14.07.2017 · IWW-Abrufnummer 195146
Verwaltungsgericht Berlin: Urteil vom 01.06.2017 – VG 5 K 219.16
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
VG 5 K 219.16
Verkündet am 1. Juni 2017
VERWALTUNGSGERICHT BERLIN
URTEIL
Im Namen des Volkes
In der Verwaltungsstreitsache
Klägerin,
Verfahrensbevollmächtigte:
g e g e n
das Land Berlin,
vertreten durch den Polizeipräsidenten in Berlin,
Justiziariat
Keibelstraße 36, 10178 Berlin,
Beklagten,
hat das Verwaltungsgericht Berlin, 5. Kammer, aufgrund
der mündlichen Verhandlung vom 1. Juni 2017 durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Rüsch,
den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Reinke,
die Richterin am Verwaltungsgericht Künkel-Brücher,
die ehrenamtliche Richterin Ribbeck und
den ehrenamtlichen Richter Malcharzyk
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110
vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn
nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert
des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die im N_____ geborene Klägerin, die eine Körpergröße von
154 cm aufweist, bewarb sich im Juli 2016 um die Einstellung in den gehobenen
Dienst der Kriminalpolizei zum Einstellungstermin 3. April 2017. Mit Bescheid
vom 20. Juli 2016 lehnte der Polizeipräsident in Berlin die Bewerbung mit der
Begründung ab, die Klägerin unterschreite die für die Laufbahn vorgeschriebene
Mindestgröße.
Nach den Vorgaben des Beklagten für eine Einstellung in den gehobenen Polizeivollzugsdienst müssen Bewerberinnen mindestens 160 cm und Bewerber mindestens 165 cm groß sein.
Gegen den Bescheid hat die Klägerin Klage erhoben und gleichzeitig einen Antrag
auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt (5 L 218.16), den das Gericht mit
Beschluss vom 9. Dezember 2016 mangels Glaubhaftmachung eines
Anordnungsanspruchs abgelehnt hat; zur Begründung hat es im Wesentlichen
ausgeführt, die vom Beklagten vorgesehene Mindestkörpergröße von 160 cm für
Polizeivollzugsbeamtinnen sei zur Bewältigung polizeilicher Aufgaben und
angesichts der Notwendigkeit, sich in körperlichen Auseinandersetzungen und bei
der Anwendung körperlichen Zwangs durch die erfolgreiche Anwendung von Halte-
und Hebeltechniken durchsetzen zu können, gerechtfertigt. Die Beschwerde der
Klägerin gegen diesen Beschluss hat das Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 27. Januar 2017 (4 S 48.16)
zurückgewiesen.
Die Klägerin macht geltend, sie wegen ihrer Körpergröße auszuschließen stelle
einen Eingriff in ihr Recht aus Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes dar, für den
es an einer gesetzlichen Grundlage fehle. Es gehe um ihre gesundheitliche
Eignung, für deren Feststellung dem Beklagten kein Beurteilungsspielraum
zustehe. Die „ärztliche Beurteilung der Polizeidiensttauglichkeit und der
Polizeidienstfähigkeit – PDV 300“ rechtfertige allein einen Ausschluss wegen
krankhaften Kleinwuchses, der erst bei einer Körpergröße unter 150 cm vorliege,
bei Frauen teilweise sogar erst ab einer Körpergröße unter 140 cm angenommen
werde. Der Beklagte habe nicht dokumentiert und dargelegt, dass
Polizeibeamtinnen mit einer Größe von 154 cm Halte- und Hebeltechniken nicht in
gleicher Weise effektiv anwenden könnten wie solche, die 160 cm groß seien. Dem
Gericht sei es verwehrt, auf physikalische Gesetzmäßigkeiten abzustellen, da
ihm insoweit der erforderliche Sachverstand fehle. Die Argumentation mit Halte-
und Hebeltechniken sei auch nicht schlüssig, da der Beklagte von Männern eine
Mindestgröße von 165 cm fordere. Seine Anforderungen stellten im Übrigen eine
mittelbare Diskriminierung von Frauen dar. Weiter nimmt die Klägerin Bezug auf
Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen (Urteil vom 14. März 2016
– 1 K 3788/14 – juris) und des Verwaltungsgerichts Schleswig (Urteil vom 26.
März 2015 – 12 A 120/14 – juris).
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass der Bescheid des Polizeipräsidenten in Berlin vom
20. Juli 2016 rechtswidrig gewesen ist.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die Festlegung einer Mindestgröße für Frauen auf 160 cm für sachgerecht, da von Polizeibeamtinnen und -beamten ein Erscheinungsbild gefordert werden könne, das ihre körperliche Kraft und Durchsetzungsfähigkeit widerspiegele. Erforderlich sei zudem, dass die Beamten in körperlichen Auseinandersetzungen bestehen und erfolgreich unmittelbaren Zwang anwenden könnten. Im Übrigen verweist der Beklagte auf den Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25. August 2016 – 1 B 976/16 – (veröffentlicht bei juris).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs des Beklagten, der vorgelegen hat
und – soweit erheblich – Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist,
verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Sie ist zwar als Fortsetzungsfeststellungklage zulässig. Die
ursprünglich erhobene Verpflichtungsklage ist, nachdem der Einstellungstermin
3. April 2017, für den die Klägerin sich beworben hatte, verstrichen war,
unzulässig geworden. Werden Stellen für Beamte – wie hier – zu regelmäßig
wiederkehrenden Zeitpunkten ausgeschrieben und besetzt, so erlischt der
materielle Einstellungsanspruch mit dem Verstreichen des
Einstellungszeitpunktes und der Besetzung der Stellen durch andere Bewerber
(vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Februar 2010 – 2 C 22.09 – juris Rn. 19). Mit
der Erledigung des ursprünglichen Einstellungsbegehrens durch Verstreichen des
Einstellungstermins ist nur noch eine Fortsetzungsfeststellungsklage in
analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung
– VwGO – statthaft (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. September 2009 – 2 C 31/08
– juris Rn. 12).
Das erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse ergibt
sich aus einer Wiederholungsgefahr. Die Klägerin hat in der mündlichen
Verhandlung dargetan, dass sie weiterhin an einer Einstellung in den gehobenen
Polizeivollzugsdienst interessiert ist. Sie würde aber bei einer erneuten
Bewerbung mit der gleichen Begründung wie im Bescheid vom 20. Juli 2016
abgelehnt werden. Darauf, zu jedem Einstellungstermin erneut einen
Einstellungsantrag zu stellen und nach dessen Ablehnung das Gericht mit einer
Verpflichtungsklage anzurufen, muss sie sich nicht verweisen lassen (vgl.
BVerwG, Urteil vom 24. September 2009, a.a.O., Rn. 12).
Die Klage ist aber unbegründet.
Die Ablehnung der Einstellung der Klägerin in den gehobenen Dienst der
Kriminalpolizei durch den Bescheid des Polizeipräsidenten in Berlin vom
20. Juli 2016 war rechtmäßig und verletzte sie nicht in ihren Rechten. Zum
Zeitpunkt der Erledigung – dem Verstreichen des Einstellungstermins am 3. April
2017 – stand ihr ein Anspruch auf Einstellung oder zumindest Neubescheidung
ihrer Bewerbung nicht zu.
Weder Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes – GG –, nach dem
jeder Deutsche nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung gleichen Zugang
zu jedem öffentlichen Amt hat, noch die zu seiner Konkretisierung ergangenen
beamtenrechtlichen Vorschriften gewähren einen Anspruch auf Begründung eines
Beamtenverhältnisses. Die Ernennung eines Bewerbers zum Beamten auf Widerruf
(vgl. § 6 Satz 1 der Verordnung über die Laufbahnen der Beamtinnen und Beamten
des Polizeivollzugsdienstes – Schutzpolizei, Kriminalpolizei,
Gewerbeaußendienst – [Pol-LVO]) steht vielmehr im pflichtgemäßen Ermessen des
Dienstherrn, der innerhalb des ihm durch die verfassungsrechtlichen
beamtenrechtlichen Vorschriften gesetzten Rahmens sowohl den Bedarf an Beamten
als auch die aus seiner Sicht maßgeblichen Eignungs-, Befähigungs- und
Leistungskriterien im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG bestimmen kann.
Das Zugangskriterium der Eignung im Sinne des Art. 33 Abs. 2
GG umfasst die gesamte Persönlichkeit des Bewerbers; bei der geforderten
Eignungsbeurteilung hat der Dienstherr immer auch eine Entscheidung darüber zu
treffen, ob der Bewerber den Anforderungen des jeweiligen Amtes in körperlicher
Hinsicht entspricht, was nicht allein die gesundheitliche Eignung meint (vgl. §
5 Nr. 4 Pol-LVO; vgl. insoweit auch BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015 – 2
BvR 1322/12 u.a. – juris Rn. 59, 68, 76; Hessischer VGH, Beschluss vom 25.
August 2016 – 1 B 976/16 – juris Rn. 19). Entscheidend für die Beurteilung der
körperlichen Eignung sind die Anforderungen der jeweiligen Laufbahn, die der
Dienstherr bestimmt. Hierbei steht ihm ein weiter Einschätzungsspielraum zu,
bei dessen Wahrnehmung er sich am typischen Aufgabenbereich der Ämter der
Laufbahn zu orientieren hat; die vom Dienstherrn getroffenen Vorgaben bilden
den Maßstab, an dem die individuellen körperlichen Fähigkeiten der Bewerber zu
messen sind (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. Juli 2013 – 2 C 12.11 und 2 C
18.12 – juris Rn. 12; Urteil vom 30. Oktober 2013 – 2 C 16.12 – juris Rn.
18).
Die vom Beklagten geforderte Mindestkörpergröße zielt auf
die körperliche Eignung des Bewerbers für den Polizeivollzugsdienst ab (vgl.
auch Hessischer VGH, a.a.O., Rn. 19; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 14. März
2015 – 1 K 3788/14 – juris Rn. 45 f.). Sie betrifft die physischen Fähigkeiten
des Beamten und sein körperliches Erscheinungsbild. Der Beklagte geht davon
aus, dass die Erfüllung vollzugspolizeilicher Aufgaben eine gewisse Körpergröße
der Beamtinnen und Beamten erfordert, um in körperlichen Auseinandersetzungen
bestehen und nach außen körperliche Kraft und Durchsetzungsfähigkeit vermitteln
zu können.
Als körperliches Eignungskriterium im Sinne des Art. 33 Abs.
2 GG ist es damit Sache des Beklagten als mit einem weiten
Beurteilungsspielraum ausgestatteten Dienstherrn, die Anforderungen an eine
Mindestgrößen auszugestalten und Vorgaben zu machen. Anders als bei
Einstellungshöchstaltersgrenzen, die in der Regel ältere Bewerber ohne
Rücksicht auf Eignung, fachliche Leistung und Befähigung von der Verbeamtung
ausschließen und deshalb – soweit das Alter nicht (wie gerade beim Militär-
oder Polizeidienst) ausnahmsweise als Indikator für die Tauglichkeit des
Beamten zu amtsangemessenen, funktionsgerechten Leistungen dient – einen
Eingriff in Art. 33 Abs. 2 GG darstellen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. April
2015, a.a.O., Rn. 68, 76 f.), bedarf die Festlegung einer Mindestgröße keiner
gesetzlichen Grundlage.
Die Vorgaben an die Mindestgröße sind vom Beklagten
getroffen worden durch den Erlass vom 26. März 2013 über die Einführung
der PDV 300 – Ausgabe 2012 – „Ärztliche Beurteilung der
Polizeidiensttauglichkeit und der Polizeidienstfähigkeit“, nach deren Anlage 1,
Nr. 1.3., sich die Beurteilung der Körperlänge der Bewerber nach den vom
Dienstherrn erlassenen Bestimmungen richtet, und das Anforderungsprofil
„Einstellung in den gehobenen Polizeivollzugsdienst (gPVD)“ (vgl. dazu § 4 Abs.
1 des Gesetzes über die Laufbahnen der Beamtinnen und Beamten [Laufbahngesetz –
LfbG]), wonach Bewerberinnen für den gehobenen Polizeivollzugsdienst mindestens
160 cm groß sein müssen. Hiermit hat der Beklagte im Rahmen des ihm zustehenden
Einschätzungsspielraums die körperlichen Anforderungen für die
Laufbahnbewerberinnen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise inhaltlich
konkretisiert. Anders als die Klägerin meint, hat er sich durch die Einführung
der PDV 300, die in der Anlage 1 unter der Nummer 1.3.1 als ein die
Polizeidiensttauglichkeit ausschließendes Merkmal „Kleinwuchs“ benennt, nicht
darauf festgelegt, dass nur das krankhaft verminderte Längenwachstum, also bei
Frauen einen Körpergröße unter 140 cm (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch,
261. Auflage) bzw. 150 cm (wikipedia), einen Ausschlussgrund begründet. Das
Merkmal „Kleinwuchs“ steht selbständig neben der Vorgabe in Nr. 1.3., wonach
der Dienstherr die Bestimmungen für die erforderliche Körperlänge der Bewerber
erlässt; der krankhafte Kleinwuchs stellt ohne Weiteres einen absoluten
Ausschlussgrund dar, während sich außerhalb dieses Krankheitsbildes der
Dienstherr zu den erforderlichen Mindestgrößen verhält (vgl. hierzu auch
Hessischer VGH, a.a.O., Rn 12; Masuch, ZBR 2017, 81 <86>).
Die Festlegung der Mindestgröße auf 160 cm erweist sich auch
als sachgerecht und beurteilungsfehlerfrei.
Der Beklagte verweist insoweit zum einen auf die
(individuelle) Durchsetzungsfähigkeit von Polizeibeamten in körperlichen
Auseinandersetzungen. Nach der von ihm für maßgeblich erklärten PDV 300, Ziffer
1.2., müssen – ohne weiteres einleuchtend – die Leistungsfähigkeit und
Belastbarkeit der Bewerber für den Polizeivollzugsdienst insbesondere den
körperlichen Einsatz gegen Personen und die Anwendung unmittelbaren Zwangs
zulassen. Dass für die Durchsetzungsfähigkeit bei körperlichen
Auseinandersetzungen und für die Anwendung unmittelbaren Zwangs neben
erlernbaren Kenntnissen der Anwendung von Halte- und Hebeltechniken gewisse
körperliche Mindestvoraussetzungen erfüllt sein müssen, um diese erfolgreich
gegenüber Personen anwenden zu können, ist offenkundig. Es ist auch
offenkundig, dass die erfolgreiche Anwendung von Halte- und Hebeltechniken,
durch die eine Person zu Fall gebracht oder fixiert werden soll, bei ansonsten
gleich guter technischer Beherrschung schwieriger ist, wenn die derartige
Techniken anwendende Person erheblich kleiner ist als ihr Gegenüber. Das ergibt
sich aufgrund von nach allgemeiner Lebenserfahrung in ihrer Wirkungsweise bekannten
physikalischen Gesetzmäßigkeiten und ist für jedermann ohne weiteres erkennbar.
Eines besonderen Nachweises der nachteiligen Auswirkung einer nicht unerheblich
geringeren Körpergröße für die effektive Anwendung von Halte- und
Hebeltechniken bei der Überwältigung einer körperlich größeren Person bedarf es
deshalb nicht.
Auch die Festlegung der Mindestgröße auf 160 cm erweist sich
angesichts der statistischen Körpergröße von Männern und Frauen, die deutlich
über dieser Mindestgröße liegt, als sachgerecht. Nach dem Ergebnis des
Mikrozensus 2013, abrufbar unter
https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Gesundheit/GesundheitszustandRelevantesVerhalten/Tabellen/Koerpermasse.html)
beträgt die durchschnittliche Körpergröße von 18- bis 50-jährigen Männern
zwischen 180 cm und 181 cm und die von 18- bis 50-jährigen Frauen zwischen 167
cm und 168 cm. Aus der Statistik des Sozio-Ökonomischen Panels zur Größe der
Zwanzigjährigen in Deutschland ergibt sich, dass 99,5 % bzw. 88,2 %
der männlichen und 83,7 % bzw. 64,6 % der weiblichen Zwanzigjährigen
160 cm und größer bzw. 170 cm und größer sind (vgl. zu allem Hessischer VGH,
a.a.O., Rn. 20 ff.).
Mit Blick darauf, dass sich die statistische Körpergrößenverteilung ohne weiteres aus allgemein zugänglichen Quellen erschließt und die negativen Auswirkungen einer deutlich geringeren Körpergröße bei der Anwendung von Halte- und Hebeltechniken gegen körperlich größere Personen aufgrund physikalischer Gesetzmäßigkeiten offenkundig ist, kann dem Beklagten nicht vorgehalten werden, es fehle, wie das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen in seinem von der Klägerin in Bezug genommenen Urteil vom 14. März 2016 (– 1 K 3788/14 – juris Rn. 59 ff.) rügt, an einem hinreichend fundierten und nachvollziehbaren Verfahren zur Ermittlung der Mindestgröße (vgl. Hessischer VGH, a.a.O., Rn. 27). Angesichts der Offenkundigkeit bedarf es auch nicht der Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Gericht.
Im Übrigen unterscheidet sich der vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen entschiedene Fall vom vorliegenden, weil es dort um die Rechtmäßigkeit einer für Männer geltenden Mindestgröße von 168 cm ging. Gleiches gilt für den von der Klägerin ebenfalls in Bezug genommenen, vom Verwaltungsgericht Schleswig mit Urteil vom 26. März 2015 – 12 A 120/14 – (ebenfalls veröffentlicht bei juris) entschiedenen Fall, in welchem von weiblichen Bewerbern eine Mindestgröße von 163 cm gefordert wurde.
Vorliegend unterschreitet die Klägerin hingegen die vom Beklagten rechtmäßig geforderten 160 cm sogar um 6 cm. Angesichts der obigen Ausführung liegen die negativen Auswirkungen ihrer Körpergröße bei körperlichen Auseinandersetzungen und der Anwendung unmittelbaren Zwangs auf der Hand. Ob dies bei der für Männer in Berlin geltenden Mindestgröße von 165 cm ebenso der Fall ist, ist für die Frage der Rechtmäßigkeit des Ausschlusses der Klägerin ohne Belang.
Der Beklagte verweist hinsichtlich der Festlegung der Mindestgröße zum anderen auf das „Vorfeld“ körperlicher Auseinandersetzungen und den äußeren Eindruck der Polizeibeamten; unterhalb einer Körpergröße von 160 cm böten Polizeibeamtinnen nicht mehr ein Erscheinungsbild, das ihre körperliche Kraft und Durchsetzungsfähigkeit widerspiegele. Auch hiergegen ist mit Blick auf die mit dem Polizeivollzugsdienst einhergehende Bewältigung von Konfliktsituationen und Konfrontation mit Aggressoren nichts zu erinnern (vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Juli 2011 – 4 S 15.11 – und VG Berlin, Beschluss vom 11. März 2011 – 36 L 65.11 –). Angesichts der dargestellten statistischen Körpergrößenverteilung erschließt sich ohne Weiteres, dass Polizistinnen unter 160 cm „auffallen“ und wegen der beschriebenen offensichtlichen Nachteile, die mit einer geringen Körpergröße in einer körperlichen Auseinandersetzung verbunden sind, als „schwache Stelle“ und unterlegen wahrgenommen werden. Es drängt sich daher auf, dass sie damit auch eher und bevorzugt Ziel von Widerstandshandlungen und aggressivem Verhalten wären. Für die Klägerin mit einer Körpergröße von nur 154 cm gilt dies in besonderem Maße.
Mit der starren Mindestgrößenvorgabe für Frauen von 160 cm und dem Ausschluss kleinerer Frauen vom öffentlichen Amt einer Polizeivollzugsbeamtin, insbesondere dem Ausschluss der Klägerin, die die geforderte Körpergröße um 6 cm unterschreitet, verletzt der Beklagte auch nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Ausschluss ist geeignet, die effektive Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben sicherzustellen; ein milderes, in gleicher Weise effektives Mittel ist nicht erkennbar. Die Maßnahme erweist sich auch als verhältnismäßig im engeren Sinne: Im Rahmen der widerstreitenden Interessen kommt einer möglichst störungsfreien Bewältigung polizeilicher Aufgaben, bei der es um die Abwehr von Gefahren für unter Umständen hochrangige Rechtsgüter wie Leib und Leben geht, eine höhere Bedeutung zu, als dem Interesse der Klägerin am Zugang zum Polizeivollzugsdienst.
Ohne Belang ist, dass im Land Bremen und für die Bundespolizei keine Vorgaben für eine Mindestkörpergröße der Bewerberinnen und Bewerber existieren. Maßgeblich ist allein, ob der Beklagte den ihm eröffneten Beurteilungsspielraum verletzt hat, was, wie dargestellt, zu verneinen ist. Nur am Rande sei darauf hingewiesen, dass die in Berlin festgelegte Mindestgröße im Vergleich zu den Bundesländern, die eine solche ebenfalls geregelt haben, und den Vorgaben für eine Einstellung beim Bundeskriminalamt an der untersten Grenze liegt (vgl. die Übersicht bei Masuch, a.a.O., S. 82, im Übrigen auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Juli 2011, a.a.O., BA S. 4).
Soweit die Klägerin auf eine mittelbare Ungleichbehandlung und faktische Benachteiligung von Frauen verweist, ist dies wegen des vom Beklagten verfolgten Ziels der ordnungsgemäßen Erfüllung polizeilicher Aufgaben und des Vorliegens sachlicher Gründe – die effektive Ausführbarkeit körperlicher Fixierungs- und Festnahmetechniken und die Vermittlung polizeilicher Durchsetzungsfähigkeit –, die nichts mit geschlechtsbezogener Benachteiligung zu tun haben, mit Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 GG, § 2 Abs. 2 des Landesgleichstellungsgesetz – LGG –, §§ 24, 1 und 2 des Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz – AGG – vereinbar (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Januar, a.a.O., S. 7; Hessischer VGH, a.a.O., Rn. 26). Dass mit einer starren Mindestgrößenvorgabe gewisse Härten einhergehen, ist ebenso wie bei der Regelung bestimmter Lebenssachverhalte durch Stichtage (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2015 – 2 C 46/13 – juris Rn. 12) hinzunehmen (vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Januar 2017 – 4 S 48.16 – UA S. 6). Zudem bewegt sich die Klägerin mit einer Körpergröße von 154 cm nicht im Grenzbereich der starren Größenvorgabe, sondern unterschreitet diese beträchtlich.
Durfte nach all dem der Beklagte zu Recht die Klägerin als für den gehobenen
Polizeivollzugsdienst ungeeignet halten, durfte er auch ihre Bewerbung
ablehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die
Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem
Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des
Urteils schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung über den
elektronischen Rechtsverkehr mit der Justiz im Lande Berlin vom 27. Dezember
2006, GVBl. S. 1183, in der Fassung der Zweiten Änderungsverordnung vom 9.
Dezember 2009, GVBl. S. 881) zu beantragen. Der Antrag ist bei dem
Verwaltungsgericht Berlin, Kirchstraße 7, 10557 Berlin zu stellen. Er muss das
angefochtene Urteil bezeichnen.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe
schriftlich oder in elektronischer Form darzulegen, aus denen die Berufung
zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag
vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg,
Hardenbergstraße 31, 10623 Berlin, einzureichen.
Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten durch
Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf
Zulassung der Berufung. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer
an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates
der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den
Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt
zugelassen. Darüber hinaus können auch die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis
7 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneten Personen und Organisationen
auftreten. Ein als Bevollmächtigter zugelassener Beteiligter kann sich selbst
vertreten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts
einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben
gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch Beschäftigte mit Befähigung zum
Richteramt vertreten lassen; das Beschäftigungsverhältnis kann auch zu einer
anderen Behörde, juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem der
genannten Zusammenschlüsse bestehen. Richter dürfen nicht vor dem Gericht,
ehrenamtliche Richter nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie
angehören.