17.02.2022 · IWW-Abrufnummer 227595
Arbeitsgericht Darmstadt: Urteil vom 09.11.2021 – 9 Ca 163/21
Einzelfall einer verhaltensbedingten Kündigung wegen Nichtbefolgung von Arbeitsschutzbestimmungen in der Corona-Pandemie
ArbG Darmstadt 9. Fachkammer
Tenor
Tatbestand
Der Kläger ist bei dem beklagten Land, das regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt, seit dem 02.10.2006 als Lehrer an den Beruflichen Schulen in A zur Erteilung von Unterricht zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt 5.982,81 € in Vollzeit beschäftigt. Auf den Arbeitsvertrag der Parteien vom 29.9.2006 (Anl. K1, Bl. 8-10 d.A.) wird ergänzend Bezug genommen.
Der Kläger ist am xx. xx 1959 geboren, geschieden und einem Kind zu Unterhalt verpflichtet.
Mit Schreiben vom 01.4.2021 (Anlage K2, Bl. 11-12 d.A.), dem Kläger am 10.5.2021 zugegangen, kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis fristlos. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger zusammen mit einem Schreiben des beklagten Landes vom 07.05.2021 (Anl. K3, Bl. 13-14 d.A.) zu.
Mit Schreiben vom 17.06.2021 (Anlage K4, Bl. 32-35 d.A.) kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2021.
Mit der am 27. Mai 2021 bei Gericht eingegangenen und dem beklagten Land am 02.6.2021 zugestellten Klage macht der Kläger die Rechtsunwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung geltend. Im Gütetermin am 22.06.2021 rügte der Kläger die Sozialwidrigkeit der ordentlichen Kündigung.
Der Kläger behauptet, in Bezug auf die der Abmahnung vom 03.11.2020 angeblich zugrundeliegenden Vorgänge seien seine angeblichen Aussagen im Wesentlichen falsch wiedergegeben, verdreht und teilweise in ihr Gegenteil verkehrt worden.
Er habe auf die Maskenpflicht geachtet. Unmittelbar am Tag vor der Situation mit Klasse XXX, also am 21.10.2020, habe die Schule die Information erhalten, dass eine Schülerin einer Handwerkerklasse, Frau B, die Nachricht eines positiven Corona-Testergebnisses bekommen gehabt habe. Die Schulleitung habe darauf einige Kollegen ‒ wie auch ihn - zum vorhergehenden Unterricht befragt. Aufgrund seines Sitzplans seien vier Schüler als vermeintliche Kontaktpersonen ermittelt worden. Der Schulleiter habe in heller Aufregung betont, eine eventuelle Missachtung der Masken- und Abstandsregeln sei „grob fahrlässig“ gegenüber anderen Handwerkern und deren Handwerksbetrieben wegen der ggf. nötigen Quarantäne. Die Lehrer sollten Verweigerer aus dem Raum weisen. Nach Bestätigung des späteren amtlichen PCR-Testes, seien auch die vier besagten Schüler vom Gesundheitsamt in Quarantäne geschickt worden.
Als in Klasse XXX genau einen Tag später, am 22.10.2020, eine Schülerin keinen Mund-Nasen-Schutz getragen habe, habe er sie auf die Vorschrift zum Tragen derselben hingewiesen. Er habe ganz allgemein, nicht zu der Schülerin direkt, gesagt, dass eine Missachtung als grob fahrlässig gegenüber anderen angesehen würde. Darauf habe die Schülerin die Mund-Nasen-Bedeckung angezogen, so dass kein weiterer Handlungsbedarf entstanden sei.
Am gleichen Tag habe in Klasse XXX der Schüler C ohne Maske die Abstände nicht eingehalten. Er habe den Schüler nicht nur ermahnt, sondern ihn in letzter Konsequenz auch des Raumes verwiesen. Dies habe der Schüler ignoriert. In seinem Schreiben an die Schulleitung vom 22.10.2020 (Anlage K5, Bl. 104 d.A.) habe er die Frage gestellt: „Wie wird in diesem Fall jetzt weiter verfahren?“ Es wäre gegebenenfalls angezeigt gewesen, dass die Schulleitung reagiert hätte. Es sei in keiner Weise zu beanstanden, dass er dort insoweit nachgefragt habe. Er habe keine Antwort auf seine Frage erhalten. Für den Schüler sei dessen Verhalten folgenlos geblieben. Der betreffende Schüler sei als renitenter, äußerst provokanter Schüler bekannt.
In den Folgetagen (23.10.; 26.10.; 02.11.) sei es in der gleichen Klasse XXX mehrfach zu Maskenverstößen gekommen, auch von C. Alle diese Vorfälle seien von ihm im Klassenbuch dokumentiert worden. Auf Kopien des Klassenbuches vom 23.10.2020 (Anlage K7, Bl. 106 d.A.), vom 26.10.2020 (Anlage K8, Bl. 107 d.A.) und vom 02.11.2020 (Anlage K9, Bl. 108 d.A.) nimmt der Kläger Bezug. In keinem Fall hätten sich Konsequenzen von der Schulleitung für die Schüler ergeben. Ihm selbst sei jegliche Unterstützung versagt worden. Die Schulleitung weise das grundsätzliche Bestreben auf, Ärger mit bzw. Beschwerden von Schülern (und insbesondere von Eltern) um jeden Preis zu vermeiden, anstatt sich auch bei gravierenden Verstößen der Schüler aufgrund der sie treffenden Fürsorgepflicht schützend vor die Lehrer zu stellen. Dies habe sich bereits früher im Zusammenhang mit der realistischen anstatt nachsichtigen Notengebung seinerseits gezeigt, weil er seine Noten, anders als die Schulleitung, nicht nur am Bedarf der Schüler, sondern auch verstärkt an deren Leistung ausrichte.
Am 26.03.2021 hätten zwei Schüler gefragt, ob sie nicht die Masken ablassen könnten. Er habe geantwortet, dass auch er lieber ohne Maske hier wäre, um freier atmen zu können. Es gäbe aber nun mal diese Vorschrift zum Tragen der Maske, an die er sich, wie zu sehen, auch halten würde, wie im Straßenverkehr, rot ist rot. Darauf hätten die Schüler lediglich neugierig und nicht etwa widerspenstig gefragt, was er machen würde, wenn sie das nicht einhalten würden. Wegen der Vorfälle vom letzten Jahr, als keine Reaktion der Schulleitung zu erwarten gewesen sei, habe er gesagt, welche Maßnahmen die Schulleitung ggf. bei Nichtbefolgung ergreifen würde, sei ihm nicht bekannt. Dass er selbst das nicht verfolgen würde, sei von den Schülern sicherlich nicht so verstanden worden, da es auch in den weiteren Schultagen keine Schüler mehr im Raum gegeben habe, die keine Maske aufgehabt hätten.
Der Kläger behauptet weiter, am 22.10.2020 habe die Klasse XXX vom zu vertretenden Lehrer Aufgaben für die Vertretungsstunde genannt bekommen gehabt. In diesem Zusammenhang sei an ihn von den Schülern die Frage gestellt worden, was unter dem „Vergleich von Verhältnissen“ mathematisch zu verstehen sei. Um bei einer Klasse für Mathematisches Aufmerksamkeit zu erreichen, seien nach seiner Erfahrung und aus lernpsychologischer Sicht stark auffallende Beispiele nötig und hilfreich. Daher habe er die These formuliert, dass der Vergleich folgender Größenverhältnisse nahelege, dass ein Maschendrahtzaun (nicht Stacheldrahtzaun) eher vor Mücken schütze als Masken vor Aerosolen und habe folgenden Vergleich vorgerechnet: Durchmesser einer Mücke = 0,5 cm, Durchmesser einer Masche im Zaun = 5 cm, Verhältnis = 0,5 cm / 5 cm = 1/10 Mittelgroßes Aerosol als Träger von Viren = 5 μm = 0,005 mm, Spaltenbreiten zwischen Gesicht und einer normalen Mund-Nasen-Bedeckungen = 5mm, Verhältnis = 0,005 mm / 5 mm= 1/1000. Dies sei mathematisch unbestreitbar. Weiter habe er gesagt, dass mit einem solchen Vergleich, wenn der Sinnzusammenhang mit der gestellten Frage fehle, das Radio von ihm jetzt sagen würde, er sei ein Verschwörungstheoretiker, Linksextremist oder Rechtsradikaler: Er habe ergänzend kommentiert, dass die Politik jetzt über bessere Masken nachdenken würde, nämlich die FFP2-Masken. Er habe sich mitnichten selbst als „Verschwörungstheoretiker, Linksextremist oder Reichsflaggenschwenker“ bezeichnet, sondern erklärt, dass er wegen des genannten Rechenbeispiels Gefahr laufe, unberechtigterweise so genannt zu werden. Der Gebrauch des Wortes „Stacheldrahtzaun“ zeige, dass die Berechnung nicht verstanden worden sei und die Wortwahl der Schüler ihn ganz offensichtlich grotesk diffamieren solle.
Auf sein Wort „Verschwörungstheoretiker“ sei aus der Klasse selbst der Gedankensprung zur Pharmaindustrie gekommen. Hierzu habe er festgestellt, dass die Pharmaindustrie einen Reibach machen könne, wenn sie zur Lösung eines weltweiten Gesundheitsproblems beitragen würde. Die Äußerung sei zutreffend und im Ansatz bereits nicht zu kritisieren. Das Wort „Reibach“ sei dann wohl auch emotionsbedingt falsch übersetzt worden. Des Weiteren seien auch die Inzidenzwerte angesprochen worden. Er habe gesagt, dass nach seiner Information ab einem Wert von 50 die Schulen geschlossen werden sollten. Im Kreis A lägen sie seit kurzem aktuell bei 100. Da bliebe abzuwarten, wann die Schließung komme. Tatsächlich sei daraufhin auf online-Unterricht umgestellt worden. Von steigenden Neuinfektionen auf die Nichtexistenz der Krankheit zu schließen, sei völlig unlogisch.
Aus der Klasse XXX sei am 26.03.2021 im Zusammenhang mit der Maskenfrage das Stichwort Impfzwang aufgekommen. Wenn er zu solchen Dingen den Schülern antworte, gehe es ihm darum, beim Schüler das persönliche, kritische und selbstständige Denken anzuregen. In der Niederschrift der Schüler (Anlage B5) stehe ja auch wörtlich: „Er hat gesagt, er will uns nicht überzeugen, dass wir uns nicht impfen lassen sollen.“ Insbesondere bei emotionalen Impfbefürwortern möge ein Hinweis auf verantwortliches Durchdenken bereits als Contra gewertet worden sein. Er habe geäußert, die Politik sage, es werde keinen Impfzwang geben. Andererseits würde diskutiert, Geimpften und Ungeimpften unterschiedliche Freiheiten zu gewähren. Das könne zu einem Gewissenskonflikt im persönlichen Bereich führen bei Leuten, die durchaus pro- und contra-Argumente einer Impfung für ihre Person empfänden. Als er so alt wie die Schüler gewesen sei, habe er den Kriegsdienst verweigert. Um in zwei Sitzungen vor dem Prüfungsgericht als solcher anerkannt zu werden, sei es nötig gewesen, die Konsequenzen in beide Richtungen genauestens zu überdenken, einerseits Verteidigungsnot des Volkes, andererseits eigene Gewissensnot. Wer zur Impfung zwei Seelen in seiner Brust empfinden würde, solle vor sich selber ehrlich und gewissenhaft pro und contra prüfen, selbst mit den Extremen entweder Jobverlust oder Infektionsschutzgefährdung. Bei diesen Ausführungen sei aus der Klasse selbst das Gerücht von Gefängnis oder Lagern für Impf-verweigerer aufgekommen. Diese Gerüchte habe er nicht bestätigen können und empfohlen, Gerüchten immer zu misstrauen. Die Abkürzung KZ sei von keinem benutzt worden, schon gar nicht von ihm, nach seiner Erinnerung aber auch nicht aus der Klasse heraus. Ungeachtet dessen sei nicht jede Verwendung des Wortes KZ verwerflich, auch und schon gar nicht in der Schule.
Zur Raumlüftung behauptet der Kläger, die Schüler in diesem Bildungsgang seien nicht gerade Enthusiasten im Unterrichtsfach Mathematik und suchten gerne jede Gelegenheit, um vom Unterricht abzulenken. Dazu gehöre auch der Ruf nach Fensteröffnung in deutlich kürzeren Intervallen als 20 Minuten. Wenn er als Lehrer dem etwas entgegensetze (nur alle 20 Minuten), um die Ablenkungen einzuschränken, dann werde das von diesen Schülern widerspenstig mit „nie“ übersetzt.
Der Kläger behauptet weiter, der Auftrag zur Vertretung erfolge allermeist kurzfristig. Eine Information über den jeweiligen Lernstand finde dabei nicht statt, weshalb eine Vorbereitung nicht möglich sei. Daher erhielten die Schüler und Schülerinnen oft wie auch hier einen Auftrag zur selbstständigen Bearbeitung von dem zu vertretenden Lehrer. Als Lehrer habe er nicht nur einen fachlichen, sondern auch einen allgemeinbildenden Lehrauftrag. Wenn Fragen und Anregungen von Schülerseite hierzu genutzt werden könnten, sei es geboten, darauf einzugehen. Dann seien 20 Minuten gut investierte Zeit für ein wohlwollendes Miteinander.
Der Wortführer, der erstgenannte Zeuge in Anlage B5, D, Klasse XXX, habe im Februar aus seinem Aktenkoffer sein Handy entwendet und nachmittags eine Stunde „Nachsitzen“ aufgebrummt bekommen. Einen Schüler, der sich lieber 15 unentschuldigte Fehltage und infolge dessen ein Bußgeldverfahren leiste, den schmerze ein Nachsitzen am Nachmittag sicherlich. Auf das Schreiben des Staatlichen Schulamtes für den Landkreis A vom 05.03.2021 (Anlage K11, Bl. 110 d.A.) nimmt der Kläger Bezug. Hier lägen überschießende Belastungstendenzen auf der Hand. Er widerspreche der Verwertung schriftlicher Zeugenaussagen im Hinblick auf die nicht zu beurteilende, fehlende Glaubwürdigkeit und bestehe ggf. darauf, etwaige Zeugen zu vernehmen.
Das Maß der einem Beschäftigten des öffentlichen Dienstes abzuverlangenden Loyalität gegenüber der Verfassung bestimme sich nach der Stellung und dem Aufgabenkreis, der dem Beschäftigten laut Arbeitsvertrag übertragen sei. Lehrer seien zwar Beschäftigte, an deren Verfassungstreue wegen ihrer Tätigkeit die gleichen oder zumindest ähnlichen Anforderungen zu stellen seien wie an die von in vergleichbarer Stellung beschäftigten Beamten. Nach diesen Maßstäben seien seine vermeintlichen wie tatsächlichen Äußerungen eindeutig von der Meinungsfreiheit gedeckt. Es sei nicht erkennbar, dass er kein positives Verhältnis zu den Grundwerten der Verfassung haben solle. Insbesondere die sogenannte Maskenpflicht sei in der Normenhierarchie weit unterhalb der Verfassungsnormen in befristeten Landesverordnungen und oftmals in kommunalen Satzungen und Allgemeinverfügungen oder aber privatrechtlich geregelt. Hierzu seien bereits grundsätzlich alle Meinungen vertretbar. Der Grundrechtsschutz der Meinungsfreiheit sei unabhängig davon, ob eine Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos sei, und ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten werde. Zu berücksichtigen sei insbesondere mit Bezug auf Lehrer, dass es zu den wesentlichen Bildungsinhalten, gerade in einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung, zähle, dass den Schülern eine grundlegende Diskursfähigkeit vermittelt werde und die Schüler dabei gefördert würden, sich argumentativ mit unterschiedlichen, abweichenden oder gar abwegigen Meinungen argumentativ auseinanderzusetzen. Keinesfalls solle es Schülern dagegen vermittelt werden, dass staatliche Maßnahmen niemals und unter keinen Umständen kritiklos hingenommen werden müssten und niemals hinterfragt werden dürften. Die Vorwürfe seien zudem lediglich Stellvertretervorwürfe, weil es dem beklagten Land darum gehe, sich mit vermeintlichen Beschwerden aus der Elternschaft im Hinblick auf seine Notengebung nicht auseinandersetzen zu müssen. Eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses sei im Rahmen einer Interessenabwägung nicht im Ansatz als unzumutbar zu bezeichnen. Zu berücksichtigen sei auch die lange Dauer der beanstandungsfreien Beschäftigungsdauer und der Umstand, dass die Schulleitung ihm im Hinblick auf die Durchsetzung der Maskenpflicht ersichtlich nicht geholfen habe.
Der Kläger hat u.a. die Anträge angekündigt,
1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose Kündigung des beklagten Landes vom 01.4.2021 noch durch die ordentliche Kündigung vom 17.06.2021 aufgelöst worden ist bzw. werden wird;
2. im Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1 das beklagte Land zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu veränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Aushilfsangestellten weiter zu beschäftigen
Im Gütetermin am 22.06.2021 haben die Parteien einen Teilvergleich darüber abgeschlossen, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 01.04.2021 nicht aufgelöst worden ist.
Der Kläger beantragt nunmehr,
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 17.06.2021 nicht aufgelöst werden wird.
Das beklagte Land beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das beklagte Land behauptet, der Kläger sei bereits am 03.11.2020 schriftlich abgemahnt worden (Abmahnungsschreiben als Anl. B1, Bl. 43-44 d.A.), weil sich einige Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher Klassen beim Schulleiter über dessen Äußerungen und Verhalten im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie beschwert hätten (Beweis: Zeugnis des Schulleiters Herrn E). Auf den Aktenvermerk des Schulleiters vom 23.10.2020 (Anl. B2, Bl. 59 d.A.) nimmt das beklagte Land Bezug. Konkret sei der Kläger am 22.10.2020 unvorbereitet in einen Vertretungsunterricht der Klasse XXX gekommen und habe den Mund-Nase-Schutz nur bis unterhalb der Nase getragen. Gleichzeitig habe er zu einer Schülerin, die keinen Mund-Nasen-Schutz getragen habe, gesagt, sie handele grob fahrlässig. Auf einen Bericht von 14 Schüler/innen der Klasse XXX (Anlage B3, Bl. 60-61 d.A.) nimmt das beklagte Land Bezug. Der Kläger habe den Schüler/innen einen Vortrag über seine Einstellung zu der Covid 19 - Pandemie gehalten. Er habe dies als eine Verschwörung der weltweiten Pharmaindustrie bezeichnet. Es gebe keine Pandemie. Die Schulen hätten trotz 100 Neuinfektionen noch nicht geschlossen. Mund-Nase-Bedeckungen würden nicht helfen und sollten lediglich aus Angst getragen werden, damit die Menschen sich später impfen ließen. Er sei ein Verschwörungstheoretiker, Linksextremist und Reichsflaggenschwenker. Das Tragen von Masken sei so, als wolle man sich mit Stacheldrahtzaun gegen Mücken schützen. Auf die Frage eines Schülers, ob er dies alles ernst meine, habe er die Frage bejaht.
Am selben Tag habe der Kläger die stellvertretende Schulleiterin um Unterstützung gebeten, weil einer der Schüler angeblich keine Maske getragen habe, er ihm die Verweisung aus dem Raum angedroht habe und dieser sodann eine Balgerei mit Mitschülern provoziert habe. Auf das Schreiben des Klägers an Frau F vom 22.10.2020 (Anl. B4, Bl. 62 d.A.) nimmt das beklagte Land Bezug. Dieses widersprüchliche Verhalten sei nicht hinzunehmen. Der Kläger sei aufgefordert worden, sich ab sofort jeder negativen Kommentierung der Vorgaben zu enthalten und die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei angedroht worden.
Anlass für die Kündigung sei das Verhalten des Klägers am 26.3.2021 in der Klasse XXX gewesen. Die Schüler/innen hätten berichtet, dass der Kläger erneut in der Klasse das Maskentragen nicht eingefordert habe und den Schüler/innen gesagt habe, dass er es nicht verfolgen werde, wenn sie die Masken nicht trügen. Zugleich habe er die Schüler/innen aufgefordert, niemandem darüber zu berichten, dass er das Nicht-Maskentragen toleriere. An diesem Tag hätten zwei Schüler keine Maske getragen. Auf einen Bericht der Schüler/innen der Klasse XXX (Anl. B5, Bl. 63 d.A.) nimmt das beklagte Land Bezug. Der Kläger habe die Schüler/innen zudem aufgefordert, sich nicht impfen zu lassen. Es sei bewiesen, dass die ersten KZs für Impfgegner wiederaufgebaut würden. Er würde sich selbst darauf einstellen, in ein KZ zu kommen, wenn er sich nicht impfen ließe. Außerdem hätten die Schüler/innen berichtet, dass der Kläger nie lüfte. Auf den Aktenvermerk des Schulleiters vom 26.03.2021 (Anl. B6, Bl. 64 d.A.) nimmt das beklagte Land ergänzend Bezug. Der Kläger sei am 26.03.2021 ca. 45 Minuten lang seiner Verpflichtung nicht nachgekommen, lernwirksamen Unterricht zu organisieren, sondern habe das Thema Corona zum wiederholten Male kontraproduktiv behandelt und die Schüler/innen durch seine Aussagen sehr verunsichert.
Nachdem der Personalrat bei der Anhörung zur außerordentlichen Kündigung bemängelt habe, dass dem Kläger keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden sei und die Schüleraussagen nicht weiter verifiziert worden seien (Stellungnahme des Personalrates als Anl. B7, Bl. 65 d.A.), sei dies nachgeholt worden. Dem Kläger sei mit Schreiben vom 07.05.2021 (Anl. B8, Bl. 66 d.A.) Gelegenheit gegeben worden, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Mit Schreiben vom 20.05.2021 (Anl. B9, Bl. 67-69 d.A.) habe die damalige Bevollmächtigte die Vorwürfe abgestritten.
Am 26.05.2021 habe eine Befragung durch das Staatliche Schulamt und die Schulleitung von sechs Schülern aus drei verschiedenen Klassen stattgefunden (Beweis: Zeugnis der Frau Regierungsoberrätin G, des leitenden Schulamtsdirektors H, des Schulleiters E und der Frau Studiendirektorin I). Für das Ergebnis der Befragung wird auf Seiten 5-7 des Klageerwiderungsschriftsatzes (Bl. 52-54 d.A.) Bezug genommen.
Das beklagte Land behauptet weiter, auch aus dem Schulleitungsteam und Teilen des Kollegiums werde bestätigt, dass der Kläger auch im Lehrerzimmer seine Ansichten kundtue. Gegenüber Herrn J, der zur Klassenleitung der Klasse XXX gehöre, habe er im Lehrerzimmer geäußert, dass alle nur Marionetten der Amerikaner und Corona eine reine Lüge sei (Beweis: Zeugnis des Herrn J). Viele Kolleg/innen, die in den Klassen nach dem Kläger eingesetzt seien, müssten häufig einen Teil ihrer Unterrichtszeit entbehren, weil die Schüler/innen nach den irritierenden Stunden mit dem Kläger erst einmal einen großen Redebedarf hätten.
Der Kläger habe offenbar auch nach der Abmahnung nicht aus seinem Fehlverhalten gelernt und verstoße gegen seine Treuepflicht. Lehrkräfte hätten eine Vorbildfunktion für die Schüler/innen und es sei nicht hinzunehmen, die aktuelle Corona-Lage mit der Lage im Dritten Reich zu vergleichen. Auch verstoße der Kläger gegen gültige Anweisungen zur Umsetzung der Coronabestimmungen.
Das beklagte Land behauptet weiter, es habe den Personalrat zu der ordentlichen Kündigung beteiligt und dieser habe die Frist zur Stellungnahme verstreichen lassen. Die Maßnahme gelte daher als gebilligt. Auf die Stellungnahme des Personalrates vom 14.06.2021 (Anlage B 10, Bl. 70 d.A.) nimmt das beklagte Land Bezug.
Für den Sach- und Streitstand im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsprotokolle verwiesen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung der Zeugen E, Regierungsoberrätin G, Leitender Schulamtsdirektor H und Studiendirektorin I. Für das Beweisthema und das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 09.11.2021 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wird durch die ordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 17.06.2021 zum 31.12.2021 aufgelöst werden.
Die Kündigung ist sozial gerechtfertigt im Sinne des § 1 Absatz 2 KSchG.
Das Kündigungsschutzgesetz ist angesichts der Beschäftigungsdauer und der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer unstreitig auf das Arbeitsverhältnis anwendbar.
Sozial gerechtfertigt ist gemäß § 1 Absatz 2 KSchG eine ordentliche Kündigung, wenn sie durch Gründe, die in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist. Gründe in dem Verhalten des Arbeitnehmers bedeuten, dass der Arbeitnehmer mit dem ihm vorgeworfenen Verhalten eine Vertragspflicht -in der Regel schuldhaft- erheblich verletzt, das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit einer anderen Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint (BAG, Urteil vom 12. Januar 2006, 2 AZR 21/05, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung und ständige Rechtsprechung).
Für eine verhaltensbedingte Kündigung gilt dabei das Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht eine Sanktion für eine begangene Vertragspflichtverletzung, sondern die Vermeidung des Risikos weiterer erheblicher Pflichtverletzungen. Die vergangene Pflichtverletzung muss sich deshalb noch in der Zukunft belastend auswirken (BAG, Urteil vom 12.Januar 2006, 2 AZR 179/05, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat sich zur Überzeugung der erkennenden Kammer (§ 286 Absatz 1 Satz 1 ZPO) ergeben, dass der Kläger geäußert hat, er werde das nicht verfolgen, wenn die Schüler den Mund-Nasen-Schutz nicht trügen. Es mag sein, dass der Kläger dies aus Verärgerung so geäußert hat, weil er den Eindruck hatte, von der Schulleitung keine Unterstützung erhalten zu haben, als ein Schüler trotz seiner Aufforderung eine Maske nicht getragen hatte. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Schulleitung, die sich nach dem Eindruck der erkennenden Kammer seit geraumer Zeit in einem gravierenden Arbeitsplatzkonflikt mit dem Kläger befindet, ihn hier in irgendeiner Form unterstützt oder dessen Anfrage auch nur ernst genommen hätte. Diese durchaus nachvollziehbare Verärgerung und/oder Enttäuschung kann aber nicht dazu führen, dass dann in der Unterrichtsstunde zwei Schüler die Masken absetzen und der Kläger dies toleriert. Die Bekundungen der Zeugin G sind glaubhaft und die Zeugin selbst wirkte glaubwürdig. Sie hat keinerlei eigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreites, auch wenn sie die Schriftsätze als Verantwortliche für die Schul(rechts)aufsicht gefertigt hat. Sie hat die Äußerungen der angehörten Schüler unvoreingenommen und sachlich geschildert. Hierzu gehört auch, dass die Schüler bekundet haben, dass Vergleiche mit dem dritten Reich gefallen seien zum Thema „Impfen und Testen“. Es ist für die erkennende Kammer nicht ausschlaggebend, ob der Kläger solche abwegigen Vergleiche initiiert hat, oder einzelne Assoziationen von den Schülern ausgegangen sind. Denn der Kläger hätte in jedem Fall klar und deutlich entgegnen müssen, dass die Maßnahmen zur Eindämmung einer Pandemie in gar keiner Weise auch nur irgendetwas mit Euthanasiemaßnahmen gegen körperlich und geistig Behinderte zu tun haben. Selbst wenn ein Schüler auf die abwegige Idee gekommen wäre, „jetzt seien die Rentner dran“, hätte der Kläger hier Stellung beziehen müssen, um die Absurdität solcher Vergleiche klarzustellen. Auch wenn der Kläger nicht gesagt haben sollte, „wenn man sich nicht impfen lasse, dann komme man in ein KZ oder in ein Lager“, so hat er doch nach eigenem Vortrag überhaupt erst solche Ideen aufkommen lassen, indem er einen Vergleich zu seiner eigenen Wehrdienstverweigerung herangezogen hat. Das Impfangebot oder die Testpflicht oder Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasenschutzes mit einer Gewissensfrage, wie der Wehrdienstverweigerung und damit auch einer damals möglichen Haft („Gefängnis“) in Zusammenhang zu bringen, kann nur von dem Kläger gekommen sein, der dies auch nicht bestritten hat. Denn bei dem jugendlichen Alter der Schüler*innen ist davon auszugehen, dass ihnen der frühere Wehrdienst / Zivildienst nicht bekannt oder geläufig ist. Dieser unstreitige Gesprächsinhalt in der Stunde zeigt bereits, dass der Kläger die Schüler*innen mit Vergleichen verunsichert hat, die für die Kammer in keiner Weise nachvollziehbar sind. Besonders bedauerlich ist es, dass nach der glaubhaften Bekundung der Zeugin die Schüler ausgesagt haben, dass die nachfolgende Lehrerin, Frau K, die Frage eines Schülers habe beantworten müssen, ob das stimme, dass man in ein KZ komme, wenn man sich nicht impfen lasse. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger wirklich weitere absurde Äußerungen getätigt hat, wie: „die meisten seien nach zwei bis drei Tagen gestorben, die sich hätten impfen lassen“, „die Regierung habe die Zahlen gefälscht und es gebe gar kein Corona“. Denn bereits solche sinnwidrigen Vergleiche, wie sie der Kläger unstreitig angestellt hat, dass Masken nichts nützten, weil eher ein Maschendrahtzaun vor einer Mücke schütze als eine Maske vor einem Aerosolpartikel, sind nicht hinnehmbare verhaltensbedingte Vertragspflichtverletzungen des Klägers. Die Schüler*innen mussten den Eindruck gewinnen, dass der Kläger die zwingend vorgeschriebenen und zum Schutz der Schüler*innen, der Lehrenden, der weiteren Mitarbeiter der Schulen und der Angehörigen und sozialen Kontaktpersonen dringend erforderlichen Infektionsschutzmaßnahmen ins Lächerliche zog und sie dazu aufwiegeln wollte, sich nicht an geltende Arbeitsschutzvorschriften zu halten.
Auch die Aussagen der Schüler L und M, der Kläger habe gesagt, es gebe kein Corona und er sei ein Corona-Leugner und Reichsflaggenschwenker, sind für die Kammer nach der Aussage der Zeugin G glaubhaft. Es spielt keine entscheidende Rolle, ob der Kläger nun gesagt hat, er „sei“ ein Corona-Leugner und Reichsflaggenschwenker oder ob er aufgrund seiner Ansichten und Ideen nur so genannt werden würde. Denn in jedem Fall hat er nach dem Inhalt der Zeugenaussage auf Nachfrage bestätigt, das ernst zu meinen, so dass er sich selbst dazu bekannt hat, offenkundige Tatsachen wie die Corona-Pandemie zu leugnen. Nach der Bekundung der Zeugin kamen diese Aussagen auch nicht von dem Schüler M, dessen Glaubwürdigkeit der Kläger angreift, sondern maßgeblich von dem Schüler L.
Nach den übereinstimmenden Bekundungen sowohl der Schüler, als auch des Kollegen J und des Schulleiters E handelte es sich dabei auch nicht um einen Einzelfall, sondern der Kläger hat permanent die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung in Frage gestellt und sich nicht zuverlässig an die Infektionsschutzmaßnahmen gehalten.
Die erkennende Kammer hält insbesondere die ohne Belastungstendenzen und sachlich gehaltene, widerspruchsfreie Aussage der Zeugin I insofern für ergiebig und glaubhaft. Danach gab es ständig Diskussionen zu den Corona-Maßnahmen, die der Kläger angestoßen hat, was an sich erstmal nicht verwunderlich ist angesichts der erheblichen Bedeutung der Pandemie für das Alltagsleben aller Menschen. Die Zeugin I kennt aber gerade die Schüler*innen ihrer eigenen Klasse als Klassenlehrerin gut und hat auch keinen Zweifel daran gehabt, dass die Schüler aus der XX-ten Klasse XXX darin glaubwürdig gewesen seien, dass der Kläger sinngemäß geäußert haben solle, dass schon KZ´s aufgebaut würden für diejenigen, die sich nicht impfen ließen und dass die Maskenpflicht unwichtig sei. Gerade in ihrer eigenen Klasse hatten die Schüler nach der glaubhaften Aussage der Zeugin sie schon mehrfach darauf hingewiesen, dass der Kläger die Maske nicht trage und das Maskentragen nicht eingefordert sowie nicht gelüftet habe. Da dies ein ständiges Thema die ganze Corona Zeit über gewesen sei, ist klar geworden, dass es sich bei den Äußerungen des Klägers zu „Lagern“, „unnützen Masken“ und „Corona gibt es nicht“ nur um besondere Eskalationen, keinesfalls aber um Einzelfälle gehandelt hat. Die Beschwerden der Schüler aus der Klasse XXX der Fachoberschule ergänzen insoweit nur das Bild, sind aber nicht ausschlaggebend.
Die Bekundungen der Zeugen H und E waren dagegen wenig ergiebig, da sie offenbar keine eigene konkrete Erinnerung an das Gespräch vom 26.5.2021 und die Aussagen der Schüler hatten. Die Bekundungen des Schulleiters E waren zudem so von einem Gefühl der fast schon persönlichen Feindschaft zu dem Kläger geprägt, dass sie wegen ihrer erheblichen Belastungstendenz nicht zu Lasten des Klägers verwertbar sind. Denn der Zeuge E hat deutlich gemacht, dass er schon seit Jahren den Unterricht des Klägers als eine Zumutung für die Schüler und die häufigen Beschwerden über den Kläger als eine Belastung seiner Führungsposition empfindet. Er hat also ein deutliches Eigeninteresse an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers. Wegen dieser Belastungstendenz wird die zudem unergiebige Aussage nicht zu Lasten des Klägers berücksichtigt. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob der Zeuge E sich tatsächlich an konkrete Gesprächsinhalte nicht erinnern konnte oder nicht wollte.
Gemäß § 618 BGB, § 241 Abs. 2 BGB ist der Arbeitgeber zu Schutzmaßnahmen gegenüber seinen Arbeitnehmern verpflichtet. Die öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzvorschriften konkretisieren diese Schutzmaßnahmen (§ 3 Abs. 1 ArbSchG). Der Arbeitgeber ist demnach verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen, um die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit zu gewährleisten. Nach § 18 Absatz 3 Arbeitsschutzgesetz kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ohne Zustimmung des Bundesrates in epidemischen Lagen von nationaler Tragweite nach § 5 Absatz 1 des Infektionsschutzgesetzes spezielle Rechtsverordnungen nach Absatz 1 für einen befristeten Zeitraum erlassen.
Nach der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel vom 10. August 2020 (Bek. d. BMAS vom 10.8.2020 ‒ IIIb3-34503-14/1, GMBl S. 484) galt gemäß § 4-1 Absatz 2 im streitgegenständlichen Zeitraum ab Oktober 2020, dass der Arbeitgeber insbesondere Maßnahmen zu ergreifen hat, die die Anzahl ungeschützter Kontakte zwischen Personen (auch indirekter Kontakt über Oberflächen) sowie die Konzentration an luftgetragenen Viren in der Arbeitsumgebung soweit wie möglich verringern. Geeignete Maßnahmen hierfür sind beispielsweise die Einhaltung der Abstandsregel, Reduzierung der Raumbelegung, Arbeiten in festen Teams, die Trennung der Atembereiche durch technische Maßnahmen, die Nutzung von Fernkontakten, die verstärkte Lüftung, die Isolierung Erkrankter, eine intensivierte Oberflächenreinigung und zusätzliche Handhygiene.
Nach Absatz 3 gilt, dass -soweit arbeitsbedingt die Abstandsregel nicht eingehalten werden kann und technische Maßnahmen wie Abtrennungen zwischen den Arbeitsplätzen oder geeignete organisatorische Maßnahmen nicht umsetzbar sind, die Beschäftigten mindestens MNS zum gegenseitigen Schutz tragen müssen.
Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass ihm diese Verpflichtungen nicht bewusst gewesen seien. Er war offenbar aber der Meinung, er könne sich selbst entscheiden, ob er die Geltung dieser staatlichen Regelungen in seinem Arbeitsalltag anerkenne oder nicht. Diese Einstellung ist auch in seinen schriftsätzlichen Rechtfertigungsversuchen deutlich erkennbar. Bei der Befolgung von rechtlich zwingenden Regelungen der Arbeitssicherheit und des Infektionsschutzes geht es nicht um die Ausübung der Meinungsfreiheit und deren Schranken und auch nicht um eine besondere Treuepflicht eines Arbeitnehmers des Landes Hessen. Die von dem Kläger unterrichteten Berufsschüler befinden sich im Übrigen nicht nur in der Berufsschule, sondern auch als (künftige oder derzeitige) Auszubildende im Betrieb. Ein enger Austausch zwischen Ausbildungsbetrieben, schulischen Ausbildern und Berufsschule ist unerlässlich. Im Ausbildungsbetrieb können Verstöße gegen die Arbeitssicherheit ebenfalls nicht toleriert werden. Auch aus diesem Grund ist es für die erkennende Kammer unverständlich, dass der Kläger vorträgt, er könne sich auf die Meinungsfreiheit berufen, um Tatsachen wie die Corona-Pandemie in Frage und zur Diskussion zu stellen. Während Tatsachenbehauptungen durch die objektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit geprägt werden und der Überprüfung mit Mitteln des Beweises zugänglich sind, handelt es sich bei einer Meinung um eine Äußerung, die durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt ist (ständige Rechtsprechung, z.B. BVerfG, Beschluss vom 16.3.2017, 1 BvR 3085/15, W-RR 2017, 1003). Der Kläger scheint nach dem gesamten Inhalt der Verhandlungen die öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzvorschriften, welche die Schutzmaßnahmen gemäß § 3 Abs. 1 ArbSchG konkretisieren, sowie die Tatsache der Corona-Pandemie und die wissenschaftlichen Erkenntnisse hierzu, mit einer Meinungsäußerung zu verwechseln.
Der gesamte Inhalt der Verhandlungen, der nicht nur die Ergebnisse der Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung umfasst, erfordert es entgegen der Ansicht des Klägers nicht, dass die von dem beklagten Land in dem Gespräch vom 26.5.2021 angehörten Schüler unmittelbar persönlich vom Gericht angehört werden müssen. Die Kammer hat keinen Zweifel daran, dass die Schüler nicht aus persönlicher Rachsucht gegenüber dem Kläger, etwa wegen seiner Notengebung, ihre Beobachtungen verschriftlicht und sich beim Schulleiter bzw. bei ihrer Klassenlehrerin beschwert haben und die dort geschilderten Sachverhalte auch am 26.5.2021 nochmals konsistent und widerspruchsfrei wiederholt haben. Die Klassenbucheintragungen, auf die der Kläger sich beruft, haben insoweit für die wenigen betroffenen Schüler*innen keine Auswirkungen gehabt und waren insoweit auch kein Anlass, zu Lasten des Klägers angebliche Äußerungen zu erfinden oder zu übertreiben.
Die Schüler, die bei dem Gespräch am 26.5.2021 dabei waren, haben sich dort nicht aus eigenem Antrieb eingefunden, sondern sind als Vertreter der drei betroffenen Klassen seitens der Vertreter der Schule ausgewählt worden. Sie wussten nicht, dass es um die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers ging. Sie waren nach den Bekundungen der Zeugen verunsichert, weil der Kläger sich eben ganz anders als alle anderen Lehrer verhielt in Infektionsschutzfragen, so dass es nicht um seinen Unterricht oder seine Notengebung ging, sondern eindeutig um die Frage, wie mit den Infektionsschutzbestimmungen umgegangen wird. Unter diesen Umständen besteht kein Anlass, an der Glaubhaftigkeit der Bekundungen der Schüler, welche die schriftlichen Beschwerden unterzeichnet haben, zu zweifeln.
Eine negative Prognose liegt bei der verhaltensbedingten Kündigung vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde zukünftig den Arbeitsvertrag auch nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus.
Der Kläger ist unstreitig bereits am 03.11.2020 schriftlich abgemahnt worden (Abmahnungsschreiben als Anl. B1, Bl. 43-44 d.A.), wobei konkret ausgeführt worden ist, welche Verhaltensweisen das beklagte Land als Vertragspflichtverletzungen ansieht. Die erkennende Kammer ist zudem der Überzeugung, dass eine Abmahnung vorliegend entbehrlich gewesen wäre, da der Kläger weder nach dem Inhalt seiner Schriftsätze noch in seinen persönlichen Ausführungen im Kammertermin eine Einsicht dahingehend zeigte, dass Arbeitsschutzvorschriften unabhängig von seinen persönlichen Ansichten einzuhalten sind. Der Ausspruch einer (weiteren) Abmahnung hätte also nicht den Zweck erfüllen können, den Kläger von der Vertragswidrigkeit seiner Äußerungen und Verhaltensweisen zu überzeugen und die Wiederholungsgefahr auszuschließen. Der Kläger hat sich vielmehr durchgehend auf seine Meinungsfreiheit berufen und im Kammertermin auf Nachfrage der Beklagtenvertreterin ausdrücklich nicht erklärt, er habe nicht gesagt, dass es Corona gar nicht gäbe, sondern „die Schüler müssten selber zum Nachdenken kommen und Informationen bewerten können. Er rege sie an, darüber nachzudenken. Sie würden sehr einseitige Informationen über Fernsehen und Radio erhalten“. Angesichts solcher Äußerungen muss das beklagte Land davon ausgehen, dass der Kläger bei einer Rückkehr als Lehrer in der Schule weiterhin offenkundige Tatsachen als diskutierbare Meinungsäußerungen bewerten, die Schüler*innen verunsichern und die rechtlich zwingend vorgegebenen Infektions- und Arbeitsschutzmaßnahmen in Zweifel ziehen und deren Durchsetzung gefährden wird.
Auch eine abschließende Interessenabwägung kann nicht zur Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung zum 31.12.2021 führen. Die Kammer verkennt nicht, dass der Kläger bereits seit dem Jahr 2006 beschäftigt wird, noch einem studierenden Kind zu Unterhalt verpflichtet und Jahrgang 1959 ist. Es besteht also eine grundsätzliche soziale Schutzbedürftigkeit unabhängig von der Frage, ob es sich um einen Mangelberuf handelt und ob der Kläger vor Renteneintritt eine anderweitige adäquate Beschäftigungsmöglichkeit in absehbarer Zeit finden wird. Das beklagte Land kann aber angesichts der Schwere der Vertragspflichtverletzung nicht dazu verpflichtet werden, weitere ständige Diskussionen des Klägers mit den Schüler*innen mit dem Inhalt, die Corona-Schutzmaßnahmen seien nicht erforderlich, hinzunehmen. Auch muss das beklagte Land es nicht hinnehmen, dass weiterhin völlig fernliegende Vergleiche zwischen der Verpflichtung, Infektionsschutzmaßnahmen zu befolgen und Gewissensentscheidungen oder Verhältnissen in der Nazi-Diktatur durch den Kläger entweder selbst geäußert oder aber angeregt werden. Dies gilt insbesondere deshalb, weil ‒wie ausgeführt- jederzeit mit vergleichbaren Sachverhalten zu rechnen ist, da der Kläger keinerlei Einsicht darin gezeigt hat, dass er seine Vertragspflichten verletzt; vielmehr sogar der Meinung ist, es sei seine Aufgabe, die ihm anvertrauten Schüler*innen über seine persönlichen Ansichten zu informieren und die pandemiebedingten Regeln in Frage zu stellen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den Schüler*innen um Jugendliche im Alter von überwiegend 15-17 Jahren handelt, welche dazu neigen könnten, den Kläger als Vorbild anzusehen und ihm auch in Pandemiefragen wissenschaftliche Kompetenz zuzutrauen. Das von dem Kläger aus eigenem Antrieb gewählte Beispiel vom Maschendrahtzaun zeigt zudem, dass der Kläger offenbar eine virologische oder medizinische Kompetenz für sich in Anspruch nimmt, die er offenkundig nicht hat. Es ist also zu befürchten, dass der Kläger auch in Zukunft die Arbeit sowohl der Schulleitung als auch seiner Kolleg*innen untergraben könnte, wirksame und rechtlich verpflichtende Infektionsschutzmaßnahmen durchzusetzen.
Ein milderes Mittel als die fristgerechte Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist nicht ersichtlich. Es ist deutlich geworden, dass der Kläger seit Jahren und unabhängig von der Pandemie offenbar sowohl ein schlechtes Verhältnis zu der Schulleitung in Person des Herrn E hat als auch zahlreiche Beschwerden von Schülern und Eltern gegen ihn vorliegen. Dazu kommt die Belastung im Schulalltag, welche durch die Pandemie selbst als auch durch die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie ausgelöst wird. Diese Belastungen treffen allerdings alle Arbeitnehmer, Schüler und sonstigen Beteiligten des Schulalltags gleichermaßen. Der Kläger hat sich auch in Anbetracht all dieser Belastungen selbst nicht darauf berufen, dass seine Dienstfähigkeit beeinträchtigt sein könnte. Das beklagte Land musste daher nicht von sich aus vor Ausspruch einer Kündigung prüfen, ob der Kläger möglicherweise die erörterten Vertragspflichtverletzungen aus einer chronischen Überforderung heraus begangen hat und eine mögliche Dienstunfähigkeit in Frage stand.
Die soziale Schutzwürdigkeit aufgrund der Sozialdaten des Klägers ist bereits dadurch ausreichend berücksichtigt worden, dass das beklagte Land an der außerordentlichen Kündigung, die jedenfalls wegen der nicht fristgerechten Zustellung ohnehin nicht rechtswirksam gewesen wäre, nicht festgehalten hat. Der Kläger ist damit für die Dauer der Kündigungsfrist von über einem halben Jahr freigestellt worden bei voller Weiterzahlung der Vergütung.
Die Kündigung ist auch nicht wegen einer nicht ordnungsgemäßen Beteiligung der Personalvertretung unwirksam.
Gemäß § 77 Absatz 1 Ziffer 2i Hessisches Personalvertretungsgesetz hat der Personalrat bei einer ordentlichen Kündigung außerhalb der Probezeit mitzubestimmen.
Gemäß § 66 Absatz 1 HPVG gilt, dass -soweit eine Maßnahme der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt - sie nach rechtzeitiger und eingehender Erörterung nach § 60 Abs. 4 seiner vorherigen Zustimmung bedarf. Auf die Erörterung kann im beiderseitigen Einvernehmen verzichtet werden.
Gemäß Absatz 2 des § 66 HPVG unterrichtet der Leiter der Dienststelle den Personalrat von der beabsichtigten Maßnahme und beantragt seine Zustimmung. Der Beschluss des Personalrats ist dem Leiter der Dienststelle innerhalb von zwei Wochen nach Antragstellung mitzuteilen. In dringenden Fällen kann der Leiter der Dienststelle diese Frist auf eine Woche abkürzen. Die Maßnahme gilt als gebilligt, wenn nicht der Personalrat innerhalb der genannten Frist die Zustimmung schriftlich begründet verweigert.
Das beklagte Land hat den Personalrat zu der ordentlichen Kündigung beteiligt und dieser hat unstreitig die Frist zur Stellungnahme verstreichen lassen. Das beklagte Land hat zwar die Anhörung selbst nicht in schriftlicher Form vorgelegt. Es ist aber unstreitig, dass der Personalrat bereits vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung über die Kündigungsgründe informiert worden war, da er dort (undatiertes Schreiben als Anlage B7, Bl. 65 d.A.) beanstandet hatte, dass die Lernenden und der Kläger persönlich nicht zur Sachverhaltsaufklärung angehört worden waren. Der Kläger hat Mängel der Personalratsanhörung nicht gerügt. Während in der von der N als erster Prozessvertretung des Klägers gefertigten Klage noch die ordnungsgemäße Anhörung des „Betriebsrates“ gerügt worden ist, enthält der Schriftsatz der Klägerseite vom 26.8.2021 keinerlei Rüge personalvertretungsrechtlicher Art mehr. Da bei dem beklagten Land für die Arbeitnehmer der beruflichen Schulen A kein Betriebsrat eingerichtet ist und sich das Beteiligungsverfahren bei Betriebsrat und Personalrat auch grundlegend unterscheiden, ist daher davon auszugehen, dass die pauschale Rüge in der Klageschrift nicht aufrechterhalten worden ist.
Aus der Stellungnahme des Personalrates vom 14.06.2021 (Anlage B 10, Bl. 70 d.A.) ergibt sich, dass er sich während laufender Frist nicht inhaltlich geäußert hat, so dass die Kündigung als gebilligt gilt. Aus dieser Stellungnahme ist auch ersichtlich, dass es ein Anschreiben vom 01.6.2021 zur „Mitbestimmung nach § 77 Absatz 1 Nr. 2i HPVG“ zu der beabsichtigten ordentlichen Kündigung gegenüber dem Kläger gibt und der Personalrat keine unzureichende Unterrichtung mehr gerügt hat. Da der Kläger dies nicht bestritten hat, gilt der Vortrag als zugestanden (§ 138 Absatz 3 ZPO, § 46 Absatz 2 ArbGG).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus dem Unterliegen des Klägers gemäß § 91 Absatz 1 ZPO in Verbindung mit § 46 Absatz 2 ArbGG.
Der Wert des Streitgegenstandes wird mit einem Bruttovierteljahresgehalt (§ 42 III 1 GKG) des Klägers für den Kündigungsschutzantrag bemessen.
Für die Zulassung der Berufung über die in § 64 Absatz 2 lit. b und c ArbGG genannten Gründe hinaus gibt es keine gesetzlich begründete Veranlassung.
09.11.2021
Tenor
- Die Klage wird abgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
- Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 17.948,43 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen Kündigung im zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnis.
Der Kläger ist bei dem beklagten Land, das regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt, seit dem 02.10.2006 als Lehrer an den Beruflichen Schulen in A zur Erteilung von Unterricht zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt 5.982,81 € in Vollzeit beschäftigt. Auf den Arbeitsvertrag der Parteien vom 29.9.2006 (Anl. K1, Bl. 8-10 d.A.) wird ergänzend Bezug genommen.
Der Kläger ist am xx. xx 1959 geboren, geschieden und einem Kind zu Unterhalt verpflichtet.
Mit Schreiben vom 01.4.2021 (Anlage K2, Bl. 11-12 d.A.), dem Kläger am 10.5.2021 zugegangen, kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis fristlos. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger zusammen mit einem Schreiben des beklagten Landes vom 07.05.2021 (Anl. K3, Bl. 13-14 d.A.) zu.
Mit Schreiben vom 17.06.2021 (Anlage K4, Bl. 32-35 d.A.) kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2021.
Mit der am 27. Mai 2021 bei Gericht eingegangenen und dem beklagten Land am 02.6.2021 zugestellten Klage macht der Kläger die Rechtsunwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung geltend. Im Gütetermin am 22.06.2021 rügte der Kläger die Sozialwidrigkeit der ordentlichen Kündigung.
Der Kläger behauptet, in Bezug auf die der Abmahnung vom 03.11.2020 angeblich zugrundeliegenden Vorgänge seien seine angeblichen Aussagen im Wesentlichen falsch wiedergegeben, verdreht und teilweise in ihr Gegenteil verkehrt worden.
Er habe auf die Maskenpflicht geachtet. Unmittelbar am Tag vor der Situation mit Klasse XXX, also am 21.10.2020, habe die Schule die Information erhalten, dass eine Schülerin einer Handwerkerklasse, Frau B, die Nachricht eines positiven Corona-Testergebnisses bekommen gehabt habe. Die Schulleitung habe darauf einige Kollegen ‒ wie auch ihn - zum vorhergehenden Unterricht befragt. Aufgrund seines Sitzplans seien vier Schüler als vermeintliche Kontaktpersonen ermittelt worden. Der Schulleiter habe in heller Aufregung betont, eine eventuelle Missachtung der Masken- und Abstandsregeln sei „grob fahrlässig“ gegenüber anderen Handwerkern und deren Handwerksbetrieben wegen der ggf. nötigen Quarantäne. Die Lehrer sollten Verweigerer aus dem Raum weisen. Nach Bestätigung des späteren amtlichen PCR-Testes, seien auch die vier besagten Schüler vom Gesundheitsamt in Quarantäne geschickt worden.
Als in Klasse XXX genau einen Tag später, am 22.10.2020, eine Schülerin keinen Mund-Nasen-Schutz getragen habe, habe er sie auf die Vorschrift zum Tragen derselben hingewiesen. Er habe ganz allgemein, nicht zu der Schülerin direkt, gesagt, dass eine Missachtung als grob fahrlässig gegenüber anderen angesehen würde. Darauf habe die Schülerin die Mund-Nasen-Bedeckung angezogen, so dass kein weiterer Handlungsbedarf entstanden sei.
Am gleichen Tag habe in Klasse XXX der Schüler C ohne Maske die Abstände nicht eingehalten. Er habe den Schüler nicht nur ermahnt, sondern ihn in letzter Konsequenz auch des Raumes verwiesen. Dies habe der Schüler ignoriert. In seinem Schreiben an die Schulleitung vom 22.10.2020 (Anlage K5, Bl. 104 d.A.) habe er die Frage gestellt: „Wie wird in diesem Fall jetzt weiter verfahren?“ Es wäre gegebenenfalls angezeigt gewesen, dass die Schulleitung reagiert hätte. Es sei in keiner Weise zu beanstanden, dass er dort insoweit nachgefragt habe. Er habe keine Antwort auf seine Frage erhalten. Für den Schüler sei dessen Verhalten folgenlos geblieben. Der betreffende Schüler sei als renitenter, äußerst provokanter Schüler bekannt.
In den Folgetagen (23.10.; 26.10.; 02.11.) sei es in der gleichen Klasse XXX mehrfach zu Maskenverstößen gekommen, auch von C. Alle diese Vorfälle seien von ihm im Klassenbuch dokumentiert worden. Auf Kopien des Klassenbuches vom 23.10.2020 (Anlage K7, Bl. 106 d.A.), vom 26.10.2020 (Anlage K8, Bl. 107 d.A.) und vom 02.11.2020 (Anlage K9, Bl. 108 d.A.) nimmt der Kläger Bezug. In keinem Fall hätten sich Konsequenzen von der Schulleitung für die Schüler ergeben. Ihm selbst sei jegliche Unterstützung versagt worden. Die Schulleitung weise das grundsätzliche Bestreben auf, Ärger mit bzw. Beschwerden von Schülern (und insbesondere von Eltern) um jeden Preis zu vermeiden, anstatt sich auch bei gravierenden Verstößen der Schüler aufgrund der sie treffenden Fürsorgepflicht schützend vor die Lehrer zu stellen. Dies habe sich bereits früher im Zusammenhang mit der realistischen anstatt nachsichtigen Notengebung seinerseits gezeigt, weil er seine Noten, anders als die Schulleitung, nicht nur am Bedarf der Schüler, sondern auch verstärkt an deren Leistung ausrichte.
Am 26.03.2021 hätten zwei Schüler gefragt, ob sie nicht die Masken ablassen könnten. Er habe geantwortet, dass auch er lieber ohne Maske hier wäre, um freier atmen zu können. Es gäbe aber nun mal diese Vorschrift zum Tragen der Maske, an die er sich, wie zu sehen, auch halten würde, wie im Straßenverkehr, rot ist rot. Darauf hätten die Schüler lediglich neugierig und nicht etwa widerspenstig gefragt, was er machen würde, wenn sie das nicht einhalten würden. Wegen der Vorfälle vom letzten Jahr, als keine Reaktion der Schulleitung zu erwarten gewesen sei, habe er gesagt, welche Maßnahmen die Schulleitung ggf. bei Nichtbefolgung ergreifen würde, sei ihm nicht bekannt. Dass er selbst das nicht verfolgen würde, sei von den Schülern sicherlich nicht so verstanden worden, da es auch in den weiteren Schultagen keine Schüler mehr im Raum gegeben habe, die keine Maske aufgehabt hätten.
Er bestreite die pauschale Behauptung, er habe seine Maske teilweise "nicht richtig" getragen. Dies sei völlig unsubstantiiert. Dieses angebliche Fehlverhalten, welches nachdrücklich bestritten werde, sei auch nicht abgemahnt worden.
Der Kläger behauptet weiter, am 22.10.2020 habe die Klasse XXX vom zu vertretenden Lehrer Aufgaben für die Vertretungsstunde genannt bekommen gehabt. In diesem Zusammenhang sei an ihn von den Schülern die Frage gestellt worden, was unter dem „Vergleich von Verhältnissen“ mathematisch zu verstehen sei. Um bei einer Klasse für Mathematisches Aufmerksamkeit zu erreichen, seien nach seiner Erfahrung und aus lernpsychologischer Sicht stark auffallende Beispiele nötig und hilfreich. Daher habe er die These formuliert, dass der Vergleich folgender Größenverhältnisse nahelege, dass ein Maschendrahtzaun (nicht Stacheldrahtzaun) eher vor Mücken schütze als Masken vor Aerosolen und habe folgenden Vergleich vorgerechnet: Durchmesser einer Mücke = 0,5 cm, Durchmesser einer Masche im Zaun = 5 cm, Verhältnis = 0,5 cm / 5 cm = 1/10 Mittelgroßes Aerosol als Träger von Viren = 5 μm = 0,005 mm, Spaltenbreiten zwischen Gesicht und einer normalen Mund-Nasen-Bedeckungen = 5mm, Verhältnis = 0,005 mm / 5 mm= 1/1000. Dies sei mathematisch unbestreitbar. Weiter habe er gesagt, dass mit einem solchen Vergleich, wenn der Sinnzusammenhang mit der gestellten Frage fehle, das Radio von ihm jetzt sagen würde, er sei ein Verschwörungstheoretiker, Linksextremist oder Rechtsradikaler: Er habe ergänzend kommentiert, dass die Politik jetzt über bessere Masken nachdenken würde, nämlich die FFP2-Masken. Er habe sich mitnichten selbst als „Verschwörungstheoretiker, Linksextremist oder Reichsflaggenschwenker“ bezeichnet, sondern erklärt, dass er wegen des genannten Rechenbeispiels Gefahr laufe, unberechtigterweise so genannt zu werden. Der Gebrauch des Wortes „Stacheldrahtzaun“ zeige, dass die Berechnung nicht verstanden worden sei und die Wortwahl der Schüler ihn ganz offensichtlich grotesk diffamieren solle.
Auf sein Wort „Verschwörungstheoretiker“ sei aus der Klasse selbst der Gedankensprung zur Pharmaindustrie gekommen. Hierzu habe er festgestellt, dass die Pharmaindustrie einen Reibach machen könne, wenn sie zur Lösung eines weltweiten Gesundheitsproblems beitragen würde. Die Äußerung sei zutreffend und im Ansatz bereits nicht zu kritisieren. Das Wort „Reibach“ sei dann wohl auch emotionsbedingt falsch übersetzt worden. Des Weiteren seien auch die Inzidenzwerte angesprochen worden. Er habe gesagt, dass nach seiner Information ab einem Wert von 50 die Schulen geschlossen werden sollten. Im Kreis A lägen sie seit kurzem aktuell bei 100. Da bliebe abzuwarten, wann die Schließung komme. Tatsächlich sei daraufhin auf online-Unterricht umgestellt worden. Von steigenden Neuinfektionen auf die Nichtexistenz der Krankheit zu schließen, sei völlig unlogisch.
Aus der Klasse XXX sei am 26.03.2021 im Zusammenhang mit der Maskenfrage das Stichwort Impfzwang aufgekommen. Wenn er zu solchen Dingen den Schülern antworte, gehe es ihm darum, beim Schüler das persönliche, kritische und selbstständige Denken anzuregen. In der Niederschrift der Schüler (Anlage B5) stehe ja auch wörtlich: „Er hat gesagt, er will uns nicht überzeugen, dass wir uns nicht impfen lassen sollen.“ Insbesondere bei emotionalen Impfbefürwortern möge ein Hinweis auf verantwortliches Durchdenken bereits als Contra gewertet worden sein. Er habe geäußert, die Politik sage, es werde keinen Impfzwang geben. Andererseits würde diskutiert, Geimpften und Ungeimpften unterschiedliche Freiheiten zu gewähren. Das könne zu einem Gewissenskonflikt im persönlichen Bereich führen bei Leuten, die durchaus pro- und contra-Argumente einer Impfung für ihre Person empfänden. Als er so alt wie die Schüler gewesen sei, habe er den Kriegsdienst verweigert. Um in zwei Sitzungen vor dem Prüfungsgericht als solcher anerkannt zu werden, sei es nötig gewesen, die Konsequenzen in beide Richtungen genauestens zu überdenken, einerseits Verteidigungsnot des Volkes, andererseits eigene Gewissensnot. Wer zur Impfung zwei Seelen in seiner Brust empfinden würde, solle vor sich selber ehrlich und gewissenhaft pro und contra prüfen, selbst mit den Extremen entweder Jobverlust oder Infektionsschutzgefährdung. Bei diesen Ausführungen sei aus der Klasse selbst das Gerücht von Gefängnis oder Lagern für Impf-verweigerer aufgekommen. Diese Gerüchte habe er nicht bestätigen können und empfohlen, Gerüchten immer zu misstrauen. Die Abkürzung KZ sei von keinem benutzt worden, schon gar nicht von ihm, nach seiner Erinnerung aber auch nicht aus der Klasse heraus. Ungeachtet dessen sei nicht jede Verwendung des Wortes KZ verwerflich, auch und schon gar nicht in der Schule.
Zur Raumlüftung behauptet der Kläger, die Schüler in diesem Bildungsgang seien nicht gerade Enthusiasten im Unterrichtsfach Mathematik und suchten gerne jede Gelegenheit, um vom Unterricht abzulenken. Dazu gehöre auch der Ruf nach Fensteröffnung in deutlich kürzeren Intervallen als 20 Minuten. Wenn er als Lehrer dem etwas entgegensetze (nur alle 20 Minuten), um die Ablenkungen einzuschränken, dann werde das von diesen Schülern widerspenstig mit „nie“ übersetzt.
Der Kläger behauptet weiter, der Auftrag zur Vertretung erfolge allermeist kurzfristig. Eine Information über den jeweiligen Lernstand finde dabei nicht statt, weshalb eine Vorbereitung nicht möglich sei. Daher erhielten die Schüler und Schülerinnen oft wie auch hier einen Auftrag zur selbstständigen Bearbeitung von dem zu vertretenden Lehrer. Als Lehrer habe er nicht nur einen fachlichen, sondern auch einen allgemeinbildenden Lehrauftrag. Wenn Fragen und Anregungen von Schülerseite hierzu genutzt werden könnten, sei es geboten, darauf einzugehen. Dann seien 20 Minuten gut investierte Zeit für ein wohlwollendes Miteinander.
Der Wortführer, der erstgenannte Zeuge in Anlage B5, D, Klasse XXX, habe im Februar aus seinem Aktenkoffer sein Handy entwendet und nachmittags eine Stunde „Nachsitzen“ aufgebrummt bekommen. Einen Schüler, der sich lieber 15 unentschuldigte Fehltage und infolge dessen ein Bußgeldverfahren leiste, den schmerze ein Nachsitzen am Nachmittag sicherlich. Auf das Schreiben des Staatlichen Schulamtes für den Landkreis A vom 05.03.2021 (Anlage K11, Bl. 110 d.A.) nimmt der Kläger Bezug. Hier lägen überschießende Belastungstendenzen auf der Hand. Er widerspreche der Verwertung schriftlicher Zeugenaussagen im Hinblick auf die nicht zu beurteilende, fehlende Glaubwürdigkeit und bestehe ggf. darauf, etwaige Zeugen zu vernehmen.
Das Maß der einem Beschäftigten des öffentlichen Dienstes abzuverlangenden Loyalität gegenüber der Verfassung bestimme sich nach der Stellung und dem Aufgabenkreis, der dem Beschäftigten laut Arbeitsvertrag übertragen sei. Lehrer seien zwar Beschäftigte, an deren Verfassungstreue wegen ihrer Tätigkeit die gleichen oder zumindest ähnlichen Anforderungen zu stellen seien wie an die von in vergleichbarer Stellung beschäftigten Beamten. Nach diesen Maßstäben seien seine vermeintlichen wie tatsächlichen Äußerungen eindeutig von der Meinungsfreiheit gedeckt. Es sei nicht erkennbar, dass er kein positives Verhältnis zu den Grundwerten der Verfassung haben solle. Insbesondere die sogenannte Maskenpflicht sei in der Normenhierarchie weit unterhalb der Verfassungsnormen in befristeten Landesverordnungen und oftmals in kommunalen Satzungen und Allgemeinverfügungen oder aber privatrechtlich geregelt. Hierzu seien bereits grundsätzlich alle Meinungen vertretbar. Der Grundrechtsschutz der Meinungsfreiheit sei unabhängig davon, ob eine Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos sei, und ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten werde. Zu berücksichtigen sei insbesondere mit Bezug auf Lehrer, dass es zu den wesentlichen Bildungsinhalten, gerade in einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung, zähle, dass den Schülern eine grundlegende Diskursfähigkeit vermittelt werde und die Schüler dabei gefördert würden, sich argumentativ mit unterschiedlichen, abweichenden oder gar abwegigen Meinungen argumentativ auseinanderzusetzen. Keinesfalls solle es Schülern dagegen vermittelt werden, dass staatliche Maßnahmen niemals und unter keinen Umständen kritiklos hingenommen werden müssten und niemals hinterfragt werden dürften. Die Vorwürfe seien zudem lediglich Stellvertretervorwürfe, weil es dem beklagten Land darum gehe, sich mit vermeintlichen Beschwerden aus der Elternschaft im Hinblick auf seine Notengebung nicht auseinandersetzen zu müssen. Eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses sei im Rahmen einer Interessenabwägung nicht im Ansatz als unzumutbar zu bezeichnen. Zu berücksichtigen sei auch die lange Dauer der beanstandungsfreien Beschäftigungsdauer und der Umstand, dass die Schulleitung ihm im Hinblick auf die Durchsetzung der Maskenpflicht ersichtlich nicht geholfen habe.
Der Kläger hat u.a. die Anträge angekündigt,
1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose Kündigung des beklagten Landes vom 01.4.2021 noch durch die ordentliche Kündigung vom 17.06.2021 aufgelöst worden ist bzw. werden wird;
2. im Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1 das beklagte Land zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu veränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Aushilfsangestellten weiter zu beschäftigen
Im Gütetermin am 22.06.2021 haben die Parteien einen Teilvergleich darüber abgeschlossen, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 01.04.2021 nicht aufgelöst worden ist.
Der Kläger beantragt nunmehr,
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 17.06.2021 nicht aufgelöst werden wird.
Das beklagte Land beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das beklagte Land behauptet, der Kläger sei bereits am 03.11.2020 schriftlich abgemahnt worden (Abmahnungsschreiben als Anl. B1, Bl. 43-44 d.A.), weil sich einige Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher Klassen beim Schulleiter über dessen Äußerungen und Verhalten im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie beschwert hätten (Beweis: Zeugnis des Schulleiters Herrn E). Auf den Aktenvermerk des Schulleiters vom 23.10.2020 (Anl. B2, Bl. 59 d.A.) nimmt das beklagte Land Bezug. Konkret sei der Kläger am 22.10.2020 unvorbereitet in einen Vertretungsunterricht der Klasse XXX gekommen und habe den Mund-Nase-Schutz nur bis unterhalb der Nase getragen. Gleichzeitig habe er zu einer Schülerin, die keinen Mund-Nasen-Schutz getragen habe, gesagt, sie handele grob fahrlässig. Auf einen Bericht von 14 Schüler/innen der Klasse XXX (Anlage B3, Bl. 60-61 d.A.) nimmt das beklagte Land Bezug. Der Kläger habe den Schüler/innen einen Vortrag über seine Einstellung zu der Covid 19 - Pandemie gehalten. Er habe dies als eine Verschwörung der weltweiten Pharmaindustrie bezeichnet. Es gebe keine Pandemie. Die Schulen hätten trotz 100 Neuinfektionen noch nicht geschlossen. Mund-Nase-Bedeckungen würden nicht helfen und sollten lediglich aus Angst getragen werden, damit die Menschen sich später impfen ließen. Er sei ein Verschwörungstheoretiker, Linksextremist und Reichsflaggenschwenker. Das Tragen von Masken sei so, als wolle man sich mit Stacheldrahtzaun gegen Mücken schützen. Auf die Frage eines Schülers, ob er dies alles ernst meine, habe er die Frage bejaht.
Am selben Tag habe der Kläger die stellvertretende Schulleiterin um Unterstützung gebeten, weil einer der Schüler angeblich keine Maske getragen habe, er ihm die Verweisung aus dem Raum angedroht habe und dieser sodann eine Balgerei mit Mitschülern provoziert habe. Auf das Schreiben des Klägers an Frau F vom 22.10.2020 (Anl. B4, Bl. 62 d.A.) nimmt das beklagte Land Bezug. Dieses widersprüchliche Verhalten sei nicht hinzunehmen. Der Kläger sei aufgefordert worden, sich ab sofort jeder negativen Kommentierung der Vorgaben zu enthalten und die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei angedroht worden.
Anlass für die Kündigung sei das Verhalten des Klägers am 26.3.2021 in der Klasse XXX gewesen. Die Schüler/innen hätten berichtet, dass der Kläger erneut in der Klasse das Maskentragen nicht eingefordert habe und den Schüler/innen gesagt habe, dass er es nicht verfolgen werde, wenn sie die Masken nicht trügen. Zugleich habe er die Schüler/innen aufgefordert, niemandem darüber zu berichten, dass er das Nicht-Maskentragen toleriere. An diesem Tag hätten zwei Schüler keine Maske getragen. Auf einen Bericht der Schüler/innen der Klasse XXX (Anl. B5, Bl. 63 d.A.) nimmt das beklagte Land Bezug. Der Kläger habe die Schüler/innen zudem aufgefordert, sich nicht impfen zu lassen. Es sei bewiesen, dass die ersten KZs für Impfgegner wiederaufgebaut würden. Er würde sich selbst darauf einstellen, in ein KZ zu kommen, wenn er sich nicht impfen ließe. Außerdem hätten die Schüler/innen berichtet, dass der Kläger nie lüfte. Auf den Aktenvermerk des Schulleiters vom 26.03.2021 (Anl. B6, Bl. 64 d.A.) nimmt das beklagte Land ergänzend Bezug. Der Kläger sei am 26.03.2021 ca. 45 Minuten lang seiner Verpflichtung nicht nachgekommen, lernwirksamen Unterricht zu organisieren, sondern habe das Thema Corona zum wiederholten Male kontraproduktiv behandelt und die Schüler/innen durch seine Aussagen sehr verunsichert.
Nachdem der Personalrat bei der Anhörung zur außerordentlichen Kündigung bemängelt habe, dass dem Kläger keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden sei und die Schüleraussagen nicht weiter verifiziert worden seien (Stellungnahme des Personalrates als Anl. B7, Bl. 65 d.A.), sei dies nachgeholt worden. Dem Kläger sei mit Schreiben vom 07.05.2021 (Anl. B8, Bl. 66 d.A.) Gelegenheit gegeben worden, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Mit Schreiben vom 20.05.2021 (Anl. B9, Bl. 67-69 d.A.) habe die damalige Bevollmächtigte die Vorwürfe abgestritten.
Am 26.05.2021 habe eine Befragung durch das Staatliche Schulamt und die Schulleitung von sechs Schülern aus drei verschiedenen Klassen stattgefunden (Beweis: Zeugnis der Frau Regierungsoberrätin G, des leitenden Schulamtsdirektors H, des Schulleiters E und der Frau Studiendirektorin I). Für das Ergebnis der Befragung wird auf Seiten 5-7 des Klageerwiderungsschriftsatzes (Bl. 52-54 d.A.) Bezug genommen.
Das beklagte Land behauptet weiter, auch aus dem Schulleitungsteam und Teilen des Kollegiums werde bestätigt, dass der Kläger auch im Lehrerzimmer seine Ansichten kundtue. Gegenüber Herrn J, der zur Klassenleitung der Klasse XXX gehöre, habe er im Lehrerzimmer geäußert, dass alle nur Marionetten der Amerikaner und Corona eine reine Lüge sei (Beweis: Zeugnis des Herrn J). Viele Kolleg/innen, die in den Klassen nach dem Kläger eingesetzt seien, müssten häufig einen Teil ihrer Unterrichtszeit entbehren, weil die Schüler/innen nach den irritierenden Stunden mit dem Kläger erst einmal einen großen Redebedarf hätten.
Der Kläger habe offenbar auch nach der Abmahnung nicht aus seinem Fehlverhalten gelernt und verstoße gegen seine Treuepflicht. Lehrkräfte hätten eine Vorbildfunktion für die Schüler/innen und es sei nicht hinzunehmen, die aktuelle Corona-Lage mit der Lage im Dritten Reich zu vergleichen. Auch verstoße der Kläger gegen gültige Anweisungen zur Umsetzung der Coronabestimmungen.
Das beklagte Land behauptet weiter, es habe den Personalrat zu der ordentlichen Kündigung beteiligt und dieser habe die Frist zur Stellungnahme verstreichen lassen. Die Maßnahme gelte daher als gebilligt. Auf die Stellungnahme des Personalrates vom 14.06.2021 (Anlage B 10, Bl. 70 d.A.) nimmt das beklagte Land Bezug.
Für den Sach- und Streitstand im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsprotokolle verwiesen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung der Zeugen E, Regierungsoberrätin G, Leitender Schulamtsdirektor H und Studiendirektorin I. Für das Beweisthema und das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 09.11.2021 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wird durch die ordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 17.06.2021 zum 31.12.2021 aufgelöst werden.
Die Kündigung ist sozial gerechtfertigt im Sinne des § 1 Absatz 2 KSchG.
Das Kündigungsschutzgesetz ist angesichts der Beschäftigungsdauer und der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer unstreitig auf das Arbeitsverhältnis anwendbar.
Sozial gerechtfertigt ist gemäß § 1 Absatz 2 KSchG eine ordentliche Kündigung, wenn sie durch Gründe, die in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist. Gründe in dem Verhalten des Arbeitnehmers bedeuten, dass der Arbeitnehmer mit dem ihm vorgeworfenen Verhalten eine Vertragspflicht -in der Regel schuldhaft- erheblich verletzt, das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit einer anderen Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint (BAG, Urteil vom 12. Januar 2006, 2 AZR 21/05, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung und ständige Rechtsprechung).
Für eine verhaltensbedingte Kündigung gilt dabei das Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht eine Sanktion für eine begangene Vertragspflichtverletzung, sondern die Vermeidung des Risikos weiterer erheblicher Pflichtverletzungen. Die vergangene Pflichtverletzung muss sich deshalb noch in der Zukunft belastend auswirken (BAG, Urteil vom 12.Januar 2006, 2 AZR 179/05, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat sich zur Überzeugung der erkennenden Kammer (§ 286 Absatz 1 Satz 1 ZPO) ergeben, dass der Kläger geäußert hat, er werde das nicht verfolgen, wenn die Schüler den Mund-Nasen-Schutz nicht trügen. Es mag sein, dass der Kläger dies aus Verärgerung so geäußert hat, weil er den Eindruck hatte, von der Schulleitung keine Unterstützung erhalten zu haben, als ein Schüler trotz seiner Aufforderung eine Maske nicht getragen hatte. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Schulleitung, die sich nach dem Eindruck der erkennenden Kammer seit geraumer Zeit in einem gravierenden Arbeitsplatzkonflikt mit dem Kläger befindet, ihn hier in irgendeiner Form unterstützt oder dessen Anfrage auch nur ernst genommen hätte. Diese durchaus nachvollziehbare Verärgerung und/oder Enttäuschung kann aber nicht dazu führen, dass dann in der Unterrichtsstunde zwei Schüler die Masken absetzen und der Kläger dies toleriert. Die Bekundungen der Zeugin G sind glaubhaft und die Zeugin selbst wirkte glaubwürdig. Sie hat keinerlei eigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreites, auch wenn sie die Schriftsätze als Verantwortliche für die Schul(rechts)aufsicht gefertigt hat. Sie hat die Äußerungen der angehörten Schüler unvoreingenommen und sachlich geschildert. Hierzu gehört auch, dass die Schüler bekundet haben, dass Vergleiche mit dem dritten Reich gefallen seien zum Thema „Impfen und Testen“. Es ist für die erkennende Kammer nicht ausschlaggebend, ob der Kläger solche abwegigen Vergleiche initiiert hat, oder einzelne Assoziationen von den Schülern ausgegangen sind. Denn der Kläger hätte in jedem Fall klar und deutlich entgegnen müssen, dass die Maßnahmen zur Eindämmung einer Pandemie in gar keiner Weise auch nur irgendetwas mit Euthanasiemaßnahmen gegen körperlich und geistig Behinderte zu tun haben. Selbst wenn ein Schüler auf die abwegige Idee gekommen wäre, „jetzt seien die Rentner dran“, hätte der Kläger hier Stellung beziehen müssen, um die Absurdität solcher Vergleiche klarzustellen. Auch wenn der Kläger nicht gesagt haben sollte, „wenn man sich nicht impfen lasse, dann komme man in ein KZ oder in ein Lager“, so hat er doch nach eigenem Vortrag überhaupt erst solche Ideen aufkommen lassen, indem er einen Vergleich zu seiner eigenen Wehrdienstverweigerung herangezogen hat. Das Impfangebot oder die Testpflicht oder Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasenschutzes mit einer Gewissensfrage, wie der Wehrdienstverweigerung und damit auch einer damals möglichen Haft („Gefängnis“) in Zusammenhang zu bringen, kann nur von dem Kläger gekommen sein, der dies auch nicht bestritten hat. Denn bei dem jugendlichen Alter der Schüler*innen ist davon auszugehen, dass ihnen der frühere Wehrdienst / Zivildienst nicht bekannt oder geläufig ist. Dieser unstreitige Gesprächsinhalt in der Stunde zeigt bereits, dass der Kläger die Schüler*innen mit Vergleichen verunsichert hat, die für die Kammer in keiner Weise nachvollziehbar sind. Besonders bedauerlich ist es, dass nach der glaubhaften Bekundung der Zeugin die Schüler ausgesagt haben, dass die nachfolgende Lehrerin, Frau K, die Frage eines Schülers habe beantworten müssen, ob das stimme, dass man in ein KZ komme, wenn man sich nicht impfen lasse. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger wirklich weitere absurde Äußerungen getätigt hat, wie: „die meisten seien nach zwei bis drei Tagen gestorben, die sich hätten impfen lassen“, „die Regierung habe die Zahlen gefälscht und es gebe gar kein Corona“. Denn bereits solche sinnwidrigen Vergleiche, wie sie der Kläger unstreitig angestellt hat, dass Masken nichts nützten, weil eher ein Maschendrahtzaun vor einer Mücke schütze als eine Maske vor einem Aerosolpartikel, sind nicht hinnehmbare verhaltensbedingte Vertragspflichtverletzungen des Klägers. Die Schüler*innen mussten den Eindruck gewinnen, dass der Kläger die zwingend vorgeschriebenen und zum Schutz der Schüler*innen, der Lehrenden, der weiteren Mitarbeiter der Schulen und der Angehörigen und sozialen Kontaktpersonen dringend erforderlichen Infektionsschutzmaßnahmen ins Lächerliche zog und sie dazu aufwiegeln wollte, sich nicht an geltende Arbeitsschutzvorschriften zu halten.
Auch die Aussagen der Schüler L und M, der Kläger habe gesagt, es gebe kein Corona und er sei ein Corona-Leugner und Reichsflaggenschwenker, sind für die Kammer nach der Aussage der Zeugin G glaubhaft. Es spielt keine entscheidende Rolle, ob der Kläger nun gesagt hat, er „sei“ ein Corona-Leugner und Reichsflaggenschwenker oder ob er aufgrund seiner Ansichten und Ideen nur so genannt werden würde. Denn in jedem Fall hat er nach dem Inhalt der Zeugenaussage auf Nachfrage bestätigt, das ernst zu meinen, so dass er sich selbst dazu bekannt hat, offenkundige Tatsachen wie die Corona-Pandemie zu leugnen. Nach der Bekundung der Zeugin kamen diese Aussagen auch nicht von dem Schüler M, dessen Glaubwürdigkeit der Kläger angreift, sondern maßgeblich von dem Schüler L.
Nach den übereinstimmenden Bekundungen sowohl der Schüler, als auch des Kollegen J und des Schulleiters E handelte es sich dabei auch nicht um einen Einzelfall, sondern der Kläger hat permanent die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung in Frage gestellt und sich nicht zuverlässig an die Infektionsschutzmaßnahmen gehalten.
Die erkennende Kammer hält insbesondere die ohne Belastungstendenzen und sachlich gehaltene, widerspruchsfreie Aussage der Zeugin I insofern für ergiebig und glaubhaft. Danach gab es ständig Diskussionen zu den Corona-Maßnahmen, die der Kläger angestoßen hat, was an sich erstmal nicht verwunderlich ist angesichts der erheblichen Bedeutung der Pandemie für das Alltagsleben aller Menschen. Die Zeugin I kennt aber gerade die Schüler*innen ihrer eigenen Klasse als Klassenlehrerin gut und hat auch keinen Zweifel daran gehabt, dass die Schüler aus der XX-ten Klasse XXX darin glaubwürdig gewesen seien, dass der Kläger sinngemäß geäußert haben solle, dass schon KZ´s aufgebaut würden für diejenigen, die sich nicht impfen ließen und dass die Maskenpflicht unwichtig sei. Gerade in ihrer eigenen Klasse hatten die Schüler nach der glaubhaften Aussage der Zeugin sie schon mehrfach darauf hingewiesen, dass der Kläger die Maske nicht trage und das Maskentragen nicht eingefordert sowie nicht gelüftet habe. Da dies ein ständiges Thema die ganze Corona Zeit über gewesen sei, ist klar geworden, dass es sich bei den Äußerungen des Klägers zu „Lagern“, „unnützen Masken“ und „Corona gibt es nicht“ nur um besondere Eskalationen, keinesfalls aber um Einzelfälle gehandelt hat. Die Beschwerden der Schüler aus der Klasse XXX der Fachoberschule ergänzen insoweit nur das Bild, sind aber nicht ausschlaggebend.
Die Bekundungen der Zeugen H und E waren dagegen wenig ergiebig, da sie offenbar keine eigene konkrete Erinnerung an das Gespräch vom 26.5.2021 und die Aussagen der Schüler hatten. Die Bekundungen des Schulleiters E waren zudem so von einem Gefühl der fast schon persönlichen Feindschaft zu dem Kläger geprägt, dass sie wegen ihrer erheblichen Belastungstendenz nicht zu Lasten des Klägers verwertbar sind. Denn der Zeuge E hat deutlich gemacht, dass er schon seit Jahren den Unterricht des Klägers als eine Zumutung für die Schüler und die häufigen Beschwerden über den Kläger als eine Belastung seiner Führungsposition empfindet. Er hat also ein deutliches Eigeninteresse an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers. Wegen dieser Belastungstendenz wird die zudem unergiebige Aussage nicht zu Lasten des Klägers berücksichtigt. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob der Zeuge E sich tatsächlich an konkrete Gesprächsinhalte nicht erinnern konnte oder nicht wollte.
Gemäß § 618 BGB, § 241 Abs. 2 BGB ist der Arbeitgeber zu Schutzmaßnahmen gegenüber seinen Arbeitnehmern verpflichtet. Die öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzvorschriften konkretisieren diese Schutzmaßnahmen (§ 3 Abs. 1 ArbSchG). Der Arbeitgeber ist demnach verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen, um die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit zu gewährleisten. Nach § 18 Absatz 3 Arbeitsschutzgesetz kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ohne Zustimmung des Bundesrates in epidemischen Lagen von nationaler Tragweite nach § 5 Absatz 1 des Infektionsschutzgesetzes spezielle Rechtsverordnungen nach Absatz 1 für einen befristeten Zeitraum erlassen.
Nach der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel vom 10. August 2020 (Bek. d. BMAS vom 10.8.2020 ‒ IIIb3-34503-14/1, GMBl S. 484) galt gemäß § 4-1 Absatz 2 im streitgegenständlichen Zeitraum ab Oktober 2020, dass der Arbeitgeber insbesondere Maßnahmen zu ergreifen hat, die die Anzahl ungeschützter Kontakte zwischen Personen (auch indirekter Kontakt über Oberflächen) sowie die Konzentration an luftgetragenen Viren in der Arbeitsumgebung soweit wie möglich verringern. Geeignete Maßnahmen hierfür sind beispielsweise die Einhaltung der Abstandsregel, Reduzierung der Raumbelegung, Arbeiten in festen Teams, die Trennung der Atembereiche durch technische Maßnahmen, die Nutzung von Fernkontakten, die verstärkte Lüftung, die Isolierung Erkrankter, eine intensivierte Oberflächenreinigung und zusätzliche Handhygiene.
Nach Absatz 3 gilt, dass -soweit arbeitsbedingt die Abstandsregel nicht eingehalten werden kann und technische Maßnahmen wie Abtrennungen zwischen den Arbeitsplätzen oder geeignete organisatorische Maßnahmen nicht umsetzbar sind, die Beschäftigten mindestens MNS zum gegenseitigen Schutz tragen müssen.
Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass ihm diese Verpflichtungen nicht bewusst gewesen seien. Er war offenbar aber der Meinung, er könne sich selbst entscheiden, ob er die Geltung dieser staatlichen Regelungen in seinem Arbeitsalltag anerkenne oder nicht. Diese Einstellung ist auch in seinen schriftsätzlichen Rechtfertigungsversuchen deutlich erkennbar. Bei der Befolgung von rechtlich zwingenden Regelungen der Arbeitssicherheit und des Infektionsschutzes geht es nicht um die Ausübung der Meinungsfreiheit und deren Schranken und auch nicht um eine besondere Treuepflicht eines Arbeitnehmers des Landes Hessen. Die von dem Kläger unterrichteten Berufsschüler befinden sich im Übrigen nicht nur in der Berufsschule, sondern auch als (künftige oder derzeitige) Auszubildende im Betrieb. Ein enger Austausch zwischen Ausbildungsbetrieben, schulischen Ausbildern und Berufsschule ist unerlässlich. Im Ausbildungsbetrieb können Verstöße gegen die Arbeitssicherheit ebenfalls nicht toleriert werden. Auch aus diesem Grund ist es für die erkennende Kammer unverständlich, dass der Kläger vorträgt, er könne sich auf die Meinungsfreiheit berufen, um Tatsachen wie die Corona-Pandemie in Frage und zur Diskussion zu stellen. Während Tatsachenbehauptungen durch die objektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit geprägt werden und der Überprüfung mit Mitteln des Beweises zugänglich sind, handelt es sich bei einer Meinung um eine Äußerung, die durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt ist (ständige Rechtsprechung, z.B. BVerfG, Beschluss vom 16.3.2017, 1 BvR 3085/15, W-RR 2017, 1003). Der Kläger scheint nach dem gesamten Inhalt der Verhandlungen die öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzvorschriften, welche die Schutzmaßnahmen gemäß § 3 Abs. 1 ArbSchG konkretisieren, sowie die Tatsache der Corona-Pandemie und die wissenschaftlichen Erkenntnisse hierzu, mit einer Meinungsäußerung zu verwechseln.
Der gesamte Inhalt der Verhandlungen, der nicht nur die Ergebnisse der Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung umfasst, erfordert es entgegen der Ansicht des Klägers nicht, dass die von dem beklagten Land in dem Gespräch vom 26.5.2021 angehörten Schüler unmittelbar persönlich vom Gericht angehört werden müssen. Die Kammer hat keinen Zweifel daran, dass die Schüler nicht aus persönlicher Rachsucht gegenüber dem Kläger, etwa wegen seiner Notengebung, ihre Beobachtungen verschriftlicht und sich beim Schulleiter bzw. bei ihrer Klassenlehrerin beschwert haben und die dort geschilderten Sachverhalte auch am 26.5.2021 nochmals konsistent und widerspruchsfrei wiederholt haben. Die Klassenbucheintragungen, auf die der Kläger sich beruft, haben insoweit für die wenigen betroffenen Schüler*innen keine Auswirkungen gehabt und waren insoweit auch kein Anlass, zu Lasten des Klägers angebliche Äußerungen zu erfinden oder zu übertreiben.
Die Schüler, die bei dem Gespräch am 26.5.2021 dabei waren, haben sich dort nicht aus eigenem Antrieb eingefunden, sondern sind als Vertreter der drei betroffenen Klassen seitens der Vertreter der Schule ausgewählt worden. Sie wussten nicht, dass es um die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers ging. Sie waren nach den Bekundungen der Zeugen verunsichert, weil der Kläger sich eben ganz anders als alle anderen Lehrer verhielt in Infektionsschutzfragen, so dass es nicht um seinen Unterricht oder seine Notengebung ging, sondern eindeutig um die Frage, wie mit den Infektionsschutzbestimmungen umgegangen wird. Unter diesen Umständen besteht kein Anlass, an der Glaubhaftigkeit der Bekundungen der Schüler, welche die schriftlichen Beschwerden unterzeichnet haben, zu zweifeln.
Eine negative Prognose liegt bei der verhaltensbedingten Kündigung vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde zukünftig den Arbeitsvertrag auch nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus.
Der Kläger ist unstreitig bereits am 03.11.2020 schriftlich abgemahnt worden (Abmahnungsschreiben als Anl. B1, Bl. 43-44 d.A.), wobei konkret ausgeführt worden ist, welche Verhaltensweisen das beklagte Land als Vertragspflichtverletzungen ansieht. Die erkennende Kammer ist zudem der Überzeugung, dass eine Abmahnung vorliegend entbehrlich gewesen wäre, da der Kläger weder nach dem Inhalt seiner Schriftsätze noch in seinen persönlichen Ausführungen im Kammertermin eine Einsicht dahingehend zeigte, dass Arbeitsschutzvorschriften unabhängig von seinen persönlichen Ansichten einzuhalten sind. Der Ausspruch einer (weiteren) Abmahnung hätte also nicht den Zweck erfüllen können, den Kläger von der Vertragswidrigkeit seiner Äußerungen und Verhaltensweisen zu überzeugen und die Wiederholungsgefahr auszuschließen. Der Kläger hat sich vielmehr durchgehend auf seine Meinungsfreiheit berufen und im Kammertermin auf Nachfrage der Beklagtenvertreterin ausdrücklich nicht erklärt, er habe nicht gesagt, dass es Corona gar nicht gäbe, sondern „die Schüler müssten selber zum Nachdenken kommen und Informationen bewerten können. Er rege sie an, darüber nachzudenken. Sie würden sehr einseitige Informationen über Fernsehen und Radio erhalten“. Angesichts solcher Äußerungen muss das beklagte Land davon ausgehen, dass der Kläger bei einer Rückkehr als Lehrer in der Schule weiterhin offenkundige Tatsachen als diskutierbare Meinungsäußerungen bewerten, die Schüler*innen verunsichern und die rechtlich zwingend vorgegebenen Infektions- und Arbeitsschutzmaßnahmen in Zweifel ziehen und deren Durchsetzung gefährden wird.
Auch eine abschließende Interessenabwägung kann nicht zur Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung zum 31.12.2021 führen. Die Kammer verkennt nicht, dass der Kläger bereits seit dem Jahr 2006 beschäftigt wird, noch einem studierenden Kind zu Unterhalt verpflichtet und Jahrgang 1959 ist. Es besteht also eine grundsätzliche soziale Schutzbedürftigkeit unabhängig von der Frage, ob es sich um einen Mangelberuf handelt und ob der Kläger vor Renteneintritt eine anderweitige adäquate Beschäftigungsmöglichkeit in absehbarer Zeit finden wird. Das beklagte Land kann aber angesichts der Schwere der Vertragspflichtverletzung nicht dazu verpflichtet werden, weitere ständige Diskussionen des Klägers mit den Schüler*innen mit dem Inhalt, die Corona-Schutzmaßnahmen seien nicht erforderlich, hinzunehmen. Auch muss das beklagte Land es nicht hinnehmen, dass weiterhin völlig fernliegende Vergleiche zwischen der Verpflichtung, Infektionsschutzmaßnahmen zu befolgen und Gewissensentscheidungen oder Verhältnissen in der Nazi-Diktatur durch den Kläger entweder selbst geäußert oder aber angeregt werden. Dies gilt insbesondere deshalb, weil ‒wie ausgeführt- jederzeit mit vergleichbaren Sachverhalten zu rechnen ist, da der Kläger keinerlei Einsicht darin gezeigt hat, dass er seine Vertragspflichten verletzt; vielmehr sogar der Meinung ist, es sei seine Aufgabe, die ihm anvertrauten Schüler*innen über seine persönlichen Ansichten zu informieren und die pandemiebedingten Regeln in Frage zu stellen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den Schüler*innen um Jugendliche im Alter von überwiegend 15-17 Jahren handelt, welche dazu neigen könnten, den Kläger als Vorbild anzusehen und ihm auch in Pandemiefragen wissenschaftliche Kompetenz zuzutrauen. Das von dem Kläger aus eigenem Antrieb gewählte Beispiel vom Maschendrahtzaun zeigt zudem, dass der Kläger offenbar eine virologische oder medizinische Kompetenz für sich in Anspruch nimmt, die er offenkundig nicht hat. Es ist also zu befürchten, dass der Kläger auch in Zukunft die Arbeit sowohl der Schulleitung als auch seiner Kolleg*innen untergraben könnte, wirksame und rechtlich verpflichtende Infektionsschutzmaßnahmen durchzusetzen.
Ein milderes Mittel als die fristgerechte Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist nicht ersichtlich. Es ist deutlich geworden, dass der Kläger seit Jahren und unabhängig von der Pandemie offenbar sowohl ein schlechtes Verhältnis zu der Schulleitung in Person des Herrn E hat als auch zahlreiche Beschwerden von Schülern und Eltern gegen ihn vorliegen. Dazu kommt die Belastung im Schulalltag, welche durch die Pandemie selbst als auch durch die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie ausgelöst wird. Diese Belastungen treffen allerdings alle Arbeitnehmer, Schüler und sonstigen Beteiligten des Schulalltags gleichermaßen. Der Kläger hat sich auch in Anbetracht all dieser Belastungen selbst nicht darauf berufen, dass seine Dienstfähigkeit beeinträchtigt sein könnte. Das beklagte Land musste daher nicht von sich aus vor Ausspruch einer Kündigung prüfen, ob der Kläger möglicherweise die erörterten Vertragspflichtverletzungen aus einer chronischen Überforderung heraus begangen hat und eine mögliche Dienstunfähigkeit in Frage stand.
Die soziale Schutzwürdigkeit aufgrund der Sozialdaten des Klägers ist bereits dadurch ausreichend berücksichtigt worden, dass das beklagte Land an der außerordentlichen Kündigung, die jedenfalls wegen der nicht fristgerechten Zustellung ohnehin nicht rechtswirksam gewesen wäre, nicht festgehalten hat. Der Kläger ist damit für die Dauer der Kündigungsfrist von über einem halben Jahr freigestellt worden bei voller Weiterzahlung der Vergütung.
Die Kündigung ist auch nicht wegen einer nicht ordnungsgemäßen Beteiligung der Personalvertretung unwirksam.
Gemäß § 77 Absatz 1 Ziffer 2i Hessisches Personalvertretungsgesetz hat der Personalrat bei einer ordentlichen Kündigung außerhalb der Probezeit mitzubestimmen.
Gemäß § 66 Absatz 1 HPVG gilt, dass -soweit eine Maßnahme der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt - sie nach rechtzeitiger und eingehender Erörterung nach § 60 Abs. 4 seiner vorherigen Zustimmung bedarf. Auf die Erörterung kann im beiderseitigen Einvernehmen verzichtet werden.
Gemäß Absatz 2 des § 66 HPVG unterrichtet der Leiter der Dienststelle den Personalrat von der beabsichtigten Maßnahme und beantragt seine Zustimmung. Der Beschluss des Personalrats ist dem Leiter der Dienststelle innerhalb von zwei Wochen nach Antragstellung mitzuteilen. In dringenden Fällen kann der Leiter der Dienststelle diese Frist auf eine Woche abkürzen. Die Maßnahme gilt als gebilligt, wenn nicht der Personalrat innerhalb der genannten Frist die Zustimmung schriftlich begründet verweigert.
Das beklagte Land hat den Personalrat zu der ordentlichen Kündigung beteiligt und dieser hat unstreitig die Frist zur Stellungnahme verstreichen lassen. Das beklagte Land hat zwar die Anhörung selbst nicht in schriftlicher Form vorgelegt. Es ist aber unstreitig, dass der Personalrat bereits vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung über die Kündigungsgründe informiert worden war, da er dort (undatiertes Schreiben als Anlage B7, Bl. 65 d.A.) beanstandet hatte, dass die Lernenden und der Kläger persönlich nicht zur Sachverhaltsaufklärung angehört worden waren. Der Kläger hat Mängel der Personalratsanhörung nicht gerügt. Während in der von der N als erster Prozessvertretung des Klägers gefertigten Klage noch die ordnungsgemäße Anhörung des „Betriebsrates“ gerügt worden ist, enthält der Schriftsatz der Klägerseite vom 26.8.2021 keinerlei Rüge personalvertretungsrechtlicher Art mehr. Da bei dem beklagten Land für die Arbeitnehmer der beruflichen Schulen A kein Betriebsrat eingerichtet ist und sich das Beteiligungsverfahren bei Betriebsrat und Personalrat auch grundlegend unterscheiden, ist daher davon auszugehen, dass die pauschale Rüge in der Klageschrift nicht aufrechterhalten worden ist.
Aus der Stellungnahme des Personalrates vom 14.06.2021 (Anlage B 10, Bl. 70 d.A.) ergibt sich, dass er sich während laufender Frist nicht inhaltlich geäußert hat, so dass die Kündigung als gebilligt gilt. Aus dieser Stellungnahme ist auch ersichtlich, dass es ein Anschreiben vom 01.6.2021 zur „Mitbestimmung nach § 77 Absatz 1 Nr. 2i HPVG“ zu der beabsichtigten ordentlichen Kündigung gegenüber dem Kläger gibt und der Personalrat keine unzureichende Unterrichtung mehr gerügt hat. Da der Kläger dies nicht bestritten hat, gilt der Vortrag als zugestanden (§ 138 Absatz 3 ZPO, § 46 Absatz 2 ArbGG).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus dem Unterliegen des Klägers gemäß § 91 Absatz 1 ZPO in Verbindung mit § 46 Absatz 2 ArbGG.
Der Wert des Streitgegenstandes wird mit einem Bruttovierteljahresgehalt (§ 42 III 1 GKG) des Klägers für den Kündigungsschutzantrag bemessen.
Für die Zulassung der Berufung über die in § 64 Absatz 2 lit. b und c ArbGG genannten Gründe hinaus gibt es keine gesetzlich begründete Veranlassung.