17.02.2022 · IWW-Abrufnummer 227596
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 02.02.2022 – 10 Sa 66/21
1. Das Maß der einem Beschäftigten des öffentlichen Dienstes abzuverlangenden Loyalität gegenüber der Verfassung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L bestimmt sich nach der Stellung und dem Aufgabenkreis, der dem Beschäftigten laut Arbeitsvertrag übertragen ist. Der Beschäftigte schuldet lediglich ein solches Maß an politischer Loyalität, das für die funktionsgerechte Verrichtung seiner Tätigkeit unverzichtbar ist (im Anschluss an BAG 6. September 2011 - 2 AZR 372/11 -).
2. Auch Arbeitnehmer, die nur eine "einfache" politische Treuepflicht trifft, müssen ein Mindestmaß an Verfassungstreue insoweit aufbringen, als sie nicht darauf ausgehen dürfen, den Staat, die Verfassung oder deren Organe zu beseitigen, zu beschimpfen oder verächtlich zu machen. Das gilt gleichermaßen für den dienstlichen wie den außerdienstlichen Bereich. Handelt ein Arbeitnehmer diesen Anforderungen zuwider, kann dies ein Grund für eine verhaltensbedingte Kündigung sein, wenn durch den Loyalitätsverstoß eine konkrete Störung des Arbeitsverhältnisses eingetreten ist (im Anschluss an BAG 6. September 2012 - 2 AZR 372/11 - ).
3. Zur Auslegung des Begriffs "Ermächtigungsgesetz"
4. Die Gleichsetzung des 3. Bevölkerungsschutzgesetzes vom 18. November 2020 mit dem "Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich" ("Ermächtigungsgesetz") vom 24. März 1933 und die nachfolgende Aufzählung "Zwangsimpfung, Wegnehmen der Kinder, Schutzlos in der eigenen Wohnung, Geschlossene Grenzen, Arbeitsverbot, Gefängnis" macht die gesetzgebenden Organe verächtlich.
5. Veröffentlicht eine Polizeiärztin in einer Sonntagszeitung eine Anzeige mit diesem Inhalt, verstößt sie in so schwerwiegendem Maß gegen ihre einfache politische Treuepflicht nach § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L, dass eine ordentliche Kündigung auch ohne vorangegangene Abmahnung gerechtfertigt ist.
In der Rechtssache
- Klägerin/Berufungsklägerin -
Proz.-Bev.:
gegen
- Beklagte/Berufungsbeklagte -
Proz.-Bev.:
hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - 10. Kammer - durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Zimmermann, den ehrenamtlichen Richter Fischer und den ehrenamtlichen Richter Niclas auf die mündliche Verhandlung vom 2. Februar 2022
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg - Kammern Offenburg - vom 5. August 2021 - 5 Ca 64/21 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund einer ordentlichen Kündigung des beklagten Landes.
Die am 00.00.1967 geborene Klägerin war seit dem 1. November 2019 beim beklagten Land als Polizeiärztin im polizeiärztlichen Dienst (PÄD) am Standort in L. in Teilzeit im Umfang von 50% der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit einer vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmerin beschäftigt. Der Monatsbruttoverdienst der Klägerin betrug durchschnittlich 3.206,00 Euro. Das Arbeitsverhältnis richtete sich nach dem Arbeitsvertrag vom 30. Oktober 2019 (Anlage zur Klageerwiderung vom 21. April 2021, Bl. 61 ff. der erstinstanzlichen Akte). Kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) auf das Arbeitsverhältnis Anwendung.
Der PÄD ist Teil des Aufgabenbereichs des Präsidiums Technik, Logistik, Service der Polizei in Baden-Württemberg - nachfolgend: PTLS. Der PÄD übt seine Aufgaben an fünf Standorten in Baden-Württemberg aus und betreut Beamtinnen und Beamte des Polizeivollzugsdienstes in allen Stationen ihrer Laufbahn. Ferner werden die Beschäftigten der Polizei (Tarifbeschäftigte und Verwaltungsbeamtinnen und -beamte) arbeits- und betriebsmedizinisch betreut. Der PÄD betreut außerdem hausärztlich alle Beamtinnen und Beamte in Ausbildung an den Schulstandorten während der Ausbildung. Gleichermaßen haben alle Heilfürsorgeberechtigte (an anderen Dienststellen) die Möglichkeit, den PÄD mit ihren individuellen medizinischen Problemen zu kontaktieren. Die insofern der Klägerin obliegenden Aufgaben ergeben sich aus der Tätigkeitsdarstellung und Tätigkeitsbewertung Stand Januar 2021 (Anlage zur Klageerwiderung vom 21. April 2021, Bl. 54 ff. der erstinstanzlichen Akte). Danach hat die Klägerin auch Auswahl- und Einstellungsuntersuchungen (Feststellung der Polizeidiensttauglichkeit, bestehend aus Aktenstudium und Erhebung Vorgeschichte, Anamnese, Untersuchung und Dokumentation, Überwachung Belastungs-EKG, Befundbewertung) vorzunehmen. Es handelt sich um körperliche Untersuchungen von Bewerbern zur Ausbildung für den Polizeidienst. Nach Durchlaufen der Ausbildung untersucht die Klägerin sie erneut, wenn es um die Entscheidung geht, ob sie in ein Dienstverhältnis übernommen werden.
Die Klägerin rief im Frühjahr 2020 zu insgesamt drei öffentlichen Kundgebungen in L. auf. Die L1 berichtete darüber u.a. Folgendes (vgl. Anlage B1, Bl. 88 f. der Berufungsakte): "Die Ärztin A., die zu allen drei Kundgebungen aufgerufen hatte, dankte gegen 11.30 Uhr zuerst den Polizeibeamten am Rande der Kundgebung und dem Bundesverfassungsgericht, dass es möglich sei, eine eigene Meinung zu äußern. Dann stellte sie rhetorische Fragen: "Wozu wären die Horrormeldungen nötig? Warum müsse so viel Angst verbreitet werden." "Angst macht klein und dumm." Sie bedauerte allgemein, dass "Menschen in die rechtsradikale Ecke gedrängt werden, wenn sie für ihre Grundrechte einstehen."
Am 15. November 2020 veröffentlichte die Klägerin in einer Sonntagszeitung im "Sonntagsmarkt" unter "Verschiedenes" eine Kleinanzeige. Die Seite besteht aus sechs Spalten mit den unterschiedlichsten Rubriken (vgl. Anlage zum Schriftsatz des beklagten Landes vom 22. März 2021, Bl. 25 der erstinstanzlichen Akte). Die Zeitung erscheint in Ausgaben für O., für A1, für K., für L. und für den S. Sie wird kostenfrei an alle Haushalte des Verbreitungsgebietes verteilt. Die Anzeige lautete wie folgt:
Am 18. November 2020 wurde vom Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates das "Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite" beschlossen (BGBl. I, S. 2397 ff.) - nachfolgend: 3. Bevölkerungsschutzgesetz -, mit dem u.a. das Infektionsschutzgesetz (IfSG) geändert wurde. Nach § 28 IfSG wurde § 28a IfSG eingeführt, der einen nicht abschließenden Beispielskatalog für notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG regelt. Die Beratungen des Bundestags waren ab 14:00 Uhr geplant. Zum gleichen Zeitpunkt wurde in Berlin gegen das
3. Bevölkerungsschutzgesetz demonstriert. Die Klägerin arbeitete an diesem Tag.
Seit dem 24. November 2020 war die Klägerin freigestellt.
Am 3. Dezember 2020 kam es zu einem Personalgespräch zwischen der Klägerin, dem Präsidenten des PTLS sowie einem Referenten und einer Referentin. Der Referent fertigte hierüber ein Ergebnisprotokoll, das der Präsident unterschrieb. Im Nachgang fertigte die Klägerin ein Schreiben vom 8. Dezember 2020 (Anlagen zum Schriftsatz des beklagen Landes vom 22. März 2021, Bl. 18 f. der erstinstanzlichen Akte).
Mit Schreiben vom 10. Februar 2021 kündigte das beklagte Land die Klägerin zum 31. März 2021. Gegen diese Kündigung wehrt sich die Klägerin mit der streitgegenständlichen Kündigungsschutzklage.
Mit Schreiben vom 12. Juli 2021 kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos wegen des Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse (Befreiung von der Maskenpflicht). Die Klägerin hat auch gegen diese Kündigung Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Im Zusammenhang mit diesen Vorwürfen wurde die Klägerin vom Amtsgericht L. im Dezember 2021 zu einer Geldstrafe von 6.000,00 Euro verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Die Klägerin rügt die soziale Rechtfertigung der Kündigung. Es liege weder ein Grund in ihrer Person noch in ihrem Verhalten vor. Ihr rein außerdienstliches Eintreten für die Wahrung der Grundrechte stelle keine Verletzung ihrer Rücksichtnahmepflichten gegenüber dem Arbeitgeber dar, es untermauere im Gegenteil gerade ihre Loyalität zum Grundgesetz, zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung und den Grundfesten des Landes Baden-Württemberg. Mit dem Begriff Ermächtigungsgesetz habe sie keinen Vergleich zum "Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich" aus dem Jahr 1933 gezogen. Vielmehr habe sie ihn in der korrekten Bedeutung verwendet, dass die gesetzgebende Gewalt die ausführende ermächtige, Regelungen zu erlassen. Erst in dem Personalgespräch seien ihr die Augen geöffnet worden, dass sie mit dem Begriff "Ermächtigungsgesetz" einen verfänglichen Begriff verwendet habe. Sie habe Einsicht gezeigt, nachdem sie über die Missverständlichkeit ihrer Wortwahl aufgeklärt worden sei. Sechsmal seien in dem Gesetz Befugnisse des Parlaments auf das Bundesministerium für Gesundheit oder die Bundesregierung in Form von Ermächtigungen übertragen worden. Damit werde das Gewaltenteilungsprinzip durchbrochen. Es sei nicht verwerflich, hierzu vor dem Hintergrund der nur zwölf Tage dauernden Gesetzesberatungen ebenso wie andere prominente Personen eine kritische Haltung einzunehmen. Sie habe zwar plakative Ausdrücke verwendet, um die Grundrechtseinschränkungen zu beschreiben und gestehe ein, dass sie sich auch hätte anders ausdrücken können oder sollen. Diese Differenzierung sei nun nachzuholen: Überlegungen zur Zwangsimpfung stünden (weiterhin) im Raum. In Quarantäne-Anordnungen werde empfohlen, Kinder nach Möglichkeit separat von den übrigen Familienmitgliedern zu versorgen, und es werde darauf hingewiesen, dass Kinder in Obhut genommen werden könnten, falls Quarantänebestimmungen nicht eingehalten würden. Am 28. Oktober 2020 habe Herr LAUTERBACH die Unverletzlichkeit der Wohnung mit seinen Verlautbarungen über Kontrollnotwendigkeiten infrage gestellt. Geschlossene Grenzen seien zeitweise Realität gewesen. Betroffene des Lockdowns empfänden dessen Auswirkungen als Berufsverbot. Quarantäneeinrichtungen seien nicht nur in ehemaligen Kliniken, sondern auch in ehemaligen Justizvollzugsanstalten geschaffen worden, um erforderliche Zwangseinweisungen durchzuführen. Ein Aufruf, an der zur selben Zeit in Berlin angemeldeten und legalen Demonstration teilzunehmen, sei in der Anzeige aber nicht erfolgt. Es habe sich zudem nur um eine kleine, nicht besonders auffällige Anzeige gehandelt. Aus ihrem Eintreten für die Grundrechte könne auch nicht geschlossen werden, sie leugne die Pandemie und die Existenz des Virus bzw. dessen Gefährlichkeit. Ihre Kritik betreffe nichtmedizinische Pandemiebekämpfungsmaßnahmen. Ihre medizinische Kompetenz sei hiervon nicht betroffen. Einen Bezug zu ihr habe kein Polizeibeamter hergestellt, da sie in ihrer Tätigkeit als Polizeiärztin nicht persönlich und namentlich wahrgenommen werde. Störungen im Betriebsablauf seien nicht eingetreten. Es bestehe jedenfalls keine Wiederholungsgefahr. Zudem hätte sie zunächst abgemahnt werden müssen. Auch aus dem Personalgespräch im Dezember 2020 folgten keine die Kündigung stützenden Umstände. Die Frage nach der Impfpflicht sei eine hypothetische. Die Vorzugswürdigkeit von Freiwilligkeit entspreche einhelliger Meinung. Nur weil sie die Grundrechtswahrung im Fokus habe, könne daraus nicht geschlossen werden, sie lehne die Impfstrategie ab. Jedenfalls die Interessenabwägung falle zu ihren Gunsten aus. Sie habe sich noch nie negativ über das System Polizei geäußert, sondern im Gegenteil nur voller Respekt und Wertschätzung. Sie identifiziere sich mit diesem System. In den Polizisten sehe sie nicht Gegner von Demonstranten, sondern deren Gewährleister, Helfer und Schützer. Die Beteiligung des Personalrats sowie dessen Zustimmung würden bestritten, ebenso die Einhaltung der Kündigungsfrist.
Die Klägerin hat zuletzt folgende Anträge gestellt:
Das beklagte Land hat beantragt:
Zur Begründung hat es vorgetragen, der Personalrat sei mit Schreiben vom 5. Februar 2021 ordnungsgemäß an der Kündigung beteiligt worden. Mit Schreiben vom 10. Februar 2021 habe er der Kündigung zugestimmt (Anlagen zum Schriftsatz vom 22. März 2021, Bl. 11 ff. der erstinstanzlichen Akte). Auch im Übrigen sei die Kündigung wirksam. Die Klägerin sei nicht (mehr) in der Lage, die geschuldete Arbeitsleistung vertragsgerecht zu erfüllen. Nach § 241 Abs. 2 BGB und § 3 TV-L habe sie auf berechtigte Loyalitätsinteressen ihres Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Das gelte auch für ihr außerdienstliches Engagement. Hierzu sei die Klägerin nicht in der Lage. Der Aufruf in der Sonntagszeitung stelle die beabsichtigten gesetzlichen Novellierungsmaßnahmen mit dem Ermächtigungsgesetz von 1933 gleich, das die Grundlage zur Aufhebung der Gewaltenteilung gebildet und alle darauffolgenden Maßnahmen zur Festigung der nationalsozialistischen Diktatur ermöglicht habe. Das Wort "Ermächtigungsgesetz" sei im allgemeinen gesellschaftlichen Verständnis sowie im deutschen Sprachgebrauch in seiner Bedeutung nicht von dem "Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich" aus dem Jahr 1933 zu trennen. Die Anzeige habe die Klägerin einem breiten Publikum zugänglich gemacht und auch ihren Klarnamen verwendet. Die Anzeige sei nicht nur eine zwar scharfe, aber hinzunehmende Kritik an bestehenden Zuständen. Sie sei vielmehr darauf gerichtet, die Bundesrepublik Deutschland in einer Weise zu diffamieren, dass dies geeignet erscheine, den Bestand des Staates, die Funktionsfähigkeit seiner Einrichtungen und/oder die Friedfertigkeit der Bevölkerung konkret zu beeinträchtigen. Indem bewusst und ohne weitere Differenzierung bestimmte Schlagwörter nebeneinander und zueinander in Beziehung gesetzt worden seien, sei für den objektiven Empfänger der Eindruck erweckt worden, abgedeckt durch das Gesetzesvorhaben der Legislative würden seitens der Exekutive Maßnahmen wie z.B. das Herausnehmen von Kindern aus ihren Familien sowie die Anordnung von Zwangsimpfungen getroffen, die ihre inhaltliche Prägung aus gleichen Strukturen wie dem Ermächtigungsgesetz von 1933 und damit einem Machtinstrument des nationalsozialistischen Regimes erhalten hätten. Der sachliche Hintergrund werde auf eine Weise verkürzt, als käme es den verantwortlichen Stellen darauf an, eine Einschränkung von Grundfreiheiten wie in der nationalsozialistischen Diktatur zu erreichen. Dass die Klägerin diese Überzeugungen verinnerlicht habe, habe auch das Personalgespräch gezeigt. Sie habe bekräftigt, dass in 3. dem Bevölkerungsschutzgesetz eine vergleichbare Situation wie beim Erlass des Ermächtigungsgesetzes zu sehen sei, welches damals einen ähnlich offiziellen Namen getragen habe. Sie habe auch die zulässige Diskussion über die Rolle und den Einsatz von aktuellen staatlichen Beschränkungen zur Bekämpfung des Corona-Virus einerseits und der simplen Existenz des Virus und der damit verbundenen Gefahren für das Leben und die Gesundheit von Menschen andererseits derart vermengt, dass aus ihrer Sicht letztendlich das Bestehen der Pandemie selbst nur Gegenstand eines Austausches unterschiedlicher Meinungen sei, bei dem auch eine andere Sichtweise möglich sei. Zudem stelle die Organisation, Durchführung und Teilnahme, aber auch der Aufruf zur Teilnahme an Demonstrationen, bei denen sich die dort anwesenden Personen allgemeiner Erkenntnis nach überwiegend weder an Abstandsregeln hielten noch einen Mund-Nase-Schutz verwendeten, ein nicht unerhebliches Gesundheitsrisiko nicht nur für die Klägerin selbst, sondern gerade auch für die von ihr betreuten Beamtinnen und Beamten dar. Im Personalgespräch habe sie auch erkennen lassen, dass sie bereit sei, den Konflikt der Sichtweisen auf ihr berufliches Tätigkeitsfeld zu übertragen. Auf eine mögliche Impfpflicht angesprochen habe sie geantwortet, dass auch dann die Entscheidung über eine Impfung bei jedem einzelnen verbleiben solle. Mit den Aufgaben einer weisungsabhängigen Polizeiärztin, die in einer solchen Situation besonders gefordert wäre, sei dies nicht in Einklang zu bringen. Auch wenn die Klägerin bislang nicht von einer Impfung abgeraten oder versucht habe Einfluss zu nehmen, sei es nur eine Frage der Zeit, bis sie diese Zurückhaltung aufgebe. Es stehe der Polizei nicht zu, die als Exekutive die entsprechenden Vorgaben der Legislative umsetze, die Existenz bzw. die Gefährlichkeit des Virus und die daran orientierte Ausrichtung der dagegen gerichteten Maßnahmen zur Disposition zu stellen. Andere Meinungen innerhalb der Landespolizei seien vereinzelt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 5. August 2021 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Kündigung sei aus Gründen in der Person der Klägerin gerechtfertigt. Im öffentlichen Dienst könne sich ein Eignungsmangel aus begründeten Zweifeln an der Verfassungstreue des Arbeitnehmers oder dessen Pflicht zur politischen Zurückhaltung als vertraglicher Nebenpflicht nach § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L, § 241 Abs. 2 BGB ergeben. Dies sei Bestandteil des Begriffs der Eignung in Art. 33 Abs. 2 GG. Aufgrund ihrer Tätigkeit als Polizeiärztin unterliege die Klägerin einer gesteigerten, jedenfalls aber einer einfachen politischen Treuepflicht. Dieser genüge sie nicht. Sie habe die freiheitliche demokratische Grundordnung aktiv bekämpft. Die Handlungen der demokratisch gewählten Volksvertreter habe sie mit der Machtergreifung, die durch das sogenannte Ermächtigungsgesetz erfolgt sei, gleichgesetzt. Sie habe damit den Bundestag und dessen Mitglieder verächtlich gemacht. Dies folge aus den Ausführungen der Klägerin im gerichtlichen Verfahren, wonach das Infektionsschutzgesetz durch die Änderungen am 18. November 2020 ein Ermächtigungsgesetz geworden sei. Das "Ermächtigungsgesetz" sei ein verfassungsänderndes Gesetz gewesen, das IfSG dagegen nicht. Sie unterschieden sich deshalb objektiv erheblich. Die Delegationen des IfSG seien durch parlamentarische Zustimmungsvorbehalte zudem bei wesentlichen Fragen beschränkt gewesen. Aus der Anzeige werde nicht ersichtlich, dass die Klägerin nur darauf habe hinweisen wollen, dass sich Bundestag und Bundesrat innerhalb dreier Stunden weitreichender Befugnisse begäben. Die Anzeige habe auch einen irreführend falschen Inhalt hinsichtlich der nachfolgenden pauschalen Schlagwörter, von denen keines durch die Ausführungen der Klägerin im gerichtlichen Verfahren erklärt werden könne. Maßgeblich sei dabei das objektive Verständnis der Veröffentlichung. Die Sonntagszeitung werde zudem kostenlos abgegeben und erreiche damit eine größere Verbreitung als eine Tageszeitung, die des Erwerbs bedürfe. Der Text springe auch durch die Absetzung stärker in den Blick als ein durchgehend gesetzter Text in einer Spalte einer redaktionellen Zeitung. Bis zuletzt habe die Klägerin die Anzeige und deren Inhalt verteidigt. Sie sei nicht einfältig oder politisch unbewandert. Sie habe geschickt das Bundesverfassungsgericht und die Polizei gemäß dem Bericht der L1 zu ihren Kundgebungen lächerlich gemacht, indem sie sich bei beiden Institutionen bedankt habe. Auch ihre Äußerungen im Personalgespräch zu einer möglichen Impfpflicht seien nicht mit ihren vertraglichen Pflichten zu vereinbaren. Die Interessenabwägung gehe zu ihren Lasten aus. Der Personalrat sei ordnungsgemäß beteiligt worden, die Kündigungsfrist gewahrt.
Gegen das der Klägerin am 17. August 2021 zugestellte Urteil hat sie am 6. September 2021 Berufung eingelegt und diese am 18. Oktober 2021, einem Montag, begründet.
Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus der ersten Instanz. Weder habe sie in der Anzeige eine strafbare Handlung begangen noch ihre Berufsbezeichnung als Polizeiärztin in der Anzeige verwendet. Ein Bezug zur dienstlichen Tätigkeit sei deshalb nicht gegeben. Sie sei nur intern und ohne Öffentlichkeitsberührung tätig. Hoheitliche Aufgaben führe sie nicht aus. Politische Zurückhaltung und Verfassungstreue seien gerade ihr Anliegen. Sie verteidige mit ihrer Kritik am Verfahren der Grundrechtseinschränkungen den Rechtsstaat und das Grundgesetz. Die ca. 400 beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahren befassten sich mit der Verfassungsmäßigkeit der coronabedingten Freiheitseinschränkungen und einige damit, ob diese Maßnahmen dem Bestimmtheitsgebot entsprächen und verfassungskonform die Exekutive mit den Grundrechtseinschränkungen betraut worden sei. Vor diesem Hintergrund bedeute die Verwendung des Begriffes "Ermächtigungsgesetz" keine Verächtlichmachung. Es handele sich zudem um einen juristischen Fachausdruck. Historisch klarstellend sei immer von dem "Ermächtigungsgesetz von 1933" die Rede, wenn ein Bezug zu Hitler und der NSDAP hergestellt werden solle. Andere prominente Personen, die an der Verfassungsmäßigkeit der Grundrechtseingriffe zweifelten, würden nicht der Verfassungsuntreue bezichtigt. Es gebe mehrere wissenschaftlich fundierte Untersuchungen und Studien, dass die COVID-19-Pandemie kein wissenschaftliches Faktum sei. Renommierte Experten und ihre Stellungnahmen seien lediglich bei der politischen Entscheidungsfindung nicht gehört worden. Sie habe sich ausschließlich über die Frage des richtigen Weges der Bekämpfung der Pandemie in Bezug auf die nicht medizinischen Maßnahmen geäußert, nicht jedoch medizinisch. Ihr konkretes Aufgabengebiet als Ärztin sei nicht berührt. Ihren vertraglichen Aufgaben könne sie nach wie vor nachkommen. Sie dürfe jedoch eine Meinung haben, wessen Aufgabe die Bekämpfung der Pandemie sei, und diese Meinung auch äußern. Ein Impfzwang entspreche nicht der Rechtslage und sei daher irrelevant. Es sei überdies unredlich, ihr als vermuteter Impfgegnerin zu unterstellen, sie käme einer nur fiktiv vorstellbaren arbeitsvertraglichen Weisung nicht nach und impfte einen impfwilligen Patienten nicht. Sie habe auch nicht zum Widerstand gegen die Polizei aufgerufen. Andersdenkenden billige sie potentiell Wahrheit und Richtigkeit zu, Feindbilddenken wolle sie überwinden. Weil sie dies auch als die Aufgabe der Polizei in einem Gemeinwesen ansehe, habe sie sich bei ihr beworben und sehe sich dort weiterhin am richtigen Platz.
Die Klägerin beantragt,
Das beklagte Land beantragt,
Zur Begründung führt das Land aus, die Klägerin habe einen nicht behebbaren Eignungsmangel offenbart. Ihr oblägen wie Beamten hoheitliche Tätigkeiten. Die Anzeige sei mit der für sie geltenden gesteigerten Treuepflicht nicht zu vereinbaren. Das Gesetz vom 18. November 2020 habe sie mit dem Ermächtigungsgesetz von 1933 gleichgesetzt. Dass der Begriff des "Ermächtigungsgesetzes" zwingend mit dem aus dem Jahr 1933 verbunden sei, belegten ein Blick in gängige Lexika sowie Suchergebnisse mit der Suchmaschine "google". Der Begriff "Ermächtigungsgesetz" werde als Synonym zu einem die Demokratie abschaffenden Gesetz angesehen. Dadurch habe sie die freiheitliche demokratische Grundordnung aktiv bekämpft und die mit dem Erlass des Gesetzes betrauten Organe verächtlich gemacht. Sie habe den Parlamentariern eine demokratiefeindliche und das Grundgesetz ablehnende Gesinnung unterstellt. Es sei eine reine Schutzbehauptung, wenn sie vortrage, sie habe den Begriff "Ermächtigungsgesetz" in dem Sinne gebraucht, dass der Bundestag mehr Befugnisse des Parlaments auf die Exekutive delegiert habe als vom Grundgesetz erlaubt sei. Sie lasse sich weder mit der optischen Darstellung des Begriffes noch mit dem weiteren Inhalt der Anzeige in Einklang bringen. Die Klägerin sei medial erprobt und wisse um die Wirkung ihrer Sprache. Sie habe den Eindruck erwecken wollen, der Exekutive würden Kompetenzen in Bezug auf "Zwangsimpfung", "Wegnahme der Kinder" etc. übertragen. Sie habe die Entscheidungsträger des 3. Bevölkerungsschutzgesetzes auch verächtlich gemacht, weil diese die ihrer Auffassung nach unsichere wissenschaftliche Lage nicht beachtet hätten, sodass die Freiheitseinschränkungen offensichtlich nicht gerechtfertigt seien. Die Klägerin habe auch zur Teilnahme an einer Demonstration und damit letztlich zum Widerstand gegen die Institution Polizei aufgerufen. Auf die Meinungsfreiheit könne sie sich nicht berufen. Selbst wenn eine Meinung vorläge, überschritte sie die Grenzen zur unzulässigen Schmähkritik. Ihre darüberhinausgehenden Äußerungen zur angeblichen Nichtexistenz der COVID-19-Pandemie sowie der angeblichen Nichtwirksamkeit der Corona-Maßnahmen seien als falsche Tatsachen nicht vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit umfasst. Der Eignungsmangel der Klägerin sei nicht behebbar, da sie ihre Überzeugungen verinnerlicht habe. Das ergebe sich deutlich aus dem Personalgespräch. Ihre Einstellung zur Impfpflicht zeige ihre innere Haltung, die sie auch in einem auf YouTube veröffentlichten Video bekräftigt habe. Ihr Berufungsvorbringen sei damit nicht in Einklang zu bringen. Ein Bezug zur dienstlichen Tätigkeit liege vor. Als Polizeiärztin sei die Klägerin gehalten, wissenschaftliche Fakten wie den Bestand der COVID-19-Pandemie anzuerkennen. Die Haltung der Klägerin sei Mitarbeitern der Polizei bekannt. Folge sei, dass sie Sorge hätten, von der Klägerin nicht sachgerecht behandelt zu werden.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Niederschriften über die mündlichen Verhandlungen in erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
A.
Die Berufung der Klägerin ist gemäß § 64 Abs. 2 Buchstabe c) ArbGG statthaft. Sie ist auch frist- und formgerecht eingelegt worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO). Die Berufungsbegründung lässt zudem gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO die Umstände erkennen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergeben soll.
B.
Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Kündigungsschutzgesetz findet Anwendung (nachfolgend I.). Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Kündigung sozial gerechtfertigt i.S.d § 1 Abs. 2 KSchG ist (nachfolgend II.). Der Personalrat wurde ordnungsgemäß beteiligt (nachfolgend III.).
I. Auf das Arbeitsverhältnis findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung. Die Klägerin ist länger als sechs Monate beim beklagten Land beschäftigt (§ 1 Abs. 1 KSchG). Das beklagte Land, insbesondere auch das PTLS, beschäftigt in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen nach der Zählweise des § 23 Abs. 1 Satz 4 KSchG.
II. Die Kündigung ist sozial gerechtfertigt i.S.d. § 1 Abs. 2 KSchG.
1. Der Kündigungsvorwurf ist nach den Prüfungsmaßstäben einer im Verhalten der Klägerin begründeten Kündigung zu prüfen.
Das beklagte Land hat sich zur Begründung der Kündigung maßgeblich auf die Anzeige in der Sonntagszeitung und den damit einhergehenden Verstoß gegen die Treuepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L berufen. Dieser Vorwurf ist nach den Maßstäben einer verhaltensbedingten Kündigung zu prüfen. Die Äußerungen der Klägerin stehen fest. Sie begründen nicht nur Zweifel an ihrer Verfassungstreue, die eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen könnten (vgl. hierzu BAG 6. September 2012 - 2 AZR 372/11 - Rn.18 f.; Picker RdA 2020, 317, 327). Vielmehr stellen die Äußerungen einen Verstoß gegen ihre Treuepflicht dar. Soweit darüber hinaus die Äußerungen der Klägerin im Personalgespräch im Dezember 2020 sowie die von ihr organisierten Kundgebungen zur Begründung der Kündigung herangezogen worden sind, stellen sie keine eigenständigen Kündigungsgründe dar. Vielmehr stellen sie das Verhalten der Klägerin in einen größeren Gesamtzusammenhang und sollen zum einen den Kündigungsvorwurf für die anzustellende Prognose, ob eine dauerhafte störungsfreie Vertragserfüllung nicht mehr zu erwarten steht, richtig einordnen und zum anderen in die Interessenabwägung, ob es dem beklagten Land zuzumuten ist, mit der Klägerin auch nach Ablauf der Kündigungsfrist weiter zusammen zu arbeiten, einfließen.
2. Eine Kündigung ist i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe im Verhalten bedingt und damit nicht sozial ungerechtfertigt, wenn eine Arbeitnehmerin ihre vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmerin über die Kündigungsfrist hinaus in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zumutbar ist. Auch eine erhebliche Verletzung der die Arbeitnehmerin gemäß § 241 Abs. 2 BGB treffenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers kann eine Kündigung rechtfertigen (st. Rspr, vgl. nur 5. Dezember 2019 - BAG 2 AZR 240/19 - Rn. 75; 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - Rn. 12).
a) Nach der gemäß individualvertraglicher Inbezugnahme anzuwendenden Tarifregelung des § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L sind die Beschäftigten des beklagten Landes verpflichtet, sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes zu bekennen. Die Regelung normiert für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen des öffentlichen Dienstes eine besondere politische Loyalitätspflicht (BAG 6. September 2012 - 2 AZR 372/11 - Rn. 16; 12. Mai 2011 - 2 AZR 479/09 - Rn. 24 ff. m.w.N.). Sie konkretisiert insoweit die ihnen allen obliegende Pflicht aus § 241 Abs. 2 BGB, auf die berechtigten betrieblichen Interessen des Arbeitgebers in zumutbarer Weise Rücksicht zu nehmen. Das gilt gleichermaßen für den dienstlichen wie den außerdienstlichen Bereich. Auch außerhalb ihrer Arbeitszeit sind Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen des öffentlichen Dienstes verpflichtet, sich ihrem Arbeitgeber gegenüber loyal zu verhalten und auf dessen berechtigte Integritätsinteressen in zumutbarer Weise Rücksicht zu nehmen (BAG 6. September 2012 - 2 AZR 372/11 - a.a.O., m.w.N.). Ein Verstoß gegen diese Anforderungen kann ein Grund für eine verhaltensbedingte - außerordentliche oder ordentliche - Kündigung sein, wenn durch den Loyalitätsverstoß eine konkrete Störung des Arbeitsverhältnisses eingetreten ist, sei es im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit aller Mitarbeiter, im personalen Vertrauensbereich oder im behördlichen Aufgabenbereich (BAG 6. September 2012 - 2 AZR 372/11 - Rn. 18).
b) § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L mit seinen allgemein gehaltenen Formulierungen kann allerdings nicht so verstanden werden, dass alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen des öffentlichen Dienstes einer beamtenähnlichen und damit gesteigerten Treuepflicht unterliegen (BAG 6. September 2012 - 2 AZR 372/11 - Rn. 17 m.w.N.). Das Maß der abzuverlangenden Loyalität gegenüber der Verfassung bestimmt sich vielmehr - bei verfassungskonformer Auslegung der Tarifvorschrift - nach der Stellung und dem Aufgabenkreis, der der konkreten Person laut Arbeitsvertrag übertragen ist (sog. Funktionstheorie, BAG 6. September 2012 - 2 AZR 372/11 - a.a.O.; Picker RdA 2020, 317, 326; ders./Reif ODW 2021, 69, 96). Diese schuldet lediglich ein solches Maß an politischer Loyalität, das für die funktionsgerechte Verrichtung der Tätigkeit unverzichtbar ist. Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die nach ihrer Stellung und ihren Aufgaben beamtengleich hoheitlich tätig werden, schulden daher "positive Verfassungstreue", sie müssen sich positiv zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen, sich mit dieser identifizieren und bereit sein, für sie jederzeit aktiv einzutreten. Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ohne hoheitliche Aufgaben trifft dagegen nur eine "einfache" politische Treuepflicht: Sie dürfen die freiheitliche demokratische Grundordnung nicht aktiv bekämpfen. Zu diesem Mindestmaß an Verfassungstreue gehört, dass sie nicht darauf ausgehen dürfen, den Staat, die Verfassung oder deren Organe zu beseitigen, zu beschimpfen oder verächtlich zu machen.
c) Allerdings sind Meinungsäußerungen von Arbeitnehmern auch im öffentlichen Dienst von der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt, sofern es sich nicht um falsche Tatsachenbehauptungen handelt. Aber auch Werturteile und Meinungen können nicht uneingeschränkt geäußert werden.
aa) Das Aufstellen bewusst falscher Tatsachenbehauptungen ist von vornherein nicht vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG umfasst. Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit geprägt und der Überprüfung mit Mitteln des Beweises zugänglich. Bei einer Meinung oder einem Werturteil handelt es sich um eine Äußerung, die durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt ist (vgl. nur BAG 5.Dezember 2019 - 2 AZR 240/19 - Rn. 93 f. m.w.N.).
bb) Auch bei Werturteilen und Meinungen wird aber das Grundrecht nicht schrankenlos gewährleistet, sondern nach Art. 5 Abs. 2 GG durch die allgemeinen Gesetze und das Recht der persönlichen Ehre beschränkt. Mit diesen muss es in ein ausgeglichenes Verhältnis gebracht werden. Zu den allgemeinen, das Grundrecht auf Meinungsfreiheit beschränkenden Gesetzen gehört § 241 Abs. 2 BGB, hier in seiner besonderen Ausprägung durch § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L. Zwischen der Meinungsfreiheit und dem beschränkenden Gesetz findet demnach eine Wechselwirkung statt. Die Reichweite der Pflicht zur vertraglichen Rücksichtnahme muss ihrerseits unter Beachtung der Bedeutung des Grundrechts bestimmt, der Meinungsfreiheit muss dabei also die ihr gebührende Beachtung geschenkt werden - und umgekehrt (st. Rspr., vgl. nur BAG 5. Dezember 2019 - 2 AZR 240/19 - Rn. 95 m.w.N). Es hat also eine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit sowie der diese begrenzenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des beklagten Landes nach § 241 Abs. 2 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L stattzufinden.
3. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Klägerin mit der Anzeige vom 15. November 2021 die einfache Treuepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB, § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L verletzt, weil sie damit die gesetzgebenden Organe verächtlich gemacht hat.
a) Zugunsten der Klägerin kann davon ausgegangen werden, dass ihre Tätigkeit nicht, jedenfalls nicht in ausreichendem Umfang, hoheitliche Aufgaben beinhaltet hat, die eine gesteigerte politische Treuepflicht nach sich zog, sondern dass sie "nur" einer "einfachen" politischen Treuepflicht zu genügen hatte.
aa) Die Klägerin hat zumindest dann, wenn sie Personen auf ihre Polizeidiensttauglichkeit körperlich untersucht hat, hoheitliche Aufgaben wahrgenommen (zum Begriff der "hoheitlichen Aufgaben" vgl. Picker/Reif ODW 2021, 69, 98; Rinck/Böhle/Pieper/Geyer-Dannenberg TVöD Stand September 2021 § 41 Rn. 3 ff. m.w.N. aus der Rechtsprechung; Grimm/Hauck-Scholz in Groeger Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst 3. Aufl. Loyalitätspflicht Rn. 3.40). Denn in diesem Fall hat sie über das Vorliegen einer maßgeblichen Einstellungs- oder Übernahmevoraussetzung entschieden. Sie ist den Bewerbern gegenüber damit funktional als Vertreterin des einstellenden Landes Baden-Württemberg aufgetreten und hat dieses repräsentiert. Nicht außer Betracht bleiben darf auch der Aufgabenbereich der Dienststelle (Breier/Dassau/Kiefer TV-L 104. AL § 3 Rn. 22; BAG 6. Juni 1984 - 7 AZR 456/82 - zu II. 2. a) bb) der Gründe). Die Klägerin ist für die körperliche Eignung der Polizeianwärter und Polizeianwärterinnen bei Einstellung, aber auch bei der Übernahme in das Beamtenverhältnis nach Abschluss der Ausbildung zuständig gewesen. Damit hat sie gewährleistet, dass die Polizei insgesamt ihren hoheitlichen Aufgaben der Gefahrenabwehr gerecht werden kann, indem die entsprechenden Personen die körperlichen Voraussetzungen aufweisen. Die Funktionsfähigkeit der Polizei hing damit auch von der Tätigkeit der Klägerin ab.
bb) Damit ist aber noch nicht beantwortet, ob auch die weiteren Tätigkeiten der Klägerin als hoheitliche Aufgaben zu betrachten sind. Ebenso wenig ist damit geklärt, ob die Klägerin überwiegend hoheitliche Aufgaben wahrgenommen hat und ob dies nötig ist. Im Gegensatz zu § 41 Satz 2 TVöD sieht § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L nicht vor, dass die Treuepflicht schon dann besteht, wenn "auch" hoheitliche Tätigkeiten ausgeübt werden, ohne dass diese überwiegen oder ausschließlich wahrgenommen werden (vgl. Rinck/Böhle/Pieper/Geyer-Dannenberg TVöD Stand September 2021 § 41 Rn. 6).
Einer weiteren Aufklärung und Entscheidung dieser Frage bedarf es aber nicht. Das Verhalten der Klägerin stellt einen Verstoß gegen die einfache politische Treuepflicht dar, der für die soziale Rechtfertigung der Kündigung genügt. Dieser einfachen Treuepflicht unterlag die Klägerin auch dann, wenn sie keine hoheitlichen Aufgaben durchgeführt hätte.
b) Die Klägerin hat das 3. Bevölkerungsschutzgesetz mit dem Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 gleichgesetzt und den Verlust wichtiger, wenn nicht gar "aller Rechte" der Bürger als bevorstehend behauptet. Sie hat zwar nicht - klarstellend - das Jahr 1933 hinzugefügt. Jedoch verbindet sich der Gesamtzusammenhang der einzelnen Aussagen zu einem Bild, das allein diese Deutung zulässt.
aa) Zugunsten der Klägerin ist davon auszugehen, dass sie in der Anzeige keine falschen Tatsachenbehauptungen aufgestellt hat, die von der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG schon nicht umfasst wären. Die Anzeige beinhaltet vielmehr Werturteile. Bereits die Gleichung "Infektionsschutzgesetz = Ermächtigungsgesetz" verdeutlicht, dass die Klägerin eine Stellungnahme abgibt, nicht aber eine Tatsache behauptet, die durch die "objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit geprägt" ist. Denn ob die Gleichsetzung eines Gesetzes mit einem anderen Gesetz oder auch nur - wie die Klägerin behauptet hat - mit einem juristischen Fachbegriff zutrifft, ist keine Tatsache, sondern Ergebnis einer gedanklichen Leistung, an deren Ende eine Stellungnahme steht. In der Anzeige ist weiter stichwortartig ausgeführt, dass das Infektionsschutzgesetz - gemeint ist das 3. Bevölkerungsschutzgesetz - das "Ermächtigungsgesetz" zur Zwangsimpfung, zum Wegnehmen von Kindern, zur Schutzlosigkeit in der eigenen Wohnung, zu geschlossenen Grenzen, Arbeitsverbot und Gefängnis ist und die Bürger alle Rechte verlieren "sollen". Damit hat die Klägerin eine gedankliche Folgerung wiedergegeben, welche Einschränkungen sie ihrer Meinung nach durch das 3. Bevölkerungsschutzgesetz auf die Bürger und Bürgerinnen Deutschlands zukommen sieht. Bestätigt wird der Befund einer Meinungsäußerung durch die abschließenden Worte "Wir ... sollen alle unsere Rechte verlieren" und "es geht wirklich um ALLES!". Einen objektivierbaren Tatsachenkern beinhalten diese Worte angesichts ihrer Pauschalität nicht.
bb) Stellt die Anzeige damit eine grundsätzlich der Meinungsfreiheit unterfallende Äußerung dar, ist ihr konkreter Sinn vom Wortlaut ausgehend zu ermitteln, darf aber den sprachlichen Kontext, in dem sie steht, sowie die für den Empfänger erkennbaren Begleitumstände, unter denen sie gefallen ist, nicht unberücksichtigt lassen, zumindest soweit diese für einen unbefangenen Leser erkennbar geworden sind. In diesem Rahmen können auch Aussagen Bedeutung gewinnen, die im Gesamtzusammenhang offener Einzelaussagen "versteckt" sind bzw. "zwischen den Zeilen" stehen. Dies setzt voraus, dass sich die verdeckte Aussage dem angesprochenen Publikum als unabweisbare Schlussfolgerung aufdrängt (BAG 6. September 2012 - 2 AZR 372/11 - Rn. 27). Die isolierte Betrachtung nur eines Teils der Äußerung wird der Meinungsfreiheit ebenso wenig gerecht wie wenn ihr eine Bedeutung beigelegt wird, die sie objektiv nicht hat. Bei Mehrdeutigkeit dürfen Äußerungen wegen eines möglichen Inhalts nicht zu nachteiligen Folgen führen, ohne dass eine Deutung, die zu einem von der Meinungsfreiheit gedeckten Ergebnis führen würde, mit überzeugenden Gründen ausgeschlossen worden ist (st. Rspr. vgl. nur BVerfG 19. Mai 2020 - 1 BvR 2397/19 - Rn. 15; 2. November 2020 - 1 BvR 2727/19 - Rn. 11; BAG 5. Dezember 2019 - 2 AZR 240/19 - Rn. 104; BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 505/13 - Rn. 45).
cc) Ausgehend von diesen Grundsätzen ergibt sich für das Gericht ein eindeutiger Sinngehalt des Textes in der Anzeige dahin, dass der Bundestag durch das "Infektionsschutzgesetz" die Bürger und Bürgerinnen bewusst und gewollt einem menschunwürdigen, grundrechtswidrigen Schicksal aussetze, und zwar genauso, wie dies durch das Ermächtigungsgesetz im Jahr 1933 der Fall gewesen sei. Die Klägerin hat den Begriff des "Ermächtigungsgesetzes" gerade nicht nur in einem formal-juristischen Sinne als "Ermächtigungsgrundlage" genutzt.
(1) Die Gleichsetzung von "Infektionsschutzgesetz" und "Ermächtigungsgesetz" ist durch ein Gleichheitszeichen ( = ) erfolgt. Insofern lässt die Anzeige keine andere Deutung zu als dass der eine Begriff mit dem anderen inhaltsgleich ist. Das ist Sinn eines Gleichheitszeichens. In der Anzeige hat die Klägerin sodann die Begriffe "Zwangsimpfung, Wegnehmen der Kinder, Schutzlos in der eigenen Wohnung, Geschlossene Grenzen, Arbeitsverbot, Gefängnis" folgen lassen. All dies sind Begriffe, die mit staatlichem Handeln gleichgesetzt werden. "Zwang", "schutzlos", "Wegnehmen", beinhalten überdies nicht nur irgendein staatliches Handeln, sondern ein solches, das die Rechte seiner Bürger bricht und allein das Machtmonopol des Staates ohne Rücksicht auf Recht und Gesetz durchsetzt. Auch die Worte "geschlossene Grenzen", "Gefängnis" und "Arbeitsverbot" verlieren jede neutrale Aussagekraft. Sie können nicht außerhalb des Zusammenhangs mit den davor aufgeführten staatlichen rechtswidrigen Maßnahmen gelesen werden, denen sie in derselben Aufzählung folgen. Erhärtet wird dieses Auslegungsergebnis noch dadurch, dass die Bürger und Bürgerinnen nach Auffassung der Klägerin alle Rechte verlieren und deshalb Widerstand leisten sollen. Angesichts der jüngeren deutschen Vergangenheit in den Jahren der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft kommt der Verwendung des Begriffs "Ermächtigungsgesetz" in Verbindung mit staatlicher Allmacht daher allein der Sinngehalt zu, genau auf diese Vergangenheit Bezug zu nehmen. Kein anderes staatliches Handeln als jenes unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ist so eindeutig damit verbunden. Dem entspricht die Zuordnung des Begriffs "Ermächtigungsgesetz" zum Jahr 1933 durch die vom beklagten Land zitierten Recherchen im Internet.
(2) Die Erklärung der Klägerin in der mündlichen Berufungsverhandlung, dass sie den Begriff des Ermächtigungsgesetzes dem am 18. November 2020 beschlossenen 3. Bevölkerungsschutzgesetz entnommen hat, ist nicht glaubhaft. Weder der Gesetzesentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 3. November 2020 (BT-Drucksache 19/23944) noch die Beschlussempfehlung und der Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem entsprechenden Gesetzentwurf und verschiedenen Anträgen vom 16. November 2020 (BT-Drucksache 19/24334) beinhaltet den Begriff noch das am 18. November 2020 schließlich beschlossene Gesetz (BGBl. I. S. 2397 ff.). Verwendet werden die Begriffe "Ermächtigung", "Ermächtigungsgrundlage", "Generalermächtigung", "Verordnungsermächtigung" und "Rechtsverordnungsermächtigung" im Singular und Plural. Diese Begriffe finden sich 13 Mal im Gesetzesentwurf, 29 Mal im Bericht des Ausschusses für Gesundheit und - wie von der Klägerin in der Berufungsverhandlung insofern zutreffend wiedergegeben - 17 Mal im 3. Bevölkerungsschutzgesetz. Es wäre für die Klägerin, die das Gesetzgebungsverfahren offensichtlich genau verfolgt hat, ein Leichtes gewesen, sich statt des Begriffes "Ermächtigungsgesetz" eines der im Gesetzgebungsverfahren und im Gesetz selbst verwendeten Begriffs zu bedienen.
(3) Die Klägerin hat zudem im Personalgespräch am 3. Dezember 2020 erklärt, sie sehe in der Neufassung des Infektionsschutzgesetzes eine vergleichbare Situation wie beim Erlass des Ermächtigungsgesetzes vom 24. März 1933. Sie hat also selbst die ihrer Meinung nach bestehende Parallele in der Gesetzgebung angeführt. Diesen Inhalt des Protokolls hat sie nicht bestritten. Ein Bestreiten liegt auch nicht darin, dass sie im gerichtlichen Verfahren ausgeführt hat, erst durch die Ausführungen im Personalgespräch seien ihr die Augen geöffnet worden, dass sie einen verfänglichen Begriff verwendet habe. Sie hat diese Ausführungen darauf bezogen, dass der Präsident sie darüber aufgeklärt habe, dass damals mit diesem Ermächtigungsgesetz die Gewaltenteilung vollkommen aufgehoben worden sei, dass es die Grundlage für alle darauffolgenden Maßnahmen zur Etablierung und Festigung der nationalsozialistischen Diktatur gewesen sei und letztlich den Boden bereitet habe für acht Millionen ermordete Menschen. Das Berufungsgericht glaubt der Klägerin, dass sie dem Deutschen Bundestag im Jahr 2020 nicht unterstellt hat und auch nicht unterstellen wollte, dass er mit dem 3. Bevölkerungsschutzgesetz einer Diktatur mit Millionen von Toten den Boden bereiten wollte. Auch dann hat die Klägerin aber immer noch zum Ausdruck gebracht, dass der Bundestag durch die Übertragung von Regelungsbefugnissen auf die Exekutive die Möglichkeit zur Abschaffung der Grundrechte und Durchführung staatlicher Zwangsmaßnahmen geschaffen hat, die in ihrer Reichweite denjenigen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gleichen.
(4) Die Klägerin hat bewusst nicht den Begriff "Ermächtigungsgesetz" in einem bloß formal-juristischen Sinn verwenden wollen. Sie hätte damit nur den gewöhnlichen Vorgang der Übertragung von Kompetenzen von der Legislative auf die Exekutive beschrieben, wie er in Art. 80 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG geregelt ist: "Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden". Sie hätte damit keine Aufmerksamkeit erregt - genau dies wollte sie aber, wenn ihr Aufruf zum Widerstand nicht leerlaufen sollte. Ihre aufrüttelnden Worte wären in der Versachlichung durch einen neutralen Fachbegriff verpufft. Wirkungsvoller wäre es sogar gewesen, den Begriff "Ermächtigungsgesetz" ganz zu streichen. Dann wäre die Botschaft, dass das "Infektionsschutzgesetz" für Gefängnis, Arbeitsverbot etc. steht, viel unmittelbarer gewesen. Da sie aber den Begriff "Ermächtigungsgesetz" dazwischengeschaltet hat, ergibt das nur Sinn, wenn sie ihre Botschaft noch deutlicher hervorheben wollte. Mit einem Begriff wie dem des "Ermächtigungsgesetzes" ist dies innerhalb einer inhaltlich kurzen Anzeige nur aufgrund seiner eindeutigen Vorbelegung möglich. Juristische Laien - und damit der ganz überwiegende Teil der Bevölkerung - wissen um die Möglichkeit einer bloß technischen Bedeutung des Begriffes nicht. Bekannt ist aber durch den Geschichtsunterricht in jeder Schule, dass 1933 eine Selbstentmachtung des Parlaments in der Weimarer Republik mit einer unkontrollierbaren Machtkonzentration bei der Reichsregierung und dem Entstehen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft einherging. Dieser Vorgang hat auch einen Namen: Ermächtigungsgesetz.
(5) Es stimmt auch nicht, dass - wie die Klägerin in der mündlichen Berufungsverhandlung ausgeführt hat - es keinen Sinn ergeben kann, die Gesetzgebungsorgane des Jahres 2020 in einen Zusammenhang mit den historischen Ereignissen des Jahres 1933 zu stellen. Richtig ist, dass die historische Gleichstellung vollkommen falsch ist. Sie verfehlt gerade deshalb aber nicht ihre Wirkung. Soll Kritik geübt werden, sind Zuspitzung, Übertreibung und Polemik gängige Mittel. Dienen sie der Auseinandersetzung in der Sache, sind sie auch im Rahmen der allgemeinen Gesetze zulässig. Die Klägerin wollte Emotionen hervorrufen, nicht aber eine sachliche, juristisch-methodische Information weitergeben (siehe vorstehend (4)). Sie hat sich zudem nicht auf das "Ermächtigungsgesetz" beschränkt. Sie hat dem "Ermächtigungsgesetz" mehrere Begriffe folgen lassen, die bestätigen, dass sie bewusst das "Ermächtigungsgesetz" aus dem Jahr 1933 als Vergleichsmaßstab in Bezug genommen hat. "Gefängnis", "Wegnehmen der Kinder", "Arbeitsverbot", "Schutzlos in der eigenen Wohnung" - all das sind Repressionen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gewesen, wenn eine Person nicht in das politische System passte. Sei es, weil sie eine bestimmte Meinung vertreten hat, die nicht dem herrschenden System entsprach, sei es, weil sie den körperlichen Anforderungen an einen "gesunden" Menschen aus Sicht des Regimes nicht genügte. Die von der Klägerin in der Anzeige aufgeführten Rechtsverletzungen sollen sich nun wiederholen, indem Freiheitsrechte, die das Grundgesetz in den Grundrechten der Art. 1 ff. GG gewährt, eingeschränkt oder aufgehoben werden sollen. Indem die Klägerin in der Anzeige ausgeführt hat, die Bürger Deutschlands sollen alle Rechte verlieren, hat sie auf diese Grundrechte Bezug genommen. Die Kernaussage ihrer Anzeige lautet deshalb nicht dahin, dass das zur Gesetzgebung originär berufene Organ - der Bundestag - sich seiner Kompetenz begibt. Vielmehr soll dieser Verstoß zu großem Unrecht führen, nämlich zum Verlust sämtlicher Grundrechte. Damit wirft die Klägerin den Gesetzgebungsorganen einen Eingriff in die unabänderlichen Normen der Verfassung vor - ein Eingriff, wie er durch das Ermächtigungsgesetz aus dem Jahr 1933 ermöglicht worden ist.
c) Mit diesem Sinngehalt hat die Klägerin die gesetzgebenden Organe und damit einen Teil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in einer Weise verächtlich gemacht, die mit der einfachen Treuepflicht des § 241 Abs. 2 BGB, § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L nicht in Einklang zu bringen ist.
aa) Das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung, wie sie in § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L in Bezug genommen wird, beinhaltet nicht nur die Grundrechte. Freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes (vgl. Art. 10 Abs. 2 Satz 2 GG, Art. 11 Abs. 2 GG, Art. 18 Satz 1 GG, Art. 21 Abs. 2 und 3 GG) ist eine Ordnung, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition (BVerfG 23. Oktober 1952 - 1 BvB 1/51 - zu E. der Gründe, Rn. 38 juris). Für den Gesetzgeber sind gemäß Art. 19 Abs. 2, Art. 79 Abs. 3 GG der Wesensgehalt der Grundrechte und die Staatsfundamentalprinzipien unantastbar ("Ewigkeitstheorie").
bb) Die Klägerin hat den gesetzgebenden Organen, dem Bundestag, aber auch ihrem Arbeitgeber, dem Land Baden-Württemberg, als Mitglied des Bundesrates in der Anzeige vorgeworfen, durch ein Verfahren, das dem Verhalten des Reichstags im Jahr 1933 entsprochen habe, den unantastbaren Gehalt der Grundrechte und der Staatsfundamentalprinzipien missachtet zu haben: Nicht nur hätten die Gesetzgebungsorgane laut der Klägerin die Gewaltenteilung nicht geachtet, sie hätten dadurch "alle (Grund)Rechte" der Bürgerinnen und Bürger, von denen der Bundestag gewählt worden ist, preisgegeben. Ein schärferer Vorwurf gegenüber den gesetzgebenden Organen ist kaum denkbar.
d) Das Arbeitsverhältnis ist durch das Verhalten der Klägerin konkret gestört worden.
aa) Die Klägerin übersieht, dass eine kündigungsrelevante Störung nicht nur dann vorliegt, wenn sie sich in ihrem Fachgebiet, das auch den Gegenstand ihrer vertraglichen Pflichten bildet, äußert. Der Kündigungsvorwurf resultiert aus einem Verstoß gegen die besondere Treuepflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB, § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L. Auf wissenschaftliche Expertise kommt es also nicht an. Ob die Würdigung des beklagten Landes zutrifft, wonach die Klägerin die Existenz des Corona-Virus nicht als wissenschaftliche Tatsache akzeptiere, kann deshalb dahinstehen.
bb) Über die Verächtlichmachung der gesetzgebenden Organe hinaus ist auch die Polizei, für die die Klägerin ärztliche Leistungen erbracht hat, von der Anzeige betroffen. Darin liegt eine konkrete Störung des Arbeitsverhältnisses.
(1) Bislang ist vom Bundesarbeitsgericht nicht entschieden worden, ob eine verhaltensbedingte Kündigung schon dann gerechtfertigt sein kann, wenn die konkreten Umstände den Eintritt einer derartigen Störung im personalen Vertrauensbereich wahrscheinlich machen (vgl. BAG 6. September 2012 - 2 AZR 372/11 - Rn. 18; die Notwendigkeit einer Störung bejahend: BAG 12. Mai 2011 -2 AZR 479/09 - Rn. 71). Auch das Berufungsgericht muss diese Frage nicht entscheiden, da eine solche Störung eingetreten ist.
(2) Der personale Vertrauensbereich ist gestört.
(a) Der Präsident des PTLS hat durch den Wortlaut der Anzeige die Polizei als Teil des Staates als diskreditiert angesehen (S. 4 des Protokolls über das Personalgespräch) und hat die Klägerin gefragt, ob sie die Polizei als "Helfer eines illegalen Systems" sehe, die selbst unrechtmäßig handle (S. 2 des Protokolls). Er hat auch Gefährdungen von Polizisten befürchtet, da die Klägerin zu Widerstand aufgerufen hat (S. 4 des Protokolls) und derartige Versammlungen schon zu Verletzungen von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten geführt haben. Es gehört zu den Aufgaben des Präsidenten des PTLS, der Personalverantwortung für die im PTLS Beschäftigten trägt, den Aufbau von Aggressionspotential zu verhindern, das sich gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte richten kann. Eine Anzeige wie die der Klägerin ist geeignet, die Polizei in einen negativen Zusammenhang zu stellen. Insofern wird Juristen geläufig sein, dass die "Wegnahme von Kindern", mit der die Klägerin die Inobhutnahme durch das Jugendamt meint, durch die Polizei als "dazu befugte Stelle" erfolgt, sofern unmittelbarer Zwang erforderlich ist (§ 42 Abs. 6 SGB VIII). Die Polizei leistet den Jugendämtern insofern Vollzugshilfe. Bzgl. der "geschlossenen Grenzen" obliegt der Grenzschutz der Bundespolizei, soweit nicht ein Land im Einvernehmen mit dem Bund Aufgaben des grenzpolizeilichen Einzeldienstes mit eigenen Kräften wahrnimmt (§ 2 Abs. 1 BPolG). Die von der Klägerin verwendeten Begriffe können insofern also nicht gelesen werden, ohne die Polizei mitzudenken. Wird die Perspektive eines juristischen Laien eingenommen, ergibt sich nichts Anderes. Die Polizei wird nicht nur als "Freund und Helfer" wahrgenommen, sondern eben auch gerade als diejenige Institution, die dem Handeln der Exekutive Wirkung verschafft. Zwang, Gefängnis, Wohnungsdurchsuchungen, geschlossene Grenzen werden mit der Polizei unabhängig davon in Verbindung gebracht, auf welcher Rechtsgrundlage oder welcher richterlichen, staatsanwaltschaftlichen oder behördlichen Entscheidung die Tätigkeit erfolgt.
(b) Das Vertrauensverhältnis zum Präsidenten des PTLS ist im streitgegenständlichen Arbeitsverhältnis entscheidend. Die Klägerin ist mit Aufgaben betraut, die das körperliche Wohlergehen der Polizeibeamten und Polizeibeamtinnen betreffen. Deren Einsatzfähigkeit hängt u.a. hiervon ab. Der Präsident muss sich insofern in besonderem Maße auf die Klägerin verlassen können, um den Dienstbetrieb am Laufen zu halten. Dieses Vertrauen hat er für das Berufungsgericht nachvollziehbar unwiederbringlich verloren. Es ist deshalb nicht von entscheidungserheblicher Bedeutung, ob die Anzeige, wie vom beklagten Land behauptet, tatsächlich zu Sorgen von Polizeibeamten und Polizeibeamtinnen und damit für Unruhe im Dienst gesorgt hat. Ob der Vortrag des beklagten Landes hierzu ausreichend gewesen ist, kann daher dahinstehen.
e) Die Klägerin hat ihre Pflicht aus § 241 Abs. 2 BGB, § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L schuldhaft verletzt.
aa) Die Klägerin hat die allgemeine Hochschulreife. Sie ist in besonderem Maße um die Grundrechte und die Gewaltenteilung besorgt und hat sich kundig gemacht. Auch ihr Schreiben vom 8. Dezember 2020 belegt ihre Beschlagenheit in Fragen von Demokratie und Freiheitsrechten. All dies zeigt, dass die Klägerin sowohl historisch als auch politisch um die Bedeutung der Grundrechte und der Gewaltenteilung weiß. Ohne den historischen Hintergrund der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft lässt sich in der Bundesrepublik Deutschland die Bedeutung der Grundrechte und der Gewaltenteilung nicht ermessen. Eine informierte und engagierte Person wie die Klägerin muss deshalb nicht erst durch den Präsidenten des PTLS darüber aufgeklärt werden, dass das "Ermächtigungsgesetz" aus dem Jahr 1933 einer Entmachtung des Parlaments und einer Konzentration von Machtbefugnissen bei der Regierung Vorschub geleistet hat, die wiederum Voraussetzung für eine menschenverachtende Diktatur gewesen sind. Ein Irrtum ist hier auszuschließen.
bb) Der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit als unmittelbarer Ausdruck der Persönlichkeit impliziert - in den Grenzen zumutbarer Selbstbeherrschung - zwar die rechtliche Anerkennung menschlicher Subjektivität und damit auch von Emotionalität und Erregbarkeit. Demgegenüber kann bei schriftlichen Äußerungen im Allgemeinen ein höheres Maß an Bedacht und Zurückhaltung erwartet werden (BVerfG 19. Mai 2020 - 1 BvR 2397/19 - Rn. 33). Das hat auch Auswirkungen auf die Frage des Verschuldens.
Die Anzeige ist nicht "ad hoc" formuliert worden, in einer hitzigen Situation und ohne Bedenkzeit. Auch wenn das Format einer Kleinanzeige keine differenzierte Auseinandersetzung unter Darstellung und Abwägung widerstreitender Argumente ermöglicht, hätte die Klägerin statt des eindeutig belegten Begriffs des "Ermächtigungsgesetzes" einen anderen Begriff verwenden können. Schon die bloße Verwendung des Begriffs der "Ermächtigung" hat einen vollkommen anderen Klang. Daneben hätte sie zahlreiche Begriffe wie Ermächtigungsgrundlage, Blankettermächtigung oder (Rechts-)Verordnungsermächtigung verwenden können.
cc) Die Klägerin ist zudem wortgewandt. Sie weiß, dass in Bescheiden von "Inobhutnahme" die Rede ist, wie ihre Erklärungen in der mündlichen Berufungsverhandlung deutlich gemacht haben. Es ist also nicht Ungeschicklichkeit oder Unwissenheit, wenn sie den Schutz des Kindes nach § 42 SGB VIII in eine Bestrafung der Eltern umkehrt, indem sie vom "Wegnehmen der Kinder" spricht. Sie hatte schon im November 2020 mehrere Kundgebungen aus Anlass der Corona-Maßnahmen initiiert, auf denen sie gesprochen hat. Die Wirkung ihrer Worte ist ihr bekannt. Sie selbst hat auf einer ihrer Kundgebungen geäußert: "Wozu wären die Horrormeldungen nötig? Warum müsse so viel Angst verbreitet werden" und "Angst macht klein und dumm." Sie weiß also, welche Wirkung Worte haben und wie sehr sie die Handlungen und das Leben von Menschen beeinflussen und bestimmen können. Die Bedeutung ihres Vergleichs mit dem Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 noch dazu in Verbindung mit der Darstellung bedrohlicher Eingriffe und dem Verlust aller Rechte hat sie erkannt. Sie hat die Worte bewusst gewählt.
f) Die Kündigung ist nicht deshalb unwirksam, weil die Klägerin zunächst hätte abgemahnt werden müssen.
aa) Eine Kündigung scheidet aus, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers - wie etwa eine Abmahnung - geeignet gewesen wären, bei der Arbeitnehmerin künftige Vertragstreue zu bewirken. Einer Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung auch nach Ausspruch einer Abmahnung nicht zu erwarten oder die Pflichtverletzung so schwerwiegend ist, dass selbst deren erstmalige Hinnahme durch den Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und offensichtlich (auch für die Arbeitnehmerin erkennbar) ausgeschlossen ist (st. Rspr., vgl. nur BAG 5. Dezember 2019 - 2 AZR 240/19 - Rn. 75).
bb) Das Verächtlichmachen der gesetzgebenden Organe in der Anzeige vom 15. November 2020 wiegt derart schwer, dass eine vorangegangene Abmahnung entbehrlich gewesen ist. Eine Ärztin, die bei der Polizei beschäftigt ist, und die sich mit der Gewaltenteilung und den Grundrechten auskennt, kann nicht davon ausgehen, dass das Land Baden-Württemberg die Gleichsetzung der gesetzgebenden Organe mit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft auch nur einmal hinnimmt. Dies gilt in besonderem Maße dann, wenn das Land an dem konkreten Gesetzgebungsvorhaben beteiligt gewesen ist und die Beschäftigungsbehörde mit der Durchsetzung des Gesetzes befasst sein kann. Der Vorwurf in der Anzeige, die Bürger und Bürgerinnen sollten alle Rechte verlieren, nachdem Begriffe wie Gefängnis, Wegnehmen von Kindern, Schutzlosigkeit in der eigenen Wohnung in den Raum gestellt worden sind, stellt die Gesetzgebung als ein Unrechtsorgan dar, gegen das Widerstand zu leisten ist. Mit Recht und Ordnung, wofür auch die Polizei steht, hat dies nichts mehr zu tun. Zu Recht hat bereits der Präsident der PTLS die zwangsläufig sich stellende Frage aufgeworfen, ob die Polizei am Ende "Helfer eines illegalen Systems sei". Dass die Klägerin diesen gedanklichen Schritt nicht nachvollzogen haben will, sondern von der Polizei immer nur positiv gesprochen haben will, ändert daran nichts. Gerade dann hätte sie bemüht sein müssen, den Staat nicht als Unrechtsstaat darzustellen.
g) Die abschließende Interessenabwägung fällt nicht zu Gunsten der Klägerin aus. Dem beklagten Land war es nicht zumutbar, die Klägerin über den 31. März 2021 hinaus weiter zu beschäftigen.
aa) Die Klägerin ist ausgebildete Ärztin und hat eine eigene Praxis. Sie ist also sehr gut ausgebildet und hat eine andere wirtschaftliche Grundlage als ihr Arbeitsverhältnis. Dass ihre Praxis bislang wirtschaftlich nicht genügt, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, hat sie zwar in der Berufungsverhandlung angedeutet. Dass dies auch dann nicht möglich ist, wenn sie sich ihrer Praxis mit mehr Zeit widmet, ist jedoch nicht erkennbar. Sie war zudem mit 54 Jahren im Kündigungszeitpunkt nicht in einem Alter, in dem sie in ihrem Beruf keinen anderen Arbeitsplatz mehr findet.
bb) Das Arbeitsverhältnis bestand erst seit November 2019 und damit wenig mehr als ein Jahr. Die Dauer des Arbeitsverhältnisses kann die Interessenabwägung daher nicht zugunsten der Klägerin beeinflussen.
cc) Die Klägerin hat mit der Anzeige in einer kostenlosen Sonntagszeitung einerseits einen großen Verbreitungsgrad in Anspruch genommen. Andererseits ist die Anzeige im "Sonntagsmarkt" untergebracht. Menschen, die sich politisch informieren wollen, werden hier eher nicht suchen. Dafür erhöht sich aber die Wahrscheinlichkeit, dass Leser und Leserinnen zufällig auf die Anzeige stoßen und sie umso eher wahrnehmen, weil sie sich vom sonstigen Inhalt der anderen Anzeigen vollständig unterscheidet. Jeder, der sich wegen Autoverkäufen und sonstigen Kaufgesuchen auf der Seite umsieht, nimmt diesen Unterschied deshalb sofort wahr. Der Inhalt erzielt auch eine gänzlich andere, aufrüttelnde Wirkung, weil er die Leser und Leserinnen unerwartet trifft. Die Anzeige ist aber klein und springt damit nicht direkt ins Auge. Die Aufmachung und Platzierung der Anzeige ist deshalb für die Interessabwägung unergiebig.
dd) Die Klägerin hätte ihre Meinung durch eine andere Wortwahl äußern können, mit der sie ebenfalls Aufmerksamkeit erzeugt hätte, aber ohne die gesetzgebenden Organe verächtlich zu machen. Stattdessen hat sie bewusst den Begriff des "Ermächtigungsgesetzes" gewählt und darüber hinaus Ängste und Sorgen geschürt. Sie hat nicht zur Deeskalation und damit zur Versachlichung der Diskussion um Maßnahmen im Rahmen der COVID-19-Pandemie beigetragen. Sie hat gewusst, dass "Angst klein und dumm macht" - das hat sie selbst kritisiert. Sie hat sich dennoch dieser Rhetorik bedient, da sie beängstigende Zusammenhänge hergestellt und angstmachende Begriffe wie "Gefängnis", "Wegnehmen von Kindern", "Arbeitsverbot", "Schutzlos in der eigenen Wohnung" verwendet hat. Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, die z.B. für die Durchsetzung von Maßnahmen wie das Tragen einer Maske und das Wahren eines Sicherheitsabstandes bei Demonstrationen sorgen müssen, können sich so aufgebrachten und besorgten Bürgern und Bürgerinnen gegenübersehen.
ee) Die von der Klägerin eingenommene Haltung zu den Maßnahmen gegen die COVID-19-Pandemie, die sie in der Anzeige geäußert hat, wird das Arbeitsverhältnis auch in anderem Zusammenhang belasten. So hat die Klägerin im Personalgespräch mehrfach betont, dass sie sich eine Diskussion über die Maßnahmen anlässlich der COVID-19-Pandemie wünscht und zwar auch im beruflichen Umfeld (S. 2 f. des Protokolls des Personalgesprächs). Angesprochen auf die "anstehende Impfkampagne" ist die Klägerin bei ihrer Auffassung geblieben, jeder müsse für sich selbst entscheiden. Unterstützung in dem Sinne, dass die Klägerin die Impfkampagne mitträgt, wird aus diesen Worte nicht deutlich. Wird ihr Verständnis aus der Anzeige, dass "Zwangsimpfungen" bevorstehen, berücksichtigt, musste der Präsident davon ausgehen, dass er mit der Klägerin eine Person an maßgeblicher Stelle beschäftigt, die das für richtig gehaltene Konzept nicht mitträgt. Bei der Frage zur Impfpflicht hat es sich deshalb nicht um eine irrelevante Frage gehandelt. Die Klägerin hat zudem in der mündlichen Berufungsverhandlung ausgeführt (S. 3 des Protokolls), sie sei schon am 15. November 2020 von einer Impfpflicht ausgegangen. Dass sie im 3.Bevölkerungsschutzgesetz keinen Eingang gefunden hat, ist unerheblich. Die Frage nach dem Verhalten der Klägerin bei Einführung einer Impfpflicht betraf vielmehr sogar nach der Einschätzung der Klägerin nicht nur eine entfernte Möglichkeit, sondern war naheliegend. Dass sie andere Impfungen wie gegen Hepatitis A vorgenommen hat und sich sogar als Impfbefürworterin bezeichnet hat (S. 5 des Schriftsatzes vom 19. Mai 2021), ändert daran nichts. Noch in der mündlichen Berufungsverhandlung hat sie auf die Notzulassung und die fehlenden Erkenntnisse zu den Langzeitwirkungen bei den Impfstoffen gegen das Corona-Virus hingewiesen. Dies unterscheidet die aktuelle Diskussion zur Impfpflicht entscheidend von anderen Impfungen.
ff) Die Befürchtung des beklagten Landes im Kündigungszeitpunkt, die Klägerin werde zukünftig nicht in der Lage sein, zwischen ihrer privaten Haltung zu Maßnahmen, die die zuständigen und damit auch verantwortlichen Organe aus Legislative und Exekutive anordnen, und ihren dienstlichen Pflichten zu unterscheiden, ist auch durch das Verhalten der Klägerin in den gerichtlichen Verfahren nachvollziehbar.
(1) Sowohl beim Amtsgericht L. als auch im Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht hat die Klägerin sich zunächst geweigert eine Maske zu tragen. Die sitzungspolizeiliche Anordnung vor dem Landesarbeitsgericht lautete dahin, dass eine FFP2-Maske oder ein vergleichbarer Standard zu tragen ist. Die Klägerin hat jedoch nur über eine sogenannte medizinische Maske verfügt. Dass sie während des Arbeitsverhältnisses nicht dadurch aufgefallen ist, dass sie keine Maske getragen hat, ist daher durch das sich fortentwickelnde Verhalten überholt. Der Klägerin kommt es zunehmend darauf an, ihre Haltung zu den von ihr behaupteten Grundrechtseinschränkungen sowie zu den von ihr sogenannten nicht medizinischen Maßnahmen deutlich zu machen. Sie hält sich erst auf Druck an Regeln, die sie selbst nicht für sinnhaft ansieht. Damit hat sie ihre Haltung bestätigt, wonach konkrete Maßnahme tunlichst erst ergriffen werden sollten, wenn mehr über das Virus bekannt ist. Dies hatte sie bereits im Personalgespräch so geäußert (S. 2 des Ergebnisprotokolls): "Man habe mit der Versammlungsfreiheit und den Freiheitsrechten Grundrechte eingeschränkt, während man noch gar nichts konkretes über das Virus gewusst habe". Diese Zeit haben aber die gesetzgebenden Organe nicht, die die Bevölkerung auch dann schützen müssen, wenn noch nicht alles über das Corona-Virus erforscht ist. Auch die Polizei kann nicht von der Durchsetzung von Regeln absehen, weil es an ausreichenden wissenschaftlichen Erkenntnissen fehlt.
(2) Diese Umstände können verwertet werden, auch wenn sie erst nach der Kündigung aufgetreten sind. Denn das Verhalten der Klägerin nach Zugang der Kündigung hat erkennen lassen, dass sie endgültig nicht bereit ist, ihre vertraglichen Pflichten zu erfüllen (KR-Fischermeier/Krumbiegel 13. Aufl. § 626 BGB Rn. 189 m.w.N.; HK-KSchG/Gieseler 6. Aufl. § 626 BGB Rn. 98a). Die Behauptung der Klägerin, sie werde sich einer Impfpflicht nicht verweigern, wird unglaubhaft, wenn sie sich schon schwertut, einer gerichtlich angeordneten Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes nachzukommen.
gg) Entgegen der Behauptung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin hat diese sich nicht entschuldigt. Allein der Vortrag, sie hätte einen anderen Terminus gewählt, wenn sie das Wissen aus dem Personalgespräch gehabt hätte, ist keine Entschuldigung. Diese Behauptung ist zudem nicht glaubhaft (vgl. im Einzelnen B. II. 3. e) aa) der Gründe). Auch in ihrem Schreiben vom 8. Dezember 2020 fehlt eine Entschuldigung. Das Gericht erkennt, wie sehr die Klägerin den mündigen Bürger zur Wahrung von Freiheitsrechten und Demokratie verinnerlicht hat. Dieses positive Verständnis eines funktionierenden, freiheitlich-liberalen Staates, das sie im Schreiben vom 8. Dezember 2020 immer wieder hervorhebt, ändert aber nichts daran, dass dieser Staat nicht nur Freiheit gewährt, sondern auch wehrhaft ist, wenn es um seine Existenz geht. Diese Wehrhaftigkeit determiniert auch die Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst wie dies in § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L seinen Niederschlag gefunden hat.
4. Die Kündigungsfrist des § 34 Abs. 1 Satz 2 TV-L von sechs Wochen zum Quartalsende ist eingehalten. Die Kündigung ist der Klägerin am 11. Februar 2021 zugegangen. Sie hat das Arbeitsverhältnis daher zum 31. März 2021 beendet.
III. Der Personalrat ist ordnungsgemäß beteiligt worden und hat der Kündigung vor deren Zugang zugestimmt. Nachdem die Klägerin zunächst die Anhörung sowie die Zustimmung bestritten hatte, hat das beklagte Lande die Beteiligung im Einzelnen dargelegt. Weder sind hier Fehler zu erkennen noch hat die Klägerin hierauf konkrete Rügen erhoben.
C.
I. Die Klägerin trägt als unterlegene Partei die Kosten des Berufungsverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).
II. Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor, so dass die Revision nicht zuzulassen war.
Fischer
Niclas
Verkündet am 02.02.2022