23.04.2018 · IWW-Abrufnummer 200790
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 22.03.2017 – 15 Sa 1992/16
1. Die Beitreibungskostenpauschale von 40 € gemäß § 288 Abs. 5 BGB kann auch im Arbeitsverhältnis verlangt werden.
2. Bei fehlerhafter oder unterlassener Abrechnung fällt sie in der Regel monatlich erneut an.
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Urt. v. 22.03.2017
Az.: 15 Sa 1992/16
Tenor:
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 22. September 2016 - 4 Ca 16755/15 - teilweise abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 120,-- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 10.12.2015 zu zahlen.
2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits I. Instanz haben der Kläger zu 82 % und die Beklagte zu 18 % zu tragen; die Berufungskosten hat der Kläger allein zu tragen.
III. Die Revision wird für den Kläger im Umfang von 120,-- € zugelassen. Im Übrigen wird sie nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten - soweit für die Berufungsinstanz noch von Relevanz - über weitere Vergütungsdifferenzen für die Monate September bis November 2015 und die Zahlung einer Beitreibungskostenpauschale in Höhe von insgesamt 120,00 €.
Hinsichtlich des unstreitigen Sachverhalts, des Vorbringens der Parteien in der I. Instanz und die Antragstellung wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Mit Urteil vom 22.09.2016 hat das Arbeitsgericht Berlin rechtskräftig festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien bis zum 30.11.2015 angedauert hatte. Hinsichtlich der vom Kläger begehrten Vergütungsdifferenzen ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass mangels Festlegung einer wöchentlichen Arbeitszeit gemäß § 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG fiktiv von einer 10-stündigen Arbeitswoche auszugehen sei. Auf dieser Basis hat es dem Kläger für September 2015 221,00 € brutto abzgl. 106,42 € netto, für Oktober 2015 374,00 € brutto abzgl. 264,64 € netto, für November 2015 368,31 € brutto und als Urlaubsabgeltung 85,00 € brutto zugesprochen. Die Verurteilung zur Zahlung einer Beitreibungskostenpauschale gemäß § 288 Abs. 5 BGB hat das Arbeitsgericht Berlin mit der Begründung abgelehnt, dass die Beklagte den Verzug der Lohnzahlung nicht zu vertreten habe. Es hätten unterschiedliche Rechtsauffassungen der Parteien vorgelegen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung des Klägers. Er ist weiterhin der Ansicht, dass zwischen den Parteien tatsächlich ein Vollzeitarbeitsverhältnis auf Basis von 48 Stunden pro Woche vereinbart worden sei. Hieraus ergäben sich die weiteren Vergütungszahlungen, die er begehre. Jedenfalls könne § 12 TzBfG nicht angewendet werden, da es sich bei dem gesetzlichen Modell um eine unzulässige Tagelöhnerei handele. Lege man stattdessen die tatsächlich geleistete Arbeit in der Zeit vom 28.09.2015 bis 19.10.2015 (48,5 Stunden) zugrunde, dann habe er durchschnittlich 14 Wochenstunden gearbeitet. Bei der begehrten Zahlung von 120,00 € komme es nicht darauf an, ob die Arbeitgeberin die Verzögerung der Zahlung zu vertreten habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 22.09.2016 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn
1. für September 2015 weitere 663,00 € brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.10.2015,
2. für Oktober 2015 weitere 1.462,00 € brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.11.2015,
3. für November 2015 weitere 1.331,69 € brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.12.2015,
4. als Urlaubsabgeltung weitere 272,00 € brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.12.2015 und
5. als Schadensersatz weitere 120,00 € netto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist darauf, dass die Parteien das Arbeitsverhältnis als Teilzeitarbeitsverhältnis gelebt hätten. Im Übrigen habe der Kläger mit E-Mail vom 23.08.2015 eine Tätigkeit auf Minijob Basis gesucht.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers ist zulässig, aber nur i.H.v. 120,00 € begründet. Weitere Ansprüche stehen ihm nicht zu, so dass die weitere Berufung zurückzuweisen war.
1. Die Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger 120,00 € gemäß § 288 Abs. 5 BGB zu zahlen.
1.1. Die Beitreibungskostenpauschale von 40,00 € gemäß § 288 Abs. 5 BGB kann auch im Arbeitsverhältnis verlangt werden.
Vereinzelt wird die Auffassung vertreten, § 12a ArbGG sei eine spezialgesetzliche Ausnahmeregelungen, so dass der Anwendungsbereich des § 288 Abs. 5 BGB nicht eröffnet sei (Diller NZA 2015, 1095, 1096; Arbeitsgericht Düsseldorf 12.05.2016 - 2 Ca 5416/15). Überwiegend wird hingegen aus der Gesetzesgeschichte, der systematischen und teleologischen Auslegung gefolgert, dass § 288 Abs. 5 BGB auch im Arbeitsverhältnis Anwendung findet (LAG Baden-Württemberg 13.10.2016 - 3 Sa 34/16 - juris; LAG Köln 22.11.2016 - 12 Sa 524/16 - juris; Lembke NZA 2016, 1501, 1505; Stein AuR 2017, 13,17). Die hiesige Kammer geht ebenfalls davon aus, dass sich nicht genügend Anhaltspunkte dafür finden lassen, dass die Neuregelung des BGB im Arbeitsrecht keine Anwendung finden soll.
1.2. Die Beklagte befand sich mit der Zahlung des Entgelts für September, Oktober und November 2015 in Verzug. Dies steht aufgrund des insoweit rechtskräftigen Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 22.09.2016 fest. Im Gegensatz zur Auffassung des Arbeitsgerichts Berlin kann die Beklagte sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie den Verzug nicht zu vertreten habe. Gemäß § 286 Abs. 4 BGB kommt der Schuldner nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstandes unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat. Hierfür reichen unterschiedliche Rechtsauffassungen oder auch ein Rechtsirrtum nicht aus. Der Schuldner ist vielmehr verpflichtet, sich kompetenten Rechtsrat einzuholen und die Rechtsprechung gründlich auszuwerten (Palandt § 276 BGB Rn. 22). Die Rechtslage muss objektiv zweifelhaft sein oder der Schuldner muss sich auf höchstrichterliche Rechtsprechung berufen können (Stein AuR 2017, 13,14). All diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Schon im Hinblick auf § 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG hätte der Beklagten klar sein müssen, dass sie angesichts der Gestaltung des Arbeitsvertrages nicht nur die tatsächlich geleisteten Stunden bezahlen muss. In Anbetracht von § 622 BGB konnte kein Zweifel bestehen, dass die arbeitsvertraglich gewählte Kündigungsfrist zu kurz bemessen war.
1.3. Die Beitreibungskostenpauschale von 40,00 € ist auch für jeden Monat erneut zu zahlen. Bei fehlerhafter oder unterlassener Abrechnung fällt sie in der Regel monatlich erneut an. Mit der Kostenpauschale soll auch der Ärger und die aufgewendete Arbeitszeit kompensiert werden, obwohl solche Nachteile bisher nicht als schadensersatzfähig galten (Stein AuR 2017, 13,16). Das Arbeitsentgelt war auch hier monatlich zu zahlen (§ 614 BGB). Insofern musste der Kläger auch monatlich kontrollieren und gegebenenfalls berechnen, welche Ansprüche ihm seiner Ansicht nach noch zustanden. Da die Beklagte in 3 Monaten das Entgelt nicht in voller Höhe ausgezahlt hatte, ist die Pauschale in Höhe von insgesamt 120,00 € zu zahlen.
1.4. Es kann offen bleiben, ob die Beklagte mit der Zahlung der Beitreibungspauschale sich in Verzug befand. Dies ist hier durchaus zweifelhaft, denn es fehlt an einer höchstrichterlichen Rechtsprechung dazu, ob diese Pauschale auch im Arbeitsverhältnis zur Anwendung kommt. Trotzdem kann der Kläger eine Verzinsung verlangen. Insofern stehen ihm Prozesszinsen gemäß § 291 BGB zu. Mehr hat der Kläger vorliegend nicht geltend gemacht.
1.5. Dem Anspruch steht auch nicht § 288 Abs. 5 S. 3 BGB entgegen. Danach ist die Pauschale auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
Vorliegend ist schon nicht ersichtlich, dass der Kläger im Rahmen eines Kostenerstattungsanspruchs gegenüber der Beklagten Rechtsverfolgungskosten geltend machen könnte. Wegen § 12a ArbGG können erstattungsfähige Rechtsverfolgungskosten in der I. Instanz nicht angefallen sein. Das Gleiche gilt für die Rechtsverfolgungskosten in der II. Instanz, da der Kläger nach dem hiesigen Kostenausspruch sämtliche Berufungskosten zu tragen hat.
Darüber hinaus erfolgt eine Anrechnung nur im Rahmen eines Kostenerstattungsanspruchs (Stein AuR 2017, 13,16). Insofern kann eine Verrechnung nicht schon im hiesigen Erkenntnisverfahren stattfinden.
2. Die weitergehenden Zahlungsansprüche des Klägers sind nicht begründet. Unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ist ersichtlich, dass dem Kläger für die Dauer seines Arbeitsverhältnisses mehr als 10 Stunden pro Woche zu vergüten gewesen wären.
2.1. Es ist nicht ersichtlich, dass die Parteien ein Vollzeitarbeitsverhältnis auf Basis von 48 Wochenstunden vereinbart hätten.
Schon aus der von der Beklagten vorgelegten E-Mail des Klägers vom 23.08.2015 ergibt sich, dass dieser einen Einstieg auf Minijobbasis begehrte. Hierfür spricht auch die Überschrift des Arbeitsvertrages: "kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit (Minijob)". Nach § 7 versichert der Arbeitnehmer ferner, "keiner weiteren geringfügigen Beschäftigung nachzugehen". All dies macht keinen Sinn bei einer Vollzeitbeschäftigung.
Soweit in § 11 geregelt ist, dass der Arbeitnehmer "seine ganze Arbeitskraft dem Unternehmen gewissenhaft zu widmen" hat, folgt daraus nichts anderes. Dies kann auch dahingehend verstanden werden, dass während des Teilzeitverhältnisses der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft voll einzubringen hat, er also seine Leistungsfähigkeit nicht zurückhalten darf.
Aus all dem kann allenfalls entnommen werden, dass die Parteien hinsichtlich der Arbeitszeit maximal ein Volumen festlegen wollten, das dem eines Minijobs entspricht.
2.2. Es ist nicht ersichtlich, dass dem Kläger im Rahmen des Teilzeitarbeitsverhältnisses eine Vergütung für mehr als 10 Stunden pro Woche zugestanden hätte.
Da die Parteien im Arbeitsvertrag weder ausdrücklich noch konkludent eine Regelung über die Dauer der Arbeitszeit pro Woche festgelegt hatten, mag einiges für die Anwendung der Fiktionsregelung des § 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG sprechen. In diesem Fall ist von einer 10-stündigen Arbeitswoche auszugehen. Auf dieser Basis hat das Arbeitsgericht Berlin zu Recht und unter Berücksichtigung des Stundenlohns von 8,50 € brutto dem Kläger weiteres Entgelt zugesprochen.
Ein Rückgriff auf § 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG scheidet jedoch dann aus, wenn die Anwendung der Fiktion einer wöchentlichen Arbeitszeitdauer von 10 Stunden nicht interessengerecht ist. Dies ist dann der Fall, wenn die Parteien offenkundig eine deutlich längere Mindestarbeitszeit wollten (BAG 07.12.2005 - 5 AZR 535/04 - NZA 2006, 423 Rn. 49). In dem vom BAG entschiedenen Fall hatten die Parteien schon eine Sockelarbeitszeit von 30 Wochenstunden vereinbart und darüber hinaus war der Kläger durchgängig immer wieder zu weiteren Arbeitsstunden herangezogen worden. Das BAG hat eine ergänzende Vertragsauslegung vorgenommen. Zur Feststellung des mutmaßlichen Parteiwillens hat es der tatsächlichen Vertragsdurchführung erhebliche Bedeutung beigemessen (BAG aaO. Rn. 51).
Berücksichtigt man vorliegend die tatsächliche Vertragsdurchführung, dann war der massive Parteiwillen jedenfalls nicht auf eine höhere Arbeitszeit als die von 10 Stunden pro Woche gerichtet. Schon gar nicht war dies "offenkundig", selbst wenn man die Sichtweise des Klägers zugrunde legt.
Das Arbeitsverhältnis begann unstreitig am 14.09.2015 (Montag). Der Kläger war zuletzt am 19.10.2015 zur Arbeitsleistung herangezogen worden. Ab dem 20.10.2015 war er arbeitsunfähig erkrankt und erhielt kurz darauf die Kündigung. Bis zum 19.10.2015 (Montag) hatte der Kläger nach seiner Darstellung 48,5 Stunden gearbeitet (nach Darstellung der Beklagten waren es 1,67 Stunden weniger). Dies umfasst einen Zeitraum von 5,2 Wochen, so dass sich eine wöchentliche Arbeitszeit von 9,3 Stunden ergibt. Soweit der Kläger meint, bei der Beurteilung der tatsächlichen Vertragsdurchführung seien die ersten zwei Wochen nicht zu berücksichtigen, da er in dieser Zeit nicht eingesetzt worden sei, kann dem nicht gefolgt werden. Gerade wegen der kurzen Vertragsdurchführung kann nicht einfach unterstellt werden, dass der mutmaßliche Parteiwille drauf gerichtet war, pro Arbeitswoche immer einen zweimaligen Arbeitseinsatz vorzusehen. Im Übrigen liefe dies auf eine unzulässige Rosinenpickerei hinaus, denn der Kläger möchte die ersten zwei Wochen sehr wohl vergütet erhalten. Abweichend vom Arbeitsvertrag wurde das Arbeitsverhältnis unstreitig schon am 14.09.2015 begründet, worauf der Kläger in der Klageschrift ausdrücklich hinwies. Zur tatsächlichen Vertragsdurchführung gehören aber auch Zeiten, in denen der Arbeitnehmer nicht zur Arbeitsleistung herangezogen wird.
Somit kann der Kläger weder für die Monate September bis November 2015, noch im Wege der Urlaubsabgeltung eine höhere Vergütung verlangen.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 ZPO. Die Berufungskosten bei einem Streitwert von 3848,69 € hat der Kläger komplett zu tragen, da sein Obsiegen mit 120,00 € nicht einmal 3 % ausmacht und hierdurch ein Gebührensprung nicht verursacht wird. Hinsichtlich der erstinstanzlichen Kosten obsiegt der Kläger mit einem Streitwert von 797,25 € bei einem vom Arbeitsgericht zu Recht ausgerechneten Gesamtstreitwert von 4508,94 €. Insofern hat der Kläger 82 % die Beklagte 18 % zu tragen.
Für die Beklagte war die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG) zuzulassen. Für den Kläger war die Revision nicht zuzulassen, da es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt, die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht abweicht (§ 72 Abs. 2 ArbGG). Insofern ist gegen dieses Urteil für den Kläger ein Rechtsmittel nicht gegeben.
Urt. v. 22.03.2017
Az.: 15 Sa 1992/16
Tenor:
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 22. September 2016 - 4 Ca 16755/15 - teilweise abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 120,-- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 10.12.2015 zu zahlen.
2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits I. Instanz haben der Kläger zu 82 % und die Beklagte zu 18 % zu tragen; die Berufungskosten hat der Kläger allein zu tragen.
III. Die Revision wird für den Kläger im Umfang von 120,-- € zugelassen. Im Übrigen wird sie nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten - soweit für die Berufungsinstanz noch von Relevanz - über weitere Vergütungsdifferenzen für die Monate September bis November 2015 und die Zahlung einer Beitreibungskostenpauschale in Höhe von insgesamt 120,00 €.
Hinsichtlich des unstreitigen Sachverhalts, des Vorbringens der Parteien in der I. Instanz und die Antragstellung wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Mit Urteil vom 22.09.2016 hat das Arbeitsgericht Berlin rechtskräftig festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien bis zum 30.11.2015 angedauert hatte. Hinsichtlich der vom Kläger begehrten Vergütungsdifferenzen ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass mangels Festlegung einer wöchentlichen Arbeitszeit gemäß § 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG fiktiv von einer 10-stündigen Arbeitswoche auszugehen sei. Auf dieser Basis hat es dem Kläger für September 2015 221,00 € brutto abzgl. 106,42 € netto, für Oktober 2015 374,00 € brutto abzgl. 264,64 € netto, für November 2015 368,31 € brutto und als Urlaubsabgeltung 85,00 € brutto zugesprochen. Die Verurteilung zur Zahlung einer Beitreibungskostenpauschale gemäß § 288 Abs. 5 BGB hat das Arbeitsgericht Berlin mit der Begründung abgelehnt, dass die Beklagte den Verzug der Lohnzahlung nicht zu vertreten habe. Es hätten unterschiedliche Rechtsauffassungen der Parteien vorgelegen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung des Klägers. Er ist weiterhin der Ansicht, dass zwischen den Parteien tatsächlich ein Vollzeitarbeitsverhältnis auf Basis von 48 Stunden pro Woche vereinbart worden sei. Hieraus ergäben sich die weiteren Vergütungszahlungen, die er begehre. Jedenfalls könne § 12 TzBfG nicht angewendet werden, da es sich bei dem gesetzlichen Modell um eine unzulässige Tagelöhnerei handele. Lege man stattdessen die tatsächlich geleistete Arbeit in der Zeit vom 28.09.2015 bis 19.10.2015 (48,5 Stunden) zugrunde, dann habe er durchschnittlich 14 Wochenstunden gearbeitet. Bei der begehrten Zahlung von 120,00 € komme es nicht darauf an, ob die Arbeitgeberin die Verzögerung der Zahlung zu vertreten habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 22.09.2016 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn
1. für September 2015 weitere 663,00 € brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.10.2015,
2. für Oktober 2015 weitere 1.462,00 € brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.11.2015,
3. für November 2015 weitere 1.331,69 € brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.12.2015,
4. als Urlaubsabgeltung weitere 272,00 € brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.12.2015 und
5. als Schadensersatz weitere 120,00 € netto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist darauf, dass die Parteien das Arbeitsverhältnis als Teilzeitarbeitsverhältnis gelebt hätten. Im Übrigen habe der Kläger mit E-Mail vom 23.08.2015 eine Tätigkeit auf Minijob Basis gesucht.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers ist zulässig, aber nur i.H.v. 120,00 € begründet. Weitere Ansprüche stehen ihm nicht zu, so dass die weitere Berufung zurückzuweisen war.
1. Die Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger 120,00 € gemäß § 288 Abs. 5 BGB zu zahlen.
1.1. Die Beitreibungskostenpauschale von 40,00 € gemäß § 288 Abs. 5 BGB kann auch im Arbeitsverhältnis verlangt werden.
Vereinzelt wird die Auffassung vertreten, § 12a ArbGG sei eine spezialgesetzliche Ausnahmeregelungen, so dass der Anwendungsbereich des § 288 Abs. 5 BGB nicht eröffnet sei (Diller NZA 2015, 1095, 1096; Arbeitsgericht Düsseldorf 12.05.2016 - 2 Ca 5416/15). Überwiegend wird hingegen aus der Gesetzesgeschichte, der systematischen und teleologischen Auslegung gefolgert, dass § 288 Abs. 5 BGB auch im Arbeitsverhältnis Anwendung findet (LAG Baden-Württemberg 13.10.2016 - 3 Sa 34/16 - juris; LAG Köln 22.11.2016 - 12 Sa 524/16 - juris; Lembke NZA 2016, 1501, 1505; Stein AuR 2017, 13,17). Die hiesige Kammer geht ebenfalls davon aus, dass sich nicht genügend Anhaltspunkte dafür finden lassen, dass die Neuregelung des BGB im Arbeitsrecht keine Anwendung finden soll.
1.2. Die Beklagte befand sich mit der Zahlung des Entgelts für September, Oktober und November 2015 in Verzug. Dies steht aufgrund des insoweit rechtskräftigen Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 22.09.2016 fest. Im Gegensatz zur Auffassung des Arbeitsgerichts Berlin kann die Beklagte sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie den Verzug nicht zu vertreten habe. Gemäß § 286 Abs. 4 BGB kommt der Schuldner nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstandes unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat. Hierfür reichen unterschiedliche Rechtsauffassungen oder auch ein Rechtsirrtum nicht aus. Der Schuldner ist vielmehr verpflichtet, sich kompetenten Rechtsrat einzuholen und die Rechtsprechung gründlich auszuwerten (Palandt § 276 BGB Rn. 22). Die Rechtslage muss objektiv zweifelhaft sein oder der Schuldner muss sich auf höchstrichterliche Rechtsprechung berufen können (Stein AuR 2017, 13,14). All diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Schon im Hinblick auf § 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG hätte der Beklagten klar sein müssen, dass sie angesichts der Gestaltung des Arbeitsvertrages nicht nur die tatsächlich geleisteten Stunden bezahlen muss. In Anbetracht von § 622 BGB konnte kein Zweifel bestehen, dass die arbeitsvertraglich gewählte Kündigungsfrist zu kurz bemessen war.
1.3. Die Beitreibungskostenpauschale von 40,00 € ist auch für jeden Monat erneut zu zahlen. Bei fehlerhafter oder unterlassener Abrechnung fällt sie in der Regel monatlich erneut an. Mit der Kostenpauschale soll auch der Ärger und die aufgewendete Arbeitszeit kompensiert werden, obwohl solche Nachteile bisher nicht als schadensersatzfähig galten (Stein AuR 2017, 13,16). Das Arbeitsentgelt war auch hier monatlich zu zahlen (§ 614 BGB). Insofern musste der Kläger auch monatlich kontrollieren und gegebenenfalls berechnen, welche Ansprüche ihm seiner Ansicht nach noch zustanden. Da die Beklagte in 3 Monaten das Entgelt nicht in voller Höhe ausgezahlt hatte, ist die Pauschale in Höhe von insgesamt 120,00 € zu zahlen.
1.4. Es kann offen bleiben, ob die Beklagte mit der Zahlung der Beitreibungspauschale sich in Verzug befand. Dies ist hier durchaus zweifelhaft, denn es fehlt an einer höchstrichterlichen Rechtsprechung dazu, ob diese Pauschale auch im Arbeitsverhältnis zur Anwendung kommt. Trotzdem kann der Kläger eine Verzinsung verlangen. Insofern stehen ihm Prozesszinsen gemäß § 291 BGB zu. Mehr hat der Kläger vorliegend nicht geltend gemacht.
1.5. Dem Anspruch steht auch nicht § 288 Abs. 5 S. 3 BGB entgegen. Danach ist die Pauschale auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
Vorliegend ist schon nicht ersichtlich, dass der Kläger im Rahmen eines Kostenerstattungsanspruchs gegenüber der Beklagten Rechtsverfolgungskosten geltend machen könnte. Wegen § 12a ArbGG können erstattungsfähige Rechtsverfolgungskosten in der I. Instanz nicht angefallen sein. Das Gleiche gilt für die Rechtsverfolgungskosten in der II. Instanz, da der Kläger nach dem hiesigen Kostenausspruch sämtliche Berufungskosten zu tragen hat.
Darüber hinaus erfolgt eine Anrechnung nur im Rahmen eines Kostenerstattungsanspruchs (Stein AuR 2017, 13,16). Insofern kann eine Verrechnung nicht schon im hiesigen Erkenntnisverfahren stattfinden.
2. Die weitergehenden Zahlungsansprüche des Klägers sind nicht begründet. Unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ist ersichtlich, dass dem Kläger für die Dauer seines Arbeitsverhältnisses mehr als 10 Stunden pro Woche zu vergüten gewesen wären.
2.1. Es ist nicht ersichtlich, dass die Parteien ein Vollzeitarbeitsverhältnis auf Basis von 48 Wochenstunden vereinbart hätten.
Schon aus der von der Beklagten vorgelegten E-Mail des Klägers vom 23.08.2015 ergibt sich, dass dieser einen Einstieg auf Minijobbasis begehrte. Hierfür spricht auch die Überschrift des Arbeitsvertrages: "kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit (Minijob)". Nach § 7 versichert der Arbeitnehmer ferner, "keiner weiteren geringfügigen Beschäftigung nachzugehen". All dies macht keinen Sinn bei einer Vollzeitbeschäftigung.
Soweit in § 11 geregelt ist, dass der Arbeitnehmer "seine ganze Arbeitskraft dem Unternehmen gewissenhaft zu widmen" hat, folgt daraus nichts anderes. Dies kann auch dahingehend verstanden werden, dass während des Teilzeitverhältnisses der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft voll einzubringen hat, er also seine Leistungsfähigkeit nicht zurückhalten darf.
Aus all dem kann allenfalls entnommen werden, dass die Parteien hinsichtlich der Arbeitszeit maximal ein Volumen festlegen wollten, das dem eines Minijobs entspricht.
2.2. Es ist nicht ersichtlich, dass dem Kläger im Rahmen des Teilzeitarbeitsverhältnisses eine Vergütung für mehr als 10 Stunden pro Woche zugestanden hätte.
Da die Parteien im Arbeitsvertrag weder ausdrücklich noch konkludent eine Regelung über die Dauer der Arbeitszeit pro Woche festgelegt hatten, mag einiges für die Anwendung der Fiktionsregelung des § 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG sprechen. In diesem Fall ist von einer 10-stündigen Arbeitswoche auszugehen. Auf dieser Basis hat das Arbeitsgericht Berlin zu Recht und unter Berücksichtigung des Stundenlohns von 8,50 € brutto dem Kläger weiteres Entgelt zugesprochen.
Ein Rückgriff auf § 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG scheidet jedoch dann aus, wenn die Anwendung der Fiktion einer wöchentlichen Arbeitszeitdauer von 10 Stunden nicht interessengerecht ist. Dies ist dann der Fall, wenn die Parteien offenkundig eine deutlich längere Mindestarbeitszeit wollten (BAG 07.12.2005 - 5 AZR 535/04 - NZA 2006, 423 Rn. 49). In dem vom BAG entschiedenen Fall hatten die Parteien schon eine Sockelarbeitszeit von 30 Wochenstunden vereinbart und darüber hinaus war der Kläger durchgängig immer wieder zu weiteren Arbeitsstunden herangezogen worden. Das BAG hat eine ergänzende Vertragsauslegung vorgenommen. Zur Feststellung des mutmaßlichen Parteiwillens hat es der tatsächlichen Vertragsdurchführung erhebliche Bedeutung beigemessen (BAG aaO. Rn. 51).
Berücksichtigt man vorliegend die tatsächliche Vertragsdurchführung, dann war der massive Parteiwillen jedenfalls nicht auf eine höhere Arbeitszeit als die von 10 Stunden pro Woche gerichtet. Schon gar nicht war dies "offenkundig", selbst wenn man die Sichtweise des Klägers zugrunde legt.
Das Arbeitsverhältnis begann unstreitig am 14.09.2015 (Montag). Der Kläger war zuletzt am 19.10.2015 zur Arbeitsleistung herangezogen worden. Ab dem 20.10.2015 war er arbeitsunfähig erkrankt und erhielt kurz darauf die Kündigung. Bis zum 19.10.2015 (Montag) hatte der Kläger nach seiner Darstellung 48,5 Stunden gearbeitet (nach Darstellung der Beklagten waren es 1,67 Stunden weniger). Dies umfasst einen Zeitraum von 5,2 Wochen, so dass sich eine wöchentliche Arbeitszeit von 9,3 Stunden ergibt. Soweit der Kläger meint, bei der Beurteilung der tatsächlichen Vertragsdurchführung seien die ersten zwei Wochen nicht zu berücksichtigen, da er in dieser Zeit nicht eingesetzt worden sei, kann dem nicht gefolgt werden. Gerade wegen der kurzen Vertragsdurchführung kann nicht einfach unterstellt werden, dass der mutmaßliche Parteiwille drauf gerichtet war, pro Arbeitswoche immer einen zweimaligen Arbeitseinsatz vorzusehen. Im Übrigen liefe dies auf eine unzulässige Rosinenpickerei hinaus, denn der Kläger möchte die ersten zwei Wochen sehr wohl vergütet erhalten. Abweichend vom Arbeitsvertrag wurde das Arbeitsverhältnis unstreitig schon am 14.09.2015 begründet, worauf der Kläger in der Klageschrift ausdrücklich hinwies. Zur tatsächlichen Vertragsdurchführung gehören aber auch Zeiten, in denen der Arbeitnehmer nicht zur Arbeitsleistung herangezogen wird.
Somit kann der Kläger weder für die Monate September bis November 2015, noch im Wege der Urlaubsabgeltung eine höhere Vergütung verlangen.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 ZPO. Die Berufungskosten bei einem Streitwert von 3848,69 € hat der Kläger komplett zu tragen, da sein Obsiegen mit 120,00 € nicht einmal 3 % ausmacht und hierdurch ein Gebührensprung nicht verursacht wird. Hinsichtlich der erstinstanzlichen Kosten obsiegt der Kläger mit einem Streitwert von 797,25 € bei einem vom Arbeitsgericht zu Recht ausgerechneten Gesamtstreitwert von 4508,94 €. Insofern hat der Kläger 82 % die Beklagte 18 % zu tragen.
Für die Beklagte war die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG) zuzulassen. Für den Kläger war die Revision nicht zuzulassen, da es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt, die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht abweicht (§ 72 Abs. 2 ArbGG). Insofern ist gegen dieses Urteil für den Kläger ein Rechtsmittel nicht gegeben.