18.09.2019 · IWW-Abrufnummer 211234
Arbeitsgericht Frankfurt/Main: Urteil vom 23.06.2010 – 7 Ca 263/10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Arbeitsgericht Frankfurt am Main
Urt. v. 23.06.2010
Az.: 7 Ca 263/10
In dem Rechtsstreit...
hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Kammer 7,
auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juni 2010...für Recht erkannt:
Tenor:
- Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 29.12.2009 aufgelöst ist.
- Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen auf Basis des Arbeitsvertrages vom 27.12.2000 als "Mitarbeiter in der Abteilung Konzernorganisation im Bereich Organisation und Informatik" bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Kündigungsrechtsstreit weiter zu beschäftigen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 23.988,00 (in Worten: Dreiundzwanzigtausendneunhundertachtundachtzig Euro) brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils € 5.997,00 (in Worten: Fünftausendneunhundertsiebenundneunzig Euro) brutto seit dem 01.02.2010, 01.03.2010, 01.04.2010 und 01.05.2010 zu zahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Art und Dauer sowie Führung und Leistung im Arbeitsverhältnis erstreckt.
- Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 1/10 und die Beklagte zu 9/10.
- Der Wert des Streitgegenstandes wird auf € 53.973,00 festgesetzt. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten zuletzt über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung der Beklagten, die Weiterbeschäftigung des Klägers, Annahmeverzugslohnansprüche und die Erteilung eines Zeugnisses. Zwischen den Parteien waren bei der erkennenden Kammer bereits mehrere Rechtsstreite anhängig.
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Die Beklagte ist die Fonds- und Investmentbank der .................-............. mit Sitz in Frankfurt am Main. Sie ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR). Organe der Beklagten sind der Vorstand und der Verwaltungsrat. Anteilseigner der Beklagten sind zu jeweils 50% die regionalen ......................... und die ......banken. Die regionalen ......................... lassen sich in ihrer Rolle durch den Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DGSV) vertreten. Bei der Beklagten ist ein Personalrat gebildet.
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Die .................-............. besteht neben der Beklagten u.a. aus rund 430 selbständigen Sparkassen, den ......banken und ......bausparkassen.
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Daneben besteht noch der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DGSV), der der Dachverband der .................-............. ist. Er ist die Interessenvertretung der .................-............. auf nationaler und europäischer Ebene. Hierzu organisiert er intern die Willensbildung unter den Mitgliedern und legt die strategische Ausrichtung fest. Er hat eine rechtliche Doppelnatur. Er ist sowohl eingetragener Verein (e.V.) als auch Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR). Die Beklagte ist nicht Mitglied im DGSV.
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Unstreitig gibt es zwischen der Beklagten und dem DGSV eine personelle Verflechtung. So ist der Präsident des DGSV "geborener" Vorsitzender des Verwaltungsrates der Beklagten. Eine Konzernstruktur im aktienrechtlichen Sinne besteht nicht. Es gibt auch keinen gemeinsamen (Internet-)Auftritt gegenüber Kunden oder Behörden.
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Der Kläger, geb. am ......19.., verheiratet und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet, ist bei der Beklagten seit dem 01.01.2001 als "Mitarbeiter in der Abteilung Konzernorganisation im Bereich Organisation und Informatik" aufgrund eines Anstellungsvertrages vom 27.12.2000 beschäftigt (Bl. 9-16 d.A.). Zuletzt war der Kläger Sachbearbeiter in der Einheit Vertriebskanäle innerhalb der Einheit IT/Org. Er war im dortigen "Projektoffice" ohne Personalverantwortung tätig und hatte mit dem DGSV keine dienstlichen Berührungspunkte. Das durchschnittliche Bruttomonatsgehalt betrug zuletzt € 5.997,00. Der Kläger ist Ersatzmitglied des Personalrates. Er ist ordentlich unkündbar.
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Zuvor war der Kläger in der Zeit vom 01.07.2000 bis zum 31.12.2000 als "Referent für Projektkoordination" bei der "Informatikzentrum der ...............-.............. GmbH" (auch: "... GmbH") beschäftigt. Dort erhielt er, unterzeichnet von der dortigen Mitarbeiterin im Personalbüro, A........ H.........., eine von dieser unterzeichnete "Arbeitsbescheinigung", die aus einer Seite besteht (Bl. 22, 63 d.A.). Diese Arbeitsbescheinigung findet sich auch in der Personalakte des Klägers bei der Beklagten.
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Die Beklagte bot dem Kläger verschiedentlich, aber erfolglos den Abschluss eines Aufhebungsvertrages an. Der Kläger nahm dies jedoch zum Anlass, sich zwischenzeitlich bei anderen Arbeitgebern zu bewerben, allerdings erfolglos.
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Der Kläger verfälschte zu einem unbekannten Zeitpunkt die Arbeitsbescheinigung der ... GmbH und machte daraus ein "Zeugnis", das aus zwei Seiten bestand und nunmehr auch die Unterschrift des Geschäftsführers der ... GmbH, Herrn .. S.........., neben der Unterschrift von Frau H.........aufwies. Diese Unterschrift kopierte er aus einer Broschüre der ... GmbH. In dem "Zeugnis" bezeichnete der Kläger sich als "Teamleiter". Der Kläger schrieb jedoch den Namen fehlerhaft lediglich "H.........", d.h. ohne mittleres "h". Auf das gefälschte Zeugnis auf Bl. 25-26, 61-62, 64-65 d.A. wird Bezug genommen.
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Der Kläger bewarb sich Ende 2009 beim DGSV auf eine Stellenanzeige für eine Tätigkeit als Multiprojektcontroller in Berlin. Dieser Bewerbung war das gefälschte Zeugnis der ... GmbH beigefügt.
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Mit anonymen Schreiben an Herrn Dr. W..............., Leiter IT bei der Beklagten vom 21.12.2009 wurde die Beklagte darüber in Kenntnis gesetzt, dass der Kläger bei der Bewerbung beim DGSV ein gefälschtes Zeugnis der ... GmbH benutzt hat (Bl. 23-26, 59-62 d.A.). Herr Dr. W......... teilte dies der Personalabteilung der Beklagten mit, die dieses "Zeugnis" mit der in der Personalakte befindlichen "Arbeitbescheinigung" verglich.
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Noch am Nachmittag des 21.12.2009 wurde der Kläger kurzfristig zu einem Mitarbeitergespräch einbestellt, das dann auch stattfand. Zwischen den Parteien ist streitig, wie der genaue Ablauf dieses Gesprächs war, in dessen Verlauf dem Kläger jedenfalls das vom ihm gefälschte Zeugnis der ... GmbH vorgelegt wurde. Auch sind die Parteien unterschiedlicher Ansicht darüber, ob dieses Gespräch den Anforderungen an eine Anhörung für eine Verdachtskündigung genügt. Der Kläger äußerte in dem Gespräch lediglich, dass die Arbeitsbescheinigung der ... GmbH "korrekt" sei. Anschließend wurde der Kläger von der Beklagten freigestellt.
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Mit Schreiben vom 21.12.2009, beim Personalrat am 22.12.2009 eingegangen, hörte die Beklagte den Personalrat wegen einer beabsichtigten außerordentlichen Tat- und Verdachtskündigung des Arbeitsverhältnisses zum Kläger an. Auf das Anhörungsschreiben vom 21.12.2009 auf Bl. 19-21, 66-68 d.A. wird Bezug genommen.
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Mit Schreiben vom 23.12.2009, das fehlerhaft auf den "23.04.2009" datiert ist, widersprach der Personalrat der beabsichtigten Kündigung, da der Kläger weder die Beklagte noch Dritte geschädigt habe. Auf das entsprechende Schreiben auf Bl. 27-28, 69-70 d.A. wird Bezug genommen.
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Mit Schreiben vom 29.12.2009 kündigte die Beklagte das "bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, mit sofortiger Wirkung" (Bl. 18 d.A.).
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Der Kläger ist der Ansicht, dass sein außerdienstliches Fehlverhalten keinen konkreten Bezug zum Arbeitsverhältnis habe, so dass die fristlose Kündigung unwirksam sei. Er behauptet, er habe das Zeugnis in einer "dunklen Nachstunde" erstellt. Er behauptet zudem, dass seine Ehefrau entgegen seinem Willen und ohne sein Wissen die Bewerbung an den DGSV mit dem gefälschten Zeugnis abgeschickt habe. Er ist des Weiteren der Ansicht, dass keine Urkundenfälschung gemäß § 267 StGB vorliege, denn er habe nur Kopien verändert und Fotokopien seien nach strafgerichtlicher Rechtsprechung keine Kopien. Auch ein sog. (versuchter) Anstellungs- bzw. Eingehungsbetrug zu Lasten des DGSV läge nicht vor, da der Kläger keinen Vermögensschaden verursacht habe, denn das ihm im Falle einer erfolgreichen Bewerbung gezahlte Entgelt sei seine Tätigkeit wert. Insofern ist er der Ansicht, dass die fristlose Kündigung unwirksam sei und ihm neben dem Anspruch auf Weiterbeschäftigung auch Annahmeverzugslohnansprüche für die Monate Januar bis April 2010 zustünden.
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Unter Rücknahme des allgemeinen Feststellungsantrags (Antrag zu Ziff. 2. aus der Klageschrift) beantragte der Klägervertreter zuletzt,
1.
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 29.12.2009 aufgelöst ist;2.
die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen auf Basis des Arbeitsvertrages vom 27.12.2000 als "Mitarbeiter in der Abteilung Konzernorganisation im Bereich Organisation und Informatik" bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Kündigungsrechtsstreit weiter zu beschäftigen;3.
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 23.988,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils € 5.997,00 brutto seit dem 01.02.2010, 01.03.2010, 01.04.2010 und 01.05.2010 zu zahlen;4.
die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Art und Dauer sowie Führung und Leistung im Arbeitsverhältnis erstreckt;5.
hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu Ziff. 1. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein Endzeugnis zu erteilen, das sich auf Art und Dauer sowie Führung und Leistung im Arbeitsverhältnis erstreckt.18
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.19
Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Kläger, da er ein gefälschtes Zeugnis innerhalb der ...............-.............. verwendet habe, für die Beklagte nicht mehr tragbar sei. Sie befürchtet, dass der Kläger auch technische Manipulationen vornehmen könnte, wenn er denn schon bei einem Arbeitzeugnis entsprechende kriminelle Energie zeigen würde. Für eine Tat- und Verdachtskündigung käme es nicht auf die strafrechtliche Bewertung an, ausreichend sei es in jedem Fall, dass das Kläger erstellte Zeugnis-Falsifikat den Verdacht einer Urkundenfälschung hervorgerufen habe. Die Beklagte befürchtet einen Reputationsschaden, wenn das Verhalten des Klägers nicht arbeitsrechtlich sanktioniert würde, denn sie und der DGSV würden eng kooperieren.
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Die Klageschrift ging beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main per Telefax am 13.01.2010 ein und wurde der Beklagten am 09.02.2010 zugestellt (Bl. 35 d.A.). Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, ihre Beweisantritte und die von ihnen eingereichten Unterlagen und damit auf die Gerichtsakte Bezug genommen (§ 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO).
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist begründet, so dass ihr stattzugeben ist.
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I. Die Klage ist zulässig. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist für den Kündigungsschutzantrag gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. b.) ArbGG, da es um den Bestand eines Arbeitsverhältnisses geht, und für die anderen geltend gemachten Ansprüche gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a.) ArbGG, da es sich um Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis geht, gegeben. Der Sitz der Beklagten (§§ 12, 17 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG) gehört zum örtlichen Zuständigkeitsbereich des erkennenden Arbeitsgerichts. Das gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.n. §§ 495 Abs. 1, 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse für den Kündigungsschutzantrag liegt vor, da es dem Kläger unabhängig von den Bestimmungen der §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG gemäß §§ 4, 7, 13 KSchG obliegt, die Unwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung binnen der Präklusionsfrist von drei Wochen ab Zugang der Kündigung gerichtlich geltend zu machen. Die nachträgliche Klageerweiterung und die damit verbundene Klageänderung (§ 263 ZPO) ist zulässig. Die damit verbundene objektive Klagehäufung ist gemäß § 260 ZPO zulässig, da die Anträge in derselben Prozessart verfolgt werden. Die Beklagte hat sich im Übrigen auf die Klageerweiterungen und die Klageänderungen eingelassen (§ 267 ZPO).
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II. Die Kündigungsschutzklage bzgl. der fristlosen (Tat- und Verdachts-)Kün¬digung der Beklagten vom 29.12.2009 (Klageantrag zu Ziff. 1) ist
begründet.
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1. Die fristlose Kündigung der Beklagten vom 29.12.2009 wahrt zunächst das Schriftformerfordernis des § 623 BGB und ist dem Kläger noch im Jahre 2009 zugegangen.
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2. Der Kläger hat auch die Drei-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG (i.V.m. § 13 KSchG) gewahrt, da er im Hinblick auf die streitgegenständliche Kündigung fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben hat und die der Beklagten demnächst (§ 167 ZPO) zugestellt wurde.
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3. Vorliegend ist allerdings weder wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB noch der Verdacht eines solchen Grundes gegeben.
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a) Für einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB müssen Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der regulären Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird das Vorliegen eines wichtigen Grundes in zwei Stufen geprüft. Zunächst ist festzustellen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB abzugeben. Dieser Sachverhalt muss im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung objektiv vorliegen. Ist hiernach ein Sachverhalt an sich geeignet, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob die außerordentliche Kündigung nach einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände als gerechtfertigt angesehen werden kann. Dies ist nur dann der Fall, wenn die fristlose Kündigung die ultima ratio für den Kündigungsberechtigten war, d.h. mildere Mittel unzumutbar waren (siehe Müller-Glöge, in: Erfurter Kommentar, 10. Aufl., München, 2010, § 626 BGB, Rz. 34, 44, 62). Aber nicht nur eine erwiesene Vertragsverletzung, sondern auch schon der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen (arbeitsvertraglichen) Verfehlung kann einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung gegenüber dem verdächtigten Arbeitnehmer darstellen. Eine solche Verdachtskündigung liegt vor, wenn und soweit der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines (nicht erwiesenen) strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört. § 626 Abs. 1 BGB lässt eine sog. Verdachtskündigung dann zu, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (ständige Rechtsprechung, vgl. BAG, Urt. v. 06.11.2003 - 2 AZR 631/02, AP Nr. 39 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung; BAG, Urt. v. 29.09.2002 - 2 AZR 424/01, AP Nr. 37 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung; BAG, Urt. v. 06.12.2001 - 2 AZR 496/00, AP Nr. 36 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung).
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b) Vorliegend erweist sich allerdings das außerdienstliche Verhalten des Klägers für die Beklagte als unbeachtlich, so dass es schon auf der 1. Stufe für eine Tat- und Verdachtskündigung nicht herangezogen werden kann. Dies gilt zunächst unabhängig von einer strafrechtlichen Bewertung, bspw. ob eine Urkundenfälschung i.S.v. § 267 StGB oder ein versuchter Einstellungsbettag (§ 263 StGB) zu Lasten des DGSV vorliegt, denn für die Beurteilung der Kündigungsrelevanz kommt es nicht auf die strafrechtliche Bewertung an. Außerdienstliches Verhalten kann nur dann für einen wichtigen Grund an sich für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses bilden, wenn hierdurch das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird, sei es im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit aller Mitarbeiter, im personalen Vertrauensbereich oder im Unternehmensbereich, was bspw. der Fall, wenn ein Arbeitnehmer in einem rechtlich selbständigen Konzernunternehmen eine Straftat begangen hat (siehe KR/Fischermeiner, 9. Aufl., Neuwied, 2009, § 626 BGB, Rz. 414; vgl. Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 11. Aufl., München, 2004, § 125, Rz. 76). Nach der Rspr. des BAG dürfen berechtigte Interessen des Arbeitgebers nicht beeinträchtigt werden, d.h. das außerdienstliche Verhalten darf keine negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis haben (zuletzt: BAG, Urt. v. 10.09.2009 - 2 AZR 257/08, NZA 2010, 220 [222], zu I 2 c aa der Gründe). Vorliegend hat der Kläger - seinen Entlassungseinwand außer Acht lassend - ein gefälschtes Arbeitszeugnis zu Hause - und damit ohne Nutzung von Betriebsmitteln - erstellt und dieses für eine Bewerbung beim DGSV genutzt. Zwischen der Beklagten und dem DGSV besteht jedoch keine Konzernstruktur, z.B. Mutter- und abhängige Tochtergesellschaft. Vielmehr handelt es sich um rechtlich selbständige Subjekte, die zwar personell verflochten sind, gewisse Ähnlichkeiten bei der Anteilseigner- bzw. Mitgliederstruktur aufweisen und die kraft der Wahrnehmung ihrer Interessen gegenüber Dritten in der Praxis zusammenarbeiten. Gleichwohl sind die Beklagte und der DGSV unterscheidbar, denn im Außenverhältnis besteht kein gemeinsamer Internetauftritt und auch sonst sind keine Umstände dargetan, dass beide Unternehmen derart eng zusammenarbeiten würden, so dass dies einer Konzernstruktur gleichkäme. Auch könnte die Beklagte den Kläger nicht beim DGSV einsetzen, denn eine solche Versetzung wäre nicht vom Arbeitsvertrag gedeckt. Darüber hinaus hat das Erstellen des gefälschten Zeugnisses nichts mit der beruflichen Tätigkeit des Klägers zu tun. Allein der Umstand, dass der Kläger seinen privaten Computer hierfür verwendet hat, reicht nicht für die Annahme aus, dass der Kläger ein potentielles Risiko für die IT-Systeme der Beklagten bilden würde. Schließlich hat der Kläger in seiner konkreten Arbeit auch nichts mit dem DGSV zu tun, so dass im Ergebnis durch das außerdienstliche Verhalten des Klägers das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht konkret berührt wurde.
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III. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits zu den Bedingungen auf Basis des Arbeitsvertrages vom 27.12.2000 als "Mitarbeiter in der Abteilung Konzernorganisation im Bereich Organisation und Informatik" (Klageantrag zu Ziff. 2). Außerhalb der Regelung der §§ 102 Abs. 5 BetrVG, 79 Abs. 2 PersVG hat der gekündigte Arbeitnehmer einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses, wenn die Kündigung unwirksam ist und überwiegende schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers einer solchen Beschäftigung nicht entgegen stehen. Außer im Falle einer offensichtlich unwirksamen Kündigung begründet die Ungewissheit über den Ausgang des Kündigungsschutzprozesses ein schutzwertes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses. Dieses überwiegt in der Regel das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers bis zu dem Zeitpunkt, in dem im Kündigungsprozess ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Urteil ergeht. Solange ein solches Urteil besteht, kann die Ungewissheit des Prozessausganges für sich allein ein überwiegendes Gegeninteresse des Arbeitgebers nicht mehr begründen. Hinzukommen müssen dann vielmehr zusätzliche Umstände, aus denen sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers ergibt, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen (siehe BAG, Großer Senat , Beschl. v. 27.02.1985 - GS 1/84, AP Nr.14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht). Nachdem der Kläger erstinstanzlich mit seiner Klage gegen die streitgegenständliche Kündigung obsiegt, hätte die Beklagte demnach zusätzliche Umstände, aus denen sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesse ergibt, den Kläger nicht (weiter) zu beschäftigen, darlegen müssen. Die Beklagte hat aber insofern keine hinreichenden Gründe genannt, so dass sie letztlich ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen ist. Dem Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers ist somit stattzugeben.
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IV. Der Klageantrag zu Ziff. 3 ist ebenfalls begründet. Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten ferner für die Monate Januar bis April 2010 in Anspruch auf Zahlung von jeweils € 5.997,00 brutto, d.h. insgesamt von € 23.988,00 brutto als Annahmeverzugslohn zu. Anspruchsgrundlage ist insofern § 615 BGB i.V.m. §§ 293 ff. BGB (Annahmeverzug). Gemäß § 615 BGB wird der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers, vorliegend des Klägers, aufrechterhalten, wenn der Arbeitgeber, hier die Beklagte, sich in Annahmeverzug gemäß §§ 293 ff. BGB befindet, weil die vom Kläger angebotene Arbeitsleistung nicht angenommen wurde. Die Beklagte befindet sich seit 01.01.2010 in Annahmeverzug, da sie dem Kläger unrechtmäßig mit Schreiben vom 29.12.2009 gekündigt (siehe oben) und dessen Arbeitsleistung nicht mehr in Anspruch genommen hat. Ein Angebot der Leistung seitens des Klägers war vorliegend entbehrlich. Außerdem war der Kläger leistungswillig und -fähig (§ 297 BGB). Die Höhe des Gehalts ergibt sich aus dem arbeitsvertraglich vereinbarten Gehalt, das von den Parteien unstreitig mit € 5.997,00 brutto angegeben wird. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB.
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V. Schließlich hat der Kläger gemäß § 109 Abs. 1 GewO gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses (Klageantrag zu Ziff. 4). Ein Arbeitnehmer hat nicht nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten (End-) Zeugnisses, sondern er hat nach der ständigen Rechtsprechung des BAG Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses. Hierfür ist allerdings Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht. Dies ist der bspw. Fall, wenn der Arbeitgeber eine unwirksame Kündigung ausgesprochen hat. Vorliegend hat die Beklagte eine unrechtmäßige Tat- und Verdachtskündigung ausgesprochen (siehe oben), so dass dem Kläger ein berechtigtes Interesse an der Erteilung eines qualifiziertes Zwischenzeugnisses zukommt.
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VI. Über den Hilfsantrag zu Ziff. 5 ist nicht zu entscheiden, da die innerprozessuale Bedingung nicht eingetreten ist.
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VII. Die Kosten des Rechtsstreites trägt die Beklagte zu 9/10 und der Kläger zu 1/10, da sie jeweils teilunterlegen sind, § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 92 Abs. 1 ZPO. Ausgehend von einem Gebührenstreitwert i.S.v. § 63 GKG i.H.v. € 59.970,00 (= 10 x Bruttomonatsgehalt des Klägers) unterliegt der Kläger lediglich, soweit er den sog. allg. Feststellungsantrag zurückgenommen hat, da die Teilklagerücknahme nicht mehr kostenprivilegiert ist. Dieser Antrag ist mit einem Bruttomonatsgehalt des Klägers i.H.v. € 5.997,00 zu bewerten. Im Übrigen obsiegt der Kläger, und spiegelbildlich unterliegt die Beklagte. Dementsprechend ist die Kostenlast zwischen den Parteien zu verteilen.
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VIII. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes im Urteil beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG. Der Wert des Streitgegenstandes ist vorliegend auf € 53.973,00 festzusetzen. Dies entspricht für den Kündigungsschutzantrag (Klageantrag zu Ziff. 1) drei Bruttomonatsgehältern des Klägers á € 5.997,00 und für die Klaganträge zu Ziff. 2 und 4 einem weiterem Bruttomonatsgehalt. Der Klageantrag zu Ziff. 3 wurde mit dem eingeklagten Betrag, d.h. mit € 23.988,00 bewertet. Insgesamt entspricht dies neun Bruttomonatsgehältern des Klägers á € 5.997,00.
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IX. Gründe, die Berufung gemäß § 64 Abs. 3 ArbGG gesondert zuzulassen, liegen nicht vor, insbesondere kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung gemäß §§ 64 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 2 lit. a.) ArbGG zu. Die ohnehin gegebene Zulässigkeit der Berufung gemäß § 64 Abs. 2 lit. b.) und lit. c.) ArbGG bleibt hiervon unberührt. Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung ist gemäß § 64 Abs. 3a Satz 1 ArbGG in den Urteilstenor aufzunehmen.
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X. Eine Rechtsmittelbelehrung findet sich auf der nächsten Seite....