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  • 13.05.2020 · IWW-Abrufnummer 215611

    Landgericht Bochum: Urteil vom 13.11.2019 – 10 KLs-49 Js 123/18-12/19

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Landgericht Bochum

    10 KLs-49 Js 123/18-12/19

    Tenor:

    Die Angeklagte wird wegen gefährlicher Körperverletzung in 36 Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubter Ausübung der Heilkunde und wegen Steuerhinterziehung in 15 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahre verurteilt.

    Gegen die Verurteilte wird die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 31.004,93 Euro angeordnet.

    Die Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

    1

    Gründe:(abgekürzt gemäß § 267 Abs. 4 StPO)

    2

    I.

    3

    Einleitung

    4

    1. Gegenstand des Urteils sind Unterspritzungen im Bereich der Lippen, Nase und Kinn mit Hyaluronsäurepräparaten bzw. in einem Fall mit einer sogenannten „Fettwegspritze“, welche die Angeklagte in 36 Fällen im Tatzeitraum vom 01.01.2017 bis 03.04.2019 durchführte, obwohl sie weder approbierte Ärztin noch zugelassene Heilpraktikerin ist.

    5

    Die Angeklagte erzielte durch diese und weitere Behandlungen erhebliche Umsätze. In einer im Dezember 2018 für das Jahr 2017 abgegebenen Umsatzsteuerjahreserklärung hat sie diese jedoch nicht erklärt. Für die Monate Januar 2018 bis Februar 2019 gab die Angeklagte zudem keine Umsatzsteuervoranmeldungen ab. Dementsprechend führte sie im gesamten Tatzeitraum keine Umsatzsteuer für die aus den Unterspritzungen generierten Einnahmen ab.

    6

    2. Dem Verfahren liegt die Anklage der Staatsanwaltschaft Bochum vom 02.08.2019 zugrunde (49 Js 123/18). In dieser legte sie der Angeklagten zur Last, in 33 Fällen eine gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit unerlaubter Ausübung der Heilkunde in Tateinheit mit gewerbsmäßigem Betrug als Mitglied einer Bande und in weiteren 15 Fällen eine Steuerhinterziehung begangen zu haben. Weiterhin beantragte die Staatsanwaltschaft auf den Verfall von Wertersatz in Höhe von 782.082,83 Euro zu erkennen.

    7

    3. Im Eröffnungsbeschluss der Kammer vom 30.08.2019 ist die Angeklagte darauf hingewiesen worden, dass die Kammer die Taten unter den Ziffern 8, 21 und 25 der Anklageschrift jeweils als zwei tatmehrheitlich begangene Delikte würdigt, sodass insgesamt 51 selbstständige Taten und dabei in 36 Fällen eine gefährliche Körperverletzung nebst Verstoß gegen das Heilpraktikergesetz in Betracht kommen. Weiterhin erfolgte der Hinweis, dass in den Fällen 7, 13, 18, 19, 20, 23, 25 und 27 Bochum als Tatort in Betracht kommt. Abschließend erfolgte der Hinweis, dass auch eine Einziehung des Wertes von Taterträgen gem. § 73c StGB in Betracht kommt.

    8

    4. In der Sitzung am 31.10.2019 wurde der Angeklagten gemäß § 265 StPO der Hinweis erteilt, dass in den angeklagten Fällen, in denen es zu einer Hyaluron-Behandlung gekommen sein soll, eine Strafbarkeit auch nach § 40 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1, 2, 3 MPG in Betracht kommt, sowie in den Fällen der Anwendung von M („Fettwegspritze“) eine Strafbarkeit nach § 95 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1a, 1b, 1c AMG in Betracht kommt und ferner hinsichtlich sämtlicher angeklagter Taten der Anklageziffern 1-33 auch eine Strafbarkeit nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB.

    9

    In der Sitzung vom 07.11.2019 wurde die Strafverfolgung durch Kammerbeschluss gemäß § 154a Abs. 2, Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StPO im Hinblick auf eine mögliche Betrugsstrafbarkeit, eine Strafbarkeit gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB sowie Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz und das Medizinproduktegesetz insgesamt auf die verbleibenden Gesetzesverletzungen beschränkt.

    10

    Ebenfalls in der Sitzung vom 07.11.2019 erklärte sich die Angeklagte mit der außergerichtlichen Einziehung der nachfolgenden sichergestellten Gegenstände einverstanden:

    11

    J, J1, N, U, T, Handy B, J2, Handy O, Handy O1, Js, J3, J4, J5, J6, J, J7 beschädigt, J3, J, J3, J8, J6, J9, J8, I, I

    12

    Die Gegenstände haben einen geschätzten Zeitwert in Höhe von 4.069 Euro.

    13

    Weiterhin erklärte sie ihr Einverständnis mit einer außergerichtlichen Einziehung von zwei Paar Ohrringen, 16 goldene Armreifen, einer goldenen Kette, einem Goldring, einem Sparbuch und einer Handtasche E im Wert von 14.706 Euro.

    14

    Die Angeklagte erklärte darüber hinaus den Verzicht auf die Herausgabe der sichergestellten Gelder in Höhe von 150,00 €, 4.245,00 € und 10.000,00 €.

    15

    Sie erklärte ferner, dass das Guthaben des Sparbuches bei der Sparkasse C in Höhe von 3.150,00 € abgetreten und auf den Justizfiskus übertragen wird.

    16

    II.

    17

    Feststellungen zur Person

    18

    Die Angeklagte wurde am 00.00.0000 in N1 mit dem Namen Z geboren. Nach ihrer Hochzeit im April 2016 nahm sie nicht nur den Nachnamen ihres Ehemanns an, sondern änderte auch ihren Vornamen von T1 zu M1.

    19

    Die Mutter der Angeklagten ist Hausfrau. Ihr Vater ist derzeit arbeitslos, nachdem er lange Zeit in einem stahlverarbeitenden Betrieb tätig gewesen ist.

    20

    Die Angeklagte hat einen jüngeren Bruder und eine jüngere Schwester.

    21

    Nach Umzug der Familie von N1 nach C wurde die Angeklagte eingeschult und besuchte für 4 Jahre die Grundschule. Anschließend besuchte sie eine Realschule, die sie mit Fachoberschulreife verließ. Sie absolvierte sodann erfolgreich eine Ausbildung zur Friseurin. Eine Ausbildung zur Heilpraktikerin oder ein Medizinstudium absolvierte sie nicht. Dementsprechend ist ihr nie eine Erlaubnis gemäß § 1 Heilpraktikergesetz oder eine Approbation gemäß § 2 Abs. 1 Bundesärzteordnung erteilt worden.

    22

    Die Angeklagte hat einen Sohn, der am 00.00.0000 geboren wurde. Sie lebte zuletzt mit diesem und ihrem Ehemann in einer Wohnung in der M2 Straße in C. Die Angeklagte erwartet derzeit ihr zweites Kind. Der errechnete Geburtstermin ist Ende November 0000.

    23

    Die Angeklagte betrieb im Zeitraum zwischen August 2013 und August 2018 mit ihrem Ehemann einen Kiosk. Ihr Ehemann war zugleich auf Provisionsbasis für die Firma U1 tätig und ging dieser Tätigkeit in einer Filiale der Firma T2 nach. Derzeit arbeitet der Ehemann der Angeklagten in E1 für die Firma J10.

    24

    Die Angeklagte hat nie eine Kopfverletzung erlitten noch besteht eine Alkoholerkrankung. Drogen konsumiert sie nicht.

    25

    Strafrechtlich ist die Angeklagte bislang nicht rechtskräftig verurteilt worden.

    26

    Die Angeklagte verfügt derzeit über keine Einkünfte. Feststellungen über Vermögen konnten nicht getroffen werden.

    27

    III.

    28

    Feststellungen zur Sache

    29

    1. Einleitendes Geschehen

    30

    Zu einem nicht genauer feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 2017 erfuhr die Angeklagte, dass ihre Cousine erfolgreich auf dem Online-Dienst J11 damit warb, Lippenunterspritzungen und ähnliche Behandlungen mit Hyaluronsäure erfolgreich vorzunehmen. Aus ihrem Familienkreis erfuhr sie weiterhin, dass ihre Cousine auf diese Weise erhebliche Umsätze generierte.

    31

    Sie fasste daher den Entschluss, ebenfalls derartige Behandlungen mit Hyaluronsäure in größerem Umfang anzubieten und dadurch eine dauerhafte Einnahmequelle zu generieren. In der Folgezeit bot sie solche Behandlungen zunächst in geringem Umfang in der von ihr bewohnten Dachgeschosswohnung in der M2 Straße 00 in C an. Da ihr dieses Umfeld ‒ sie führte Unterspritzungen in ihrem privat genutzten Wohnzimmer durch ‒ wenig professionell erschien, entschied sie sich dazu, ihre Tätigkeit in anderen Räumlichkeiten anzubieten.

    32

    Die Angeklagte richtete in der Folgezeit in einer Wohnung im Gebäude E2 Straße 00 in C eine Praxis ein. Dieses Gebäude steht im Eigentum ihres Bruders Z1. Dieser hatte die von der Angeklagten genutzte Wohnung ursprünglich für sich eingerichtet, da er beabsichtigt hatte, mit seiner künftigen Ehefrau diese zu bewohnen. Da es in der Folgezeit nicht zu der Eheschließung kam, bewohnte der Z1 lediglich ein einzelnes Zimmer in der Wohnung.

    33

    Die Angeklagte richtete im Bereich hinter der Wohnungstür eine Art Empfangsbereich ein. Einen links der Wohnungstür befindlichen Raum gestaltete sie als Wartebereich. In diesem befanden sich ein Sofa, mehrere Stühle und ein Tisch. Einen an diesen angrenzenden Raum gestaltete sie als Behandlungsraum. In diesem befanden sich lediglich eine Art Liege, die mit einer Decke mit Leopardenmuster versehen war, ein kleiner Stuhl sowie ein Schrank. Die Türklingel enthielt nur den Namen „M1“. Zeitweise war neben der Tür an der Hauswand ein Schild mit dem Namen „M1 C1“ angebracht.

    34

    Die Angeklagte führte in diesen Räumlichkeiten Unterspritzungen von Nase, Lippen und Kinn mit Hyaluronsäure durch. Teilweise verwendete sie auch sogenannte Fettwegspritzen. Durch die Gestaltung der Räumlichkeiten mit Empfang, Wartebereich und Behandlungsraum wollte sie bewusst den Eindruck erwecken, es handele sich um eine professionell arbeitende Praxis. Die hygienischen Standards entsprachen dabei nicht den Anforderungen an eine Umgebung, in der Injektionen vorgenommen werden. Insbesondere desinfizierte die Angeklagte die für die Injektion vorgesehenen Hautstellen gar nicht oder nur mit einem Desinfektionsspray, das sie sodann mit einem nicht steril verpackten Tupfer oder Pad entfernte. Steril verpackte und damit keimarme Tupfer, die dem medizinischen Standard entsprechen, verwendete sie in keinem Fall. Weiterhin trug die Angeklagte nicht in jedem Fall Handschuhe. Sie führte die Eingriffe zudem in ihrer Alltagskleidung durch.

    35

    Ihr Angebot bewarb die Angeklagte ausschließlich auf dem Online-Dienst J11. Bei diesem können Nutzer eigene Profilseiten erstellen, auf denen sie Bilder und Videos veröffentlichen können. Mitglieder können den J11-Profilen anderer Mitglieder „folgen“ und bekommen dann automatisch deren Veröffentlichungen angezeigt („Follower“). Die Angeklagte errichtete eine Profilseite „M3“ und verwendete ein Lippensymbol als Profilbild. Da die Frage, welche Aufmerksamkeit eine derartige Profilseite erregt, maßgeblich von der Anzahl der Follower abhängig ist, kaufte die Angeklagte zeitweise solche Follower. Hierzu griff sie auf verschiedene Anbieter zurück, die Profilseiten anbieten, hinter denen keine real existierenden Personen stehen. Diese Seiten werden durch die Anbieter dazu verwendet, die Anzahl der Follower künstlich zu erhöhen, um dadurch wiederum anderen Nutzern eine Reichweite des J11profils vorzutäuschen, die tatsächlich nicht existiert. Weiterhin bezahlte die Angeklagte andere, bereits auf J11 etablierte Nutzer mit bis zu 500.000 Followern dafür, dass diese ihre Seite erwähnten und positiv kommentierten.

    36

    Schließlich veröffentlichte die Angeklagte auf ihrer Profilseite Vorher/Nachher-Fotos von Lippenunterspritzungen, die sie vorgenommen hatte.

    37

    Hierdurch gelang es ihr, insgesamt bis zu 100.000 Follower zu erreichen.

    38

    Ihre Profilseite war dabei bewusst so gestaltet, dass sie den Eindruck erweckte, die Angeklagte biete professionell durchgeführte Unterspritzungen mit Hyaluronsäure an. Zeitweise enthielt diese Profilseite auch die Angabe, die Angeklagte sei Heilpraktikern. Diese Angabe war so platziert, dass sie Besuchern stets auf den ersten Blick angezeigt wurde.

    39

    Wenn Interessenten über J11 mit ihr Kontakt aufnahmen, teilte die Angeklagte diesen ihre Handynummer mit und bat darum, die weitere Kommunikation über X abzuwickeln. Auf diesem Wege vereinbarte die Angeklagte Behandlungstermine mit Interessenten. Regelmäßig wurden auf diesem Wege auch bereits Preise mitgeteilt und konkrete Behandlungen vereinbart. Die Adresse E2 Straße 00 erfuhren die Interessenten erst kurz vor dem Termin. Die Termine wurden regelmäßig auf 14:00 Uhr bzw. 14:30 Uhr gelegt, teilweise auch auf 17:00 Uhr. Da gelegentlich Kundinnen trotz Terminvereinbarung nicht erschienen, lud die Angeklagte manchmal mehrere Kundinnen zur selben Uhrzeit ein.

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    In den Räumlichkeiten in der E2 Straße 00 wurden die Kundinnen entweder von der Mutter der Angeklagten oder von der Angeklagten selbst in Empfang genommen. Teilweise kam es aufgrund der Tatsache, dass zu einer Uhrzeit mehrere Kundinnen eingeladen worden waren, zu erheblichen Wartezeiten. Während dieser wurden die Kundinnen regelmäßig, allerdings nicht immer, gebeten, ein Formular auszufüllen und zu unterschreiben. In diesem mussten die Personalien der Kundinnen eingetragen werden. Weiterhin enthielt es einen Haftungsausschluss, dessen genauer Wortlaut nicht festgestellt werden konnte.

    41

    Weitergehende Hinweise auf mögliche Risiken der Behandlung oder etwaige Folgen enthielt das Formular nicht. Auch sollten in diesem keine Angaben zu etwaigen Vorerkrankungen, Allergien oder ähnlichem gemacht werden. Mit den Kundinnen wurde weiterhin kein Aufklärungsgespräch durchgeführt.

    42

    Die Kundinnen wurden durch die Angeklagte in das Behandlungszimmer gebeten. Begleitpersonen der Kundinnen durften das Zimmer nicht betreten.

    43

    An 21 Tagen führte die Angeklagte Veranstaltungen in verschiedenen Hotels bzw. Diskotheken im Bundesgebiet durch. Hierzu mietete sie Zimmer oder Konferenzräume in dem jeweiligen Hotel an, wo sie, unterstützt durch Familienmitglieder, Unterspritzungen vornahm. In Diskotheken nutzte sie jeweils abgetrennte Bereiche.

    44

    Die verwendeten Hyaluronsäurepräparate bezog die Angeklagte über das Internet. Weiterhin bezog sie diese von einer Privatperson. Rechnungen im Sinne des Umsatzsteuergesetzes erhielt sie nicht. Zunächst benutzte sie Präparate der Marke „K“. Es handelt sich dabei um ein Medizinprodukt, das in aufgezogenen Fertigspritzen mit einem Inhalt von 1 ml angeboten wird und dessen Hauptbestandteile Hyaluronsäure und Lidocain sind. Bei Hyaluronsäure handelt es sich um einen aus Zuckermolekülen bestehenden Stoff, der natürlich im Körper vorkommt und dessen besondere Eigenschaft es ist, Wasser zu binden. Aufgrund des Herstellungsprozesses hat verabreichte Hyaluronsäure ein Allergiepotential, sodass bei Patienten allergische Reaktionen bis hin zu einem allergischen Schock möglich sind. Wird Hyaluronsäure in Lippen, Nase oder Kinn injiziert, vergrößert sich zeitweise deren Volumen, was insbesondere an den Lippen und am Kinn von vielen Kundinnen gewünscht wird. Im Bereich der Nase wird es genutzt, um Unebenheiten auszugleichen.

    45

    Lidocain ist ein Schmerzmittel, das in „K“ in geringer Konzentration enthalten ist. Es soll die durch die Behandlung entstehenden Schmerzen lindern. Lidocain kann sich auf die Herzmuskeltätigkeit auswirken. Insbesondere kann es, wenn es aufgrund einer fehlerhaften Injektion in den Blutkreislauf gerät, die Herzfrequenz beeinflussen.

    46

    „K“ ist für die Anwendung in den Hautschichten zugelassen. Wenn das Mittel unsachgemäß injiziert wird, kann es zu schwerwiegenden Komplikationen kommen. Wenn Hyaluronsäure in Gefäße gelangt, kann es diese aufgrund ihrer zähen Substanz vollständig verstopfen. Dies gilt insbesondere für kleine Gefäße, wie sie im Bereich der Nasenwurzel zwischen den Augen vorhanden sind. Wenn ein solches Gefäß verstopft wird, kann es zu einer Unterversorgung des Auges mit Sauerstoff und damit zu einer Erblindung kommen.

    47

    Gelangt Hyaluronsäure in eine größere Vene, kann sie bis zum Herzen gelangen und durch die Verstopfung eines Herzkranzgefäßes einen Herzinfarkt auslösen.

    48

    Weiterhin verwendete die Angeklagte ab dem Jahr 2019 statt „K“ ein Hyaluronsäurepräparat der Marke „“. Dieses enthält Hyaluronsäure, jedoch kein Lidocain.

    49

    Die Unterspritzung von Lippen mit Hyaluronsäure kann ‒ auch bei fachgerechter Anwendung ‒ Verhärtungen, Hämatome, Knötchenbildung und Schwellungen zur Folge haben, die einige Tage andauern. Bei nicht fachgerechter Behandlung ist das Risiko des Eintritts und die Intensität dieser Folgen jedoch deutlich erhöht.

    50

    Die Angeklagte bot zudem gelegentlich sogenannte „Fett-Weg-Spritzen“ an. In diesen Fällen verwendete sie das Präparat „M“. Hierbei handelt es sich um ein in der EU nicht zugelassenes Arzneimittel, das den Wirkstoff Desoxycholsäure enthält. Dieser Wirkstoff wird in anderen ‒ in Deutschland zugelassenen ‒ Medikamenten dazu verwendet, die Zellwände von Fettzellen aufzulösen, was letztlich den Abbau dieser Fettzellen bewirkt. Es wird insbesondere zur Behandlung von Doppelkinnen genutzt. Der Wirkstoff ist dabei nicht in die Haut, sondern in die unter der Haut befindlichen Fettzellen zu injizieren. Eine Injektion in das Hautgewebe kann Geschwüre und schwere Nekrosen verursachen.

    51

    Zum Zwecke der Betäubung des Einstichbereichs verwendete die Angeklagte teilweise, allerdings nicht immer, eine ebenfalls den Wirkstoff Lidocain enthaltende Betäubungscreme. Diese ist frei erhältlich.

    52

    Bereits im Jahr 2017 wurde das Gesundheitsamt der Stadt Bochum auf die von der Angeklagten ausgeübten Unterspritzungen aufmerksam. Die Angeklagte wurde daher zu einem Gespräch im Gesundheitsamt vorgeladen, zu dem sie in Begleitung ihres Vaters erschien. Ihr wurde im Rahmen des Gesprächs erläutert, dass das Unterspritzen von Lippen mit Hyaluronsäure eine Tätigkeit sei, die unter das Heilpraktikergesetz falle und damit erlaubnispflichtig sei. Die Angeklagte sagte zu, künftig keine derartigen Tätigkeiten mehr anzubieten.

    53

    In der Folgezeit veranlasste das Gesundheitsamt keine weiteren Maßnahmen in dieser Angelegenheit. Im Oktober 2018 erfuhr das Gesundheitsamt der Stadt Bochum durch eine Anfrage der Polizei Stuttgart, dass die Angeklagte in Stuttgart eine Veranstaltung plane, bei der sie Lippen unterspritzen wolle.

    54

    Weiterhin gab es anonyme Anzeigen beim Gesundheitsamt, in denen davon berichtet wurde, dass die Angeklagte auch in Bochum weiterhin Lippenunterspritzungen anbiete, durchführe und diese auf J11 bewerbe.

    55

    Die Stadt Bochum leitete daraufhin ein Verwaltungsverfahren gegen die Angeklagte ein. Mit Schreiben vom 25.10.2018 teilte sie der Angeklagten mit, dass beabsichtigt sei, ihr die Ausübung der Heilkunde zu untersagen und gab ihr Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 09.11.2018. Für die Angeklagte bestellte sich daraufhin Rechtsanwalt M4 aus C. Eine inhaltliche Stellungnahme gab dieser in der Folgezeit jedoch nicht ab.

    56

    Mit Schreiben vom 30.11.2018 untersagte die Stadt Bochum der Angeklagten das Anbieten und das Ausüben der Unterspritzungen mit Hyaluronsäurepräparaten an Menschen und das Werben für diese Tätigkeit mit sofortiger Wirkung. Weiterhin ordnete die Stadt Bochum die sofortige Vollziehung dieser Verfügung an. Das Schreiben wurde der Angeklagten und Rechtsanwalt M4 förmlich zugestellt.

    57

    Im Laufe des Jahres 2018 wurde die Angeklagte wegen einer gefährlichen Körperverletzung angeklagt. In der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Bochum am 19.09.2018 erstattete der auch im hiesigen Verfahren tätige Sachverständige Dr. N2 sein Gutachten. In diesem Rahmen führte er unter anderem aus, dass die Injektion von Hyaluronsäure im Bereich der Nasenwurzel zwischen den Augen besonders riskant sei, da an dieser Stelle eine Vielzahl von Adern verlaufen, die unter anderem der Versorgung des Auges dienen. Wenn unsachgemäß injizierte Hyaluronsäure in diese Adern gelange, könnten diese verstopfen, was eine Erblindung zur Folge haben könnte. Das Amtsgericht Bochum verurteilte die Angeklagte am selben Tag wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Das Berufungsverfahren ist beim Landgericht Bochum unter dem Aktenzeichen 4 Ns 66/18 anhängig. Es ist derzeit aufgrund des hiesigen Verfahrens ausgesetzt.

    58

    2. Kerngeschehen

    59

    a) Durchgeführte Unterspritzungen

    60

    Tat 1 (Fall 1 der Anklageschrift ‒ Frau L)

    61

    Im September 2018 stieß die Zeugin L auf die Profilseite der Angeklagten bei J11. Die dort gezeigten Fotos von Lippenunterspritzungen sagten der Zeugin zu, die schon längere Zeit mit dem Gedanken gespielt hatte, sich die Lippen verschönern zu lassen. Aufgrund der zahlreichen Follower und der Tatsache, dass mehrere Blogger positiv über die Angeklagte berichteten, ging die Zeugin von einem seriösen Angebot aus. Sie vereinbarte über X einen Behandlungstermin für den 11.09.2018.

    62

    Als die Zeugin an diesem Tag in den Praxisräumen in der E2 straße 00 in C eintraf, wurde sie von der Angeklagten in Empfang genommen. Außer ihr hielt sich niemand in den Praxisräumen auf.

    63

    Die Zeugin füllte auf Bitten der Angeklagten ein Formular mit einer Einverständniserklärung mit ihren Personalien aus und unterschrieb dieses. Angaben zu etwaigen Allergien oder Vorerkrankungen waren auf dem Formular nicht zu machen. Es fand auch kein weitergehendes Aufklärungsgespräch über Risiken und mögliche Folgen einer Lippenunterspritzung statt. Die Angeklagte offenbarte auch nicht ihre fehlende medizinische Qualifikation.

    64

    Die Zeugin betrat sodann das Behandlungszimmer und nahm auf der dort befindlichen Liege Platz. Die Angeklagte injizierte ihr nach einem kurzen Gespräch über die Wünsche der Zeugin mittels einer Spritze insgesamt 1 ml Hyaluronsäure in Ober- und Unterlippe. Hierbei trug die Angeklagte Handschuhe. Eine vorherige Desinfektion hatte die Angeklagte nicht durchgeführt.

    65

    Unmittelbar nach den Stichen kam es zu starken Blutungen, die etwa 15 bis 20 Minuten anhielten.

    66

    Die Zeugin bezahlte den zuvor vereinbarten Betrag in Höhe von 300 Euro in bar. Eine Rechnung oder Quittung erhielt sie nicht. Als die Zeugin die Praxisräume verließ, trafen gerade neue Kundinnen ein.

    67

    Kurze Zeit nach der Behandlung bildeten sich blaue Flecken und die Lippen der Zeugin schwollen stark an. Zudem bildeten sich Knötchen in Ober- und Unterlippe. Die Schwellung und die blauen Flecken bildeten sich nach etwa vier Tagen zurück. Die Knötchen sind heute noch spürbar.

    68

    Tat 2 (Fall 2 der Anklageschrift ‒ Frau W)

    69

    Die Zeugin W wurde über den Online-Dienst J11 auf die Angeklagte aufmerksam. Die von der Angeklagten veröffentlichen Bilder unterspritzter Lippen gefielen der Zeugin. Sie entschloss sich daher dazu, dies auszuprobieren. Aufgrund der vielen Follower der Angeklagten ging die Zeugin davon aus, die Angeklagte sei hinreichend qualifiziert.

    70

    Sie vereinbarte über X einen Termin und begab sich dementsprechend am 04.10.2018 in die E2 straße 00.

    71

    Die Zeugin betrat den Behandlungsraum und nahm auf der Liege Platz. Ein Beratungsgespräch fand mit der Zeugin nicht statt. Sie wurde weder mündlich noch schriftlich nach Vorerkrankungen oder Allergien gefragt auch nicht auf mögliche Risiken hingewiesen. Die Angeklagte wies nicht darauf hin, dass sie keine Heilpraktikerin ist und auch sonst über keine medizinische Qualifikation verfügt. Die Angeklagte spritze sodann fünf oder sechs Mal in die Nase der Zeugin und weiterhin in die Lippen. Insgesamt verwendete sie 1 ml  Hyaluronsäure für die Nase und 0,5 ml für die Lippen. Während der Behandlung trug sie nur an einer Hand einen Einmalhandschuh. Die Angeklagte stach sowohl in die Nasenspitze als auch in den Bereich der Nasenwurzel zwischen den Augen.

    72

    Die Zeugin bezahlte den zuvor vereinbarten Betrag in Höhe von insgesamt 760 Euro in bar an die Angeklagte.

    73

    Unmittelbar nach der Unterspritzung verfärbten sich die Lippen blau und schwollen an. Wegen der Schwellung hatte sie Schmerzen beim Sprechen. Weiterhin konnte sie für mehrere Wochen schlecht durch die Nase atmen. In der Folgezeit wurde durch einen Arzt eine Schleimhautentzündung festgestellt. Zur Behandlung musste die Zeugin über einen Zeitraum von drei Monaten dreimal täglich eine Creme auftragen. Trotzdem kam es gelegentlich zu Nasenbluten. Die Zeugin war weiterhin 5 Tage arbeitsunfähig krankgeschrieben.

    74

    Tat 3 (Fall 3 der Anklageschrift ‒ Frau F)

    75

    Im Dezember 2018 wurde die Zeugin F auf die J11 Seite der Angeklagten aufmerksam. Da die Zeugin schon länger die Absicht hatte, sich Lippen und Nase mit Hyaluronsäure unterspritzen zu lassen, vereinbarte sie über X einen Termin mit der Angeklagten. Die zahlreichen Fotos auf der Profilseite und die Werbung durch Influencer hatten bei der Zeugin den Eindruck erzeugt, dass es sich um ein seriöses Angebot handele.

    76

    Beim Eintreffen der Zeugin in den Räumlichkeiten in der E2 straße 00 in C am 12.12.2018 hielt sich nur die Angeklagte dort auf. Sie wurde aufgefordert, einen Bogen auszufüllen. Die Zeugin, die diesen nur überflogen hatte, trug ihren Namen ein und unterschrieb ihn. Anschließend fragte sie die Angeklagte nach deren Qualifikation. Die Angeklagte erklärte, Heilpraktikerin zu sein. Das entsprechende Zertifikat könne sie ihr später zeigen.

    77

    Nach einem kurzen Gespräch injizierte die Angeklagte mittels einer Spritze 1 ml Hyaluronsäure in die Lippen der Zeugin und eine unbekannte Menge Hyaluronsäure in die Nase der Zeugin. Zuvor hatte sie die Einstichstelle mittels eines Sprays desinfiziert.

    78

    Die Injektionen empfand die Zeugin als extrem schmerzhaft. Aus diesem Grund bezahlte sie nach Abschluss der Behandlung nur den zuvor vereinbarten Betrag in Höhe von insgesamt 530 Euro (davon 300 Euro für die Nasenbehandlung und 230 Euro für die Lippenbehandlung) und verließ die Praxis, ohne weiter nach dem Nachweis über die Heilpraktikerausbildung zu fragen.

    79

    Die Zeugin hatte in der Folgezeit enorme Schmerzen in Nase und Lippen. Diese schwollen zudem stark an und verfärbten sich blau. Die Schwellung in den Lippen hielt eine Woche an, diejenige in der Nase zehn Tage. Nach diesem Zeitraum waren auch die Verfärbungen verschwunden. Die Zeugin nahm mehrere Tage Schmerzmittel ein. Heute sind keine Veränderungen an der Nase mehr erkennbar, ihre Unterlippe empfindet die Zeugin als leicht hängend. Dies führt sie auf eine unsachgemäße Injektion zurück.

    80

    Tat 4 (Fall 4 der Anklageschrift, Fallakte 5 ‒ Frau D)

    81

    Die Zeugin D wurde über J11 auf die Angeklagte aufmerksam. Aufgrund der dort veröffentlichen Vorher-Nachher-Fotos von Lippenunterspritzungen, entschloss sie sich dazu, eine solche bei sich vornehmen zu lassen. Dies sollte allein der Verschönerung dienen, eine medizinische Indikation bestand nicht.

    82

    Sie vereinbarte über X einen Termin am 30.06.2018 und begab sich an diesem Tag in die Räumlichkeiten in der E2 straße 00 in C. Dort wurde sie von der Mutter der Angeklagten in Empfang genommen. Diese übergab ihr ein Formular und bat sie, dieses zu lesen und auszufüllen. Die Zeugin trug ihren Namen und ihre Anschrift ein und unterschrieb das Formular. Ob in dem Formular weitere Angaben erforderlich waren ‒ etwa Angaben zu Allergien oder ähnlichem ‒ konnte nicht festgestellt werden. Im Übrigen fand ‒ weder durch die Angeklagte noch durch deren Mutter ‒ eine weitere Befragung zu etwaigen Allergien oder Erkrankungen oder Belehrung über mögliche Risiken der Behandlung statt. Die Zeugin verzichtete auch nicht ausdrücklich auf eine solche. Weiterhin wurde die Zeugin nicht darauf hingewiesen, dass die Angeklagte über keine medizinische Qualifikation verfügt. Die Zeugin nahm zunächst im Wartezimmer Platz, in dem sich noch mehrere Kundinnen aufhielten.

    83

    Nachdem sie in das Behandlungszimmer gerufen worden war, injizierte die Angeklagte der Zeugin wunschgemäß mittels einer Spritze 0,5 ml Hyaluronsäure in die Oberlippe. Die Angeklagte trug währenddessen keine Handschuhe. Die Oberlippe verfärbte sich innerhalb von Minuten blau und schwoll an. Die Zeugin empfand für einen Zeitraum von einer Woche einen ziehenden bzw. spannenden Schmerz in der Oberlippe. Nach einer Woche bildeten sich Verfärbung und Schwellung zurück. Einige spürbare Knubbel sind immer noch vorhanden.

    84

    Die Zeugin bezahlte den zuvor vereinbarten Betrag in Höhe von 160 Euro in bar an die Angeklagte.

    85

    Tat 5 (Fall 5 der Anklageschrift, Fallakte 6 ‒ Frau N3)

    86

    Die Zeugin N3 vereinbarte mit der Angeklagten einen Behandlungstermin für ein Unterspritzen der Lippen über X, nachdem sie zuvor auf die J11 Seite der Angeklagten aufmerksam geworden war. Zweck der Behandlung war eine Verschönerung des Erscheinungsbildes der Zeugin, eine medizinische Indikation für eine Behandlung bestand nicht.

    87

    Am 29.03.2019 begab sie sich in die Räumlichkeiten in der E2 straße 00 in C. Die ebenfalls in der Wohnung anwesende Mutter der Angeklagten trug der Zeugin eine Betäubungscreme auf die Lippen auf. Weiterhin händigte sie ihr ein Formular aus und bat sie, dieses zu lesen und zu unterschreiben. Die Zeugin trug ihre Personalien ein und unterschrieb das Formular, obwohl sie dieses nicht genau gelesen hatte. In diesem Formular mussten keine weiteren Angaben gemacht oder bestimmte Abschnitte durch Ankreuzen markiert werden.

    88

    Die Zeugin begab sich dann in das Behandlungszimmer. Die Zeugin wurde weder nach bestehenden Allergien oder Vorerkrankungen gefragt, noch kam es zu einem Aufklärungsgespräch. Die Zeugin ging aufgrund der professionellen Gestaltung der J11 Seite davon aus, dass die Angeklagte über eine Qualifikation zum Unterspritzen von Lippen mit Hyaluronsäure verfügte. Die Angeklagte informierte die Zeugin nicht darüber, dass dies nicht der Fall war.

    89

    Die Angeklagte injizierte der Zeugin dort mittels einer Spritze Hyaluronsäure in die Ober- und Unterlippe. Hierbei stach sie viermal in die Oberlippe und dreimal in die Unterlippe. Die Zeugin empfand das Spritzen als unbeschreiblich schmerzhaft. Ihr kamen während des Unterspritzens die Tränen.

    90

    Die Zeugin zahlte nach der Behandlung den zuvor vereinbarten Betrag in Höhe von 250 Euro in bar an die Angeklagte und verließ die Wohnung. Wenig später schwollen die immer noch schmerzenden Lippen der Zeugin stark an und verfärbten sich blau und wurden schief. Weiterhin bildete sich ein Knubbel in der Oberlippe, der immer noch spürbar ist. Die Schmerzen und die Schwellung hielten für fünf Tage an.

    91

    Einige Zeit später ließ sich die Zeugin bei dem Unternehmen N4 die Lippen erneut mit Hyaluronsäure unterspritzen. Hierbei erhielt sie vor der Behandlung eine umfassende Aufklärung. Das Injizieren der Hyaluronsäure empfand die Zeugin dort als nicht schmerzhaft.

    92

    Tat 6 (Fall 6 der Anklageschrift, Fallakte 7 ‒ Frau L1

    93

    Im Mai 2018 wurde die Zeugin L1 auf die J11 Seite der Angeklagten aufmerksam, da diese von zahlreichen Influencern beworben wurde. Aus diesem Grund hielt die Zeugin das Angebot der Angeklagten auch für seriös. Die Zeugin ging davon aus, dass das Unterspritzen von Lippen mit Hyaluronsäure eine Qualifikation erfordere und dass die Angeklagte über eine solche verfüge. Sie vereinbarte über X einen Termin für eine Unterspritzung der Lippen mit Hyaluronsäure. Grund dieser Behandlung war der Wunsch der Zeugin, ihre Lippen zu verschönern. Ein medizinischer Grund für eine solche Behandlung bestand nicht.

    94

    Zwischen Juni und Juli 2018 begab sich die Zeugin in die Wohnung in der E2 Straße 00. Dort erhielt sie einen Bogen mit einer Einverständniserklärung. Die Zeugin trug ihre Personalien in diesen ein und unterschrieb ihn. Weitere Angaben waren auf diesem Bogen nicht zu machen. Ein Beratungs- oder Aufklärungsgespräch fand nicht statt. Die Angeklagte offenbarte auch nicht ihre fehlende medizinische Qualifikation.

    95

    Die Angeklagte injizierte mittels einer Spritze 1 ml Hyaluronsäure in Ober- und Unterlippe der Zeugin, nachdem sie die Lippen mit einer Creme etwas betäubt hatte. Die Lippen der Zeugin verfärbten sich lila, schmerzten und schwollen an. Die Zeugin bezahlte den zuvor vereinbarten Betrag in Höhe von 350 Euro in bar an die Angeklagte.

    96

    Tat 7 (Fall 7 der Anklageschrift, Fallakte 9 ‒ Frau H)

    97

    Die Zeugin H nahm im August 2018 über den Online-Dienst J11 mit der Angeklagten Kontakt auf und vereinbarte für den 11.08.2018 um 14:30 Uhr einen Behandlungstermin. Sie war durch verschiedene Influencer, die positiv über die Angeklagte berichtet hatten, auf diese aufmerksam geworden. Die Zeugin wollte sich von der Angeklagten die Lippen und die Nase mit Hyaluronsäure unterspritzen lassen, um auf diese Weise ihr Aussehen zu verbessern. Eine medizinische Indikation für eine solche Behandlung bestand nicht. Die Zeugin hatte sich zuvor im J12 über die Art der Behandlung informiert. Ihr war wichtig, dass eine solche von einer entsprechend ausgebildeten Person durchgeführt wird, da ihr bewusst war, dass das Unterspritzen mit gewissen Risiken verbunden ist. Die Zeugin ging davon aus, dass die Angeklagte über eine Ausbildung als Heilpraktikerin verfügt.

    98

    Am 11.08.2018 begab sich die Zeugin in die Wohnung in der E2 Straße 00 in C. Dort stellte sie fest, dass sich etwa 20 andere Personen im Wartebereich aufhielten, die ebenfalls um 14:30 Uhr einen Termin bei der Angeklagten hatten. Im Wartebereich fand sie weiterhin ein Formular vor, das sie, wie ihr andere Kundinnen mitteilten, vor der Behandlung ausfüllen musste. Dieses enthielt einen Haftungsausschluss, allerdings keine weitere Angaben zu Risiken oder möglichen Folgen der Behandlung. Angaben zu Allergien oder Vorerkrankungen wurden ebenfalls nicht abgefragt. Die Zeugin unterschrieb das Formular und hinterließ es in der Wohnung. Ihre fehlende medizinische Qualifikation offenbarte die Angeklagte nicht.

    99

    Nach anderthalbstündiger Wartezeit wurde sie in den Behandlungsraum gerufen, wo ihr die Angeklagte, ohne ein Beratungsgespräch mit der Zeugin geführt zu haben,  mittels einer Spritze 1 ml Hyaluronsäure in die Ober- und Unterlippe und eine weitere, nicht bekannte Menge Hyaluronsäure in die Nase injizierte. Unmittelbar nach dem Injizieren der Hyaluronsäure in die Nase verspürte die Zeugin einen extremen Schmerz in der Nase, der bis in die Stirn ausstrahlte. Gleichzeitig schwollen die Lippen der Zeugin an. Weiterhin schmerzten diese und verfärbten sich blau.

    100

    Die Zeugin bezahlte den zuvor vereinbarten Betrag in Höhe von 500 Euro in bar an die Angeklagte und verließ die Wohnung. Wenig später stellte sie sich bei einem Arzt vor, der eine Gewebeentzündung im Bereich der Nase diagnostizierte. Während sich die Verfärbung und Schwellung der Lippen zeitnah zurückbildeten, hielten die Schmerzen in der Nase für etwa ein Jahr an. Einen in der Unterlippe spürbaren Knubbel ließ die Zeugin ärztlich entfernen.

    101

    Taten 8 und 9 (Fall 8 der Anklageschrift, Fallakte 12 ‒ Frau U2)

    102

    Im Juli 2018 wurde die Zeugin U2 auf die J11Seite der Angeklagten aufmerksam. Sie beabsichtigte, bei sich aus kosmetischen Gründen Nase, Lippen und Kinn mit Hyaluronsäure unterspritzen zu lassen. Eine medizinische Indikation für diese Behandlung bestand nicht.

    103

    Die Zeugin begab sich am 01.08.2018 nach vorheriger Terminabsprache in die Räumlichkeiten in der E2 Straße 00 in C. In der Praxis hielten sich etwa 7 bis 10 weitere Personen auf.

    104

    Die Zeugin, die selber Gesundheit- und Krankenpflegerin ist, fragte die Angeklagte, ob sie Heilpraktikerin sei. Die Angeklagte bejahte das. Die Zeugin wusste aufgrund ihrer Ausbildung, dass nur Ärzte und Heilpraktiker zu Unterspritzungen mit Hyaluronsäure befugt sind. Hätte die Zeugin gewusst, dass die Angeklagte keine Heilpraktikerin ist, hätte sie sich der Behandlung bei ihr nicht unterzogen.

    105

    Mit der Zeugin wurde kein Aufklärungs- oder Beratungsgespräch geführt. Ihr wurde auch kein Aufklärungsbogen vorgelegt. Die Aufklärung über mögliche Folgen des Eingriffs erschöpften sich in dem Hinweis, dass die Lippen anschwellen könnten.

    106

    Die Angeklagte injizierte der Zeugin mittels einer Spritze eine unbekannte Menge Hyaluronsäure in Nase, Lippen und Kinn. Die Lippen der Zeugin schwollen unmittelbar nach der Behandlung stark an und verfärbten sich blau. Schwellung und Verfärbung bildeten sich nach vier Tagen zurück. Die Zeugin hatte weiterhin für eine Woche Schmerzen in den Lippen. Die Zeugin bezahlte den zuvor vereinbarten Betrag in Höhe von 700 Euro in bar an die Angeklagte.

    107

    Am 01.03.2019 ließ sich die Zeugin erneut von der Angeklagten behandeln. Bei diesem Termin war die Zeugin neben der Angeklagten die einzige Person in den Räumlichkeiten in der E2 Straße 00. Wie bereits beim vorherigen Termin wurde weder ein Aufklärungsgespräch mit der Zeugin geführt, noch wurde ihr ein Beratungsbogen übergeben.

    108

    Die Angeklagte injizierte abermals mit einer Spritze eine unbekannte Menge Hyaluronsäure in Nase und Lippen der Zeugin. Diese schwollen abermals stark an und verfärbten sich blau. Schwellung und Verfärbung bildeten sich abermals nach vier Tagen zurück. Dieses Mal hielten die Schmerzen in der Oberlippe der Zeugin jedoch für Monate an. Insbesondere beim Trinken verspürte sie einen Schmerz in ihrer Oberlippe. Die Zeugin bezahlte die zuvor vereinbarten 340 Euro in bar an die Angeklagte.

    109

    Tat 10 (Fall 9, Fallakte 14 ‒ Frau M5)

    110

    Im März 2019 wurde die Zeugin M5 auf die J11-Profilseite der Angeklagten aufmerksam. Da sie mit der Form ihrer Lippen unzufrieden war, nahm die Zeugin mit der Angeklagten Kontakt auf und verabredete für den 23.03.2019 einen Termin für eine Lippenunterspritzung.

    111

    Die Zeugin machte sich keinerlei Gedanken über die Qualifikation der Angeklagten. Sie vertraute der professionellen Gestaltung der J11 Seite.

    112

    Als die Zeugin an diesem Tag in der E2 Straße 00 eintraf, wurde sie von der Angeklagten in Empfang genommen. Sie musste zunächst noch einige Zeit warten, da eine andere Kundin vor ihr dran war. Nach Abschluss der Behandlung dieser Kundin bat die Angeklagte die Zeugin in das Behandlungszimmer. Sie besprach mit ihr kurz die Art der gewünschten Behandlung.

    113

    Eine weitergehende Aufklärung über mögliche Risiken und Folgen der Behandlung fand nicht statt. Auch musste die Zeugin keinen Aufklärungsbogen oder ein vergleichbares Schriftstück unterschreiben. Vorerkrankungen oder Allergien wurden nicht abgefragt. Die Zeugin wunderte sich hierüber, ließ die weitere Behandlung jedoch über sich ergehen. Dies auch deshalb, da sie sich bereits zuvor einer derartigen Behandlung mit Hyaluronsäure unterzogen hatte und dementsprechend grundsätzlich mit derartigen Behandlungen vertraut war. Die Angeklagte wies auch nicht darauf hin, dass sie keine Heilpraktikerin ist.

    114

    Die Angeklagte, die während der Behandlung Handschuhe trug, verabreichte der Zeugin sodann mittels einer Spritze 1 ml Hyaluronsäure in Ober- und Unterlippe. Nach Beendigung der nur etwa fünfminütigen Behandlung bezahlte die Zeugin den vereinbarten Preis von 270 Euro in bar und verließ die Räumlichkeiten. Bereits kurze Zeit später schwollen ihre Lippen stark an und verfärbten sich blau. Dieser Zustand hielt etwa eine Woche an. Weiterhin bildeten sich Knubbel in der Lippe. Heute verspürt die Zeugin keine Folgen des Eingriffs mehr.

    115

    Die Zeugin hat zwischenzeitlich Unterspritzungen der Lippe mit Hyaluronsäure bei einem anderen Anbieter durchführen lassen. Hinsichtlich Beratung und Behandlung lägen nach ihrer Auffassung Welten zwischen diesem Anbieter und der Angeklagten.

    116

    Tat 11 (Fall 10 der Anklageschrift, Fallakte 17 ‒ Frau H1)

    117

    Zu Beginn des Jahres 2018 wurde die Zeugin H1 auf die Profilseite der Angeklagten aufmerksam. Auf dieser Seite stand zu dieser Zeit, dass die Angeklagte Heilpraktikerin sei.

    118

    Die Zeugin, die mit der Form ihrer Lippen nicht zufrieden war, entschloss sich dazu, diese von der Angeklagten mit Hyaluronsäure unterspritzen zu lassen. Hätte sie gewusst, dass die Angeklagte keine Heilpraktikerin ist, hätte sich die Zeugin nicht von ihr behandeln lassen.

    119

    Nach einer Terminvereinbarung über X begab sich die Zeugin zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Frühjahr 2018 in die E2 Straße 00. Bei ihrem Eintreffen hielten sich 15 Personen im Wartezimmer auf. Während der Wartezeit wurde die Zeugin gebeten, einen Bogen zu unterschreiben, der einen Haftungsausschluss enthielt. Dieser enthielt keine Angaben zu möglichen medizinischen Folgen oder Risiken des Eingriffs. Auch wurden keine Angaben zu Vorerkrankungen oder Allergien abgefragt. Die Zeugin unterschrieb den Bogen und übergab ihn der Mutter der Angeklagten.

    120

    Schließlich rief die Angeklagte die Zeugin in den Behandlungsraum. Die Zeugin nahm auf dem Behandlungsstuhl Platz, während die Angeklagte ihr Handy bediente. Sie legte dieses wenig später beiseite, ergriff eine Spritze und begann ohne weitere Fragen nach den Wünschen der Zeugin und ohne ein weitergehendes Aufklärungsgespräch mit der Lippenunterspritzung.

    121

    Nach der Behandlung bezahlte die Zeugin den vereinbarten Betrag in Höhe von 300 Euro in bar. Eine Rechnung oder Quittung erhielt sie nicht. Direkt nach der Behandlung bildeten sich Knubbel in der Lippe und die Zeugin verspürte Schmerzen. Nach drei Tagen stellte sich ein Taubheitsgefühl an der linken Unterlippe ein. Eine Stelle an der Lippe fühlte sich für die Dauer von drei Wochen wie gelähmt an. Inzwischen verspürt die Zeugin keinerlei Beeinträchtigungen mehr.

    122

    Tat 12 (Fall 11 der Anklageschrift, Fallakte 18 ‒ Frau N5)

    123

    Im Januar 2018 wurde die Zeugin N5 auf die Profilseite der Angeklagten aufmerksam, da viele Influencer diese bewarben. Da die Zeugin schon längere Zeit plante, ihre Lippen aus optischen Gründen unterspritzen zu lassen, vereinbarte sie gemeinsam mit ihrer Schwester über X einen Termin bei der Angeklagten. Als sie mit ihrer Schwester in der E2 Straße 00 eintraf, befanden sich nur die Angeklagte und zwei weitere Kundinnen in der Wohnung.

    124

    Die Angeklagte bat die Zeugin, einen Zettel zu unterschreiben, den diese jedoch nicht genau las, sondern einfach unterzeichnete.

    125

    Vor Beginn ihrer Behandlung fragte die Zeugin die Angeklagte, ob diese Heilpraktikerin sei. Die Angeklagte bejahte dies und ergänzte, andernfalls dürfe sie diese Tätigkeit gar nicht ausüben. Hätte die Zeugin erfahren, dass die Angeklagte keine Heilpraktikerin ist, hätte sie die Behandlung nicht von ihr durchführen lassen.

    126

    Ein weitergehendes Aufklärungsgespräch über Risiken und mögliche Folgen des Eingriffs fand nicht statt. Auch fragte die Angeklagte nicht nach Vorerkrankungen oder Allergien.

    127

    Anschließend injizierte die Angeklagte mittels einer Spritze 1 ml Hyaluronsäure in Ober- und Unterlippe der Zeugin. Sie trug dabei weder Mundschutz noch Handschuhe. Die Einstiche empfand die Zeugin als extrem schmerzhaft. Auch nach der Behandlung verblieb ein brennender Schmerz in der Lippe. Weiterhin schwollen die Lippen an und verfärbten sich blau. Nach etwa 2 bis 3 Wochen bildeten sich Schwellung und Verfärbung zurück und der brennende Schmerz ließ nach. Knubbel, die sich ebenfalls nach der Behandlung gebildet hatten, blieben so lange in der Lippe, bis sich die Zeugin einige Zeit später bei einem anderen Anbieter erneut behandeln ließ.

    128

    Für die Behandlung bezahlte die Zeugin noch in den Praxisräumen den zuvor vereinbarten Betrag in Höhe von 300 Euro in bar. Eine Rechnung oder Quittung erhielt sie nicht.

    129

    Tat 13 (Fall 12 der Anklageschrift, Fallakte 19 ‒ Frau T3)

    130

    Im Juni 2018 wurde die Zeugin T3 über verschiedene Blogger auf die Profilseite der Angeklagten aufmerksam. Die zahlreichen Follower sowie die vielen Vorher-Nachher-Fotos von Lippenunterspritzungen überzeugten die Zeugin, die schon länger eine solche Behandlung für sich in Erwägung zog, von der Professionalität der durch die Angeklagte angebotenen Leistung.

    131

    Die Zeugin wusste, dass Lippenunterspritzungen mit Hyaluronsäure nur durch Heilpraktiker durchgeführt werden dürfen. Sie ging daher davon aus, dass die Angeklagte über eine entsprechende Qualifikation verfügt. Hätte sie gewusst, dass die Angeklagte keine Heilpraktikerin ist, hätte sie sich nicht von ihr behandeln lassen.

    132

    Nach einer Terminvereinbarung über X begab sich die Zeugin am 05.07.2018 in die E2 Straße 00 in C. In den Praxisräumen befanden sich neben der Zeugin, ihrer Schwester und der Angeklagten keine weiteren Personen. Ein Aufklärungsgespräch fand nicht statt. Auch nach etwaigen Allergien oder Vorerkrankungen der Zeugin erkundigte sich die Angeklagte nicht. Die Zeugin wurde auch nicht gebeten, ein Formular auszufüllen. Schließlich legte die Angeklagte auch nicht ihre fehlende medizinische Qualifikation offen.

    133

    Im Behandlungsraum erkundigte sich die Angeklagte nur kurz nach den Wünschen der Zeugin und begann dann mit der Unterspritzung der Lippen und des Kinns der Zeugin. Sie trug dabei weder Handschuhe noch Mundschutz und injizierte eine unbekannte Menge Hyaluronsäure mittels Spritze. Das Spritzen empfand die Zeugin als extrem schmerzhaft. Direkt nach der Behandlung bildeten sich Knoten in den Lippen und es entstanden blaue Flecken. Weiterhin empfand die Zeugin Schmerzen. Diese hielten eine Woche an. Nach diesem Zeitraum bildeten sich auch die blauen Flecken zurück. Die Knoten ließ die Zeugin bei einer Heilpraktikerin durch Massieren behandeln, sie sind aber noch immer spürbar.

    134

    Eine bei dieser Heilpraktikerin durchgeführte Unterspritzung mit Hyaluronsäure empfand die Zeugin als weit weniger schmerzhaft.

    135

    Für die Behandlung bezahlte die Zeugin noch in den Praxisräumen den zuvor vereinbarten Betrag in Höhe von 460 Euro in bar. Sie erhielt weder eine Rechnung noch eine Quittung.

    136

    Tat 14 (Fall 13 der Anklageschrift, Fallakte 20 ‒ Frau D1)

    137

    Im März 2019 stieß die Zeugin D1 auf die J11Seite der Angeklagten. Die Zeugin war zu dieser Zeit auf der Suche nach einem Anbieter, der sogenannte Fett-Weg-Spritzen appliziert, da sie mit der Form ihres Kinns unzufrieden war. Die Gestaltung der Profilseite und die dort gezeigten Fotos hinterließen bei der Zeugin einen positiven Eindruck.

    138

    Über X vereinbarte die Zeugin einen Termin für den 09.03.2019. Als sie an diesem Tag in der E2 Straße 00 eintraf, wurde die Zeugin von der Mutter der Angeklagten in Empfang genommen. Diese händigte ihr ein Formular mit der Bitte aus, dieses zu lesen und zu unterschreiben. Dieses enthielt Angaben dazu, was als Folge der Behandlung passieren könne und was die Zeugin im Zeitraum unmittelbar nach der Behandlung nicht machen dürfe. Die Zeugin selber musste auf diesem Formular nur ihren Namen angeben. Weitere Angaben zu Vorerkrankungen oder Allergien waren nicht erforderlich. Die Zeugin unterschrieb das Formular und gab es der Mutter der Angeklagten zurück.

    139

    Die Zeugin machte sich keine Gedanken zur Qualifikation der Angeklagten. Die Lichtbilder auf der J11 Seite hatten bei ihr den Eindruck einer hinreichenden Qualifikation hinterlassen. Sie erkundigte sich nicht weiter nach einer Ausbildung der Angeklagten. Diese äußerte sich auch nicht von sich aus dazu.

    140

    Im Behandlungsraum kam es zu einem kurzen Gespräch mit der Angeklagten, in dem über die Wünsche der Zeugin geredet wurde. Eine weitergehende Aufklärung über Risiken und mögliche Folgen fand nicht statt. Die Angeklagte offenbarte auch nicht ihre fehlende medizinische Qualifikation. Anschließend injizierte die Angeklagte mittels einer Spritze eine unbekannte Menge des Mittel „M“. Hierbei handelt es sich um ein nicht in Deutschland zugelassenes Medikament, das den pharmakologisch wirksamen Stoff Deoxycholate in einer Konzentration von etwas über 2 % enthält. Dieser bewirkt das Auflösen von Fettgewebe und ist in Medikamenten zur Behandlung von Doppelkinnen enthalten.

    141

    Nach Abschluss der Behandlung bezahlte die Zeugin den zuvor vereinbarten Betrag in Höhe von 220 Euro in bar. Rechnung oder Quittung erhielt sie nicht. Als sie das Behandlungszimmer verließ, hielten sich etwa 8-10 Personen im Wartebereich auf.

    142

    Kurze Zeit später schwoll das Kinn der Zeugin im Bereich der Einstichstelle an. Dieser Bereich wurde hart und spannte. Die Schwellung verblieb über mehrere Monate. Eine Verhärtung und die Spannung sind für die Zeugin heute noch spürbar.

    143

    Tat 15 (Fall 14 der Anklageschrift, Fallakte 24 ‒ Frau N6)

    144

    Im Frühjahr des Jahre 2017 wurde die Zeugin N6 auf die Profilseite der Angeklagten bei J11 aufmerksam. Die dort gezeigten Bilder unterspritzter Lippen gefielen der Zeugin. Sie entschloss sich aus kosmetischen Gründen dazu, ihre Lippen ebenfalls auf diese Weise behandeln zu lassen. Aufgrund eines entsprechenden Eintrags auf der Profilseite der Angeklagten ging die Zeugin davon aus, dass die Angeklagte Heilpraktikerin ist.

    145

    Sie verabredete über X einen Behandlungstermin bei der Angeklagten am 07.05.2017. Als sie in der Praxis in der E2 Straße 00 in C eintraf, hielten sich dort bereits einige Kundinnen auf. Beim Verlassen der Praxis einige Zeit später waren bereits weitere neue Kundinnen hinzugekommen.

    146

    Die Zeugin unterschrieb auf eine entsprechende Aufforderung der Angeklagten ein Formular, das im Wartebereich auslag, ohne dieses gelesen zu haben. Ein Aufklärungsgespräch, in dem Risiken und mögliche Folgen einer Unterspritzung der Lippen erörtert wurden, fand nicht statt.

    147

    Die Angeklagte bat die Zeugin in den Behandlungsraum. In diesem injizierte sie mittels einer Spritze und ohne vorherige Desinfektion 1 ml Hyaluronsäure in Ober- und Unterlippe der Zeugin. Nach Abschluss der Behandlung bezahlte die Zeugin den zuvor vereinbarten Betrag in Höhe von 220 Euro in bar an die Angeklagte. Eine Rechnung oder eine Quittung erhielt sie nicht.

    148

    In der Folgezeit schwollen die Lippen der Zeugin stark an und es bildeten sich blaue Flecken auf der Innen- und Außenseite der Ober- und Unterlippe. Weiterhin bildeten sich deutlich spürbare Knoten. Die Zeugin verspürte weiterhin Schmerzen in den Lippen. Aufgrund dieser Schmerzen und der Schwellungen war es ihr für die Dauer von einer Woche kaum möglich, zu reden. Sie konnte daher für eine Woche die Schule nicht besuchen.

    149

    Tat 16 (Fall 15 der Anklageschrift, Fallakte 25 ‒ Frau Q)

    150

    Im Oktober 2018 stieß die Zeugin Q auf die Profilseite der Angeklagten bei J11. Da die Zeugin ihre Lippen verschönern wollte und ihr die dort veröffentlichten Bilder gefielen, vereinbarte sie über X einen Termin mit der Angeklagten am 19.10.2018 um 15 Uhr.

    151

    Über die Qualifikation der Angeklagten machte sich die Zeugin keine Gedanken. Ihr war jedoch bewusst, dass nur Heilpraktiker dazu berechtigt sind, Spritzen zu verabreichen.

    152

    Als die Zeugin an diesem Tag in Begleitung an der Adresse E2 Straße 00 in C eintraf und an der Haustür schellte, öffnete zunächst niemand. Erst nachdem die Zeugin erneut über X mit der Angeklagten Kontakt aufgenommen und einige Zeit gewartet hatte, wurde ihr die Tür geöffnet.

    153

    Die Angeklagte war zu dieser Zeit alleine in der Praxis. Sie bat die Zeugin direkt in das Behandlungszimmer und erkundigte sich nach der gewünschten Behandlung. Ein Aufklärungsgespräch hinsichtlich der Risiken und Folgen einer Lippenunterspritzung fand nicht statt. Die Angeklagte erkundigte sich auch nicht nach etwaigen Vorerkrankungen oder Allergien. Auch offenbarte sie gegenüber der Zeugin nicht ihre fehlende Heilpraktikerausbildung. Ein Formular musste die Zeugin ebenfalls nicht ausfüllen.

    154

    Zu Beginn der Behandlung trug die Angeklagte eine Betäubungscreme auf die Lippen der Zeugin auf und ließ diese etwas einwirken. Anschließend entfernte sie die Creme und desinfizierte die Lippen mit entsprechenden Lösung, die sie auf eine Kompresse aufgetragen hatte. Dann injizierte sie mittels einer Spritze insgesamt 1 ml Hyaluronsäure in Ober- und Unterlippe der Zeugin.

    155

    Die Zeugin bezahlte den zuvor vereinbarten Betrag in Höhe von 280 Euro in bar für die Behandlung. Eine Rechnung oder Quittung erhielt sie nicht.

    156

    Am nächsten Tag bildete sich auf der Innenseite der Unterlippe der Zeugin eine Blase, die sich im Laufe der Zeit vergrößerte. Diese führte dazu, dass die Zeugin ihren Mund nicht richtig schließen konnte. Die Zeugin konsultierte zunächst einen Zahnarzt, der eine Creme verschrieb. Die Zeugin verwendete diese einige Zeit, ohne dass sich eine Besserung einstellte.

    157

    Im Januar 2019 begab sie sich erneut in ärztliche Behandlung. Es konnte eine Verletzung eines Lymphknotens festgestellt werden. Die Blase musste unter lokaler Betäubung operativ entfernt werden. Spätfolgen sind nicht eingetreten, sodass die Zeugin heute insoweit beschwerdefrei ist.

    158

    Tat 17 (Fall 16 der Anklageschrift, Fallakte 28 ‒ Frau I1)

    159

    Im Januar 2018 fand die Zeugin I1 zufällig die Profilseite der Angeklagten auf J11 und entschloss sich spontan gemeinsam mit einer Freundin dazu, ihre Lippen unterspritzen zu lassen. Grund hierfür war ihr Wunsch, diese verschönern zu lassen. Da auf der J11 Seite angegeben war, dass die Angeklagte Heilpraktikerin sei, ging die Zeugin davon aus, dass diese eine professionelle Behandlung anbiete.

    160

    Nach einer Terminverabredung über X begab sich die Zeugin mit ihrer Freundin am 11.01.2018 in die E2 Str. 00 in C. Als sie in der Praxis eintraf, wartete eine andere Kundin vor ihr. Außer dieser Kundin und der Angeklagten hielt sich dort niemand auf.

    161

    Vor der Behandlung fand kein Aufklärungsgespräch hinsichtlich etwaiger Risiken und Folgen der Behandlung statt. Auch Vorerkrankungen oder Allergien der Zeugin wurden nicht abgefragt. Ein von ihr zu unterschreibendes Formular wurde der Zeugin nicht ausgehändigt.

    162

    Die Angeklagte injizierte mittels einer Spritze 1 ml Hyaluronsäure in die Ober- und Unterlippe der Zeugin. Die Lippen schwollen nach der Behandlung stark an und es zeigte sich ein Bluterguss an einem Mundwinkel. Schwellung und Verfärbung hielten für einige Tage an. Weiterhin bildeten sich einige Knubbel in der Lippe, die erst nach einigen Wochen verschwanden.

    163

    Die Zeugin zahlte nach der Behandlung den zuvor vereinbarten Betrag in Höhe von 180 Euro in bar an die Angeklagte. Eine Rechnung oder Quittung erhielt sie nicht. Sie nahm sodann im Wartezimmer Platz, während ihre Freundin behandelt wurde.

    164

    Beim Verlassen der Praxis stellte sich bei der Zeugin ein Schwindelgefühl ein. Dieses hielt etwa eine Stunde an.

    165

    Mit dem Ergebnis, das sich nach dem Abschwellen der Lippen zeigt, war die Zeugin zufrieden. Allerdings war nach etwa fünf bis sechs Wochen keine Veränderung zum Zustand vor der Behandlung mehr erkennbar.

    166

    Tat 18 (Fall 17 der Anklageschrift, Fallakte 29 ‒ Frau L2)

    167

    Im März 2018 wurde die Zeugin L2 auf die Profilseite der Angeklagten bei J11 aufmerksam. Über X vereinbarte die Zeugin einen Behandlungstermin am 27.03.2018.

    168

    Als die Zeugin in den Räumlichkeiten in der E2str. 00 eintraf, wurde sie von der Angeklagten in Empfang genommen. Im Wartebereich saßen zu diesem Zeitpunkt noch andere Kundinnen.

    169

    Die Zeugin ging davon aus, dass die Angeklagte Heilpraktikerin sei. Ihr gegenüber erklärte die Angeklagte, dass „andere Heilpraktiker“ mehr Geld für diese Art der Behandlung nähmen als sie.

    170

    Anschließend injizierte die Angeklagte 0,5 ml Hyaluronsäure in die Oberlippe der Zeugin. Hierfür bezahlte die Zeugin einen Betrag in Höhe von 160 Euro.

    171

    In der Folgezeit empfand die Zeugin Schmerzen an der rechten Seite ihrer Oberlippe. Weiterhin bildete sich ein Knubbel.

    172

    Tat 19 (Fall 18 der Anklageschrift, Fallakte 30 ‒ Frau Z)

    173

    Die Zeugin Z wurde Anfang Dezember 2018 auf die J11 seite der Angeklagten aufmerksam. Da sie aus kosmetischen Gründen ihre Lippen unterspritzen lassen wollte, vereinbarte die Zeugin einen Termin für sich und eine Freundin bei der Angeklagten. Aufgrund einer entsprechenden Angabe auf der Profilseite bei J11 ging die Zeugin davon aus, dass die Angeklagte Heilpraktikerin sei.

    174

    Als die Zeugin mit ihrer Begleiterin am 04.12.2017 bei der Angeklagten eintraf, hielten sich keine weiteren Kundinnen in den Praxisräumen auf. Die Zeugin unterschrieb einen Bogen, dessen Inhalt sie nicht zur Kenntnis genommen hatte und der mit ihr nicht besprochen wurde. Es kam auch in der Folgezeit nicht zu einem Aufklärungsgespräch, in dem Risiken und mögliche Folgen einer Unterspritzung besprochen wurden.

    175

    Die Angeklagte behandelte zuerst die Freundin der Zeugin, der 0,5 ml Hyaluronsäure injiziert wurden. Anschließend rief sie die Zeugin in das Behandlungszimmer.

    176

    Nach einem kurzen Gespräch über die Wünsche der Zeugin injizierte die Angeklagte mittels einer Spritze 0,5 ml Hyaluronsäure in Ober- und Unterlippe. Sie verwendete hierbei dieselbe Fertigspritze, die sie zuvor bei der Freundin der Zeugin verwendet hatte. Sie hatte lediglich die Kanüle ausgetauscht.

    177

    Das Spritzen empfand die Zeugin als extrem schmerzhaft. Die Zeugin bezahlte den zuvor vereinbarten Betrag in Höhe von 150 Euro und verließ mit ihrer Freundin die Praxis. Zu diesem Zeitpunkt hielten sich zwei weitere Kundinnen im Wartebereich auf.

    178

    Die Schmerzen verschlimmerten sich im Laufe der kommenden zwei Tage so stark, dass sich die Zeugin in die Notaufnahme eines Krankenhauses begab. Ihre Lippen waren zu diesem Zeitpunkt blau verfärbt und stark angeschwollen. Der Zeugin wurde über Infusion ein Antibiotikum verabreicht und musste zwei Nächte im Krankenhaus verbringen. Nach ihrer Entlassung wurde die Behandlung durch ihren Hausarzt fortgesetzt. Nach einer Woche war sie weitgehend schmerzfrei. Schwellung und Verfärbung hatten sich ebenfalls zurückgebildet.

    179

    Während ihres Krankenhausaufenthaltes informierte die Zeugin die Angeklagte über ihren Zustand. Die Angeklagte besuchte die Zeugin im Krankenhaus und versicherte ihr, so etwas sei noch nie passiert. Sie bot ihr eine Schmerzensgeldzahlung in Höhe von 500 Euro an. Die Zeugin lehnte dies ab.

    180

    Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus kam es zu einem weiteren Treffen zwischen der Zeugin, ihrem Ehemann, der Angeklagten, dem Ehemann der Angeklagten und der Mutter der Angeklagten. Der Zeugin wurden nunmehr 1.500 Euro Schmerzensgeld und die Übernahme der Behandlungskosten angeboten. Im Gegenzug sollte sie auf eine Anzeige verzichten und die Behandlungsunterlagen an die Angeklagte herausgeben. Die Zeugin glaubte der Angeklagten noch immer, dass diese Heilpraktikerin sei und es sich um ein einmaliges Versehen gehandelt habe. Sie nahm das Angebot daher an.

    181

    In der Folgezeit bezahlte die Angeklagte an die Zeugin 1.500 Euro und übernahm die Behandlungskosten in Höhe von 1.900 Euro.

    182

    Tat 20 (Fall 19 der Anklageschrift, Fallakte 33 ‒ Frau Z2)

    183

    Mitte 2018 stieß die Zeugin Z2 auf die Profilseite der Angeklagten auf J11. Die dort gezeigten Fotos gefielen der Zeugin und erweckten den Eindruck, die Angeklagte arbeite professionell. Die Zeugin, die sich eine Unterspritzung der Lippen wünschte, vereinbarte einen Termin im Juni 2018.

    184

    Beim Eintreffen in der Wohnung der Angeklagten in der M2str. 00, in der sie damals auch noch Unterspritzungen durchführte, war außer der Angeklagten niemand anwesend.

    185

    Es fand kein Aufklärungsgespräch mit der Zeugin statt. Auch einen Bogen musste die Zeugin nicht ausfüllen. Schließlich offenbarte die Angeklagte auch nicht ihre fehlende medizinische Qualifikation.

    186

    Sie injizierte sodann mittels einer Spritze 1 ml Hyaluronsäure in Ober- und Unterlippe der Zeugin. Mit dem Ergebnis war die Zeugin zunächst zufrieden. Einige Zeit später empfand sie das Ergebnis jedoch als unförmig. Sie hatte weiterhin blaue Flecken für etwa 2 Wochen, empfand jedoch keine Schmerzen.

    187

    Nach der Behandlung zahlte die Zeugin den zuvor vereinbarten Betrag in Höhe von 280 Euro in bar an die Angeklagte.

    188

    Tat 21 (Fall 20 der Anklageschrift, Fallakte 34 ‒ Frau B1)

    189

    Im Januar 2019 wurde die Zeugin B1 auf die J11 seite der Angeklagten aufmerksam. Da die Zeugin ihre Lippen als extrem schmal empfand, entschloss sie sich dazu, diese von der Angeklagten unterspritzen zu lassen. Über die Qualifikation der Angeklagten machte sie sich keinerlei Gedanken. Sie ging aufgrund der hohen Anzahl an Followern und Kommentaren davon aus, dass es sich um ein seriöses Angebot handelte. Hätte sie allerdings gewusst, dass die Angeklagte keine Heilpraktikerin, sondern ausgebildete Frisörin ist, hätte sie keinen Kontakt mit ihr aufgenommen.

    190

    Sie vereinbarte über X einen Behandlungstermin am 02.02.2019 um 14:30 Uhr. Als sie an diesem Tag in den Räumen in der E2 str. 00 eintraf, verließen gerade 3 Frauen die Praxis. Zudem hielten sich dort 5 bis 6 weitere Kundinnen im Wartebereich auf. Die Zeugin wurde von der Mutter der Angeklagten in Empfang genommen. Diese trug eine Betäubungscreme auf die Lippen der Zeugin auf und bat sie, ein Formular auszufüllen. Die Zeugin trug ihre Personalien in das Formular ein und unterschrieb es. Weiterhin enthielt es eine kurze Erklärung über Folgen der Behandlung. Weitere Angaben zu Vorerkrankungen oder Allergien waren nicht erforderlich. Auch die Mutter der Angeklagten erkundigte sich nicht hiernach. Eine weitergehende Beratung zu möglichen Folgen und Risiken der Behandlung fand ebenfalls weder durch die Mutter der Angeklagten noch durch die Angeklagte selbst statt. Die Angeklagte wies auch nicht darauf hin, dass sie keine Heilpraktikerin ist.

    191

    Die Zeugin wurde nach einiger Wartezeit in das Behandlungszimmer gebeten. Die Angeklagte erkundigte sich kurz nach den Wünschen der Zeugin und begann dann mit der Behandlung. Sie entnahm eine bereits aufgezogene Spritze einer Verpackung, die mit K beschriftet war und injizierte mit dieser insgesamt 1 ml in Ober- und Unterlippe der Zeugin. Die Zeugin empfand diese Behandlung als extrem schmerzhaft.

    192

    Nach der Behandlung bezahlte die Zeugin den zuvor vereinbarten Betrag in Höhe von 250 Euro in bar an die Angeklagte. Rechnung oder Quittung erhielt sie nicht. Beim Verlassen des Behandlungsraums hielten sich neue Kundinnen im Wartebereich auf, die die Zeugin zuvor dort nicht gesehen hatte.

    193

    Kurze Zeit nach Verlassen der Praxis schwollen die Lippen der Zeugin stark an, verfärbten sich blau und schmerzten. Dieser Zustand hielt für etwa 10 Tage an. Weiterhin bildeten sich Knubbel, die heute noch spürbar sind.

    194

    Taten 22 und 23 (Fall 21 der Anklageschrift, Fallakte 37 ‒ Frau Z3)

    195

    Im Juni 2018 wurde die Zeugin Z3 auf die J11 seite der Angeklagten aufmerksam. Die Zeugin beabsichtigte zu dieser Zeit, ihre Lippen aus kosmetischen Gründen unterspritzen zu lassen. Die Zeugin ging aufgrund der vielen Follower und positiven Kommentare davon aus, dass die Angeklagte Heilpraktikerin ist. Hätte sie gewusst, dass dies nicht der Fall ist, hätte sie sich nicht von ihr behandeln lassen.

    196

    Sie vereinbarte über X einen Behandlungstermin am 12.06.2018 und begab sich an diesem Tag in die Räumlichkeiten in der E2 str. 00 in C. Dort wurde sie von der Mutter der Angeklagten in Empfang genommen und erhielt von dieser ein Formular, mit der Bitte, dieses zu unterschreiben. Dieses Formular wurde der Zeugin nicht näher erläutert. Sie unterschrieb es, nachdem sie es kurz überflogen hatte. Weitere Angaben zu Vorerkrankungen oder Allergien wurden nicht abgefragt. Dies geschah auch im weiteren Verlauf weder durch die Mutter der Angeklagten noch durch die Angeklagte selber. Die Angeklagte legte auch nicht ihre fehlende medizinische Qualifikation offen.

    197

    Die Zeugin nahm wenig später im Behandlungsraum Platz. Dort wurde ihr von der Angeklagten mittels einer Spritze 1 ml Hyaluronsäure in die Oberlippe injiziert. Das Spritzen empfand die Zeugin als schmerzhaft. Die Zeugin bezahlte nach Abschluss der Behandlung den zuvor vereinbarten Betrag in Höhe von 300 Euro in bar. Rechnung oder Quittung erhielt sie nicht.

    198

    Die Oberlippe schwoll wenig später stark an, verfärbte sich dunkelblau bis schwarz und fühlte sich hart an. Weiterhin sah die Oberlippe aufgrund der starken Schwellung schief aus. Da ihr dieses Erscheinungsbild unangenehm war, nahm die Zeugin drei Tage Urlaub. Nach etwa vier bis fünf Tagen bildete sich die Verfärbung zurück. Nach etwa einer Woche auch die Schwellung.

    199

    Am 26.06.2018 begab sich die Zeugin nach vorheriger Terminvereinbarung erneut in die Praxisräume in der E2str. 00 in C. Auch dieses Mal fand keine Belehrung statt. Die Angeklagte injizierte 0,5 ml Hyaluronsäure in die Oberlippe der Zeugin, die hierfür 160 Euro in bar bezahlte. Rechnung oder Quittung erhielt sie nicht.

    200

    Nach der Behandlung schwoll die Oberlippe der Zeugin stark an. Dieser Zustand hielt etwa eine Woche an.

    201

    Tat 24 (Fall 22 der Anklageschrift, Fallakte 38 ‒ Frau H2)

    202

    Im August 2018 stieß die Zeugin H2 auf die Profilseite der Angeklagten bei J11. Da die Zeugin mit dem Aussehen ihrer Lippen unzufrieden war, wollte sie diese unterspritzen lassen. Die Vorher-Nachher-Bilder auf der Profilseite der Angeklagten gefielen der Zeugin und sie entschloss sich daher, sich von ihr behandeln zu lassen. Aufgrund der vielen Follower hielt sie das Angebot für seriös. Weiterhin ging sie von einer entsprechenden Qualifikation der Angeklagten aus.

    203

    Als die Zeugin am 10.08.2018 nach vorheriger Terminvereinbarung über X in der E2str. 00 eintraf, hielten sich dort bereits drei oder vier andere Kundinnen auf, die in der Folgezeit von der Angeklagten behandelt wurden. Die Mutter der Angeklagten übergab der Zeugin ein Formular mit einer Einwilligungserklärung. In dieses trug die Zeugin ihre Personalien ein, unterschrieb es und gab es der Mutter der Angeklagten zurück. Weitere Angaben zu Vorerkrankungen oder Allergien waren in dem Formular nicht zu machen. Die Mutter der Angeklagten trug der Zeugin wenig später eine Betäubungscreme auf die Lippen auf.

    204

    Ein Aufklärungsgespräch fand in der Folgezeit nicht statt. Die Angeklagte informierte die Zeugin auch nicht über ihre fehlende Qualifikation als Heilpraktikerin.

    205

    Die Angeklagte injizierte der Zeugin mittels Spritze 1ml Hyaluronsäure in die Ober- und Unterlippe. Unmittelbar nach der Behandlung verspürte die Zeugin keine Schmerzen. Sie bezahlte den zuvor vereinbarten Betrag in Höhe von 300 Euro an die Angeklagte und verließ die Praxis. Rechnung oder Quittung erhielt sie nicht.

    206

    Im weiteren Verlauf des Tages schwollen die Lippen der Zeugin stark an und verfärbten sich blau. Weiterhin bildeten sich mehrere Knubbel. Die Zeugin ging mehrere Tage nicht zu ihrer Arbeit, da ihr ihr Erscheinungsbild sehr unangenehm war.

    207

    Die Schwellung und die Verfärbung bildeten sich nach einer Woche zurück. Die entstandenen Knubbel sind heute noch fühlbar.

    208

    Tat 25 (Fall 23 der Anklageschrift, Fallakte 47 ‒ Frau H3)

    209

    Im August 2018 wurde die Zeugin H3 auf die J11 seite der Angeklagten aufmerksam. Diese warb zu diesem Zeitpunkt mit einer Aktionswoche, in welcher das Unterspritzen der Lippen zu einem um 50 Euro reduzierten Preis angeboten wurde. Da die Zeugin ihre Lippen verschönern lassen wollte, vereinbarte sie über X einen Behandlungstermin. Über die Qualifikation der Angeklagten machte sich die Zeugin keine Gedanken. Aufgrund der hohen Anzahl an Followern bei J11 ging die Zeugin davon aus, dass es sich um ein seriöses Angebot handelte.

    210

    Am 27.08.2018 begab sie sich daher in die Räumlichkeiten in der E2 str. 00 in C. Da sich bereits einige andere Kundinnen dort aufhielten, musste sie einige Zeit im Wartebereich Platz nehmen. Während der Wartezeit trug die Mutter der Angeklagten eine Betäubungscreme auf die Lippen der Zeugin auf. Ein Aufklärungsgespräch wurde mit der Zeugin weder jetzt noch zu einem späteren Zeitpunkt geführt. Weiterhin erhielt sie auch kein Formular, das sie unterschreiben sollte. Die Angeklagte offenbarte der Zeugin auch nicht ihre fehlende medizinische Qualifikation.

    211

    Als die Zeugin in das Behandlungszimmer gebeten wurde, erkundigte sich die Angeklagte kurz nach den Wünschen der Zeugin. Anschließend injizierte sie mittels einer Spritze 1 ml Hyaluron in Ober- und Unterlippe der Zeugin. Anschließend bezahlte sie den zuvor vereinbarten Betrag in Höhe von 300 Euro an die Angeklagte und verließ die Praxisräume.

    212

    Wenig später entwickelte sich eine starke Schwellung der Lippen. Zudem verfärbten diese sich blau und die Zeugin verspürte einen ziehenden Schmerz in den Lippen. Wegen dieser Schwellung begab sich die Zeugin zu ihrem Hausarzt, der sie für drei Tage arbeitsunfähig krankschrieb. Nach einer Woche normalisierte sich der Zustand der Lippen wieder. Heute verspürt die Zeugin nur noch einen leichten Knubbel in den Lippen.

    213

    Tat 26 (Fall 24 der Anklageschrift, Fallakte 50 ‒ Frau D2)

    214

    Im August 2017 fand die Zeugin D2 die Profilseite der Angeklagten bei J11. Der Zeugin gefielen die dort gezeigten Vorher-Nachher-Bilder von Lippenunterspritzungen. Da die Zeugin bei sich aus kosmetischen Gründen eine Lippenunterspritzung vornehmen wollte, vereinbarte sie über X einen Behandlungstermin am 14.08.2017 in C in der E2str. 00.

    215

    Über die Qualifikation der Angeklagten machte sich die Zeugin keine Gedanken. Aufgrund der Gestaltung der Profilseite ging sie von einem professionellen und damit seriösen Angebot aus.

    216

    Als die Zeugin an diesem Tag in den Praxisräumen eintraf, befand sich gerade eine Kundin im Behandlungszimmer. Außer der Angeklagten hielt sich keine weitere Person in der Praxis auf. Nachdem die andere Kundin die Praxis verlassen hatte, kontrollierte die Angeklagte den Ausweis der Zeugin und erkundigte sich nach deren Wünschen. Ein Aufklärungsgespräch, in dem Risiken und mögliche Folgen einer Lippenunterspritzung erörtert wurden, fand nicht statt. Die Zeugin erhielt auch kein Formular, auf dem Angaben zu machen waren. Auf den Umstand ihrer nicht vorhandenen Qualifikation wies die Angeklagte die Zeugin nicht hin.

    217

    Die Angeklagte bat die Zeugin in den Behandlungsraum, wo sie eine Betäubungscreme auf die Lippen der Zeugin auftrug. Nach einer kurzen Wartezeit, in der die Betäubungscreme einwirken sollte, injizierte die Angeklagte mittels einer Spritze 0,5 ml Hyaluronsäure in die Oberlippe der Zeugin. Die Behandlung dauerte nur wenige Minuten.

    218

    Anschließend bezahlte die Zeugin den vorher vereinbarten Betrag in Höhe von 180 Euro in bar. Eine Rechnung oder Quittung erhielt sie nicht.

    219

    Etwa eine Stunde nach der Behandlung schwoll die Lippe der Zeugin stark an. Gegen Abend verschlimmerte sich die Schwellung weiter, sodass die Lippe der Zeugin an einer Stelle aufplatzte. An dieser Stelle bildete sich ein schmaler Riss, aus dem ein Sekret austrat. Die Lippe der Zeugin schmerzte hierbei sehr stark. Aufgrund der starken Schwellung und der anhaltenden Schmerzen bei Bewegungen der Lippe konnte die Zeugin etwa eine Woche lang nur flüssige Nahrung über einen Strohhalm zu sich nehmen. Nach etwa vier Wochen war der Riss verheilt und die Lippe abgeschwollen.

    220

    Die Zeugin ließ in der Folgezeit mehrere Unterspritzungen ihrer Lippen bei einem anderen Anbieter durchführen. Dort kam es anfangs nur zu leichten Schwellungen nach den Behandlungen. Bei späteren Behandlungen schwollen die Lippen nicht mehr an.

    221

    Taten 27 und 28 (Fall 25 der Anklageschrift, Fallakte 54 ‒ Frau K1)

    222

    Im September 2017 stieß die Zeugin K1 auf die Profilseite der Angeklagten bei J11. Da sie den Wunsch hatte, ihre Lippen verschönern zu lassen und ihr die auf der Profilseite gezeigten Bilder gefielen, vereinbarte sie über X einen Behandlungstermin für eine Lippenunterspritzung. Die Zeugin ging davon aus, dass die Angeklagte zur Durchführung solcher Behandlungen befugt sei, da sie es nicht für möglich hielt, dass jemand ohne entsprechende Qualifikation derartige Behandlungen durchführt.

    223

    Dieser fand an einem nicht mehr bestimmbaren Tag im September 2017 statt. Als die Zeugin in den Praxisräumen in der E2str. 00 in C eintraf, hielt sich dort nur die Angeklagte auf. Sie nahm die Zeugin in Empfang und erkundigte sich nach deren Wünschen. Ein Aufklärungsgespräch über Risiken und mögliche Folgen einer Unterspritzung der Lippen mit Hyaluronsäure fand nicht statt. Die Zeugin musste auch keine schriftlichen Unterlagen ausfüllen. Auch ihre fehlende Qualifikation offenbarte die Angeklagte der Zeugin nicht.

    224

    Im Behandlungszimmer injizierte die Angeklagte der Zeugin mittels einer Spritze 1 ml Hyaluronsäure der Marke K in Ober- und Unterlippe.

    225

    Nach der Behandlung bezahlte die Zeugin den zuvor vereinbarten Betrag in Höhe von 230 Euro in bar. Rechnung oder Quittung erhielt sie nicht.

    226

    Mit dem Ergebnis war die Zeugin zunächst zufrieden. Nach einigen Tagen entwickelte sich jedoch eine erhebliche Schwellung der Lippen, die auf einer Seite deutlich stärker ausgeprägt war. Nach etwa drei Wochen bildete sich die Schwellung zurück. Mit dem dann wieder sichtbaren Ergebnis der Unterspritzung war die Zeugin zufrieden.

    227

    Für den 22.06.2018 vereinbarte die Zeugin erneut über X einen Behandlungstermin bei der Angeklagten in den Räumlichkeiten in der E2 str. 00 in C. An diesem Tag hielten sich beim Eintreffen der Angeklagten zwei weitere Kunden in der Praxis auf, die ebenfalls von der Angeklagten behandelt wurden.

    228

    Auch bei diesem Besuch gab es weder ein Aufklärungsgespräch noch musste die Zeugin schriftliche Unterlagen ausfüllen. Auf Wunsch der Zeugin injizierte die Angeklagte mittels einer Spritze insgesamt 2 ml Hyaluronsäure der Marke K. Davon injiziere sie 1 ml in Ober- und Unterlippe sowie 1 ml in die Nase der Zeugin.

    229

    Die Zeugin bezahlte für diese Behandlung 600 Euro in bar und erhielt abermals weder Quittung noch Rechnung. Mit dem Ergebnis der Nasenbehandlung war die Zeugin sehr zufrieden. Die Unterspritzung der Lippen hatte hingegen zu einem kaum sichtbaren Ergebnis geführt. Die Lippen waren abermals aufgrund einer Schwellung für einige Zeit etwas schief. Zudem bildeten sich viele Knoten, die teilweise auch heute noch spürbar sind.

    230

    Tat 29 (Fall 26 der Anklageschrift, Fallakte 55 ‒ Frau T4)

    231

    Im Januar 2018 wurde die Zeugin T4 auf die Profilseite der Angeklagten auf J11 aufmerksam. Da ihr die dort gezeigten Bilder unterspritzter Lippen gefielen und sie eine solche Behandlung auch für sich wünschte, vereinbarte sie über X einen  Behandlungstermin am 12.01.2018. Als sie in den Räumlichkeiten in der E2 str. 00 eintraf, hielt sich dort außer ihr nur die Angeklagte auf. Diese begab sich mit der Zeugin direkt in den Behandlungsraum, wo sie dieser ein Formular mit der Bitte übergab, dieses zu unterschreiben. Die Zeugin unterschrieb das Formular, nachdem sie es überflogen hatte. Sie ging davon aus, es handele sich um eine Einverständniserklärung. Ein weiteres Aufklärungsgespräch, in dem Risiken und mögliche Folgen des Eingriffs besprochen wurden, fand nicht statt. Die Angeklagte wies nicht auf ihre fehlende medizinische Qualifikation hin.

    232

    Die Zeugin ging davon aus, dass die Angeklagte zur Durchführung von Unterspritzungen hinreichend qualifiziert war. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass jemand derartige Behandlungen ohne Erlaubnis durchführt.

    233

    Die Angeklagte injizierte der Zeugin mittels einer Spritze eine nicht genau bekannte Menge Hyaluronsäure in Ober- und Unterlippe. Die Lippen der Zeugin hatte die Angeklagte zuvor mittels eines Sprays desinfiziert. Das Spritzen empfand die Zeugin als derartig schmerzhaft, dass ihr die Tränen kamen. Nach Abschluss der Behandlung schwollen die Lippen der Zeugin leicht an und sie empfand die Lippen als schief. Die Angeklagte erklärte ihr, dass sich dieser Zustand nach dem Rückgang der Schwellung bessern würde.

    234

    Die Zeugin bezahlte daher den zuvor vereinbarten Betrag in Höhe von 250 Euro in bar. Eine Rechnung oder Quittung erhielt sie nicht.

    235

    Im Laufe des Tages verschlimmerte sich die Schwellung der Lippen und es bildeten sich blaue Flecken auf diesen. Weithin bildeten sich in den Lippen spürbare Knubbel. Die Schwellung und die Verfärbung bildeten sich nach etwa zwei Wochen zurück. Die Knubbel sind heute noch spürbar.

    236

    Tat 30 (Fall 27 der Anklageschrift, Fallakte 58 ‒ Frau F1)

    237

    Im August 2018 stieß die Zeugin F1 auf die Profilseite der Angeklagten bei J11. Dort sah sie zahlreiche Vorher-Nachher-Bilder von Unterspritzungen der Nase, der Lippen und des Kinns, die der Zeugin gefielen. Da sich zahlreiche Influencer auf J11 positiv über die Angeklagte äußerten, hielt die Zeugin deren Tätigkeit für seriös. Über eine Qualifikation der Angeklagten zur Durchführung dieser Behandlungen machte sie sich daher keine weiteren Gedanken.

    238

    Da die Zeugin aus kosmetischen Gründen ihre Nase unterspritzen lassen wollte, vereinbarte sie über X einen Termin bei der Angeklagten am 18.08.2018 um 14 Uhr. Als die Zeugin an diesem Tag in den Praxisräumen in der E2 str. 00 in C eintraf, hielten sich dort bereits etwa acht andere Kundinnen auf. Diese wurden allesamt vor der Zeugin in das Behandlungszimmer gebeten, sodass die Zeugin lange auf ihre Behandlung warten musste.

    239

    Als die Zeugin schließlich durch die Angeklagte in das Behandlungszimmer gebeten wurde, wurde sie zunächst aufgefordert, ein Formular zu unterschreiben. Dieses enthielt eine Einverständniserklärung. Die Zeugin trug ihren Namen ein und unterschrieb das Formular. Weitere Angaben zu Vorerkrankungen oder Allergien waren in dem Formular nicht zu machen. Ein weitergehendes Aufklärungsgespräch fand nicht statt. Die Angeklagte wies nicht auf ihre fehlende medizinische Qualifikation hin.

    240

    Die Angeklagte erkundigte sich kurz nach den Wünschen der Zeugin. Sodann injizierte sie mittels einer Spritze 1 ml Hyaluronsäure in die Nase der Zeugin. Eine Desinfektion führte die Angeklagte nicht durch. Sie stach dabei sowohl in die Nasenspitze als auch in den Bereich der Nasenwurzel zwischen den Augen.

    241

    Anschließend überzeugte die Angeklagte die Zeugin davon, sich auch noch das Kinn unterspritzen zu lassen. Hierbei spritze die Angeklagte, ebenfalls ohne vorherige Desinfektion, eine unbekannte Menge Hyaluronsäure in das Kinn der Zeugin.

    242

    Die Zeugin bezahlte den zuvor vereinbarten Betrag in Höhe von 600 Euro an die Angeklagte in bar. Sie fragte dabei nach einer Quittung. Die Angeklagte erklärte, dass sie keine Quittungen erstelle.

    243

    In der Folgezeit schwollen Nase und Kinn der Zeugin stark an. An der Nase bildeten sich zudem blaue Flecken. Zudem verspürte die Zeugin seit der Behandlung Kopfschmerzen im Bereich der Nase und der Augen. Gegen die Kopfschmerzen nahm die Zeugin nicht verschreibungspflichtige Medikamente ein. Schmerzen und Schwellungen hielten für etwa drei Wochen an, dann bildeten sie sich, ebenso wie die blauen Flecken, zurück. Mit dem optischen Ergebnis der Behandlung war die Zeugin unzufrieden. Sie hatte den Eindruck, ihr Kinn habe wie ein Brocken ausgesehen. Weiterhin kam ihr ihre Nase schief vor.

    244

    Tat 31 (Fall 28 der Anklageschrift, Fallakte 60 ‒ Frau S1)

    245

    Zu Beginn des Jahres 2018 wurde die Zeugin S1 auf die Profilseite der Angeklagten aufmerksam. Ihre Schwester hatte sie auf diese hingewiesen. Die Angeklagte bewarb zu dieser Zeit eine von ihr geplante Veranstaltung in G, bei der sie Lippen unterspritzen wolle.

    246

    Da die Zeugin schon längere Zeit plante, ihre Lippen aus kosmetischen Gründen unterspritzen zu lassen, vereinbarte sie mit ihrer Schwester einen Behandlungstermin am 04.02.2018. Über die Qualifikation der Angeklagten machte sich die Zeugin keine Gedanken. Aufgrund der Gestaltung der Profilseite ging sie davon aus, dass die Angeklagte ein professionelles Studio in C betreibe.

    247

    Die genaue Örtlichkeit erfuhren sie erst kurzfristig an diesem Tag. Es handelte sich um ein J12-Hotel. Als die Zeugin mit ihrer Schwester bei diesem eintraf, wurden sie im Empfangsbereich von einer Frau und einem Mann angesprochen und zu einem näher bezeichneten Zimmer weitergeleitet. Als sie dort eintrafen, warteten vor ihr fünf andere Kundinnen auf dem Flur vor dem Zimmer. Die Zeugin wurde aufgefordert, einen Zettel mit einer Haftungsfreistellung zu unterschreiben. Die Zeugin trug ihre Personalien auf diesem ein und unterzeichnete den Zettel, ohne ihn weiter zu lesen. Eine weitere Frau trug während der Wartezeit eine Betäubungscreme auf die Lippen der Zeugin auf. Der Zeugin kamen angesichts dieses wenig professionell wirkendes Umfeld Bedenken, sie entschloss sich aber dazu, die Behandlung durchführen zu lassen.

    248

    Nachdem die fünf anderen Kundinnen behandelt worden waren, wurde die Zeugin in das Zimmer zu der Angeklagten gerufen. In diesem befand sich ein normaler Stuhl, auf dem die Zeugin Platz nahm. Eine Behandlungsliege war nicht vorhanden. Ein Aufklärungsgespräch über Risiken und mögliche Folgen des Eingriffs fand nicht statt. Auch die fehlende medizinische Qualifikation der Angeklagten wurde nicht offengelegt. Die Angeklagte erkundigte sich nur kurz nach den Wünschen der Zeugin und injizierte sodann mittels einer Spritze insgesamt 0,5 ml Hyaluronsäure in Ober- und Unterlippe der Zeugin. Die Lippen der Zeugin hatte sie zuvor gereinigt und mit einem Tupfer desinfiziert. Handschuhe oder einen Mundschutz trug die Angeklagte während der Behandlung nicht. Das Spritzen empfand die Zeugin als sehr schmerzhaft.

    249

    Nach Abschluss der Behandlung bezahlte die Zeugin den zuvor vereinbarten Betrag in Höhe von 300 Euro in bar. Eine Rechnung oder Quittung erhielt sie nicht.

    250

    Kurz nach der Behandlung schwollen die Lippen der Zeugin stark an und es bildeten sich Knubbel in Ober- und Unterlippe. Dieser Zustand hielt vier Tage lang an. Die Knubbel haben sich inzwischen ebenfalls zurückgebildet.

    251

    Tat 32 (Fall 29 der Anklageschrift, Fallakte 63 ‒ Frau B2)

    252

    Die Zeugin B2 wurde über verschiedene Blogger auf die Angeklagte aufmerksam. Diese hatten positiv über diese und die von ihr durchgeführten Unterspritzungen mit Hyaluronsäure berichtet.

    253

    Anfang des Jahres 2018 erfuhr die Zeugin B2 über den Online-Dienst J11, dass die Angeklagte nach I2 kommen werde, um dort Lippenunterspritzungen durchzuführen.

    254

    Die Zeugin, die damals in I2 lebte, entschloss sich dazu, bei der Angeklagten eine Lippenunterspritzung durchführen zu lassen. Der Grund hierfür war allein kosmetischer Natur. Eine medizinische Indikation für eine solche Behandlung bestand nicht. Die Zeugin B2 ging davon aus, dass die Angeklagte Heilpraktikerin sei, da viele Blogger über sie berichteten und die Zeugin dachte, dass es nur hinreichend qualifizierten Personen überhaupt erlaubt sei, Hyaluronsäure zu erwerben. Hätte die Zeugin B2 gewusst, dass die Angeklagte keine Heilpraktikerin war, hätte sie davon abgesehen, mit der Angeklagten Kontakt aufzunehmen.

    255

    Über X vereinbarte die Zeugin einen Behandlungstermin. Sie erfuhr auf diesem Wege auch, dass die Behandlung im Hotel B3 stattfinden werde.

    256

    Die Angeklagte begab sich zur vereinbarten Zeit am 04.03.2018 zu diesem Hotel und wurde in der Eingangshalle von einem Mann in einem weißen T-Shirt in Empfang genommen und in ein Hotelzimmer weitergeleitet. Das Hotelzimmer bestand aus einem Wohnzimmer und einem separaten Schlafzimmer. Durch die Zimmertür betrat man das Wohnzimmer, in welchem sich beim Eintreffen der Zeugin B2 etwa 15 ‒ 20 Personen aufhielten. Die organisatorischen Abläufe empfand die Zeugin als unkoordiniert. Dies hatte auch zur Folge, dass sie etwa 3 Stunden warten musste. Die Mutter der Angeklagten übergab während der Wartezeit der Zeugin B2 ‒ genau wie allen anderen Besuchern ‒ ein Formular, dass diese unterschreiben sollte. Dieses enthielt Hinweise auf einen Haftungsausschluss. Fragen, etwa zu etwaigen Vorerkrankungen oder Allergien, waren in diesem Formular nicht zu beantworten. Die Zeugin unterschrieb das Formular und gab es der Mutter der Angeklagten zurück.

    257

    Als die Zeugin schließlich das Schlafzimmer betrat, in dem die Unterspritzungen durchgeführt wurden, trug die Mutter der Angeklagten der Zeugin zunächst eine Creme mit betäubender Wirkung auf die Lippen auf. Ein weiteres Beratungsgespräch, in dem Vorerkrankungen oder Allergien abgefragt oder auf mögliche Risiken hingewiesen wurde, fand nicht statt. Die Angeklagte wies auch nicht darauf hin, dass sie keine Heilpraktiker ist.

    258

    Die Zeugin nahm auf einer Liege Platz und die Angeklagte begann unmittelbar mit den Unterspritzungen. Sie injizierte mittels einer Spritze insgesamt 1 ml Hyaluronsäure in Ober- und Unterlippe der Zeugin. Das Spritzen empfand die Zeugin als extrem schmerzhaft. Ihre Lippen schwollen stark an, es bildeten sich weiterhin Knötchen in der Lippe. Zudem war die Hyaluronsäure offenbar ungleichmäßig verteilt, da die Lippen nach der Behandlung schief wirkten. Die Schmerzen hielten einen Monat an. Verhärtungen im Bereich der Knötchen sind heute noch spürbar.

    259

    Für die Behandlung bezahlte die Zeugin den zuvor vereinbarten Betrag in Höhe von 300 Euro in bar an die Angeklagte. Sie erhielt weder eine Quittung noch eine Rechnung.

    260

    Tat 33 (Fall 30 der Anklageschrift, Fallakte 64 ‒ Frau U3)

    261

    Im Januar 2019 wurde die Zeugin U3 auf die Profilseite der Angeklagten aufmerksam, da sie nach Anbietern gesucht hatte, die Kinnaufbau mittels Hyaluronsäure anbieten. Einen solchen wollte die Zeugin aus kosmetischen Gründen bei sich vornehmen lassen. Über X vereinbarte sie in der Folgezeit einen Behandlungstermin am 12.01.2019.

    262

    Als sie an diesem Tag in den Räumlichkeiten in der E2 str. 00 in C eintraf, hielten sich dort bereits zahlreiche andere Kundinnen auf. Sie wurde von der Mutter der Angeklagten in Empfang genommen und gebeten, ein Formular auszufüllen. Hierbei handelte es sich um eine Einverständniserklärung, die nur unterschrieben werden musste. Weitere Angaben etwa zu Allergien oder Vorerkrankungen waren nicht zu machen.

    263

    Als die Angeklagte die Zeugin einige Zeit später in den Behandlungsraum bat, fragte die Zeugin die Angeklagte, ob sie zur Ausübung von Unterspritzungen qualifiziert sei. Hintergrund war die Tatsache, dass die Zeugin im Internet von Gerüchten erfahren hatte, wonach die Tätigkeit der Angeklagten illegal sei. Die Angeklagte erklärte daraufhin, ihre Tätigkeit sei legal und verwies darauf, dass sie ein Kind und Familie habe und daher wohl kaum etwas Illegales tun würde. Sie erklärte ausdrücklich, Heilpraktikerin zu sein.

    264

    Die Angeklagte desinfizierte daraufhin zunächst das Kinn der Zeugin mit einem Pad. Anschließend injizierte sie insgesamt 2 ml Hyaluronsäure in das Kinn der Zeugin. Das Spritzen empfand die Zeugin als schmerzhaft.

    265

    Nach der Behandlung bezahlte die Zeugin den zuvor vereinbarten Betrag in Höhe von 450 Euro in bar an die Angeklagte. Eine Rechnung oder Quittung erhielt sie nicht.

    266

    Im Laufe des Tages verfärbte sich das Kinn durch einen Bluterguss beinahe komplett schwarz. Es dauerte eine Woche bis sich dieser Bluterguss abgebaut hatte. Bereits zwei Wochen nach der Behandlung war kein Unterschied zum Zustand vor der Behandlung mehr zu erkennen, obwohl die Angeklagte der Zeugin erklärte hatte, dass bis zu sechs Monate ein Unterschied erkennbar sein werde.

    267

    Tat 34 (Fall 31 der Anklageschrift, Fallakte 65 ‒ Frau M6)

    268

    Im März 2019 wurde die Zeugin M6 auf das J11-Profil der Angeklagten aufmerksam. Die Zeugin hielt das Angebot der Angeklagten für seriös, da es auf J11 vielfach beworben wurde. Da sich die Zeugin seit längerer Zeit aus kosmetischen Gründen eine Unterspritzung im Bereich der Nase wünschte, nahm sie mit der Angeklagten Kontakt auf und vereinbarte einen Behandlungstermin am 26.03.2019.

    269

    Als sie an diesem Tag in der E2 str. 00 in C eintraf, wurde ihr auf Klingeln nicht geöffnet. Die Zeugin versuchte mehrfach die Angeklagte telefonisch zu erreichen. Da sie eine Anfahrt von 260 km auf sich genommen hatte, wartete sie 45 Minuten, bis sie die Angeklagte schließlich erreichte. Diese sagte ihr zu, in 15 Minuten dort zu sein. Nach Ablauf dieser Zeit öffnete die Angeklagte die Haustür und begleitete die Zeugin in die Praxisräume. Dort begab sie sich mit der Zeugin unmittelbar in den Behandlungsraum und fragte nach deren Wünschen. Die Zeugin erklärte, dass sie eine Unterspritzung der Nase wünsche. Ein Aufklärungsgespräch fand nicht statt. Auch wurde der Zeugin kein Fragebogen oder ähnliches ausgehändigt.

    270

    Nachdem die Zeugin auf dem Behandlungsstuhl Platz genommen hatte, erklärte die Angeklagte unvermittelt, sie werde jetzt ein Foto machen. Anschließend fotografierte sie die Zeugin mit ihrer Handykamera. Die Zeugin war hiervon überrumpelt und widersprach nicht.

    271

    Vor Beginn der eigentlichen Behandlung fragte die Zeugin die Angeklagte, ob diese Heilpraktikerin sei. Dies bejahte die Angeklagte. Hätte die Angeklagte die Frage verneint, hätte sich die Zeugin nicht behandeln lassen, da ihr bewusst war, dass im Bereich der Nase viele Nerven verlaufen und eine unqualifizierte Behandlung gefährlich sein kann.

    272

    Die Angeklagte wischte die Nase der Zeugin mit einem Tuch ab, eine Desinfektion nahm sie nicht vor. Anschließend injizierte sie mittels einer Spritze insgesamt 1,5 ml Hyaluronsäure in die Nase der Zeugin. Sie stach hierbei sowohl in die Nasenspitze als auch in den Bereich der Nasenwurzel zwischen den Augen.

    273

    Die Zeugin bezahlte den zuvor vereinbarten Betrag in Höhe von 300 Euro in bar an die Angeklagte. Eine Rechnung oder Quittung erhielt sie nicht.

    274

    Das Ergebnis der Behandlung war zunächst kaum zu sehen, da die Nase so stark anschwoll, dass die Zeugin für einen Zeitraum von 2 Wochen ihre Brille nicht tragen konnte. Weiterhin kam es im Verlauf der ersten Woche nach der Behandlung immer wieder zu Blutungen aus den Einstichstellen an der Nasenspitze. Zudem schmerzte die Nase der Zeugin für die Dauer von drei Monaten.

    275

    Tat 35 (Fall 32 der Anklageschrift, Fallakte 67 ‒ Frau U4)

    276

    Im März 2018 wurde die Zeugin U4 auf die Profilseite der Angeklagten bei J11 aufmerksam. Die Zeugin hatte die Absicht, Nase und Lippen mit Hyaluronsäure unterspritzen zu lassen. Die auf der Profilseite gezeigten Fotos von Lippenunterspritzungen gefielen der Zeugin. Da dort auch die Angabe enthalten war, die Angeklagte sei Heilpraktikerin, entschloss sich die Zeugin dazu, sich von der Angeklagten behandeln zu lassen.

    277

    Als die Angeklagte mitteilte, dass sie am 30.03.2018 nach C2 komme, um dort Unterspritzungen durchzuführen, vereinbarte die Zeugin einen Behandlungstermin. Die genaue Örtlichkeit, das Hotel S2 in C2, wurde ihr erst kurz vor dem 30.03.2018 mitgeteilt.

    278

    Als die Angeklagte gegen 18 Uhr im Hotel eintraf, wurde sie von der Rezeption in einen Konferenzraum geschickt. In diesem befand sich ein normaler Stuhl, auf dem die Behandlungen durchgeführt wurden. Weiterhin befanden sich auf einigen Tischen Kartons mit verschiedenen Materialien.

    279

    Vor der Zeugin warteten bereits drei andere Kundinnen, die vor ihr behandelt wurde. Da dies sehr wenig Zeit in Anspruch nahm, hatte die Zeugin den Eindruck einer Massenabfertigung.

    280

    Mit der Zeugin wurde kein Aufklärungsgespräch geführt. Ihr wurde auch kein Aufklärungsbogen vorgelegt. Sie wurde von der Angeklagten vorgerufen und kurz nach ihren Wünschen gefragt. Dann injizierte sie mittels einer Spritze jeweils 1ml Hyaluronsäure in Lippen und Nase der Zeugin. Anschließend bezahlte die Zeugin den zuvor vereinbarten Betrag in Höhe von 600 Euro an die Mutter der Angeklagten und verließ das Hotel. Bereits zu diesem Zeitpunkt hatte sie ein schlechtes Gefühl, da sich in der Lippe Knubbel bildeten. Wenig später schwollen die Lippen der Zeugin stark an und verfärbten sich grün und blau. Weiterhin bildeten sich Knubbel, die teilweise heute noch spürbar sind. Sie verspürte zudem einen starken Schmerz auf dem Nasenrücken, den sie heute zumindest dann noch wahrnimmt, wenn Druck auf die Nase ausgeübt wird.

    281

    Tat 36 (Fall 33 der Anklageschrift, Fallakte 85 ‒ Frau E3)

    282

    Im Oktober 2018 wurde die Zeugin E3 auf die Profilseite der Angeklagten bei J11 aufmerksam. Aufgrund der hohen Anzahl an Followern hielt die Zeugin die Seite und die Tätigkeit der Angeklagten für seriös.

    283

    Über X vereinbarte sie einen Behandlungstermin am 23.11.2018, da sie ihre Lippen aus kosmetischen Gründen unterspritzen lassen wollte. Als die Zeugin an diesem Tag in den Räumlichkeiten in der E2 str. 00 in C eintraf, hielt sich dort nur die Angeklagte auf. Diese händigte der Zeugin zunächst einen Bogen aus und bat darum, die Zeugin möge diesen unterschreiben. Dieser Bogen enthielt im Wesentlichen die Erklärung, dass bei Unzufriedenheit kein Geld erstattet werde. Angaben zu Vorerkrankungen oder ähnlichem waren nicht zu machen. Ihre fehlende medizinische Qualifikation legte die Angeklagte nicht offen.

    284

    Die Angeklagte injizierte sodann mittels einer Spritze insgesamt 1 ml Hyaluronsäure in Ober- und Unterlippe der Zeugin.

    285

    Nach der Behandlung bezahlte die Zeugin den zuvor vereinbarten Betrag in Höhe von 300 Euro. Eine Rechnung oder Quittung erhielt sie nicht.

    286

    Das Ergebnis der Unterspritzung empfand die Zeugin zunächst als perfekt. Kurze Zeit später setzten jedoch Schmerzen ein, die ein bis zwei Wochen lang anhielten. Zudem entstanden mehrere Knubbel in der Lippe, die teilweise heute noch spürbar sind.

    287

    b) Steuerhinterziehungen

    288

    Tat 37 (Fall 34 der Anklageschrift)

    289

    Im Jahr 2017 erzielte die Angeklagte, da sie ihre Tätigkeit in diesem Zeitraum erst aufgebaut hat, durch ihre geschäftliche Tätigkeit einen Umsatz in Höhe von 126.500 Euro.

    290

    Die Angeklagte gab im Jahr 2017 keine monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen ab. Am 14.12.2018 gab sie eine Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2017 ab. In dieser erklärte sie Umsätze in Höhe von 79.967 Euro, die durch den Betrieb des mit ihrem Ehemann betriebenen Kiosks erzielt wurden. Die durch Unterspritzungen erzielten Einnahmen erklärte sie nicht. Das Finanzamt stimmte der Erklärung am 18.12.2018 zu.

    291

    Der Angeklagten war bewusst, dass sie die weiteren, durch Unterspritzungen erzielten Einnahmen im Rahmen dieser Umsatzsteuerjahreserklärung hätte angeben müssen.

    292

    Taten 38 - 49 (Fall 35 - 46 der Anklageschrift)

    293

    Im Jahr 2018 führte die Angeklagte im Jahresdurchschnitt an 200 Tagen Unterspritzungen in der E2 str. 00 in C durch und behandelte dabei durchschnittlich zwei Kundinnen pro Tag. Sie erzielte pro Kundin durchschnittlich Einnahmen in Höhe von 300 Euro. Dementsprechend erzielte sie durch Unterspritzungen im Jahr 2018 Einnahmen in Höhe von 120.000 Euro.

    294

    Die Angeklagte führte im Jahr 2018 zudem insgesamt 21 Veranstaltungen in verschiedenen Hotels bzw. Diskotheken im Bundesgebiet durch, bei denen sie ebenfalls Unterspritzungen mit Hyaluronsäure vornahm. Hierzu mietete sie größere Hotelzimmer oder Konferenzräume in den jeweiligen Hotels an. Für diese Veranstaltungen warb sie auf ihrer Profilseite bei J11. Durchschnittlich behandelte sie 20 Kundinnen auf einer solchen Veranstaltung. Im Durchschnitt vereinnahmte sie pro Kundin einen Betrag in Höhe von 300 Euro.

    295

    Insgesamt führte sie an den folgenden Terminen im Jahr 2018 Veranstaltungen in Hotels durch:

    296

    Nr.  Datum  Ort

    1  01.01.2018  J12 Hotel T5
    2  16.02.2018  J12 Hotel L3
    3  05.03.2018  Hotel in I2
    4  11.03.2018  B3 Apartment G
    5  22.03.2018 H4 Hotel H5
    6  25.03.2018  E4 Hotel T5
    7  30.03.2018  S2 C2
    8  01.04.2018  B3 Apartment G
    9  20.04.2018  Q1
    10  01.05.2018  Hotel in L4
    11  06.05.2018  „0 H6“ T5
    12  10.05.2018  B3 I2
    13  16.06.2018  J12 T5
    14  08.07.2018  „0 H6“ T5
    15  15.07.2018  E5 Hotel L3
    16  16.07.2018  J12 T5
    17  21.07.2018  B3 Apartment G
    18  22.07.2018  D3, T5
    19  16.08.2018  D3, T5
    20  30.09.2018  D3, T5
    21  02.12.2018  D3, T5
     
    297

    Dementsprechend erzielte sie durch diese Veranstaltungen im Jahr 2018 Umsätze in Höhe von 126.000 Euro.

    298

    Die Angeklagte entschloss sich im Jahr 2018 zudem dazu, Kurse im Microblading anzubieten. Hierbei handelt es sich um eine Variante des Permanent Make-Ups, bei dem insbesondere Augenbrauen nachgezeichnet werden. Hierzu richtete sie in den Räumlichkeiten in der E2 str. 00 in C einen Schulungsraum ein, in dem sich Tische, Stühle und eine Flipchart befanden. Sie stellte mit Freudinnen und Verwandten Unterrichtsszenen nach, von denen sie Fotos anfertigte. Diese veröffentlichte sie zu Werbezwecken auf ihrer Profilseite zusammen mit der Erklärung, es handele sich um einen von ihr durchgeführten Kurs im Microblading.

    299

    Die Resonanz war jedoch zunächst sehr gering. Als sich schließlich Interessenten meldeten, führte die Angeklagte zwei jeweils zweitägige Wochenendkurse durch. Hieran nahmen einmal vier Kundinnen und einmal drei Kundinnen teil. Der Preis pro Person lag bei jeweils 1.000 Euro. Die Angeklagte nahm diese Gelder von den Teilnehmerinnen in bar entgegen. Insgesamt vereinnahmte sie auf diese Weise einen Betrag in Höhe von 7.000 Euro.

    300

    Da die Angeklagte während dieser Kurse realisierte, dass im Unterrichten nicht ihre Stärken liegen, nahm sie von der Veranstaltung weiterer Kurse Abstand.

    301

    Insgesamt erzielte sie damit im Jahr 2018 Umsätze in Höhe von 253.000 Euro.

    302

    Im Laufe des Jahres 2018 gab die Angeklagte jedoch keine Umsatzsteuervoranmeldungen ab, obwohl ihr bewusst war, dass es sich um steuerlich relevante Einkünfte handelte und dass diese gegenüber den Finanzbehörden zu erklären waren.

    303

    Taten 50 und 51 (Fälle 47 und 48 der Anklageschrift)

    304

    In den ersten beiden Monaten des Jahres 2019 erzielte die Angeklagte durch ihre Geschäftstätigkeit Umsätze in Höhe von 42.166,67 Euro.

    305

    Auch im Jahr 2019 gab sie für die Monate Januar und Februar 2019 keine Umsatzsteuervoranmeldung ab, obwohl ihr bewusst war, dass es sich um steuerlich relevante Einkünfte handelte und dass diese gegenüber den Finanzbehörden zu erklären waren.

    306

    Zu keinem Zeitpunkt im Tatzeitraum machte die Angeklagte Vorsteuer geltend. Dies wäre ihr auch nicht möglich gewesen, da sie in keinem Fall für den Einkauf von Hyaluronsäurepräparaten eine Rechnung im Sinne des Umsatzsteuergesetzes erhielt.

    307

    3. Nachtatgeschehen

    308

    Die Angeklagte wurde am 03.04.2019 verhaftet und befindet sich seit dem 04.04.2019 in dieser Sache in Untersuchungshaft aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Bochum vom 04.04.2019 (Az. 64 Gs 1454/19). Am 14.05.2019 hob das Amtsgericht Bochum diesen Haftbefehl auf und setzte am selben Tag einen neu gefassten Haftbefehl in dieser Sache vom 09.05.2019 in Vollzug. Nach Eingang der Anklage beim Landgericht Bochum hob die Kammer diesen Haftbefehl auf und setzte einen nach Maßgabe der Anklage neu gefassten Haftbefehl vom selben Tag in Vollzug.

    309

    IV.

    310

    Beweiswürdigung

    311

    Die Feststellungen zur Person beruhen auf der durch den Verteidiger der Angeklagten abgegebenen Erklärung. Die Angeklagte hat deren inhaltliche Richtigkeit bestätigt. Die Erklärung war nachvollziehbar und plausibel. Die Feststellungen zur den nicht vorhandenen Vorbelastungen beruhen auf dem verlesenen Bundeszentralregisterauszug.

    312

    Die Feststellungen zur Sache beruhen zunächst auf den vom Verteidiger abgegebenen Einlassungen der Angeklagten. Der Verteidiger der Angeklagten hat für die Angeklagte erklärt, dass die in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Bochum vom 02.08.2019 erhobenen Vorwürfe inhaltlich insoweit zutreffend seien, dass sie Unterspritzungen mit Hyaluronsäure vorgenommen und die eingenommenen Gelder nicht versteuert hat. Lediglich die Höhe der in der Anklageschrift benannten Umsätze und damit der hinterzogenen Umsatzsteuer hat sie bestritten. Die Angeklagte hat auch diese Ausführungen des Verteidigers als inhaltlich zutreffend bezeichnet.

    313

    In einer weiteren, abermals vom Verteidiger abgegebenen und von der Angeklagten als zutreffend bezeichneten Einlassung hat die Angeklagte die in den Fällen 1 bis 33 der Anklageschrift benannten Behandlungen von Kundinnen eingeräumt. In allen Fällen hätten Interessenten zunächst über J11 Kontakt mit ihr aufgenommen und anschließend über X einen Termin vereinbart. Termine habe sie werktags regelmäßig zwischen 14 und 16 Uhr vereinbart, ein Schwerpunkt habe auf 14 bzw. 14.30 Uhr gelegen. Nur gelegentlich seien Termine um 17 oder 17.30 Uhr vereinbart worden. Die Terminvereinbarungen habe sie selber vorgenommen. Sie habe ihren Tagesablauf so koordiniert, dass die Termine um 14 bzw. 14.30 Uhr vereinbart wurden, damit sie die Praxis um 16 Uhr verlassen konnte. Dies sei erforderlich gewesen, da sie sich noch um ihr Kind und den Kiosk habe kümmern müssen. Sie habe regelmäßig mehrere Kundinnen zur selben Uhrzeit einbestellt. Dies sei zum einen geschehen, da Kundinnen oftmals nicht zu Terminen erschienen. Zum anderen wollte sie den Eindruck erwecken, ihre Praxis sei stets gut ausgebucht. Sie habe daher Wartezeiten für Kundinnen in Kauf genommen. Insgesamt habe sie an zwei bis drei Tagen pro Woche Behandlungen durchgeführt und drei bis fünf Kundinnen pro Tag behandelt.

    314

    Sie habe pro Milliliter Hyaluronsäure einen Preis zwischen 220 bis 300 Euro berechnet. Bei Kundinnen, die nur einen halben Milliliter verlangten, 140 bis 160 Euro.

    315

    Sie habe die Kundinnen Haftungsfreistellungen unterzeichnen lassen und die entsprechenden Bögen in einem Ordner abgeheftet. Wenn sich eine Kundin binnen eines Monats nicht mehr gemeldet habe, habe sie den entsprechenden Bogen vernichtet.

    316

    Im Zeitraum Oktober 2018 bis Dezember 2018 habe sie kaum noch Kundinnen gehabt, da in dieser Zeit sehr negativ über sie bei J11 und auf Z4 berichtet worden sei.

    317

    Die Angeklagte habe zeitweise auf ihrer Profilseite bei J11 behauptet, sie sei Heilpraktikerin. Auch in den Zeiten, in denen diese Angabe nicht vorhanden war, sei ihr bewusst gewesen, dass ihre Kundinnen davon ausgehen durften, dass sie über die Qualifikation verfüge, Hyaluronsäure zu spritzen. Zudem habe sie direkte Fragen von Kundinnen danach, ob sie Heilpraktikerin sei, wahrheitswidrig bejaht.

    318

    Hinsichtlich des Vorwurfs, dass sie Unterspritzungen auch in verschiedenen Hotels angeboten und durchgeführt hat, hat sich die Angeklagte durch ihren Verteidiger dahingehend eingelassen, dass dies grundsätzlich zutreffend sei. Sie habe die erste derartige Veranstaltung am 00.00.0000 in G durchgeführt und an diesem Tag 8.200 Euro eingenommen. Ferner erinnere sie sich an insgesamt zehn weitere Veranstaltungen in G, T5, I2 und C2. Diese seien deutlich schlechter besucht gewesen. Sie habe dort nur etwa 15 bis 20 Kundinnen pro Veranstaltung behandelt.

    319

    Im Hinblick auf den Vorwurf, die Angeklagte habe Schulungen im Microblading durchgeführt und dadurch Einnahmen generiert, die sie nicht versteuert habe, hat sich die Angeklagte durch eine Erklärung ihres Verteidigers, deren inhaltliche Richtigkeit sie bestätigt hat, dahingehend eingelassen, dass sie solche Veranstaltungen zwar beworben habe, es aber letztlich nur zwei Schulungen gegeben habe. An einer Schulung hätten einmal drei Kundinnen und einmal vier Kundinnen teilgenommen. Wann genau diese Schulungen durchgeführt worden seien, sei ihr nicht mehr in Erinnerung. Sie habe keine weiteren Schulungen angeboten, da ihr das Unterrichten nicht gefallen habe und sie sich unsicher gefühlt habe.

    320

    Soweit auf ihrer Profilseite Fotos von Schulungen veröffentlich worden seien, habe es sich um „gestellte“ Fotos gehandelt. Auf diesen seien Freundinnen der Angeklagten abgebildet, die sich zu Werbezwecken hätten ablichten lassen. Weitere Schulungen haben jedoch nicht stattgefunden.

    321

    Die Kammer konnte sich aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugen, dass die Angeklagte sich nicht zu Unrecht oder im Übermaß belastet hat. Die Überzeugung der Kammer beruht insbesondere auf der Würdigung der Aussagen der als Zeugen vernommenen Kundinnen der Angeklagten, der Vernehmung der Ermittlungsführerin der Polizei Bochum Frau KHK’in G1 sowie den übrigen, aus dem Hauptverhandlungsprotokoll ersichtlichen Beweismitteln.

    322

    Hinsichtlich der durchgeführten Unterspritzungen steht die Einlassung der Angeklagten im Einklang mit dem Ergebnis der zeugenschaftlichen Vernehmung der behandelten Kundinnen sowie den in Augenschein genommenen Fotos und der verlesenen Atteste.

    323

    Die von der Kammer gehörten Zeuginnen haben jeweils detailreich, schlüssig und nachvollziehbar von ihren jeweiligen Behandlungen berichtet. Dies gilt auch für die Aussage der Zeugin L2, die im allseitigen Einverständnis verlesen wurde. Sie schilderten jeweils die Kontaktaufnahme über J11 und X sowie den Ablauf der Behandlung. Ihre Schilderungen ähnelten sich weitgehend, ohne dass dabei jedoch der Eindruck entstand, die Aussagen seien abgesprochen. Jede Zeugin schilderte die Abläufe individuell und hatte dabei unterschiedlich genaue Erinnerungen an das Geschehen. Die Aussagen deckten sich jedoch stets mit der Einlassung der Angeklagten, die zudem bei keiner der Zeuginnen Einwände gegen die Schilderungen erhob.

    324

    Die Zeuginnen, die angaben, in den Räumlichkeiten in der E2 str. 00 behandelt worden zu sein, konnten diese jeweils sehr genau beschreiben. So beschrieben nahezu alle die in weiß gehaltenen Räumlichkeiten, den Empfangsbereich hinter der Wohnungstür, den Wartebereich und den nur spärlich eingerichteten Behandlungsraum übereinstimmend. Insbesondere bei dem Behandlungsraum war vielen Zeuginnen die in einem Leopardenmuster gehaltene Decke auf dem Behandlungsstuhl in Erinnerung.

    325

    Die Schilderungen der Zeuginnen stehen zudem in Einklang mit den Fotos der Räumlichkeiten, die im Rahmen der Hauptverhandlung in Augenschein genommen wurden.

    326

    Auch die Zeugen U4, S1 und B2, die angaben, in Hotels in I2, G und C2 behandelt worden zu sein, konnten das Geschehen nachvollziehbar, schlüssig und damit glaubhaft schildern. Ihre Schilderungen stimmten auch dahingehend überein, dass sie jeweils berichteten, bereits im Eingangsbereich des jeweiligen Hotels von Mitarbeitern der Angeklagten in Empfang genommen worden zu sein. Schließlich decken sich die Angaben dieser Zeuginnen auch mit der Einlassung der Angeklagten, dass sie in diesen Städten Veranstaltungen in angemieteten Hotelräumen durchgeführt hat.

    327

    Hinsichtlich der von der Angeklagten verwendeten Bögen, die eine Haftungsfreistellung enthielten, stützt sich die Überzeugung der Kammer auf die Einlassung der Angeklagten, die Zeugenaussagen sowie das verlesene Muster einer solchen Erklärung. Die Zeugen, die von einem derartigen Bogen berichteten, schilderten diesen unterschiedlich. Teilweise wurde dieser als sehr knapp beschrieben, teilweise als ausführlicher. Einige Zeugen erklärten, sie hätten ihre Personalien eintragen müssen, andere schilderten, sie hätten diesen nur unterschreiben müssen. Alle Aussagen waren dahingehend gleichlautend, dass keine weiteren Angaben zur Allergien oder Vorerkrankungen zu machen waren.

    328

    Soweit sich die Angaben der Zeugen unterscheiden, kann dies dadurch erklärt werden, dass die Angeklagte sich dahingehend eingelassen hat, den Bogen im Laufe der Zeit verändert zu haben. Weiterhin ist es möglich, das sich die Zeugen nicht oder unrichtig an Einzelheiten erinnern. Dies erscheint auch vor dem Hintergrund als plausibel dass alle Zeuginnen schilderten, dass das Ausfüllen dieses Bogens durch die Angeklagte beziehungsweise deren Mutter als bloße Formalie dargestellt wurde, die kaum Zeit in Anspruch nahm. Hierzu passt die Angabe vieler Zeuginnen, dass sie den Bogen vor dem Unterschreiben nur überflogen oder gar nicht gelesen haben. Soweit in dem verlesenen Aufklärungsbogen Angaben zu Allergien abgefragt werden, ist dies dadurch zu erklären, dass es sich nicht um ein von der Angeklagten verwendetes Exemplar handelt, was schon an der Überschrift „C1“ erkennbar ist. Die Angeklagte hat sich dahingehend eingelassen, ein selbst entworfenes Exemplar verwendet zu haben.

    329

    Hinsichtlich der Folgen der Behandlungen waren die Schilderungen der Zeuginnen ebenfalls detailreich und glaubhaft. In keinem Fall war eine Belastungstendenz erkennbar, vielmehr erweckten die Zeuginnen jeweils den Eindruck, differenziert auszusagen. Zudem lagen bei 24 der Zeuginnen Fotos vor, die zeitnah nach den Behandlungen aufgenommen wurden und die im Einklang mit den Schilderungen der jeweiligen Zeugin stehen. Schließlich lagen für die Taten 2, 7, 16 und 19 ärztliche Atteste vor, die durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt wurden und die jeweils die entsprechenden Folgen dokumentierten.

    330

    Auch hinsichtlich der Motivation der Zeuginnen, sich den Unterspritzungen zu unterziehen, waren deren Aussagen glaubhaft. Die Zeuginnen erklärten hierzu jeweils, dass allein der Wunsch nach einer Verschönerung der Lippen, Nase bzw. des Kinns ausschlaggebend für den Besuch bei der Angeklagten war. Keine Zeugin gab eine medizinische Notwendigkeit an.

    331

    Die Schilderungen der Zeuginnen hinsichtlich der Folgen der Behandlungen erscheinen auch daher als plausibel, da sie im Einklang stehen mit dem medizinischen Gutachten des Rechtsmediziners Dr. N2. Dieser hat an einer Vielzahl der Zeugenvernehmungen teilgenommen und ist über die Vernehmungen, an denen er nicht teilgenommen hat, durch einen Vortrag des Berichterstatters informiert worden. Im Übrigen hatte der Sachverständige umfassende Akteneinsicht.

    332

    Der Sachverständige Dr. N2 konnte zunächst schlüssig und nachvollziehbar die Zusammensetzung der Präparate „K“, „“ und „M“ erläutern. Auch die möglichen Risiken und Folgen einer unsachgemäßen Anwendung der Präparate konnte er anschaulich schildern und Nachfragen dazu beantworten. Der Sachverständige konnte insbesondere darstellen, dass Verhärtungen, Hämatome, Knötchen und Schwellungen typische Folgen einer Lippenunterspritzung mit Hyaluronsäure sein können und dass das Risiko des Eintritts dieser Folgen bei unsachgemäßer Behandlung erheblich erhöht ist. Weiterhin schilderte der Sachverständige anschaulich die Risiken, die mit einer unsachgemäßen Injektion von Hyaluronsäure verbunden sind. Diese seien, so der Sachverständige, besonders groß, wenn Hyaluron in die Nasenwurzel im Bereich zwischen den Augen injiziert werde, da das Hyaluron kleine Gefäße verstopfen und so die Blutversorgung des Auges unterbrechen könne, was zur Erblindung führen könne.

    333

    Hinsichtlich des Mittels „M“ konnte er schildern, dass aufgrund des enthaltenen Wirkstoffs Deoxycholsäure bei unsachgemäßer Anwendung, insbesondere einer Injektion in die Hautschichten, mit Nekrosen zu rechnen sei.

    334

    Auch die Ausführungen des Sachverständigung zur Wirkweise der von der Angeklagten teilweise verwendeten Betäubungscreme waren nachvollziehbar.

    335

    Schließlich schilderte der Sachverständige die hohen hygienischen Anforderungen, die bei der Durchführungen von Injektionen im Hinblick auf die Desinfektion zum einen des betroffenen Hautbereichs und zum anderen der Arbeitsumgebung zu erfüllen sind. So sei die Desinfektion der Einstichstelle mit einem keimarmen Tupfer oder ähnlichem durchzuführen. Das von den Zeuginnen in einigen Fällen geschilderte Auftragen einer Desinfektionslösung mit anschließendem Abwischen unter Verwendung eines nicht steril verpackten Pads genüge diesen Anforderungen keinesfalls.

    336

    Die Kammer hat in Anbetracht der schlüssigen Darstellungen keine Bedenken gegen die Ausführungen des Sachverständigen und schließt sich ihnen nach eigener Sachprüfung an.

    337

    Die Feststellungen zu den Inhaltsstoffen und der Wirkungsweise der Präparate „“ und „M“ beruht weiterhin und ergänzend zu den Ausführungen des Sachverständigen Dr. N2 auf dem Gutachten des als Sachverständigen gehörten Apothekers M7 vom Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen. Dieser konnte schildern, dass er Fertigspritzen mit dem Präparat „“ und weitere, ungekennzeichnete Fertigspritzen untersucht habe.

    338

    Hinsichtlich der in einer Packung mit der Aufschrift „K“ befindlichen Fertigspritzen konnte er ausführen, dass diese mit der Aufschrift „“ versehen gewesen seien. Deren Inhalt habe er ergebnislos auf pharmakologisch wirksame Substanzen untersucht und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass diese nur Hyaluronsäure ohne weitere Zusätze enthielten.

    339

    Die ungekennzeichneten Fertigspritzen habe er auf verschiedene Stoffe untersucht und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass Deoxycholsäure in einer Konzentration zwischen 2,44 % und 2,85 % enthalten sei. Er habe den Verdacht geschöpft, dass es sich um das Mittel „M“ handeln könnte. Eine Nachfrage bei dem in Italien ansässigen Hersteller dieses Präparats habe ergeben, dass dieses Deoxycholsäure in einer Konzentration von 2,7% enthalte. Vor diesem Hintergrund spreche alles dafür, dass es sich bei der Substanz in den Fertigspritzen um das Mittel „M“ handele. Auch der Sachverständige M7 schilderte im Folgenden, dass der Wirkstoff Deoxycholsäure bei unsachgemäßer Anwendung Nekrosen verursachen könne. Grundlage dieser Annahme sei ein aktueller „Roter-Hand-Brief“ des Pharmaherstellers, durch den dieser auf mögliche Gefahren bei der Anwendung des Medikaments aufmerksam mache.

    340

    Die Schilderungen des Sachverständigen M7 waren ebenfalls schlüssig und nachvollziehbar. Er konnte sein methodisches Vorgehen und die dabei gewonnenen Erkenntnisse nachvollziehbar schildern und Rückfragen beantworten. Die Kammer schließt sich nach eigener Sachprüfung auch seinen Ausführungen an.

    341

    Hinsichtlich der durch die Angeklagte erzielten Umsätze beruhen die Feststellungen auf der Einlassung der Angeklagten, den Aussagen der Zeuginnen, den Ausführungen des Zeugen und Finanzbeamten StAR S3, weiteren verlesenen Unterlagen sowie einer auf dieser Grundlage durchgeführten Schätzung der Kammer.

    342

    Seitens des Finanzamts ist, da keinerlei Buchführungsunterlagen auffindbar waren, eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen durchgeführt worden. Auf Grundlage der Tatsache, dass in dem Behandlungsraum in der E2str. 00 eine Vielzahl an Behandlungsutensilien gefunden wurden, ist das Finanzamt von einer Mindestkundenzahl von 250 Kunden pro Jahr ausgegangen. Es ist weiter von 220 Arbeitstagen abzüglich 20 Abwesenheitstagen ausgegangen und hat einen mittleren Umsatz von 400 Euro pro Kundin geschätzt. Auf dieser Grundlage hat es für das Jahr 2018 einen Umsatz von 100.000 Euro angenommen.

    343

    Die Kammer hat auf Grundlage einer kritischen Würdigung der Feststellungen des Finanzamts sowie der im Rahmen der Beweisaufnahme gewonnenen Erkenntnisse  eine eigene dahingehende Schätzung vorgenommen, dass an 200 Arbeitstagen der Jahres 2018 jeweils zwei Kundinnen in den Praxisräumen behandelt wurden. Grundlage hierfür waren zunächst Schilderungen der als Zeugen gehörten Kundinnen. Die Zeugin H berichtete, dass sich bei ihrem Eintreffen um 14:30 Uhr etwa 20 andere Kundinnen im Wartebereich aufhielten, die allesamt einen Termin für diese Uhrzeit hatten. Die Zeugin H1 schätzte, dass sich mit ihr 15 Personen in den Praxisräumen aufhielten. Die Zeugin D1 sagte aus, dass sie beim Eintreffen in den Praxisräumen die einzige Kundin gewesen sei, sich aber acht bis zehn Kundinnen im Wartebereich aufhielten, als sie die Praxis verließ. Nach Angaben der Zeugin N6 hielten sich bei ihrem Eintreffen mehrere Personen im Wartebereich auf. Beim Verlassen der Praxis seien neue hinzugekommen. Die Zeugin B1 schilderte, dass ihr beim Eintreffen in der Praxis drei Frauen entgegenkamen und sich einige weitere Personen im Wartebereich aufhielten. Beim Verlassen der Praxis seien weitere Personen im Wartebereich hinzugekommen. Nach Angaben der Zeugin F1 hielten sich viele Zeuginnen in der Praxis auf. Demgegenüber schilderten einige weitere Zeuginnen, sie seien als einzige Kundin in der Praxis gewesen.

    344

    Wichtige Indizien für eine hohe Kundenanzahl sind zudem die in der Hauptverhandlung eingeführten E-Mailkorrespondenzen des Ehemanns der Angeklagten, der sich bei verschiedenen Anbietern im Ausland (unter anderem den USA, Indien und der Ukraine) nach Hyaluronpräparaten erkundigt hat und in diesem Zusammenhang unter anderem nach Lieferungen von 500 bis 1200 Einheiten K fragte, wobei er in einem Fall einen monatlichen Bedarf von 500 bis 1000 angab. Dies gilt ebenfalls für den Inhalt des verlesenen Extraktionsberichts eines sichergestellten J. Dieses enthält Eintragungen in einer als Datumsangabe interpretierbaren Form („0.0“, „0.0“, „0.0“ etc.), denen jeweils eine Zahl im Bereich zwischen 800 und 3200 folgt. Es liegt nahe, dass es sich hierbei zum größten Teil um Tageseinnahmen handelt. Soweit sich die Angeklagte dahingehend eingelassen hat, sie habe dort auch Ausgaben eingetragen, vermag die Kammer dem nur für die zwei Fälle zu folgen, in denen ein entsprechender Zweck vermerkt ist („2000 für P gegeben“ bzw. „6500 für N7“).

    345

    Der Extraktionsbericht enthält weiterhin Eintragungen, die sich als Terminvereinbarungen im Monat April interpretieren lassen. So sind jeweils unter Angaben wie etwa „0.0“, „0.0“, „00.0“ Namen von einer bis sieben Personen eingetragen, jeweils ergänzt um eine als Uhrzeit zu verstehende Angabe (z.B. „14.30“ oder „15“). Zusammengefasst hat die Angeklagte auf Grundlage dieser Eintragungen in diesem Monat an 20 Tagen Behandlungen durchgeführt und 80 Kunden behandelt, was einem Durchschnitt von 4 Kunden pro Behandlungstag entspricht. Diese Quote liegt deutlich über der Schätzung der Kammer die von 2 Kunden pro Tag und durchschnittlich 16,67 (= 200:12) Behandlungstagen im Monat ausgeht.

    346

    Auch unter Berücksichtigung der Einlassungen der Angeklagten, sie habe im Zeitraum Oktober bis Dezember 2018 nur wenige Kunden gehabt, es seien nicht immer alle Kundinnen zu vereinbarten Terminen erschienen, ist die Kammer von der Richtigkeit der vorgenommenen Schätzung überzeugt, dass im Durchschnitt zwei Personen pro Behandlungstag erschienen sind und die Angeklagte an 200 Tagen im Jahr Behandlungen durchgeführt hat. Die Kammer hat insoweit auch bei der Schätzung berücksichtigt, dass nach der nicht widerlegbaren Einlassung der Angeklagten viele Kundinnen Begleitpersonen zu den Behandlungen mitgebracht haben.

    347

    Die durchschnittliche geschätzte Einnahme von 300 Euro pro Kundin stützt die Kammer zunächst auf die Einlassung der Angeklagten sowie die Angaben der Zeugen. Aus diesen ergibt sich übereinstimmend, dass die meisten Kundinnen die Injektion von 1 ml Hyaluronsäure wünschten und dass der Preis hierfür zwischen 220 und 300 Euro schwankte. Es ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass Kunden zusätzlich Injektionen in Nase und Kinn erhielten (Taten 2, 3, 7, 8, 9, 28, 30, 34, 35). Hierfür zahlten Kunden regelmäßig Beträge im Bereich zwischen 400 und 800 Euro. Aus dem Extraktionsbericht ergeben sich zudem Tageseinnahmen im Bereich zwischen 800 und 3200 Euro, sodass ein Umsatz von 300 Euro pro Person und damit 600 Euro pro Arbeitstag eine belastbare Schätzung darstellt.

    348

    Hinsichtlich der in Hotels und Diskotheken durchgeführten Veranstaltungen beruhen die Feststellungen zur Anzahl der Veranstaltungen auf der Einlassung der Angeklagten, Aussagen der als Zeugen vernommenen Kundinnen sowie weiteren verlesenen Dokumenten.

    349

    Die Angeklagte hat eingeräumt, jedenfalls an 10 Tagen Behandlungen in verschiedenen Hotels im Bundesgebiet durchgeführt zu haben. Dies steht im Einklang mit mehreren Zeugenaussagen. Die Zeuginnen U4, S1 und B2 schilderten jeweils, dass sie von der Angeklagten in einem Hotel in C2, G bzw. I2 behandelt worden sind. Aus dem verlesenen Auswertungsbericht des sichergestellten N8 ergeben sich zudem entsprechende Buchungen bzw. Korrespondenz zwischen dem Ehemann der Angeklagten und verschiedenen Hotels. Darüber hinaus steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass es auch zu elf weiteren Veranstaltungen gekommen ist. Dies stützt die Kammer auf die verlesene Übersicht aus dem strafrechtlichen Ermittlungsbericht des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Bochum sowie der Aussage des Zeugen StAR S3. Der Zeuge S3 hat im Rahmen seiner Ermittlungen auf Unterlagen der Polizei Stuttgart zurückgreifen können. Diese Feststellungen stehen auch nicht im Widerspruch zur Einlassung der Angeklagten, die sich dahingehend geäußert hat, dass sie sich nur an die von ihr benannten Veranstaltungen erinnert, aber nicht ausgeschlossen hat, dass es noch weitere Veranstaltungen gegeben hat.

    350

    Die Kammer hat auch hier aus den bereits aufgeführten Erwägungen einen durchschnittlichen Umsatz in Höhe von 300 Euro pro Kundin geschätzt.

    351

    Die Feststellungen zur Anzahl der pro Veranstaltung behandelten Kundinnen beruhen auf einer Schätzung auf Grundlage der Einlassung der Angeklagten sowie den Aussagen der Zeuginnen U4, S1 und B2. Die Angeklagte hat sich dahingehend eingelassen, es seien 15 bis 20 Kundinnen pro Tag erschienen. Die Kammer ist jedoch davon überzeugt, dass im Durchschnitt 20 Kundinnen pro Veranstaltungstag behandelt wurden. So schilderten die Zeuginnen S1 und B2 übereinstimmend für Veranstaltungen in zwei verschiedenen Hotels, dass jeweils vor und nach ihnen eine Vielzahl weiterer Kundinnen anwesend war. Die Zeugin U4, die die letzte Kundin an einem Veranstaltungstag in C2 war, schilderte, dass vor ihr drei Kundinnen innerhalb kurzer Zeit behandelt wurden. In Anbetracht der Tatsache, dass die jeweiligen Hotelräumlichkeiten ganztägig gebucht wurden, erscheint die Annahme von durchschnittlich 2,5 behandelten Kundinnen pro Stunde bei einer geschätzten Veranstaltungsdauer von 8 Stunden als belastbare Schätzung. Hierbei hat die Kammer unberücksichtigt gelassen, dass gemäß der Einlassung der Angeklagten an der ersten derartigen Veranstaltung in G 8200 Euro eingenommen wurden. Dies entspricht bei einem durchschnittlichen Umsatz von 300 Euro pro Kundin etwa 27 Kundinnen. Auch diese Veranstaltung wird im Rahmen der Schätzung jedoch nur mit 20 Kundinnen berücksichtigt, sodass etwaige weniger besuchte Veranstaltungen rechnerisch ausgeglichen werden.

    352

    Hinsichtlich der Feststellungen zu den durch Schulungen im Microblading erzielten Umsätzen hält die Kammer die Einlassung der Angeklagten, es seien nur zwei Schulungen mit insgesamt 7 Kundinnen durchgeführt worden, für nicht widerlegbar. Es sind insoweit auch keine weiteren Beweismittel ersichtlich. Dementsprechend ist insoweit von einem Umsatz von 7.000 Euro auszugehen.

    353

    Auf diese Weise schätzt die Kammer den Gesamtumsatz der Angeklagten im Jahr 2018 auf 253.000 Euro.

    354

    Hinsichtlich des Jahres 2017 folgt die Kammer der plausiblen Schätzung des Finanzamts, dass die Angeklagte in diesem Jahr die Hälfte des Jahresumsatzes aus 2018 erwirtschaftet hat. Dies berücksichtigt, dass die Angeklagte in diesem Zeitraum ihr Geschäft erst aufgebaut hat und dementsprechend zunächst wohl weniger Kundinnen behandelt hat. Ein Abschlag von 50 % auf den Jahresumsatz 2018 gleicht diesen Aspekt nach Auffassung der Kammer hinreichend aus. Hieraus ergibt sich der Jahresumsatz in Höhe von 126.500 Euro.

    355

    In den Monaten Januar und Februar 2019 ist davon auszugehen, dass die Angeklagte ihr Geschäft wie im Jahr 2018 fortgesetzt hat. Es sind keine Umstände bekannt geworden, die für eine Verringerung der Geschäftstätigkeit der Angeklagten sprechen. Dementsprechend hat die Kammer den Umsatz insoweit auf 2/12 des Jahresumsatzes von 2018 und damit auf 42.166,67 Euro geschätzt.

    356

    Die Feststellungen dazu, dass der Angeklagten die Pflicht zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen, zur Abgabe von Umsatzsteuerjahresmeldungen und damit zur Abführung von Umsatzsteuer bekannt waren, folgert die Kammer aus der Einlassung der Angeklagten. Diese hatte durch den Betrieb des Kiosk Kenntnis davon, dass im Rahmen gewerblichen Handelns Umsatzsteuer abzuführen ist und dass in diesem Zusammenhang Erklärungen gegenüber dem Finanzamt erforderlich sind. Dies ergibt sich bereits daraus, dass für das Jahr 2017 eine Umsatzsteuerjahreserklärung abgegeben wurde, die Umsätze des Kiosk enthält. Im Übrigen entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung zu wissen, dass gewerbliche Einkünfte zu versteuern sind. Dies gilt insbesondere, da der Angeklagten hinsichtlich ihrer Umsätze aus den Unterspritzungen keine unrichtigen Angaben, sondern das völlige Fehlen von Umsatzsteueranmeldungen und ‒erklärungen zur Last gelegt wird.

    357

    Die Feststellungen zum Ablauf des Verwaltungsverfahrens beruhen auf der glaubhaften Aussage der Zeugin L5 vom Gesundheitsamt Bochum. Diese konnte den Hergang aus Sicht des Gesundheitsamts nachvollziehbar anhand der ihr während der Aussage vorliegenden Verwaltungsakte schildern. Das Anhörungsschreiben und die Untersagungsverfügung wurden in der Hauptverhandlung verlesen.

    358

    Die Feststellungen zum Wert der Gegenstände, mit deren außergerichtlicher Einziehung die Angeklagte sich einverstanden erklärt hat, beruhen auf einer sachverständigen Begutachtung des Schmucks sowie hinsichtlich der Telefone und sonstigen Elektrogeräte auf einer Schätzung.

    359

    V.

    360

    Rechtliche Würdigung

    361

    1. Die Angeklagte hat sich hinsichtlich der Taten 1 ‒ 36 (Fälle 1 ‒ 33 der Anklageschrift) wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB in 36 Fällen strafbar gemacht.

    362

    a) Die Angeklagte hat durch das Setzen der Spritzen die jeweilige Kundin körperlich misshandelt. Sie hat diese Körperverletzung weiterhin mittels eines gefährlichen Werkzeugs begangen. Bei den von ihr jeweils verwendeten Fertigspritzen handelt es sich um Gegenstände, die nach ihrer generellen Beschaffenheit und der konkreten Art der Verwendung geeignet sind, erhebliche Verletzungen zu verursachen. Dem steht es nicht entgegen, dass ärztliche Gerätschaften im Rahmen ihrer regulären und bestimmungsgemäßen Anwendung nicht als gefährliches Werkzeug angesehen werden (BGH, NJW 1987, 2946). Dieser Grundsatz findet nach der Rechtsprechung des BGH keine Anwendung auf Fälle, in denen der Täter weder approbierter Arzt noch zugelassener Heilpraktiker ist (BGH, NStZ 1987, 174). Die Angeklagte war nicht als Heilpraktikerin zugelassen, sodass diese eingeschränkte Auslegung des Begriffs des gefährlichen Werkzeugs keine Anwendung findet.

    363

    Durch die nicht fachgerechten Injektionen sind zudem bei allen Kundinnen Schwellungen und blaue Flecken entstanden, sodass zugleich auch eine Gesundheitsschädigung verursacht wurde.

    364

    Nach ständiger Rechtsprechung steht es der Tatbestandsmäßigkeit der Handlungen auch nicht entgegen, dass die jeweiligen Kundinnen in die Vornahme der Injektionen eingewilligt haben. Selbst bei ärztlichen Heileingriffen sieht die Rechtsprechung den Tatbestand einer Körperverletzung als erfüllt an und berücksichtigt eine Zustimmung des Patienten erst als rechtfertigende Einwilligung.

    365

    b) Eine rechtfertigende Einwilligung liegt in keinem der abgeurteilten Fälle vor, da die erteilten Einwilligungen der Kundinnen nicht wirksam waren. Die Wirksamkeit der Einwilligung setzt die Aufklärung über den Eingriff, seinen Verlauf, seine Erfolgsaussichten, Risiken und mögliche Behandlungsalternativen voraus. Der konkrete Umfang der Aufklärungspflicht bestimmt sich in Abhängigkeit von der jeweiligen Behandlungsmaßnahme und unter Berücksichtigung der Dringlichkeit des Eingriffs. Je weniger ein sofortiger Eingriff medizinisch geboten ist, umso ausführlicher und eindrücklicher ist der Patient, dem der Eingriff angeraten wird oder der ihn selbst wünscht, über die Erfolgsaussichten und etwaige schädliche Folgen zu informieren (std. Rechtsprechung, vgl. BGH, NStZ-RR 2007, 340, 341; BGH, NStZ 2011, 343 f. m.w.N.).

    366

    Die Wirksamkeit der Einwilligung setzt weiter voraus, dass sie nicht von Willensmängeln wie Täuschung oder Irrtum beeinflusst ist (BGH, NStZ 2004, 442; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 228 Rn. 12a).

    367

    Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Angeklagte hat in keinem Fall mit einer Zeugin ein Aufklärungsgespräch geführt, in dem der Eingriff, dessen Verlauf und mögliche Risiken erörtert wurden. Soweit sich die Angeklagte dahingehend eingelassen hat, sie habe nicht den Eindruck gehabt, dass eine der Zeuginnen Bedarf an Informationen gehabt hätte, entlastet sie das nicht. Die Voraussetzungen einer wirksamen Einwilligung erfordern gerade ein aktives Handeln des Behandelnden, um eine hinreichende Information der einwilligenden Person sicherzustellen.

    368

    Soweit die Angeklagte in einer Vielzahl von Fällen den Zeuginnen Bögen vorgelegt hat, die diese unterschrieben haben, liegt ebenfalls keine wirksame Einwilligung vor. In keinem Fall ist der Inhalt dieses Bogens mit einer Zeugin besprochen worden. Diese hatten zudem unterschiedliche Erinnerungen an dessen Inhalt. Während einige den Bogen nahezu ungelesen unterschrieben, erinnerten sich die meisten Zeuginnen lediglich an eine darauf enthaltene Haftungsfreistellung. Ob dies an unterschiedlichen Versionen dieses Bogens liegt oder die Erinnerungen der Zeuginnen insoweit abwichen, konnte nicht sicher festgestellt werden. In keinem Fall konnte jedoch ein ausreichende Belehrung der jeweiligen Kundin festgestellt werden. Ein Aufklärungsgespräch hat in keinem der Fälle stattgefunden. Weiterhin konnte keine Zeugin schildern, dass der ausgefüllte Bogen durch die Angeklagte oder deren Mutter gemeinsam mit ihr durchgegangen oder besprochen wurde.

    369

    Weiterhin sind die Einwilligungserklärungen der Zeuginnen aufgrund einer Täuschung über die Qualifikation der Angeklagten erteilt worden und auch aus diesem Grund unwirksam.

    370

    Bei den Taten 3, 8, 11, 12, 15, 17, 19, 33, 34, 35 behauptete die Angeklagte wahrheitswidrig, Heilpraktikerin zu sein. Dies geschah entweder in einem persönlichen Gespräch oder durch die entsprechende Angabe auf der von ihr betriebenen Profilseite bei J11.

    371

    Auch in den übrigen Fällen hat die Angeklagte die Zeuginnen über ihre Qualifikation getäuscht. Sie hat insbesondere durch die Gestaltung ihrer Profilseite bei J11 und durch die Einrichtung der Praxisräume in der E2str. 00 in C den Eindruck erweckt, professionell Lippenunterspritzungen durchzuführen. Durch den Ankauf von Followern und die Bezahlung von Influencern dafür, dass diese positiv über sie berichten, hat sie bewusst den Anschein eines erfolgreich laufenden und von ihr betriebenen Studios erweckt. Dies wird bestätigt durch die Aussagen zahlreicher Zeuginnen, die allein aufgrund der Gestaltung der Profilseite bei J11 und der Tatsache, dass positiv über die Angeklagte berichtet wurde, davon ausgingen, dass die Angeklagte hinreichend qualifiziert sei.

    372

    Die Angeklagte hat diesen Anschein auch bewusst gesetzt, obwohl ihr bekannt war, dass sie über keine medizinische Qualifikation verfügte. Soweit sie sich dahingehend eingelassen hat, dass sie an einem Lehrgang an einer Heilpraktikerschule teilgenommen hat, entlastet sie das nicht. Ihr war jedenfalls bewusst, dass sie über keine Heilpraktikerausbildung und die in dieser vermittelten Kenntnisse verfügt.

    373

    Vor diesem Hintergrund hätte sie die Zeuginnen über ihre nicht vorhandene Qualifikation aufklären müssen. Dies ist in keinem Fall geschehen.

    374

    Ein Fall einer mutmaßlichen Einwilligung liegt erkennbar nicht vor. Eine solche kommt im Rahmen ärztlicher Heileingriffe nur in Betracht, wenn der Patient nicht befragt werden kann. Im Falle der hier vorliegenden kosmetischen Eingriffe lag kein solcher Sachverhalt vor.

    375

    Es liegt auch keine hypothetische Einwilligung vor. Diese Fallgruppe wurde von der Rechtsprechung im Medizinstrafrecht entwickelt. Eine solche liegt vor, wenn ein Patient vor einem bestimmten Eingriff nicht befragt wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre, er aber auch bei pflichtgemäßer Aufklärung in den Heileingriff eingewilligt hätte. Dieses Rechtfertigungsfigur hat der BGH bislang nur in Fällen angewendet, in denen approbierte Ärzte medizinisch indizierte Heileingriffe bzw. ‒behandlungen durchgeführt haben (vgl. im Überblick Sowada, NStZ 2012, 1 ff.). Die Anwendung der hypothetischen Einwilligung auf andere Gebiete neben dem Arztstrafrecht wird ganz überwiegend abgelehnt (Fischer, a.a.O., § 223 Rn. 33).

    376

    Bereits aus diesem Grund kommt die Anwendung dieser Rechtfertigungsfigur vorliegend nicht in Betracht.

    377

    2. Die Angeklagte hat sich weiterhin hinsichtlich der Taten 1 ‒ 36 (Fälle 1 ‒ 33 der Anklageschrift) wegen unerlaubter Ausübung der Heilkunde gemäß § 5 Heilpraktikergesetz in 36 Fällen strafbar gemacht.

    378

    Hiernach wird bestraft, wer, ohne zur Ausübung des ärztlichen Berufs berechtigt zu sein und ohne eine Erlaubnis nach § 1 zu besitzen, die Heilkunde ausübt.

    379

    Die Angeklagte war weder zur Ausübung des ärztlichen Berufs berechtigt noch hatte sie eine Erlaubnis nach § 1 Heilpraktikergesetz.

    380

    Sie hat durch die vorgenommenen Unterspritzungen in 36 Fällen die Heilkunde ausgeübt. Ausübung der Heilkunde ist gemäß § 1 Abs. 2 Heilpraktikergesetz jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen.

    381

    Der Begriff der Ausübung der Heilkunde wird von der verwaltungsrechtlichen, zivil- und strafrechtlichen Rechtsprechung weit ausgelegt.

    382

    Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts kommt es bei der Frage der Beurteilung, ob eine erlaubnispflichtige Ausübung der Heilkunde vorliegt, nicht allein auf das Ziel der Behandlung, sondern auch auf die Methode und die Art der ausgeübten Tätigkeit an (BVerwG, NJW 1959, 833, 834). Entscheidend sei, dass die Tätigkeit nach allgemeiner Auffassung ärztliche Fachkenntnisse voraussetzt. Voraussetzung für die Anwendung des § 1 Abs. 2 Heilpraktikergesetz ist außerdem, dass die Behandlung gesundheitliche Schädigungen verursachen kann. Damit soll dem Gesetzeszweck, die Bevölkerung vor Gesundheitsgefährdungen durch Unberufene zu geben, Rechnung getragen werden. Nur solche heilkundlichen Verrichtungen, die keine nennenswerten Gesundheitsgefahren zur Folge haben können, sollen nicht unter die Erlaubnispflicht des Heilpraktikergesetz fallen, auch wenn sie zu ordnungsgemäßer Vornahme ärztliche Fachkenntnisse erfordern (BVerwG, NJW 1970, 1987 f.).

    383

    Aus diesem Grund wird die Anwendung der Erlaubnispflicht auch auf kosmetische Eingriffe in Gestalt von Faltenunterspritzungen angenommen, da diese ihrer Methode nach der ärztlichen Krankenbehandlung gleichkommen, ärztliche Fachkenntnisse voraussetzen und gesundheitliche Schädigungen verursachen können (BayVGH, Beschl. v. 08.08.2001 ‒ 21 ZS 00.29; OVG Münster, Beschl. v. 28.04.2006 ‒ 13 A 2495/03; VG Trier, Urt. v. 23.01.2003 ‒ 6 K 867/02).

    384

    Auch das OLG Karlsruhe legt die Definition der Ausübung der Heilkunde dahingehend aus, dass eine solche stets vorliege, wenn die Behandlung bei generalisierender und typisierender Betrachtung gesundheitliche Schädigungen verursachen kann, wobei auch hier aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ein nur geringfügiges Gefahrenmoment nicht ausreichen soll (OLG Karlsruhe, Urt. v. 17.02.2013 ‒ Az. 4 U 197/11).

    385

    Auch der BGH stellt im Hinblick auf eine Strafbarkeit wegen verbotener Ausübung der Heilkunde darauf ab, ob die ausgeübte Tätigkeit geeignet ist, gesundheitliche Schädigungen hervorzurufen (BGH, NJW 1978, 599, 600).

    386

    Die von der Angeklagten ausgeübten Unterspritzungen mit Hyaluronsäure bzw. dem Medikament „M“ sind bei generalisierender und typisierender Betrachtung dazu geeignet, gesundheitliche Schädigungen hervorzurufen.

    387

    Die Angeklagte hat die Unterspritzungen unter unzureichenden hygienischen Bedingungen vorgenommen. Weiterhin sind Injektionen nach den Ausführungen des Sachverständigen stets mit Risiken verbunden, wenn sie von nicht qualifiziertem Personal vorgenommen werden, da sie erweiterte anatomische Kenntnisse über den Aufbau der Haut sowie über den Verlauf von Nerven, Muskeln und Blutgefäßen erfordern. Dies gilt insbesondere, da die Hyaluronsäurepräparate in Hautschichten, nicht aber darunter injiziert werden müssen. Sind solche Kenntnisse nicht vorhanden, kann es zu gesundheitlichen Schädigungen von Patienten kommen.

    388

    Die Angeklagte handelte auch vorsätzlich. Ihr war bewusst, nicht über hinreichende anatomische Kenntnisse zu verfügen. Weiterhin sind die gesundheitlichen Risiken von Injektionen gerade im Gesichtsbereich auch medizinischen Laien bekannt.

    389

    3. Die Angeklagte hat sich weiterhin in insgesamt 15 Fällen wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO strafbar gemacht (Taten 37 ‒ 51 (Fälle 34 ‒ 48 der Anklageschrift)).

    390

    a) Tat 37 (Fall 34 der Anklageschrift)

    391

    Die Angeklagte hat sich durch die Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung im Sinne von § 18 Abs. 3 UStG für das Jahr 2017 gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO strafbar gemacht, da sie über steuerlich erhebliche Tatsachen unvollständige Angaben gemacht und dadurch Steuern verkürzt hat.

    392

    Bei den durch die Angeklagte erzielten Umsätzen handelt es sich um steuerbare Umsätze im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG. Eine Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 14 a) UStG liegt nicht vor. Hiernach sind unter anderem durch Heilpraktiker vorgenommene Heilbehandlungen umsatzsteuerfrei. Die Angeklagte hat jedoch keine Heilbehandlungen vorgenommen, sondern kosmetische Eingriffe. Für die Anwendung dieser Steuerbefreiungsvorschrift kommt es auf den Heilbehandlungszweck bzw. therapeutischen Zweck der Leistung an. Ein solcher wird angenommen, wenn die Leistung der Diagnose oder Behandlung von Krankheiten oder anderen Gesundheitsstörungen dient (BeckOK UStG-Spilker, § 4 Nr. 14. Rn. 68.1 f. m.w.N.).

    393

    Bei keiner Zeugin bestand eine medizinische Indikation für die von der Angeklagten durchgeführten Eingriffe. Die Zeuginnen ließen sich jeweils behandeln, da sie den Wunsch nach einer Verschönerung ihrer Lippen, Nase bzw. ihres Kinns hatten.

    394

    Dass die Angeklagte mangels Zulassung als Heilpraktikerin die Tätigkeit nicht ausüben durfte, ist gemäß § 40 AO unbeachtlich. Hiernach ist es unerheblich, ob ein Verhalten, das den Tatbestand eines Steuergesetzes erfüllt, gegen ein gesetzliches Verbot verstößt.

    395

    Aus dem Jahresumsatz in Höhe von 126.500 Euro errechnet sich ein Nettobetrag in Höhe von 106.302,52 Euro und damit eine abzuführende Umsatzsteuer in Höhe von 20.197,48 Euro.

    396

    Die Angeklagte handelte auch vorsätzlich, da sie jedenfalls billigend in Kauf genommen hat, dass ihre erzielten Einnahmen der Umsatzsteuer unterliegen.

    397

    Dass die Angeklagte gezahlte Vorsteuer nicht geltend gemacht hat, verringert die eingetretene Steuerverkürzung nicht, da sie hierzu mangels ordnungsgemäßer Rechnung auch nicht berechtigt gewesen wäre.

    398

    b) Taten 38 - 49 (Fall 35 - 46 der Anklageschrift)

    399

    Durch die Nichtabgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen im Sinne von § 18 Abs.1 UStG im Laufe des Jahres 2018 hat sich die Angeklagte in 12 Fällen wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO strafbar gemacht, da sie die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen und dadurch Steuern verkürzt hat.

    400

    Die Angeklagte hat im Jahr 2018 Umsätze in Höhe von 253.000 Euro erzielt. Hieraus ergibt sich ein Nettobetrag in Höhe von 212.605,04 Euro und damit eine Umsatzsteuerschuld für das Jahr 2018 in Höhe von 40.394,96 Euro, welche die Angeklagte verkürzt hat.

    401

    Auf die Abgabe einer Umsatzsteuerjahresmeldung für das Jahr 2018 kommt es insoweit nicht an, da die Frist für deren Abgabe zum Zeitpunkt der Verhaftung der Angeklagten am 03.04.2019 noch nicht abgelaufen war.

    402

    Auch hier handelte die Angeklagte vorsätzlich. Die nicht geltend gemachte Vorsteuer ist auch hier unbeachtlich.

    403

    c) Taten 50 und 51 (Fälle 47 und 48 der Anklageschrift)

    404

    Schließlich hat sich die Angeklagte abermals durch die Nichtabgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen im Sinne von § 18 Abs.1 UStG für die Monate Januar und Februar 2019 in zwei Fällen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO strafbar gemacht.

    405

    In diesem Zeitraum erzielte sie Umsätze in Höhe von 42.166,67 Euro, was einem Nettobetrag in Höhe von 35.434,18 Euro und einer Umsatzsteuerschuld in Höhe von 6.732,49 Euro entspricht.

    406

    Auch hier handelte sie Angeklagte vorsätzlich. Die nicht geltend gemachte Vorsteuer ist auch hier unbeachtlich.

    407

    d) Gesamter Steuerschaden

    408

    Zusammenfassend ist damit insgesamt folgender Umsatzsteuerschaden entstanden:

    409

    2017  20.197,48 Euro
    2018  40.394,96 Euro
    2019  6.732,49 Euro
    gesamt  67.324,93 Euro
     
    410

    VI.

    411

    Strafzumessung

    412

    1. Hinsichtlich der gefährlichen Körperverletzung gemäß §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist von einem Strafrahmen von 6 Monaten bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe auszugehen. Der tateinheitlich verwirklichte Verstoß gegen das Heilpraktikergesetz sieht einen Strafrahmen bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe vor. Der konkret anzuwendende Strafrahmen ist daher gemäß § 52 Abs. 2 StGB dem § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB zu entnehmen.

    413

    a) Ein minder schwerer Fall, der einen Strafrahmen von Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis 5 Jahren vorsieht, liegt in keinem der abgeurteilten Fälle vor. Ein minder schwerer Fall liegt vor, wenn das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle in so erheblichem Maße abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint. Bei dieser Beurteilung ist eine Gesamtbetrachtung aller wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände erforderlich, gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen.

    414

    Ein solches Abweichen des Tatbildes vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle konnte die Kammer nicht feststellen.

    415

    b) Bei der Bemessung der konkreten Strafen innerhalb des jeweils maßgeblichen Strafrahmens hat die Kammer die in § 46 Abs. 2 S. 2 StGB genannten Strafzumessungsgesichtspunkte und dabei insbesondere die nachfolgenden Aspekte berücksichtigt:

    416

    Zugunsten der Angeklagten war zunächst ihre teilgeständige Einlassung zu berücksichtigen. Weiterhin war zu beachten, dass sich die schwangere Angeklagte durch die bei Urteilsverkündung über sieben Monate andauernde Vollstreckung der Untersuchungshaft erkennbar beeindruckt gezeigt hat. Zudem hat sie im Rahmen ihres letzten Wortes glaubhaft verdeutlicht, dass ihr das Unrecht ihrer Taten mittlerweile bewusst geworden ist. Darüber hinaus hat die Kammer berücksichtigt, dass die Angeklagte bislang strafrechtlich nicht rechtskräftig verurteilt worden ist. Schließlich konnte strafmildernd berücksichtigt werden, dass die Angeklagte Angaben zu ihrer Bezugsquelle des Hyaluron gemacht hat, wobei allerdings die Voraussetzungen des § 46b StGB ersichtlich nicht vorliegen.

    417

    Zulasten der Angeklagten wirkten sich die teilweise erheblichen medizinischen Folgen für die betroffenen Kundinnen aus. Auch das professionelle Vorgehen der Angeklagten im Hinblick auf die Gestaltung ihrer Profilseite bei J11 und der Praxisräume, das auf die bewusste Täuschung potentieller Kundinnen über ihre Qualifikation ausgelegt war, wirkte sich strafschärfend aus.

    418

    Zusätzlich war zu beachten, dass die Angeklagte tateinheitlich Verstöße gegen das Heilpraktikergesetz verwirklichte.

    419

    Im Hinblick auf die Taten, die die Angeklagte nach der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Bochum am 19.09.2018 begangen hat, wirkte sich strafschärfend aus, dass der Angeklagten seit diesem Tag aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen Dr. N2 bewusst gewesen ist, welche Risiken mit Injektionen verbunden sein können. Trotz dieser Erkenntnisse hat die Angeklagte ihr Geschäft ungerührt weiter verfolgt. Dieser Aspekt kann trotz der Tatsache, dass das an diesem Tag verkündete Urteil nicht rechtskräftig geworden ist, strafschärfend berücksichtigt werden, da es entscheidend auf die tatsächlichen Ausführungen des medizinischen Sachverständigen ankommt, deren Richtigkeit unabhängig von der Rechtskraft des Urteils ist.

    420

    Vor diesem Hintergrund hat die Kammer bei der Festsetzung der Einzelstrafen wegen der gefährlichen Körperverletzung eine dahingehende Differenzierung vorgenommen, ob diese vor oder nach dem 19.09.2018 begangen wurden.

    421

    Nach jeweiliger neuerlicher Abwägung all dieser Strafzumessungsgesichtspunkte hat die Kammer auf folgende Einzelstrafen als unrechts-, schuld- und sühneangemessen erkannt:

    422

    Taten 2, 3, 5, 9, 10, 14, 16, 21, 33, 34, 36
     
    jeweils 1 Jahr und 9 Monate Freiheitsstrafe als Einsatzstrafe

    Taten 1, 4, 6, 7, 8, 11, 12, 13, 15, 17, 18, 20, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 35
     
    jeweils 1 Jahr Freiheitsstrafe
     
    423

    c) Hinsichtlich der Tat Nr. 19 (Fallakte 30) hat die Kammer eine Strafrahmenverschiebung gemäß § 46a Nr. 1 StGB vorgenommen, da es zwischen der Zeugin Z und der Angeklagten zu einem Täter-Opfer-Ausgleich gekommen ist.

    424

    Grundvoraussetzung für einen Täter-Opfer-Ausgleich gemäß § 46a Nr. 1 StGB ist neben einem kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer mit der Absicht, einen umfassenden, friedensstiftenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen zu erzielen, eine von beiden Seiten akzeptierte, ernsthaft mitgetragene Regelung bzw. Konfliktlösung (vgl. BGH, Beschl. v. 24.1.2019 ‒ 1 StR 591/18; Fischer aaO. § 46a Rn. 10a, 10d). Insofern muss sich das Opfer auf den Ausgleich einlassen und die Regelung als friedensstiftende Konfliktregelung innerlich akzeptierten (BGH, StV 2006, 275).

    425

    Zwischen der Zeugin und der Angeklagten ist es zu einem kommunikativen Prozess gekommen, der zu einer beidseitig akzeptierten Regelung geführt hat.

    426

    Die Zeugin hat sich nach der Behandlung zweimal mit der Angeklagten getroffen. Ein Treffen fand im Krankenhaus statt, in dem sich die Zeugin wegen der Folgen der von der Angeklagten vorgenommenen Injektion behandeln ließ. Zu einem weiteren Treffen kam es nach der Entlassung der Zeugin aus dem Krankenhaus. Die Angeklagte versicherte der Zeugin, dass es noch nie zu derartigen Folgen gekommen sei und ihr dies sehr unangenehm sei. Sie entschuldigte sich für ihren Fehler und bot der Zeugin die Übernahme der Behandlungskosten und die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 1.500 Euro an. Im Gegenzug sollte die Zeugin auf weitere Maßnahmen gegen die Angeklagte, insbesondere eine Anzeige bei der Polizei, verzichten. Die Zeugin nahm die Entschuldigung an. In der Folgezeit bezahlte die Angeklagte den zugesagten Betrag in Höhe von 1.500 Euro an die Zeugin und übernahm die Krankenhausrechnung in Höhe von 1.900 Euro.

    427

    Hinsichtlich der Tat 19 hat die Kammer zwar keinen minder schweren Fall der gefährlichen Körperverletzung angenommen, aber der Strafrahmen der für diese Tat zu verhängenden Einzelstrafe verschiebt sich gemäß § 49 StGB auf Freiheitsstrafe von bis zu 7,5 Jahren. Die Kammer hat vor diesem Hintergrund die bereits benannten Strafzumessungsaspekte erneut abgewogen. Die vergleichsweise schweren Folgen wirkten sich hierbei besonders strafschärfend aus, die geleistete Schmerzensgeldzahlung und die Übernahme der Behandlungskosten wirkten sich hingegen mildernd aus. Zusammenfassend hält die Kammer daher eine Einzelstrafe in Höhe von

    428

    9 Monaten Freiheitsstrafe

    429

    für unrechts-, schuld- und sühneangemessen.

    430

    2. Hinsichtlich der Tat 37 (Fall 34 der Anklageschrift (Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahresmeldung für das Jahr 2017)) erachtet die Kammer unter erneuter Abwägung der oben bereits aufgeführten Strafzumessungsaspekte sowie unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Angeklagte den entstandenen Steuerschaden teilweise ersetzt hat, eine Geldstrafe in Höhe von

    431

    90 Tagessätzen zu je 1 Euro

    432

    für unrechts-, schuld- und sühneangemessen.

    433

    3. Hinsichtlich der Taten 38-51 (Fälle 35 ‒ 48 der Anklageschrift (Nichtabgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen in 2018 sowie Januar und Februar 2019)) erachtet die Kammer Geldstrafen in Höhe von jeweils

    434

    40 Tagessätzen zu je 1 Euro

    435

    für unrechts-, schuld- und sühneangemessen.

    436

    4. Aus den verhängten Einzelstrafen war gemäß § 54 StGB eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden. Auch soweit teilweise Geldstrafen verhängt wurden, war gemäß § 54 Abs. 3 StGB auf eine Gesamtstrafe zu erkennen.

    437

    Die Kammer hat hierbei ausgehend von § 54 Abs. 1 S. 3 StGB die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt. Dabei haben erneut sämtliche oben genannten Aspekte Berücksichtigung gefunden. Hierbei war bei allen Taten der enge zeitliche, sachliche und situative Zusammenhang zu berücksichtigen. Die Angeklagte hat nach Etablierung ihres Vorgehens stets neue Körperverletzungsdelikte begangen und hinsichtlich ihrer Umsätze die steuerlichen Aspekte ignoriert. Diese Aspekte sprechen für sich genommen für eine nur maßvolle Erhöhung der Einsatzstrafe. Demgegenüber waren jedoch auch die erhebliche kriminelle Energie der Angeklagten, die besonders darin Ausdruck gefunden hat, dass sie sowohl das behördliche Verwaltungsverfahren als auch das gegen sie geführte Strafverfahren, in dessen Rahmen ihr die Gefährlichkeit ihres Handelns vor Augen geführt worden ist, ignoriert hat, und die teils schwerwiegenden Folgen für die Kundinnen zu berücksichtigen. Dies gilt auch für das systematische Vorgehen und die gut organisierte Arbeitsweise, mit der die Angeklagte ihre Tätigkeiten abgewickelt hat.

    438

    Die Kammer hat danach unter Erhöhung der Einsatzstrafe von einem Jahr und neun Monaten Freiheitsstrafe nach nochmaliger Abwägung aller Strafzumessungsgesichtspunkte auf eine

    439

    Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren

    440

    als unrechts-, schuld- und sühneangemessen erkannt. Diese Strafe ist nach Auffassung der Kammer zwingend erforderlich, aber auch ausreichend, um der Angeklagten das Unrecht der von ihr begangenen Taten nachhaltig zu verdeutlichen.

    441

    VII.

    442

    Einziehungsentscheidung

    443

    Die Angeklagte hat aus den Taten 37 ‒ 51 (Fälle 34 - 48 der Anklageschrift) Steuervorteile in Höhe von 67.324,93 Euro erlangt. Insoweit ist die Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73c StGB iVm. § 73 Abs. 1 StGB anzuordnen.

    444

    Jedoch sind der Wert der sichergestellten Gegenstände und der Betrag der Gelder, auf deren Herausgabe die Angeklagte verzichtet hat, gemäß § 73e Abs. 1 StGB in Abzug zu bringen, da insoweit der entstandene Steuerschaden ausgeglichen wurde.

    445

    Von den Steuervorteilen in Höhe von 67.324,93 sind daher Beträge in Höhe von 4.069 Euro (sichergestellte Elektronikartikel), 14.706 Euro (Schmuck und Handtasche), 150 Euro, 4.245 Euro, 10.000 Euro (jeweils sichergestellte Gelder) und 3.150 Euro (Guthaben Sparbuch) in Abzug zu bringen.

    446

    Dementsprechend errechnet sich ein Einziehungsbetrag in Höhe von 31.004,93 Euro.

    447

    VIII.

    448

    Kostenentscheidung

    449

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 Abs. 1 StPO.