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  • 19.02.2016 · IWW-Abrufnummer 146391

    Arbeitsgericht Aachen: Urteil vom 30.09.2015 – 2 Ca 1170/15

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    ArbG Aachen, 30.09.2015 - 2 Ca 1170/15
    Tenor:

    1.

    Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 17.03.2015 nicht zum 15.04.2015 aufgelöst ist.
    2.

    Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
    3.

    Der Streitwert wird auf 3.300,00 EUR festgesetzt.

    Tatbestand

    Die Parteien streiten über die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses aufgrund einer ordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung.

    Die am 2.... geborene Klägerin ist bei dem beklagten P. seit dem 01.04.2014 auf Grundlage des am 15.03.2014 schriftlich geschlossenen Arbeitsvertrags als Arzthelferin in dessen Praxis beschäftigt. Die Klägerin bezog in der 25-Stunden-Woche eine monatliche Vergütung von 1.100,00 Euro brutto. Mit ihren Leistungen war der Beklagte ausgesprochen zufrieden. Dies brachte er in der Vergangenheit verschiedentlich zum Ausdruck. Insgesamt sind in der Praxis des Beklagten weniger als 10 Arbeitnehmer beschäftigt.

    Der Beklagte hatte den Ehemann der Klägerin beauftragt mit Umbauarbeiten in seiner Praxis und seinem Privathaus. Am 17.03.2015 kam es hinsichtlich des Werklohns zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Beklagten und dem Ehemann der Klägerin. Das Gespräch führten die beiden am Abend im Privathaus des Ehemannes der Klägerin in Abwesenheit der Klägerin weiter. In welchem Ausmaß es eskalierte, ist zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls versuchte der Beklagte am Ende des Gesprächs erfolglos, dem Ehemann der Klägerin ein vorbereitetes Kündigungsschreiben für die Klägerin zu überreichen. Anschließend warf der Beklagte das Schreiben in den Hausbriefkasten der Klägerin ein. Die Kündigung nahm die Klägerin am Folgetag (18.03.2015) zur Kenntnis. Mit der Kündigung sollte das Arbeitsverhältnis zum 15.04.2015 beendet werden. Wegen der Einzelheiten des Kündigungsschreibens wird auf die zur Akte gereichte Kopie (Blatt 7 der Akte) ergänzend Bezug genommen.

    Mit ihrer am 01.04.2015 erhobenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und macht insbesondere die Unwirksamkeit der Kündigung geltend mit Hinweis darauf, dass auch außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes ein verfassungsrechtlich gebotener Mindestschutz des Arbeitsplatzes bestehe. So seien Arbeitnehmer vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen geschützt. Vorliegend sei die Kündigung ausschließlich aus sachfremden Gründen erfolgt, nämlich wegen Unstimmigkeiten im Werkvertragsverhältnis zu dem Ehemann der Klägerin. Der Beklagte habe im Freundes- und Bekanntenkreis erzählt, er könne wegen der Vorkommnisse mit dem Ehemann der Klägerin mit dieser nicht mehr zusammenarbeiten. Die werkvertraglichen Beziehungen und die daraus resultierenden Probleme zwischen dem Beklagten und dem Ehemann der Klägerin können jedoch keinen Kündigungsgrund für das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin darstellen. Gründe, die in der Person der Klägerin liegen, seien nicht erkennbar.

    Die Klägerin beantragt unter Rücknahme im Übrigen,

    festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 17.03.2015 nicht zum 15.04.2015 aufgelöst sei, sondern zu unveränderten Arbeitsbedingungen fortbesteht.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Die Beklagte behauptet, die Kündigung beruhe nicht auf sachfremden Gründen wie etwa den Vorkommnissen um den Ehemann der Klägerin. Doch selbst wenn dem so wäre, sei dies ohne Belang, da die Klägerin von allen Mitarbeitern zuletzt im Betrieb eingestellt worden sei. Hinzu komme, dass der Beklagte den begründeten Verdacht habe, die Klägerin habe ihn zu Unrecht wegen Abrechnungsbetrugs bei der kassenärztlichen Vereinigung angezeigt. Letztlich räumt der Beklagte schriftsätzlich ausdrücklich ein, dass die Auseinandersetzung mit dem Ehemann der Klägerin für die ausgesprochene Kündigung insoweit eine Rolle spiele, als dass der Beklagte wegen des völligen Zerwürfnisses mit dem Ehemann der Klägerin mit dieser nicht weiter arbeiten möchte.

    Wegen der weitergehenden Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen ergänzend Bezug genommen.
    Entscheidungsgründe

    I.

    Die zulässige Kündigungsschutzklage ist begründet. Die Kündigung vom 17.03.2015 hat das Arbeitsverhältnis nicht zum 15.04.2015 aufgelöst. Die Klägerin kann sich auf die Unwirksamkeit der Kündigung berufen, da sie innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung, nämlich am 01.04.2015, Klage erhoben hat, §§ 4 KSchG.

    Die Kündigung ist auch unwirksam. Die streitgegenständliche Kündigung bedarf nicht der sozialen Rechtfertigung nach § 1 Abs. 2, Abs. 3 KSchG, da der Geltungsbereich des Ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes unstreitig nicht eröffnet ist. Nach § 23 Abs. 1 KSchG findet § 1 KSchG nur Anwendung in Betrieben mit mehr als zehn Arbeitnehmern. Beim Beklagten sind unstreitig nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt.

    Die Kündigung verstößt jedoch gegen Treu und Glauben nach § 242 BGB und ist daher unwirksam.

    Bei Arbeitsverhältnissen, die nicht dem Schutz von § 1 Kündigungsschutzgesetz unterliegen, muss der Arbeitgeber bei seiner Kündigung die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) beachten. Bei der Prüfung der Treuwidrigkeit einer Kündigung ist § 242 BGB im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG auszulegen und anzuwenden (BAG, Urteil vom 05.11.2009 - 2 AZR 383/08): Der Arbeitgeber hat im Fall der Kündigung im Kleinbetrieb ein durch Art. 12 GG gebotenes Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme zu wahren (BAG, Urteil vom 09.02.2005 - 5 AZR 209/04). Eine Kündigung verstößt dann gegen § 242 BGB und ist unwirksam, wenn sie aus Gründen, die von § 1 Kündigungsschutzgesetz nicht erfasst werden, Treu und Glauben verletzt. Die Vorschrift des § 242 BGB ist auf Kündigungen neben § 1 KSchG nur in beschränktem Umfang anwendbar. Eine Kündigung verstößt deshalb in der Regel nur dann gegen § 242 BGB, wenn sie Treu und Glauben aus Gründen verletzt, die von § 1 Kündigungsschutzgesetz nicht erfasst sind. Es geht vor allem darum, Arbeitnehmer vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen zu schützen. Der Vorwurf willkürlicher, sachfremder oder diskriminierender Ausübung des Kündigungsrechts scheidet aus, wenn ein irgendwie einleuchtender Grund für die Rechtsausübung vorliegt (BAG 28. August 2003 - 2 AZR 333/02 - AP Nr. 2. zu § 242 BGB Kündigung).

    Vorliegend liegt eine treuwidrige Kündigung im dargestellten Sinne vor. Der Beklagte räumt selbst ein, dass die Auseinandersetzung mit dem Ehemann der Klägerin für die ausgesprochene Kündigung insoweit eine Rolle spiele, als dass der Beklagte wegen des völligen Zerwürfnisses mit dem Ehemann der Klägerin mit dieser nicht weiter arbeiten möchte. Damit begründet er die Kündigung mit Umständen, die ausschließlich in der Person des Ehemannes der Klägerin liegen. Diese sind aber entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten nicht automatisch auch Gründe in der Person der Klägerin. Beide Rechtssphären sind getrennt voneinander zu betrachten. Das Fehlverhalten des Ehemannes einer Arbeitnehmerin gegenüber dem Arbeitgeber ist dieser kündigungsrechtlich nicht zuzurechnen. Kündigt der Arbeitgeber gleichwohl, erfolgt die Kündigung aus sachwidrigen Gründen und ist unwirksam. Der Beklagte hat auch keine anderweitigen Gründe in schlüssiger Weise angeführt, auf die er eine Kündigung berechtigterweise stützen könnte. Der Hinweis auf eine angebliche Anzeige der Klägerin bei der Kassenärztlichen Vereinigung ist viel zu pauschal, als das sie ernstlich in Erwägung gezogen werden könnte. Auch betriebliche Gründe sind nicht ansatzweise dargelegt.

    Es verbleibt also dabei, dass die Kündigung auf sachwidrigen Gründen beruht und daher unwirksam ist. Das Arbeitsverhältnis ist nicht beendet.

    II.

    Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte als unterlegene Partei gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 Abs. 1 ZPO zu tragen. Der zurück genommene Antrag zu 2) war hierbei nicht zu berücksichtigen.

    III.

    Der gemäß § 61 Abs. 1 ZPO im Urteil festzusetzende Streitwert wurde gemäß § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG auf drei Bruttomonatsgehälter festgesetzt.

    Vorschriften§ 23 Abs. 1 KSchG § 242 KSchG