Verhaltens des Beklagten, weil er das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit seinem Verhalten unwiederbringlich zerstört hat. Wer die Legitimität der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Niedersachsen nicht vorbehaltlos anerkennt, der kann nicht als Polizeibeamter diesem Land dienen; man kann nicht als Beamter Fürsorge von einem Staat erwarten, dessen Regierung von dem Beamten als „Regime“ verunglimpft und dessen Handeln in die Nähe der Naziherrschaft gerückt wird.
Die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis ist auch nicht unverhältnismäßig. Insoweit kommt es nicht auf die finanziellen oder sozialen Auswirkungen der Disziplinarmaßnahme für den Beklagten an. In den Blick zu nehmen sind vielmehr die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zum Dienstherrn, zu der das Fehlverhalten geführt hat, und die dementsprechend ausgesprochene zu verhängende Maßnahme (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 22.06.2010, 20 LD 3108, RdNr. 62). Hat ein Beamter — wie hier ‒ durch ein ihm vorwerfbares Verhalten die Vertrauensgrundlage nachhaltig zerstört, dann ist seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis die einzige Möglichkeit, das durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Beamtenverhältnis einseitig zu beenden, Die allein darin liegende Härte für den Betroffenen ist nicht unverhältnismäßig. Sie beruht vielmehr auf ihm zurechenbarem Verhalten (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 22. Juni 2010, 20 LD 3708, RdNr. 62; vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 24. Februar 2012, 3 A 11426/11, Ziff. 4 der Urteilsgründe).
Der Beklagte ist daher nach §§ 14 Abs. 2 S. 1;11 NDiszG aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
G.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 69 NDiszG, § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.
Urteil vom 28.04.2022
Tenor:
Der Beklagte ist eines Dienstvergehens schuldig. Er wird aus dem Beamtenverhältnis entfernt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis. Ihm wird vorgeworfen, Positionen der sog. Reichsbürger vertreten, Verschwörungstheorien verbreitet und staatliche Institutionen und deren Organe verunglimpft zu haben.
Der Beklagte steht im Amt eines Kriminalhauptkommissars (BesGr. A 11 NBesO) im Dienst des Landes Niedersachsen und war bis zu seiner vorläufigen Dienstenthebung bei der Klägerin tätig.
Der Beklagte wurde 1963 geboren; er ist geschieden. Der Beklagte trat zum 1. April 1981 ‒ seinerzeit als Polizeihauptwachtmeister-Anwärter ‒ in den Polizeidienst des Landes Niedersachsen ein. Im April 1998 wechselte der Beklagte mit seiner Ernennung zum Kriminalkommissar in den damaligen gehobenen Dienst. Zuletzt wurde der Beklagte am 17. August 2010 zum Kriminalhauptkommissar befördert.
Seit dem 4. Januar 2011 hat der Beklagten den nach Besoldungsgruppe A 11 NBesO bewerteten Dienstposten „Sachbearbeiter Prävention“ inne.
Die dienstlichen Beurteilungen während der gesamten dienstlichen Laufbahn des Beklagten waren stets zumindest durchschnittlich, zum Teil sogar überdurchschnittlich. Zuletzt wurde der Beklagte mit Regelbeurteilung zum Stichtag 1. September 2017 mit der Wertstufe „C - oberer Bereich“ beurteilt.
Disziplinarrechtlich ist der Beklagte bislang nicht in Erscheinung getreten.
Aufgrund eines öffentlichen Auftrittes auf einer Versammlung der Initiative „Querdenker 23“ in Dortmund am 9. August 2020 leitete die Klägerin unter dem 14. August 2020 ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten ein (Beiakte 1), Bd. 1 (sog. (Hauptakte I), Bl. 93).
Der Beklagte betätigte sich danach auch weiterhin mit öffentlichen Auftritten und Interviews in einem Bereich, den die Klägerin der sog. „Querdenker-Szene“ zuordnet.
Mit Verfügungen vom 21. August 2020 (Beiakte 11, Bd. 1, Bl.207), 5. November 2020 (Beiakte 1, Bd. 2, Bl. 211), 20. November 2020 /Beiakte 1 Bd. 3, Bl. 47), 4. Dezember 2020 Beiakte 1, Bd. 3, Bl. 250), 29. Dezember 2020 (Beiakte 1, Bd. 4, Bl. 65), 19. Februar 2021 (Beiakte 1, Bd. 5, Bl. 9) und 25. Februar 2021 (Beiakte 1, Bd. 5, Bl. 40) wurde das Disziplinarverfahren jeweils ausgedehnt.
Die Klägerin hat mit Verfügung vom 29. März 2021 mehrere gegenüber dem Beklagten erhobene Vorwürfe aus dem Disziplinarverfahren ausgeschieden. Dies betraf den Vorwurf des Verstoßes gegen das Datenschutzgesetz (Abfrage in polizeilichen Auskunftssystem ohne ersichtlichen Grund), der Verletzung von Dienst-und Privatgeheimnissen, der Verwendung eines Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation durch Zeigen des sogenannten „Hitlergrußes“, eines Verstoßes gegen das Infektionsschutzgesetz (Verstoß gegen das Beherbergungsverbot für Privatreisende), des Aufrufs zu europaweiten Blockademaßnahmen von Infrastrukturknotenpunkten und des Besitzes von Bilddateien mit zum Teil rassistischen, sexistischen und frauendiskriminierenden Inhalten einschließlich eines Verstoßes gegen die Grundsätze der dienstlichen Nutzung des Dienst-Laptops (Beiakte 1, Bd, 6 Bl.135).
Im Laufe des behördlichen Disziplinarverfahrens führte die Klägerin folgende Zeugenvernehmungen durch:
am 1. Oktober 2020: PKH F., (Beiakte 1, Bd. 1; Bl. 140 ff.);
am 8. Oktober 2020: KOK’in G., (Beiakte 1, Bd. 1; Bl. 256 ff.);
am 6. Oktober 2020: PHK a.D. H., (Beiakte 1, Bd. 1; Bl. 299 ff.);
am 9. Oktober 2020: POK I. (Beiakte 1, Bd. 1; Bl. 329 ff.);
am 15. Oktober 2020: J., (Beiakte 1, Bd. 1; Bl. 397 ff.);
am 21. Oktober 2020: K., (Beiakte 1, Bd. 2; Bl. 84 ff.);
am 15. Oktober 2020: L., (Beiakte 1, Bd. 2; Bl. 113 ff.);
am 15. Oktober 2020: M., (Beiakte 1, Bd. 2; Bl. 129 ff.);
am 21. Oktober 2020 N., (Beiakte 1, Bd. 4; Bl. 43ff.);
am 10. November 2020: O., (Beiakte 1, Bd. 2; Bl. 286 ff.);
am 9. November 2020: P., (Beiakte 1, Bd. 2; Bl. 320 ff.);
am 9. November 2020: Q., (Beiakte 1, Bd. 2; Bl. 341 ff.);
am 12. November 2020: R., (Beiakte 1, Bd. 2; Bl. 360 ff.);
am 12. November 2020: S., (Beiakte 1, Bd. 2; Bl. 395 ff.);
am 13. November 2020: T., (Beiakte 1, Bd. 3; Bl. 2 ff.);
am 9. November 2020: U., (Beiakte 1, Bd. 3; Bl. 56ff.);
am 19. November 2020: V., (Beiakte 1, Bd. 3; Bl. 77 ff.);
am 23. November 2020: W., (Beiakte 1, Bd. 3; Bl. 134 ff.);
am 24. November 2020: X., (Beiakte 1, Bd. 3; Bl. 156 ff.);
am 25. November 2020: Y., (Beiakte 1, Bd. 3; Bl. 201 ff.);
am 3. Dezember 2020: Z., (Beiakte 1, Bd. 3; Bl. 295 ff.);
am 8. Dezember 2020: AA., (Beiakte 1, Bd. 3; Bl. 317 ff.);
am 8. Dezember 2020: AB., (Beiakte 1, Bd. 3; Bl. 336 ff.);
am 13. Januar 2021: AC., (Beiakte 1, Bd. 6; Bl. 138 ff.);
am 15. Januar 2021: AD., (Beiakte 1, Bd. 4; Bl. 161 ff.);
am 20. Januar 2021: AE., (Beiakte 1, Bd. 4; Bl. 213 ff.);
am 19. Januar 2021: AF., (Beiakte 1, Bd. 4; Bl. 261 ff.);
am 21. Januar 2021: AG., (Beiakte 1, Bd. 4; Bl. 298 ff.);
am 22. Januar 2021: AH., (Beiakte 1, Bd. 4; Bl. 315 ff.);
am 28. Januar 2021: AI., (Beiakte 1, Bd. 6; Bl. 340 ff.);
Wegen der Aussagen der Zeugen wird auf die Disziplinarvorgänge Bezug genommen.
Am 24. August 2020 erfolgte einer Durchsuchung der Büroräume und der Wohnung des Beklagten. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Beiakte 011, Bd. 1, Bl. 247 ff., Bl. 265 ff. verwiesen.
Mit Verfügungen vom 28. Dezember 2020 wurde der Beklagte gemäß § 38 NDiszG vorläufig des Dienstes unter Einbehaltung eines Teils seiner Dienstbezüge enthoben.
Mit Schreiben vom 29. März 2021 (Beiakte 1, Bd. 6, Bl. 40) wurde dem Beklagten das wesentliche Ermittlungsergebnis bekanntgegeben und ihm Gelegenheit gegeben, sich dazu zu äußern.
Die Klägerin hat am 12. Mai 2021 Klage erhoben.
Der Beklagte habe gegen seine Treuepflicht (§ 33 Abs. 1 S. 3 BeamtStG), gegen seine Pflicht zur Mäßigung und Zurückhaltung (§ 33 Abs. 2 BeamtStG), gegen seine Wohlverhaltenspflicht (§ 34 S. 3 BeamtStG) und gegen seine Gehorsamspflicht (§ 35 S. 2 BeamtStG) verstoßen, indem er
I. ... sich der Reichsbürgerbewegung angeschlossen habe.
Der Beklagte habe seinen Personalausweis abgegeben, stattdessen einen Staatsbürgerausweis beantragt und als Geburtsstaat „Preußen“ in amtlichen Formularen eingetragen. Auch habe er einen Zusatzvermerk zur Abstammung „gemäß Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz, Stand 1913" in das Register „Entscheidungen in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten" (EStA) mit Bezugnahme auf das vormalige „Reichsund Staatsangehörigkeitsgesetz" (RuStAG) beantragt. Zudem habe er sowohl bei öffentlichen Auftritten als auch in dienstlichen Beratungsgesprächen mit Bürgern reichsbürgerideologische und verschwörungsgläubige Überzeugungen verbreitet.
II. ... Verschwörungstheorien verbreitet habe.
Dies ergebe sich aus Aussagen des Zeugen AJ., aus Redebeiträgen bei öffentlichen Auftritten in verschiedenen Städten und aus Interviews vom 21. Februar 2021 in A-Stadt bzw. vom 29. August 2020 in Berlin.
III. ... staatliche Institutionen und deren Organe verunglimpft habe.
Eine Verunglimpfung staatlicher Institutionen und Organe sei unter anderem in seinen öffentlichen Reden in Dortmund am 9. August 2020, in Konstanz am 3. Oktober 2020, in Darmstadt am 22. August 2020, in Lauenau am 7. Dezember 2020 und in Neheim am 8. Januar 2021 erfolgt sowie in Interviews vom 7. November 2020 in Leipzig und Dresden sowie in einer Talk-Runde in Köln (veröffentlich am 31. Januar 2021).
IV. ... wiederholt gegen dienstliche Weisungen verstoßen habe.
Der Beklagte habe sich entgegen einer Anordnung seines Vorgesetzten in einer E-Mail vom 2. Juni 2020 geweigert, bei Beratungsgesprächen eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen und diese Weisung bei verschiedenen Beratungsgesprächen missachtet, wobei er in einem Fall - entgegen der Weisung, Abstands- und Hygieneregeln einzuhalten - die Gesprächspartner auch mit Handschlag begrüßt habe (S. 87 f. der Klageschrift).
Die Klägerin ist der Auffassung, der Beklagte sei durch sein Verhalten als Polizeibeamter nicht mehr tragbar, das Vertrauensverhältnis zu ihm sei endgültig zerstört.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er gehöre der „Reichsbürgerszene“ nicht an. Er habe den Staatsangehörigkeitsausweis vielmehr beantragt, um für eine Auswanderung bzw. einem Immobilienerwerb im Ausland vorbereitet zu sein. Dies habe er auch so seiner damaligen Dezernentin mitgeteilt. Gerade die Beantragung eines Ausweispapieres der Bundesrepublik Deutschland zeige, dass die Existenz dieses Staates nicht geleugnet werde (S. 2 des Ss. v. 25. April 2022). Mit der Angabe von „Preußen“ als Geburtsland in einem Antragsformular habe er seine deutsche Abstammung belegen wollen (S.24 des Ss. v. 25. April 2022).
Er sei nicht verfassungsfeindlich, sondern setzte sich vielmehr für eine demokratische und rechtsstaatliche Ordnung ein und kritisiere, dass sich Exekutive, Legislative und Jurisdiktion von dieser Ordnung entfernt hätten (S. 6 des Ss. v. 25. April 2022). Er stehe mit beiden Füßen auf dem Boden des Grundgesetzes (S.17 des Ss. v. 25. April 2022).
Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung beantragt, die Öffentlichkeit auszuschließen. Diesen Antrag hat die Disziplinarkammer abgelehnt.
Der Beklagte hat des Weiteren in der mündlichen Verhandlung gerügt, dass in der Sitzung ein wesentlicher Teil der Öffentlichkeit allein durch die 3-G-Regelung ausgeschlossen und dass die Anzahl der Zuhörer auf 15 Plätze begrenzt worden sei, wovon ein erheblicher Teil von Pressevertretern in Anspruch genommen werde.
Die Kammer hat durch Beschluss in der mündlichen Verhandlung das Disziplinarverfahren auf die Vorwürfe zu I. bis III. beschränkt und den Themenkomplex zu IV. - Verstoß gegen dienstliche Weisungen ‒ aus dem Disziplinarverfahren ausgeschieden; insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Disziplinarvorgangs Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
A.
Der Antrag des Beklagten auf Ausschluss der Öffentlichkeit war abzulehnen.
Gemäß § 171 Nr 1 b GVG kann das Gericht für die Verhandlung oder für einen Teil davon die Öffentlichkeit zum Schutz der Privatsphäre ausschließen. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, soweit Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten, eines Zeugen oder eines durch eine rechtswidrige Tat Verletzten zur Sprache kommen, deren öffentliche Erörterung schutzwürdige Interessen verletzen würde.
Im vorliegenden Verfahren geht es nicht um Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich des Beklagten, sondern im Wesentlichen um die disziplinarrechtliche Bewertung seines öffentlichen Handelns und seiner in der Öffentlichkeit gemachten Äußerungen., Die Voraussetzungen für einen Ausschluss der Öffentlichkeit nach dieser Vorschrift liegen deshalb nicht vor.
Auch die Voraussetzungen des § 172 Nr. 1a GVG sind nicht erfüllt. Danach kann das Gericht für die Verhandlung die Öffentlichkeit ausschließen, wenn eine Gefährdung des Lebens, des Leibes oder der Freiheit eines Zeugen oder einer anderen Person zu besorgen ist. Erforderlich ist insoweit eine konkrete Gefahr für einzelne Personen. Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdung des Beklagten bestehen nicht.
Im Übrigen handelt es sich bei dem Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlung um ein grundlegendes Prinzip demokratischer Rechtspflege. Deshalb sind die Anforderungen an den Ausschluss der Öffentlichkeit hoch, und diese hohen Anforderungen sind hier nicht erfüllt.
B.
Der Öffentlichkeitsgrundsatz ist nicht dadurch verletzt, dass die Anzahl der Zuschauerinnen und Zuschauer im Sitzungssaal begrenzt war. Die Kammer war nicht gehindert, aufgrund der mündlichen Verhandlung zu entscheiden.
Zum einen lässt sich die Rüge der Prozessvertreter des Beklagten, der Öffentlichkeitsgrundsatz sei durch die Begrenzung der Anzahl der Zuschauerinnen und Zuschauer verletzt, nur schwer mit dem vorhergehenden Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit zum Schutz der Privatsphäre ihres Mandanten in Einklang bringen, zum anderen greift die Rüge in der Sache nicht durch.
Eine Verhandlung ist dann "öffentlich" i. S. v. § 55 VwGO i. V. m. § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn sie in Räumen oder an Örtlichkeiten stattfindet, die während der Dauer der Verhandlung grundsätzlich jedermann zugänglich sind. Der Umstand, dass möglicherweise ‒ der Kammer ist nicht bekannt geworden, dass interessierte Besucherinnen oder Besucher keinen Zugang zum Sitzungssaal gefunden haben - nur ein Teil des Einlass begehrenden Publikums sowie Medienvertreter im Sitzungssaal Platz finden konnten, stellt keine Verletzung des Grundsatzes der Öffentlichkeit der Verhandlung dar. Denn dieser gebietet weder aus § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG noch aus verfassungsrechtlicher Sicht eine Verpflichtung des Gerichts, jedem Interessierten einen Platz zu verschaffen (vgl. Schmidt, COVID-19, Rechtsfragen zur Corona-Krise, 3. Auflage 2021, § 15.II.1 Rn. 35 m.w.N.). Zulässig ist insbesondere auch eine Reduzierung der Zuhörerzahl in einem Saal, um Abstandsregelungen im Zuge einer Pandemiebekämpfung durch das Freihalten von Sitzen einhalten zu können (vgl. Lückemann, in: Zöller, ZPO, 34. Auflage 2022, § 169 GVG Rn. 6; vgl. dazu auch VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 4. März 2022 ‒ 5 K 469/21 ‒, Rn. 52 - 53, juris). Vorliegend war der Zugang der am Sitzungstag erschienenen Öffentlichkeit aus den allgemeinkundigen pandemiebedingten Gründen zum Schutze aller Prozessbeteiligten sowie der Teilnahmeinteressenten in Abhängigkeit von den Gegebenheiten der vorhandenen Räumlichkeiten des Gerichts unter Beachtung der fachlich-epidemiologisch empfohlenen Abstände erfolgt.
C.
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Beklagte hat vorsätzlich handelnd ein Dienstvergehen i.S. d. § 47 Abs.1 BeamtStG begangen. Dieses Dienstvergehen macht seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gem. § 11 NDiszG erforderlich.
Nach § 33 Abs. 1 BeamtStG müssen Beamte sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten. Gem. § 33 Abs.2 BeamtStG haben Beamte bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergibt. Das Verhalten des Beamten muss zudem nach § 34 S. 3 BeamtStG a.F. weiterhin der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordert (die zwischenzeitlich erfolgten Änderungen der hier maßgeblichen §§ 47 Abs. 1 und 34 BeamtStG sind für die hier zu entscheidende Klage nicht entscheidungserheblich).
Diese Pflichten hat der Beklagte durch sein Verhalten in einer Weise verletzt, die in besonderem Maße geeignet ist, dass Vertrauen in einer für sein Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Er hat dadurch ein einheitliches, teilweise innerdienstliches, teilweise außerdienstliches Dienstvergehen im Sinne des § 47 Abs. 1 BeamtStG begangen.
Im Einzelnen:
I.
Die Klägerin hat dem Beklagten zu Recht vorgeworfen, sich die Ansichten der sog. Reichsbürgerszene zu eigen gemacht und diese öffentlich propagiert zu haben.
Der Beklagte hat mit seinem Verhalten die Legitimität der Bundesrepublik Deutschland und seiner staatlichen föderalen Gliederungen auf eine subtile Art öffentlich infrage gestellt hat und sich damit wie ein Reichsbürger verhalten. Dies geschah durch die Abgabe seines Bundespersonalausweises beim Bürgeramt der Stadt Alfeld mit dem Hinweis, dass er diesen nicht mehr benötige (Bl. 173 Hauptakte I (entspricht Beiakte 001, Bd. 1)), die Angabe „Preußen“ als Geburtsstaat bei seiner Auskunft an das Bundesverwaltungsamt aus dem Register Entscheidungen in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten (Bl. 167 Hauptakte I.), die Angabe „Preußen“ als Wohnsitzstaat in einem Antrag auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises vom 4. Mai 2020 (vgl. Aussagen des Zeugen N., Hauptakte Bd. IV (entspricht Beiakte 001, Bd. 4), Bl. 43, 51ff; Aussagen der Zeugin M., „Hauptakte Bd. IV (entspricht Beiakte 001, Bd. 4), Bl. 129, 137 ff.¸ Aussagen der Zeugin AK., „Hauptakte Bd. IV, Bl. 113, 122 ff; sowie Asservate bei der Klägerin, vgl. Seite 10 der Disziplinarklageschrift), die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises nach § 30 Staatsangehörigkeitsgesetz ohne einen sachlich gerechtfertigten, nachvollziehbaren Anlass (vgl. die Kopie des Staatsangehörigkeitsausweises Bl: 170 Hauptakte I (entspricht Beiakte 001, Bd. 1)) und durch die Beantragung eines Zusatzvermerks zur Abstammung „gemäß Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz Stand 1913 “ in das Register „Entscheidungen in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten“ (Aussage des N., Beiakte „Hauptakte Bd. IV“, Bl. 43,52 sowie Asservate der Klägerin, vgl. Seite 11 der Disziplinarklageschrift). Dies wurde im Übrigen von dem Beklagten auch nicht bestritten. Hinzukommen verschiedene Einlassungen bei öffentlichen Veranstaltungen, in denen er über seine vermeintliche Staatenlosigkeit räsoniert (vgl. etwa Interview des Beklagten in Berlin am 29. August 2020, Beiakte 001 Bd. 1 („Hauptakte Bd. II, Bl. 67 ff.“) sowie die Berliner Rede vom 11. Oktober 2020, „Hauptakte Bd. III, Bl. 369“).
Der Beklagte hat keine vernünftige Erklärung dafür abgegeben, warum er seinen Personalausweis zurückgeben hat und aus welchem Grund er der Auffassung ist, dieser werde nicht mehr benötigt. Seine Einlassung in der mündlichen Verhandlung, er sei im Besitz eines gültigen Reisepasses, ist nicht überzeugend.
Die Vernichtung und Rückgabe von Ausweisdokumenten gehört zu den klassischen Aktivitäten von „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“ (https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/publikationen/DE/reichsbuerger-und-selbstverwalter/2019-05-reichsbuerger-und-selbstverwalter-handlungsempfehlungen-fuer-den-behoerdenalltag.pdf?__blob=publicationFile&v=7).
Ein reichsbürgertypisches Verhalten zeigte der Beklagte auch mit der Angabe „Preußen“ als Geburtsstaat in dem Antragsformular für den Staatsangehörigkeitsausweis. Der Beklagte hat damit den Anschein erweckt, vom Fortbestehen des Staates/Königreichs Preußen auszugehen und damit die Existenz und die Legitimation der Bundesrepublik Deutschland und seiner föderalen Gliederungen in Abrede zu stellen, wie dies - bei allen Unterschieden im öffentlichen Agieren dieses Personenkreises - gemeinsames Charakteristikum der „Reichsbürger“ ist (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 20. April 2021 ‒ 3 LD 1/20 ‒ (juris Rn. 87 ‒ 107). Gleiches gilt für die Angabe „Preußen“ in den Formularfeldern „Geburtsstaat“ und „Wohnsitzstaat“ in seinem Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit vom 4. Mai 2020. Der Beamte hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, er habe, als er diesen Antrag gestellt habe, seine Abstammung nachweisen wollen. Als es um die Angaben zu seinem Vater und Großvater gegangen sei, habe er ebenfalls eingetragen, dass sie ursprünglich aus Staatengebilden stammten vor Gründung der Bundesrepublik Deutschland, und dies habe er dann auch für sich getan. Diese Einlassungen können nicht überzeugen. In dem Antragsformular war nach dem Geburtsstaat gefragt, nicht nach einer historisch-geographischen Abstammung. Die jeweiligen Antragsformulare waren ohne weiteres verständlich, zumal der Beklagte aufgrund seiner Ausbildung und seines beruflichen Werdegangs mit dem Umgang mit behördlichen Formularen und den Anforderungen an das korrekte Ausfüllen von Antragsformularen vertraut gewesen sein muss. Eine Auslegungsspielraum, woraus sich die jeweils abgefragte des Staates bezieht, ließen die Formulare nicht zu (vgl. BVerwG, Urt. vom 2. Dezember 2021, 2 A 7/21, juris Rn. 38).
Als reichsbürgertypisch ist auch der Umstand zu bewerten, dass der Beklagte ohne nachvollziehbaren Grund am 4. Mai 2020 einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragt hat. In der Reichsbürgerszene kursiert die Behauptung, das Reichs -und Staatsangehörigkeitsgesetz in seiner Fassung vom 22. Juli 1913 sei unverändert gültig und daher müsse man, um der Staatenlosigkeit zu entgehen, nach den damaligen Gesetzen einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragen. Dabei lässt die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises als solche nicht ohne weiteren Umstände auf eine Reichsbürgergesinnung schließen. Denn für die Beantragung eines entsprechenden Dokumentes kann es gute Gründe geben. In der Regel benötigt man nach den Hinweisen des Bundesverwaltungsamts einen Staatsangehörigkeitsausweis, wenn Zweifel an der deutschen Staatsangehörigkeit bestehen und ein solcher ausdrücklich von einer Behörde verlangt wird. Erforderlich kann ein Staatsangehörigkeitsausweis sein, wenn zum Beispiel erstmalig ein deutscher Reisepass beantragt wird, ein Adoptionsverfahren durchgeführt werden soll oder diplomatischer Schutz begehrt wird, zur Beantragung von Rente oder Sozialhilfe im Ausland oder, wenn man in den diplomatischen Dienst eingestellt werden will. Die Einlassung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung auf entsprechenden Vorhalt des Gerichts, bei der Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises handele es sich lediglich um eine vorsorgliche Maßnahme im Hinblick auf einen beabsichtigten Grundstückserwerb im Ausland oder eine Auswanderung, sieht das Gericht als Schutzbehauptung an. Konkrete diesbezügliche Pläne hat der Beklagte nicht dargelegt, es ist auch nicht ersichtlich, welche ausländische Stelle von ihm einen Staatsangehörigenausweis verlangt hat oder von welcher Seite Zweifel an seiner deutschen Staatsangehörigkeit aufgeworfen wurden. Der Beklagte war im Besitz eines Personalausweises und eines Reisepasses. Seine deutsche Staatsangehörigkeit ist ‒ soweit erkennbar ‒ seit seiner Geburt nie seitens einer Behörde in Frage gestellt worden.
Die Beantragung eines Staatsangehörigenausweises ohne einen vernünftigen Anlass ist eine charakteristische Verhaltensweise von Menschen, die die Reichsbürgerideologie vertreten (vgl. BMI, Reichsbürger und Selbstverwalter, www.bmi.bund.de/SharedDocs/topthemen/DE/topthema-reichsbuerger/topthema-reichsbuerger.html; MI NRW, Reichsbürger und Selbstverwalter Erkennen, einordnen, richtig handeln, www.im.nrw/sites/default/files/media/document/file/Broschüre_Reichsbuerger.pdf).
Vielfach wird von Angehörigen der Szene propagiert, man solle den "Gelben Schein" beantragen. Hintergrund hierfür ist, dass "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" weder einen Personalausweis noch einen Reisepass als Nachweis für den Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit akzeptieren. Als Nachweis der deutschen Staatsangehörigkeit gilt vielen "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" nur ein offizieller Staatsangehörigkeitsausweis ("Gelber Schein"). In der Reichsbürger-Szene kursiert die Behauptung, das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz in seiner Fassung vom 22. Juli 1913 sei unverändert gültig. Daher müsse man, um der Staatenlosigkeit und dem damit einhergehenden „Sklavenstatus“ zu entgehen, nach den damaligen Gesetzen einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragen. (BMI, Reichsbürger und Selbstverwalter, www.bmi.bund.de/SharedDocs/topthemen/DE/topthema-reichsbuerger/topthema-reichsbuerger.html; MI NRW, Reichsbürger und Selbstverwalter Erkennen, einordnen, richtig handeln, www.im.nrw/sites/default/files/media/document/file/Broschüre_Reichsbuerger.pdf
Der Beklagte hat mit seinem Verhalten die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und seiner föderalen Gliederungen durch seine Aktivitäten und seine Äußerungen zwar nicht ausdrücklich in Abrede gestellt. So sind keine Äußerungen dokumentiert, in denen der Beamte erklärt, das „Deutsche Reich“ bestehe fort, die Bundesrepublik Deutschland gebe es gar nicht und sei nur eine GmbH. Gleichwohl ist der in der Disziplinarklageschrift erhobene Vorwurf der Zugehörigkeit zu Reichsbürgerbewegung berechtigt. Denn diese Szene ist heterogen. Die Argumente und Ideologien der sogenannten Reichsbürger sind breit gefächert, vielfältig und bilden kein geschlossenes System. Sie widersprechen sich auch zum Teil (vgl. „Reichsbürger“, „Reichsregierungen“ und „Selbstverwalter“.- Informationen und Handlungsempfehlungen zur „Reichsbürgerszene“, Ministerium für Inneres und Sport, Sachsen-Anhalt, 2018, ttps://mi.sachsen-anhalt.de/fileadmin/Bibliothek/Politik_und_Verwaltung/MI/MI/3._Themen/Verfassungsschutz/Reichsb_Selbstverw_Neuauflage.pdf).
Der Beklagte hat ‒ und das ist ein gemeinsames Charakteristikum der Reichsbürgerszene - die Legitimität der Bundesrepublik und seiner Untergliederungen auf die beschriebene Weise jedenfalls mittelbar in Zweifel gezogen. Wenn der Beklagte die Legitimation des Staates und seiner föderalen Gliederungen vorbehaltlos anerkennen würde, also des Staates, zu dessen Verfassungsordnung er sich bekennen und für die er einzutreten hat, dann bestünde kein Zweifel, dass er in jedem Antragsformular als Geburtsstaat oder als Wohnsitzstaat die Bundesrepublik Deutschland einträgt und nicht ein Staatengebilde, das seit 1947 rechtlich nicht mehr existiert. Wenn der Beamte die Existenz und Legitimität der Bundesrepublik Deutschland vorbehaltlos anerkennen würde, dann hätte er nicht seinen Personalausweis abgeben, dann würde er nicht ohne nachvollziehbaren Anlass einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragen. Letztlich hat der Beklagte mit seinem Verhalten doch seinen Zweifeln an der Legitimität und Existenz der Bundesrepublik Deutschland Ausdruck verliehen.
Dass der Beamte die Existenz und Legitimität der Bundesrepublik Deutschland nicht vorbehaltlos anerkennt, ist auch in verschiedenen öffentlichen Redebeiträgen zum Ausdruck gekommen. Hervorzuheben ist etwa die Rede in Berlin am 29. August 2020, wo der Beklagte erklärt hat, dass eine Internetrecherche ergeben habe, er sei ein Staatenloser und dass er sich einen Staatsangehörigkeitsausweis haben ausstellen lassen, weil sein Personalausweis nur den Status als Staatenloser darstelle.
„Schnell das Internet gefragt, [...] also war für mich konkludent, ich bin ein Staatenloser."
„Ich war ja nun in der Lage, meine deutsche Staatsangehörigkeit mit meinem neuen amtlich ausgestellten Staatsangehörigkeitsausweis rechtsverbindlich in allen Angelegenheiten nachzuweisen und so fragte ich mich, wozu ich denn wohl noch meinen Personalausweis brauche, der den Status "Staatenloser" darstellt?"
(Beiakte 002, Bd. 2 (entspricht Hauptakte II); S. 66).
Auch in einer Rede am 27. September 2020 in Aschaffenburg (Nachweise s. Klageschrift S. 12) hat der Beklagte sich ähnlich ausgelassen.
In Aschaffenburg führte der Beklagte u.a. aus:
„. ... ich einige Zeit zuvor einen Ausweis beantragt habe ..., mit dem ich meine Staatsangehörigkeit nachweisen kann."
Der Beklagte hat mit diesem Verhalten gegen seine Pflichten aus § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG (Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung) verstoßen.
Das OVG Lüneburg hat in seinem Urteil vom 20. April 2021 ‒ 3 LD 1/20 ‒ (juris Rn. 87 ‒ 107) in einem vergleichbaren Fall ausgeführt:
„Die Pflicht, sich durch das gesamte Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG), gehört zu den Kernpflichten eines jeden Beamten (Bay. VGH, Urteil vom 16. Januar 2019 - 16a D 15.2672 -, juris Rn. 25; Nds. OVG, Beschluss vom 8. Oktober 2020 - 3 ZD 11/20 -; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, BBG, Stand: April 2021, Bd. 1, § 33 BeamtStG Rn. 3). Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse und die damit verbundenen Eingriffsrechte des Staates sind durch Art. 33 Abs. 4 GG einem Personenkreis vorbehalten, dessen Rechtsstellung in besonderer Weise Gewähr für Verlässlichkeit und Rechtsstaatlichkeit bietet (BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 - BVerwG 2 C 25.17 -, juris Rn. 15). Beamte realisieren die „Machtstellung“ des Staates (BVerfG, Urteil vom 27. April 1959 - 2 BvF 2/58 -, juris Rn. 65), sie haben als „Repräsentanten der Rechtsstaatsidee“ (BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2014 - BVerwG 2 C 51.13 -, juris Rn. 26) dem ganzen Volk zu dienen und ihre Aufgaben im Interesse des Wohls der Allgemeinheit unparteiisch und gerecht zu erfüllen (Urteil vom 17. November 2017, a. a. O., Rn. 15). Beamte stehen daher in einem besonderen öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis. Aufgrund dieser Treuepflicht gehört es jedenfalls zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG, dass sich der Beamte zu der Verfassungsordnung, auf die er vereidigt ist, bekennt und für sie eintritt (BVerwG, Urteil vom 17. November 2017, a. a. O., Rn. 15).
Der Beamte, der „sozusagen als Staat Befehle geben kann“ (BVerfG, Urteil vom 27. April 1959, a. a. O., Rn. 65), muss sich mit den Prinzipien der verfassungsmäßigen Ordnung ohne innere Distanz identifizieren. Damit ist nicht eine Verpflichtung gemeint, sich die Ziele oder eine bestimmte Politik der jeweiligen Regierung zu eigen zu machen. Gefordert ist aber die Bereitschaft, sich mit der Idee des Staates, dem der Beamte dienen soll, mit der freiheitlich-demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung dieses Staates zu identifizieren und für sie einzutreten. Dies schließt nicht aus, an Erscheinungen dieses Staates Kritik zu üben und für Änderungen der bestehenden Verhältnisse mit den verfassungsrechtlich vorgesehenen Mitteln einzutreten, solange in diesem Gewand nicht eben dieser Staat und seine verfassungsmäßige Grundlage in Frage gestellt werden. An einer „unkritischen“ Beamtenschaft können Staat und Gesellschaft kein Interesse haben. Unverzichtbar ist aber, dass der Beamte den Staat und die geltende verfassungsrechtliche Ordnung bejaht, sie als schützenswert anerkennt, in diesem Sinne sich zu ihnen bekennt und aktiv für sie eintritt. Der Staat ist darauf angewiesen, dass seine Beamten für ihn einstehen und Partei für ihn ergreifen (BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 -, juris Rn. 42; BVerwG, Urteil vom 17. November 2017, a. a. O., Rn. 16). Die Grundentscheidung des Grundgesetzes zur Konstituierung einer wehrhaften Demokratie lässt es nicht zu, dass Beamte im Staatsdienst tätig werden, die die freiheitlich-demokratische, rechts- und sozialstaatliche Ordnung ablehnen und bekämpfen. Diesen Personen fehlt die Eignung für die Ausübung eines öffentlichen Amtes (BVerwG, Urteil vom 17. November 2017, a. a. O., Rn. 18); ihnen kann von den Bürgern nicht das zur Wahrnehmung des öffentlichen Amtes berufserforderliche Vertrauen entgegengebracht werden (BVerwG, Urteil vom 17. November 2017, a. a. O., Rn. 18).
Das bloße Haben einer Überzeugung und die bloße Mitteilung, dass man diese habe, reichen für die Annahme einer Verletzung der dem Beamten auferlegten Treuepflicht grundsätzlich nicht aus. Ein Dienstvergehen besteht erst, wenn der Beamte aus seiner politischen Überzeugung Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten im Sinne seiner politischen Überzeugung zieht (BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975, a. a. O., Rn. 45; Beschluss vom 6. Mai 008 - 2 BvR 337/08 -, juris Rn. 31; BVerwG, Urteil vom 17. November 2017, a. a. O., Rn. 21), die entsprechende politische Überzeugung also bewusst und erkennbar nach außen betätigt.
Dies zugrunde gelegt, hat die Beklagte ihre Kernpflicht aus § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG verletzt.
aa) Mit ihren Angaben im Rahmen der Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises am 10. Mai 2016 hat die Beklagte bewusst nach außen hin erkennbar gegenüber der Verwaltung des Landkreises I. ein Verhalten an den Tag gelegt, das darauf schließen lässt, dass sie der „Reichsbürger“- bzw. „Selbstverwalter“-Szene angehört bzw. sich deren Ideologie zu eigen gemacht hat.
Nach der auf der Website des Bundesamtes für Verfassungsschutz enthaltenen Definition (www.verfassungsschutz.de/de/arbeitsfelder unter: „Was sind 'Reichsbürger' und 'Selbstverwalter'?“) sind „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Begründungen - unter anderem unter Berufung auf das historische Deutsche Reich, verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht - die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen, den demokratisch gewählten Repräsentanten die Legitimation absprechen oder sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend definieren (diese Definition zugrunde legend auch BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2019 - BVerwG 2 WDB 5.19 -, juris Rn. 11; Sächs. OVG, Beschluss vom 3. Dezember 2018 - 3 B 379/18 -, juris Rn. 15; in diesem Sinne der Ablehnung der Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Bundesländer bzw. der Negierung der Existenz der Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland und damit der in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Rechtsordnung auch OVG NRW, Beschluss vom 22. März 2017 - 3d B 296/17.O -, juris Rn. 7; Nds. OVG, Beschluss vom 18. Juli 2017 - 11 ME 181/17 -, juris Rn. 4, 12; Hess. VGH, Beschluss vom 20. Juni 2018 - 4 B 1090/18 -, juris Rn. 5; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 23. Oktober 2019 - 7 A 10555/19 -, juris Rn. 33f.; Bay. VGH, Beschluss vom 22. Juli 2020 - 24 ZB 20.418 -, juris Rn. 9). Dementsprechend verstößt ein Beamter, welcher der „Reichsbürgerszene“ angehört, gegen seine Treuepflicht aus § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. März 2017, a. a. O., Rn. 7), also gegen seine Pflicht, sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhalt einzutreten.“
Dem schließt sich die Kammer an. Aus den gleichen Erwägungen, die das Oberverwaltungsgericht Lüneburg in dem seiner Entscheidung zugrundeliegenden Fall angestellt hat, hat der Beklagte durch sein Verhalten gegen die Treuepflicht aus § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG verstoßen.
In den Verhalten des Beklagten liegt zudem ein Verstoß gegen die Mäßigungspflicht des § 33 Abs. 2 BeamtStG sowie gegen die Wohlverhaltenspflicht des § 34 Satz 3 BeamtStG a.F. (vgl. BVerwG, Urt. vom 1. Dezember 2021 ‒ 2 A 7/21- juris, Rn 24 ff, das in einem ähnlich gelagerten Fall ebenfalls einen Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht und gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten festgestellt hat).
II.
Der Beklagte hat seine Dienstpflichten weiterhin dadurch verletzt, dass er Verschwörungstheorien verbreitet hat. Die in der Disziplinarklageschrift aufgeführten Redebeiträge des Beklagten in öffentlichen Veranstaltungen sowie seine Einlassungen in dienstlichen oder privaten Gesprächen hat der Beklagte nicht in Abrede gestellt. Diese sind vollständig in den umfangreichen Disziplinarvorgängen dokumentiert.
So hat der Beklagte etwa am 22 August 2020 in Darmstadt ausgeführt, dass die Ereignisse der letzten Monate seines Erachtens nicht auf Zufällen beruhen würden, sondern auf einer jahrelangen Agenda und dass hinter dem „derzeitigen Wahnsinn“ mehr stehe als nur Zufall. Auch in seiner Rede in A-Stadt am 21. November 2020 führte der Beklagte aus, dass es um mehr als Corona gehe, nämlich um den „Great Reset“ (Nachweise s. Klageschrift Seite 58).
Gegenüber den Zeugen Dr. AJ. griff der Beklagte weiterhin auch antisemitische Verschwörungstheorien auf. Dem Zeugen sagte der Beklagte u.a.
„[...] dass es auffällig sei, wie viele Juden da oben mitspielen würden.“
(Aussage des Dr. AL., Beiakte „Hauptband VI, Bl.138, 149).
Der Beklagte wies zwar darauf hin, er sei kein Antisemit, führte nach Aussagen des Zeugen dann jedoch weiter aus, das hätte jetzt „mit den normalen Standard-Juden nichts zu tun, aber das sei halt da oben schon ein bisschen auffällig“ (Aussage des Dr. AL., a.a.O. Bl. 149). Damit verbreitete der Beklagte antisemitische Klischees, auch wenn er sich selbst nicht als Antisemiten definiert.
Nach den Angaben dieses Zeugen führte der Beklagte ihm gegenüber in dem Beratungsgespräch auch aus, dass die Oberschicht Kinder entführen und aus deren Blut ein Junggebliebenenelixier gewinnen würde (Aussage des Dr. AL., Beiakte „Hauptband VI“, Bl.138, 148).
Gegenüber Bekannten sprach der Beklagte zudem von Bunkern, in denen Flüchtlinge gehalten und ausgebildet würden (Aussage des Zeugen G. K., Beiakte Hauptband VI, Bl.213, 231), im Kollegenkreis hat er Links zu Videodateien verteilt, indem es u.a. um Bunker in Berlin ging, wo Flüchtlinge gehalten oder ausgebildet werden sollen (Aussage des PHK AM., Beiakte „Hauptband III“, Bl.62, 88).
In einem Interview des Beklagten in Berlin am 29. August 2020 (BA Bd. II, Seite 67-73) sagte der Beklagte:
Interviewer-Frage: „Du hast mir gesagt, dass du Militärfahrzeuge gesehen hast."
Antwort des Beklagten; „Das war auf der Autobahn aus Richtung A-Stadt kommend, es war ' eine Kolonne von 10,12 Fahrzeugen. Mit neuen Bundeswehrkennzeichen und es waren definitiv Fahrzeuge, die amerikanischen Ursprungs zu sein schienen. [...]
Also spricht einiges dafür, dass das unter dem Deckmantel oder unter dem Schafsfell vielleicht ein Wolf ist, dass da irgendwelche Militärkräfte getarnt im Einsatz sind. Mehr kann man da nur spekulieren oder interpretieren, aber irgendetwas tut sich auch in diesen Kreisen, ja. Auf militärischer Seite."
Damit hat der Beklagte wiederholt Verschwörungstheorien von einem heimlich geplanten Umsturz verbreitet. Soweit der Beklagte sich in der mündlichen Verhandlung dahingehend eingelassen hat, dass er die in Rede stehenden Behauptungen als solche ja gar nicht aufgestellt habe, sondern in den Gesprächen lediglich darüber gesprochen habe, dass es solche Theorien gäbe, entlastet dies ihn nicht. Denn eine Distanzierung von seinen Aussagen ist nicht erkennbar, vielmehr befeuert der Beklagte durch seine Äußerungen die Vorstellung, dass viele politische Entwicklungen und Zustände, etwa die Corona-Pandemie, mit dem zielgerichteten, konspirativen Wirken einer kleinen Gruppe von Akteuren zu einem illegalen oder illegitimen Zweck zu erklären sind.
Dieses Muster bedient der Beklagte auch in seiner Rede in Darmstadt am 22. August 2020:
„Und ich hoffe nach wie vor, dass die deutsche Justiz und der Gerichtshof der Europäischen Union schnellstmöglich beginnen, die Ereignisse der letzten Monate, die meines Erachtens nicht auf Zufällen beruhen, sondern auf einer jahrelangen Agenda zurückliegen, im Detail aufzuarbeiten. [...]“
Mit der öffentlichen Verbreitung solcher Verschwörungstheorien hat der Beklagte gegen seine Pflicht zur politischen Mäßigung und Zurückhaltung gemäß § 33 Abs. 2 BeamtStG und gegen die Wohlverhaltenspflicht (§ 34 Satz 3 BeamtStG a. F.) verstoßen.
III.
Der Beklagte hat seine Dienstpflichten außerdem auch dadurch verletzt, dass er staatliche Institutionen und deren Organe verunglimpft hat.
So hat der Beklagte Parallelen staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie zu dem Handeln der Nationalsozialisten konstruiert. Er hat die Bundesregierung u.a. als Regime bezeichnet und ihr strafbares Verhalten vorgeworfen.
So hat er in einer Rede in Dortmund am 9. August 2020 (vgl. Beiakte Hauptband I, S. 48 ff) gesagt:
„Im dunkelsten Kapitel unserer deutschen Geschichte haben Regierende ihre Sicherheitskräfte schon einmal bedingungslosem Gehorsam unterworfen und sie für die abscheulichsten Verbrechen missbraucht, die anderen Menschen je angetan wurden. Heute habe ich Angst, denn mein Bauch sagt mir, dass sich grade alles wieder in dieselbe Richtung entwickelt."
In seiner Konstanzer Rede vom 3. Oktober 2020 (a.a.O. Bd. III, S. 114 ff.) hat der Beklagte geäußert:
„Mir wird vorgehalten, dass ich hier fiese Nazivergleiche angestellt habe [...]. Was ich gemacht habe? Ich habe im Internet mal recherchiert, um sich mit Wissen zu versorgen [...] und dabei habe ich dann einfach mal solche Begriffe wie die SS, die SA oder den SD, den Sicherheitsdienst im Deutschen Reich, im Dritten Reich, recherchiert [...]. Das macht mir einfach Angst, weil ich einfach Parallelen erkenne zu dem Sicherheitsapparat, den ich heute hier sehe, für den ich fast 40 Jahre tätig war.“
In der Kölner Talk-Runde (veröffentlicht am 31. Januar 2021, Beiakte Hauptakte Bd. VI, S. 405 ff) sagte der Beklage u.a.:
„Wir haben ja die Entwicklung damals in unserer Geschichte gesehen, wie es, sage ich mal, zum Nazireich gekommen ist. [...] Und wenn ich mir das in der heutigen Zeit mal vergleiche. [...] Die [Parallelen] sind sichtbar, ja klar. [...]" ...„Und ich sage: Wehret den Anfängen! Und für mich steht ganz klar fest, ich lasse das nicht zu. Bis zu meinem letzten Atemzug werde ich ein solches System bekämpfen. So etwas werde ich nie wieder zulassen."
In dieser Kölner Talk-Runde am 31. Januar 2021 hat der Beklagte weiterhin die Polizei diffamiert:
„Und ich hab' auch meine Zweifel daran, ganz ehrlich gesagt, bei eigenem Erleben oder bei dem, was ich gesehen habe, dass das Polizisten sind, ausgebildete Polizisten. [...] Wenn wir sehen, dass hier von der Polizei solche Maßnahmen getroffen werden, die völlig unverhältnismäßig sind. Die teilweise unrechtmäßig sind, dass hier Menschen in Uniformen rumlaufen, wo man sich wirklich ernsthaft die Frage stellen muss, sind das ausgebildete Polizisten oder wer steht hier als Statist vor mir? Entblößt sich das System immer weiter. [...] Es wird dann eine Widerstandshandlung irgendwo provoziert, weil man den Menschen wehtut oder die dann berechtigt, auch Widerstand leisten gegen diese Maßnahmen, um dann ne Rechtfertigung zu haben, diese Gewaltspirale weiter zu vollziehen. [...]
Aber meiner Einschätzung nach werden hier durch die Polizei vielfach politische Vorgaben umgesetzt. Das hat mit dem, was man als Polizist in der Ausbildung gelernt hat oder was man auch in den Gesetzen wiederfindet, nichts mehr zu tun."
Dies gilt auch für die Rede des Beklagten in Sinsheim am 28. März 2021 (Beiakte Hauptakte VII - entspricht Beiakte 001, Bd. 7, Seite 15), wo er die Polizei als Söldnertruppe in Misskredit zog:
„[...] widerrechtlich festnehmen und ihre Maßnahmen nicht begründen können und ihren Namen nicht nennen [...], das sind aus meiner Sicht Söldner. Und wenn sich herausstellt - es gibt Indizien [...]- dass das eine Söldnertruppe ist, dann ist ein Söldner, von jedem, von jedem Menschen und von jedem Soldaten darf der getötet werden. Ich möchte das nicht erleben aber es könnte irgendwann passieren, wenn sie mit ihrer Gewalt das weiter steigern. Die Gewalt darf so nie enden. Ich möchte kein Blut auf der Straße sehen."
In einem Interview in Dresden am 31. Oktober 2020 (Beiakte 001, Bd. 4 - entsprechend Hauptakte IV -, S. 245 ff) bezeichnete der Beklagte die Bundesregierung als „Regime“ und verwendete damit einen Ausdruck, der im allgemeinen Sprachgebrauch für ein totalitäres Regierungssystem verwendet wird:
„[...] wenn das Ganze hier irgendwann mal durch ist, dann werden sich alle, die dieses Regime hier, sage ich mal, unterstützen, anders kann ich das leider nicht mehr bezeichnen, die werden sich dafür zu verantworten haben und ja, wer sich jetzt noch auf diese Seite stellt und da mitmacht, der macht sich aus meiner Sicht strafbar."
Auch bei anderer Gelegenheit ‒ so im Interview in Leipzig am 7. November 2020 (BA 001, Bd. 4 (Hauptakte IV), S.262) - bezeichnete der Beklagte die Bundesregierung als „Regime“.
Verunglimpfend sind auch seine Einlassungen in einem in Dresden geführten Interview am 31. Oktober 2020 (a.a.O., S. 245 ff)
„[Das] muss man doch endlich mal merken, das ist doch Faschismus pur."
In der Rede in Neheim am 8. Januar 2021 (Beiakte 001 Bd. 6 (Hauptakte Bd. VI), S. 134 ff) sagte der Beklagte:
„Und stattdessen wird man hier in dieser Demokratie denunziert, diffamiert und versucht, systematisch zu zerstören. [...] Denn der einzige Grund jemanden so zu behandeln, kann sein, Angst auszulösen, damit die anderen Kollegen nicht aufstehen. Und in einem solchen System spätestens muss man sich Gedanken machen. Ich habe mal gehört in einer Demokratie hat das Volk keine Angst vor den Politikern, denn die kotrollieren sie. In einer Diktatur und in einem Faschismus sieht das anders aus. Da ist es nämlich genau umgedreht."
In der Rede in Lauenau am 7. Dezember 2020 ließ sich der Beklagte wie folgt aus:
„Wir haben keine Gewaltenteilung mehr, wie ich es in meiner ersten Rede gesagt habe. Wir haben eine völlige Willkür in allen Bereichen des öffentlichen Lebens und davon müssen wir wegkommen." (vgl. BA 1,HA Bd. VI, Seite 3-4).
In seiner Rede in Lauenau am 7. Dezember 2020 vertrat der Beklagte daneben wiederholt die Auffassung, dass es in Deutschland weder Gewaltenteilung noch Rechtsstaatlichkeit gebe:
„Ich stehe nach wie vor auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und habe wirklich bis zum Einstieg in die Corona-Thematik gedacht, wir haben eine Demokratie, wir haben einen Rechtsstaat. Wir haben leider beides nicht mehr.
Wir haben keine Gewaltenteilung mehr, wie ich es in meiner ersten Rede gesagt habe. Wir haben eine völlige Willkür in allen Bereichen des öffentlichen Lebens und davon müssen wir wegkommen."
All die Einlassungen, die vollständig in den Disziplinarborgängen dokumentiert sind und die der Beklagte auch gar nicht in Zweifel gezogen hat, sind geeignet, die Bundesrepublik Deutschland und seine föderalen Gliederungen sowie die Organe dieses Staates, denen zu dienen es die Aufgabe eines Beamten ist, zu diffamieren und herabzuwürdigen. Mit diesen Äußerungen hat der Beklagte die Grenze der auch einen Beamten zustehenden Meinungsfreiheit weit überschritten. Er hat mit seinem Verhalten vorsätzlich und schuldhaft gegen seine Pflicht zur politischen Mäßigung und Zurückhaltung gemäß § 33 Abs. 2 BeamtStG und gegen die Wohlverhaltenspflicht (§ 34 Satz 3 BeamtStG a. F.) verstoßen.
D.
Der Beklagte handelte auch schuldhaft, und zwar vorsätzlich. Von einem vorsätzlichen Handeln ist auszugehen, wenn der Beamte bewusst und gewollt das Verhalten verwirklicht, welches die Pflichtverletzung darstellt (vgl. Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, a. a. O., § 77 BBG Rn. 22). Dies war hier der Fall. Der Beklagte hat gezielt und bewusst die ihm im Rahmen dieser Disziplinarklage vorgeworfenen Handlungen begangen.
Schuldausschließungsgründe sind nicht ersichtlich. Auch Anhaltspunkte für eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) liegen nicht vor.
E.
Nach alledem hat der Beklagte mit seinen Verstößen gegen die vorgenannten beamtenrechtlichen Pflichten ein schuldhaftes Dienstvergehen gem. § 47 Abs. 1 BeamtStG begangen.
Dabei ist hervorzuheben, dass dem Beamten nicht als Dienstvergehen zum Vorwurf gemacht wird, dass er - etwa im Zusammenhang mit seiner Kritik an den Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie - bestimmte politische Überzeugungen gewonnen und diese auch nach außen vertreten hat. Auch einer Beamtin oder einem Beamten steht das Recht auf Meinungsfreiheit zu. So ist es auch dem Beklagten unbenommen, Maßnahmen des Gesundheitsschutzes während der Corona-Krise zu kritisieren, ihren Sinn und ihre Rechtmäßigkeit anzuzweifeln, auch mit ggf. nachvollziehbarem Zorn. Jedoch hat es der Beklagte nicht bei einer sachlichen Kritik belassen. Er nutzte seine Auftritte gegen die Corona-Maßnahmen vielmehr zur Agitation gegen den Staat und seine Organe, zur Verbreitung von Verschwörungsgeschichten und der Reichsbürgerideologie. Dies geht dies über das von der Meinungsfreiheit des Beamten umfasste Recht, sich zu staatlichem Handeln kritisch zu äußern, weit hinaus. Der Beklagte hat mit seinem gesamten Verhalten vielmehr gezeigt, dass er nicht mehr uneingeschränkt zu dem Staat, dessen Repräsentant er als Polizeibeamter ist und dem zu dienen es seine Aufgabe ist, steht.
Das einheitliche Dienstvergehen, welches dem Beklagten vorzuwerfen ist, liegt zum Teil im innerdienstlichen, zum Teil im außerdienstlichen Bereich.
Da der Beklagte Verschwörungstheorien auch in Ausübung des Dienstes verbreitet hat, etwa im Gespräch mit dem Zeugen Dr. AJ. (vgl. die Nachweise weiter oben), liegt jedenfalls insoweit zum Teil ein innerdienstliches Dienstvergehen vor.
Soweit der Beklagte mit der Vertretung reichsbürgerlicher Ideologien und Auffassungen gegen seine beamtenrechtliche Treuepflicht (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG) verstoßen hat, kommt es im Weiteren bereits nicht mehr darauf an, ob dieses Verhalten im Rahmen der Dienstausübung oder außerhalb des eigentlichen Dienstes erfolgt ist. Ein Verstoß gegen die Treuepflicht ist grundsätzlich immer als innerdienstlich zu qualifizieren.
Die Treuepflicht als beamtenrechtliche Kernpflicht ist als solche unteilbar und nicht auf den dienstlichen Bereich beschränkt. Vielmehr ist auch das außerdienstliche Verhalten mit der Folge erfasst, dass bei einem pflichtwidrigen Verhalten im Zusammenhang mit der Treuepflicht wegen der Dienstbezogenheit insoweit auch stets ein innerdienstliches Dienstvergehen gegeben ist (BVerwG, Urt. vom 2. Dezember 2021 ‒ 2 A 7/21 ‒ juris, Rdr. 26).
Hinzu kommt, dass der Beklagte seine reichsbürgerliche Ideologie auch im Dienst weiterverbreitet hat. So hat der Beklagte auf seiner Dienststelle im Kollegenkreis die Reichsbürgerideologie vertreten, indem er unter anderem dafür geworben hat, sich einen Staatsbürgerschaftsausweis zu besorgen (Nachweise s. Klageschrift Bl. 37 ff.). Der Beklagte hat darüber hinaus dienstliche Bratungsgespräche mit Bürgern genutzt, um ebenfalls seine Auffassungen weiter zu verbreiten. So hat er am 3. August 2020 gegenüber dem Zeugen Dr. AN. verschwörungs- und reichsbürgertypische Äußerungen getätigt und einschlägige Buchveröffentlichungen empfohlen (Nachweise s. Klageschrift Bl. 39 ff.). Entsprechendes bestätigte die Zeugin AG., die ebenfalls vom Beklagten dienstlich beraten wurde (Nachweise s. Klageschrift Bl. 41). Der Beklagte hat dieses „reichsbürgerliche“ Verhalten bereits 2017 am Beratungsstand der Polizei anlässlich der damaligen Infa-Messe in A-Stadt (Nachweise s Klageschrift, Bl. 41 f.) gezeigt.
Soweit das Dienstvergehen in einem Verstoß gegen die Mäßigungs- und Zurückhaltungspflicht nach § 33 Abs. 2 BeamtStG und gegen die Wohlverhaltenspflicht nach § 34 S. 3 BeamtStG liegt, fallen die entsprechenden Äußerungen des Beklagten zum überwiegenden Teil in den außerdienstlichen Bereich.
Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für das Amt des Beamten bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen, § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG.
Mit dieser Vorgabe hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, von einem Beamten unterhalb dieser „Erheblichkeitsschwelle“ kein wesentlich anderes Sozialverhalten zu erwarten als von jedem anderen Bürger (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - BVerwG 2 C 9.14 -, juris Rn. 14 m. w. Nw.; Urteil vom 24.Oktober 2019 - BVerwG 2 C 4.18 -, juris Rn. 11). Ob und in welchem Umfang durch das außerdienstliche Verhalten eines Beamten das für sein Amt erforderliche Vertrauen beeinträchtigt wird, hängt deshalb in maßgeblicher Weise von Art und Intensität der jeweiligen Verfehlung ab (BVerwG, Urteil vom 18.Juni 2015, a. a. O., Rn. 15). Dabei kommt vorsätzlichen Straftaten eine besondere Bedeutung zu (BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 - BVerwG 2 C 16.10 -, juris Rn. 24; Urteil vom 18. Juni 2015, a. a. O., Rn. 15; Urteil vom 24. Oktober 2019, a. a. O., Rn. 12); maßgeblich ist auch, ob der Pflichtenverstoß des Beamten einen Bezug zu seinem Amt aufweist (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015, a. a. O., Rn. 15). Dabei ist in der älteren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf das konkret-funktionelle Amt des Beamten - also seinen Dienstposten - abgestellt worden (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 8. Mai 2001 - BVerwG 1 D 20.00 -, juris Rn. 25); in seiner jüngeren Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht hieran jedoch nicht mehr festgehalten und sieht seither das dem Beamten verliehene Amt im statusrechtlichen Sinne als Bezugspunkt des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG an (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015, a. a. O., Rn. 16ff.; Urteil vom 24. Oktober 2019, a. a. O., Rn. 13). Aus dem sachlichen Bezug des Dienstvergehens zum konkreten Aufgabenbereich kann sich aber eine Indizwirkung ergeben. Der Beamte wird mit dem ihm übertragenen konkreten Amt identifiziert. Je näher der Bezug des außerdienstlichen Fehlverhaltens eines Beamten zu dem ihm übertragenen Aufgabenbereich ist, umso eher kann davon ausgegangen werden, dass sein Verhalten geeignet ist, das Vertrauen zu beeinträchtigen, welches sein Beruf erfordert (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015, a. a. O., Rn. 20; Urteil vom 24. Oktober 2019, a. a. O., Rn. 13).
Dies zugrunde gelegt, sind im Streitfall die qualifizierenden Anforderungen des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG erfüllt. Mit der Verunglimpfung des Staates und seiner Organe und der Verbreitung kruder Verschwörungstheorien, die zum Teil schon als antisemitisch einzuordnen sind, hat der Beklagte in besonderem Maße das Vertrauen in einer für sein Amt als Polizeibeamter bedeutsamen Weise beeinträchtigt. Der Beklagte hat bei seinen öffentlichen Auftritten zudem immer wieder auch seine Eigenschaft als Polizeibeamter herausgestellt (er bezeichnete sich als „Schutzmann mit Herz und Hirn“, vgl. nur Bericht in der HAZ vom 29. April 2022, S. 18). Damit weisen seine dienstpflichtwidrigen Äußerungen einen so engen Bezug zu seiner Tätigkeit als Polizeivollzugsbeamter bzw. zu seinem Statusamt als Kriminalhauptkommissar auf, dass die disziplinarrechtlich relevante „Erheblichkeitsschwelle“ des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG überschritten ist.
Die öffentlichen Auftritte des Beklagten stellen dessen persönliche Eignung für seine dienstliche Tätigkeit nachhaltig in Frage und sind deshalb geeignet, das Ansehen der Polizei - aber darüber hinaus auch das Vertrauen der Allgemeinheit in das Beamtentum als Sachwalter einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung - in besonderem Maße zu erschüttern.
Nach alledem ist auch das außerdienstlichen Handeln des Beklagten insoweit als außerdienstliches Dienstvergehen zu qualifizieren und bildet mit dem innerdienstlichen Teil ein einheitliches Dienstvergehen.
F.
Das Dienstvergehen des Beamten wiegt so schwer, dass eine Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis erforderlich ist.
Die Disziplinarmaßnahme ist nach den Vorschriften des § 14 Abs. 1 S. 2 NDiszG nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen, wobei entsprechend § 14 Abs. 1 S. 3 NDiszG das Persönlichkeitsbild des Beamten einschließlich seines bisherigen dienstlichen Verhaltens angemessen zu berücksichtigen ist und ferner berücksichtigt werden soll, in welchem Umfang der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit beeinträchtigt hat (§ 14 Abs. 1 S. 4 NDiszG).
Die Entfernung eines aktiven Beamten aus dem auf Lebenszeit begründeten Beamtenverhältnis im Wege des Disziplinarverfahrens setzt dabei ein schweres Dienstvergehen voraus, durch das der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat.
Bei der Gesamtwürdigung sind die im Einzelfall bemessungsrelevanten Tatsachen zu ermitteln und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Bewertung einzubeziehen. Davon ausgehend kommt es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Disziplinarmaßnahme geboten ist (BVerwG, Urteil vom 29. März 2012 - 2 A 11.10 - DokBer 2012, 260 Rn. 72 m.w.N.; (BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 2021 ‒ 2 A 7/21 ‒, Rn. 47, juris). Die gegen den Beamten auszusprechende Disziplinarmaßnahme muss nach alledem in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen. Dabei ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Für die Beurteilung der Schwere des Dienstvergehens sind objektive und subjektive Handlungsmerkmale der Verfehlung, die besonderen Umstände der Tatbegehung und die unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte zu berücksichtigen (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 18. Juni 2013, Az. 20 LD 5/12, S. 26). Zudem kommt es für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme auch auf die persönlichen Verhältnisse und das sonstige dienstliche Verhalten des Beklagten bei und nach dem Dienstvergehen an und insbesondere auch auf die Frage, ob sein Verhalten mit seinem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild übereinstimmt oder davon abweicht (vgl, hierzu umfassend OVG Lüneburg, Urteil vom 18.Juni 2013, a.a.O., S. 27). Bei der Bemessung von Art und Maß der Disziplinarmaßnahme ist dabei eine disziplinarische Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände vorzunehmen.
Ergibt die Gesamtwürdigung, dass das für die Aufrechterhaltung des Beamtenverhältnisses unerlässliche Vertrauensverhältnis zwischen dem Beklagten und dem Dienstherrn endgültig zerstört ist, so ist ein aktiver Beamter nach § 14 Abs. 2 S. 1 NDiszG aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Lediglich in den Fällen, in welchen ein Restvertrauen in den Beamten angenommen werden kann, ist eine Disziplinarmaßnahme unterhalb der Höchstmaßnahme gem. § 14 Abs. 1 S. 1 NDiszG nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmen. Ein verbleibendes Restvertrauen kann im vorliegenden Fall angesichts der Schwere der Verfehlungen jedoch nicht angenommen werden.
Von einem endgültigen Verlust des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit ist dann auszugehen, wenn aufgrund der prognostischen Gesamtwürdigung auf der Grundlage aller im Einzelfall bedeutsamen be- und entlastenden Gesichtspunkte der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig in erheblicher Weise gegen seine Dienstpflichten verstoßen oder die durch sein Fehlverhalten herbeigeführte Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums sei bei einer Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht wiedergutzumachen. Unter diesen Voraussetzungen muss das Beamtenverhältnis im Interesse der Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und der Integrität des Berufsbeamtentums beendet werden (BVerwG, Urteile vom 29. März 2012 - 2 A 11.10 - DokBer 2012, 260 Rn. 73 m.w.N. und vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 - BVerwGE 154, 10 [BVerwG 17.12.2015 - BVerwG 5 C 9.15] Rn. 12 ff.; BVerwG, Urteil vom 02. Dezember 2021 ‒ 2 A 7/21 ‒, Rn. 48, juris).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist hier die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis die erforderliche und angemessene Disziplinarmaßnahme.
Der Beklagte ist 1981, vor über 40 Jahren, in den Polizeidienst des Landes Niedersachsen getreten. Er hat während seiner gesamten Dienstzeit ausweislich der Personalakte als Polizeibeamter Dienst geleistet, der nie Grund zur Beanstandung gegeben hat. Seine Beurteilungen endeten immer mit einer durchschnittlichen, teilweise (das gilt auch für seine letzte dienstliche Beurteilung) auch überdurchschnittlichen Bewertung. Der Beamte ist disziplinarrechtlich nicht vorbelastet. Diese Umstände sind zu seinen Gunsten zu berücksichtigen.
Gleichwohl kann der Beamte nicht im Dienst verbleiben, er ist als Polizeibeamter nicht mehr tragbar. Sein Verhalten lässt einen Ansehensverlust der niedersächsischen Polizei befürchten, sollte er im Dienst verbleiben. Das Vertrauensverhältnis zu seinem Dienstherrn ist endgültig zerstört. Dies beruht auch darauf, dass der Beklagte in einer Vielzahl von Fällen öffentlich in der zu beanstandenden Weise agitiert und dabei immer wieder auch seine Eigenschaft als Polizeibeamter hervorgehoben hat. Als Beamter im Dienst der niedersächsischen Polizei hat sich der Beklagte damit untragbar gemacht. Offenbar hat sich der Beklagte auch innerlich sehr stark von dem Polizeidienst entfernt und kann sich mit seiner Aufgabe als Polizeibeamter nicht mehr identifizieren. Dies hat er auch in der mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht. Seinen Dienst wollte er gleichwohl nicht quittieren. Diese Äußerungen fanden sogar Eingang in die Presseberichterstattung (vgl. HAZ vom 29. April 2022, S. 18).
Der Beklagte hat sich von seinen öffentlichen Äußerungen in der mündlichen Verhandlung auch nicht distanziert. Er hat zwar versucht, bestimmte Äußerungen und Handlungen zu relativieren (etwa durch seine Erklärungsversuche bezüglich der Angabe „Preußen“ als Geburtsstaat oder mit seinen Einlassungen, er habe die in Rede stehenden Verschwörungstheorien etwa über Bunker, die unter dem Flughafen in Berlin oder dem Bahnhof in Stuttgart errichtet worden sind, um dort Flüchtlinge zu verstecken, als solche gar nicht aufgestellt, sondern in den Gesprächen lediglich darüber gesprochen, dass es solche Theorien gäbe), zeigte letztendlich aber keine Einsicht. Von den in Reden, Gesprächen und in Interviews verbreiteten Verschwörungstheorien und Verunglimpfungen des Staates ist der Beklagte nicht abgerückt.
Das Gericht hält die schwerste Disziplinarmaßnahme, die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, für unausweichlich, trotz des bisherigen beanstandungsfreien dienstlichen Verhaltens des Beklagten, weil er das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit seinem Verhalten unwiederbringlich zerstört hat. Wer die Legitimität der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Niedersachsen nicht vorbehaltlos anerkennt, der kann nicht als Polizeibeamter diesem Land dienen; man kann nicht als Beamter Fürsorge von einem Staat erwarten, dessen Regierung von dem Beamten als „Regime“ verunglimpft und dessen Handeln in die Nähe der Naziherrschaft gerückt wird.
Die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis ist auch nicht unverhältnismäßig. Insoweit kommt es nicht auf die finanziellen oder sozialen Auswirkungen der Disziplinarmaßnahme für den Beklagten an. In den Blick zu nehmen sind vielmehr die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zum Dienstherrn, zu der das Fehlverhalten geführt hat, und die dementsprechend ausgesprochene zu verhängende Maßnahme (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 22.06.2010, 20 LD 3108, RdNr. 62). Hat ein Beamter — wie hier ‒ durch ein ihm vorwerfbares Verhalten die Vertrauensgrundlage nachhaltig zerstört, dann ist seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis die einzige Möglichkeit, das durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Beamtenverhältnis einseitig zu beenden, Die allein darin liegende Härte für den Betroffenen ist nicht unverhältnismäßig. Sie beruht vielmehr auf ihm zurechenbarem Verhalten (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 22. Juni 2010, 20 LD 3708, RdNr. 62; vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 24. Februar 2012, 3 A 11426/11, Ziff. 4 der Urteilsgründe).
Der Beklagte ist daher nach §§ 14 Abs. 2 S. 1;11 NDiszG aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
G.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 69 NDiszG, § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.