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  • 15.02.2023 · IWW-Abrufnummer 233783

    Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 27.10.2022 – 21 Sa 317/22

    1. Macht eine klagende Partei Ansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgsetz wegen Diskriminierung aufgrund mehrerer Merkmale geltend, handelt es sich jedenfalls dann um mehrere Streitgegenstände, wenn der Klageforderung - außer, dass sie sich auf unterschiedliche Merkmale bezieht - verschiedene Lebenssachverhalte zugrunde liegen.

    2. Bei einem klageabweisenden Urteil kommt es auf die Auslegung im Einzelfall an, ob der Tenor sämtliche Streitgegenstände erfasst.

    3. Ist dies nicht der Fall und beruht dies auf einem Versehen, muss die klagende Partei innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Urteils einen Antrag auf Ergänzungsurteil stellen (§ 321 ZPO). Andernfalls entfällt die Rechtshängigkeit des übersehenen Streitgegenstands.

    4. Der übergangene Anspruch kann im Berufungsverfahren als Klageerweiterung wieder in das Verfahren eingebracht werden. Jedoch ist die dreimonatige Klagefrist des § 61b Absatz 1 ArbGG als materielle Ausschlussfrist zu beachten.


    In Sachen
    pp.
    hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 21. Kammer,
    auf die mündliche Verhandlung vom 27. Oktober 2022
    durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende
    sowie die ehrenamtliche Richterin ... und den ehrenamtlichen Richter ......
    für Recht erkannt:

    Tenor:

    I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 27. Oktober 2021 - 60 Ca 6792/20 - wird als unzulässig verworfen, soweit der Kläger eine Entschädigung in Höhe von mehr als 13.203,12 Euro (drei Bruttomonatsentgelte der Entgeltgruppe 14 Stufe 1 TVöD) begehrt.

    Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

    II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

    III. Soweit die Berufung zurückgewiesen worden ist, wird die Revision zugelassen. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.



    Tatbestand



    Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Entschädigung wegen Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz bei einer Stellenbesetzung.



    Der am .... 1983 geborene, wegen der Lähmung seines linken Arms mit einem Grad von 80 schwerbehinderte Kläger studierte an der Technischen Fachhochschule (TFH) W. (jetzt: Technische Hochschule (TH) W.) im Fachbereich Ingenieurwesen/Wirtschaftsingenieurwesen Luftfahrttechnik/Luftfahrtlogistik und schloss dieses 2009 mit dem Master of Engineering (M.Eng.) ab. 2018 wurde er an der Universität Roma Tor Vergata promoviert.



    Im Herbst 2019 schrieb das im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für D. und V. (BMDV), ehemals Bundesministerium für V. und d. I. (BMVI), angesiedelte L.-Bundesamt (LBA) eine nach Entgeltgruppe 14 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst im Bereich des Bundes (TVöD Bund) bewertete Stelle für einen oder eine Sachbearbeiter*in für die Leitung des Sachbereiches S in der Außenstelle Berlin und der Leitung des Sachgebietes "Überwachung Luftfahrtunternehmen und Ausbilder/Luftsicherheitsschulungen" im Sachbereich S aus. Mit der Durchführung des Stellenbesetzungsverfahrens beauftragte das LBA die Bundesanstalt für V. (BAV). In der Ausschreibung (Blatt 13 f. (folgende) der Akten) heißt es auszugsweise wie folgt:



    "...



    Ihr Profil



    Zwingende Anforderungskriterien



    • Laufbahnbefähigung zum höheren nichttechnischen oder technischen Verwaltungsdienst oder



    • Erfolgreich abgeschlossenes wissenschaftliches Hochschul-/Masterstudium in einer für die Verwendung förderlichen Fachrichtung, z.B. Verwaltungswissenschaften oder Luft- und Raumfahrttechnik



    ...



    Wichtige Anforderungskriterien



    • Kenntnisse im Luftsicherheitsrecht



    • Mehrjährige Erfahrung in Personalführung



    ...



    Besondere Hinweise



    ...



    Schwerbehinderte Menschen werden bei gleicher fachlicher Eignung bevorzugt. Es wird nur ein Mindestmaß an körperlicher Eignung verlangt.



    ...



    Fühlen Sie sich angesprochen?



    ...



    Bitte laden Sie im weiteren Verlauf Ihre vollständigen und aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen (Lebenslauf, Uni-Diplom-/Masterurkunde und -zeugnis und/oder Nachweis über die Laufbahnbefähigung, insbesondere das Vorliegen sämtlicher Anforderungen ist durch Beurteilungen, Zeugnisse, Lehrgangsnachweise o.ä. nachzuweisen) als Anlage in Ihr Kandidatenprofil hoch.



    ...



    Bei Masterabschlüssen an einer Fachhochschule/Hochschule bitten wir um Beifügung eines Akkreditierungsnachweises.



    ..."



    Die Anforderung eines Akkreditierungsnachweises geht auf eine Vereinbarung der ständigen Konferenz der Innenminister*innen und -senator*innen der Länder (Innenministerkonferenz) sowie der ständigen Konferenz der Kultusminister*innen der Länder (Kultusministerkonferenz) vom 7. Dezember/20. September 2007 über den Zugang zu den Laufbahnen des höheren Dienstes für (Fach-)Hochschulabsolvent*innen mit Masterabschluss (Blatt 84 f. der Akten) zurück, durch die eine frühere Vereinbarung vom 24. Mai/6. Juni 2002 über ein Verfahren zur Vergabe des Zusatzes "Der Masterabschluss eröffnet den Zugang zum höheren Dienst" abgelöst wurde. Die Vereinbarung sieht vor, dass mit einem in einem vom Akkreditierungsrat akkreditierten Studiengang an einer (Fach-)Hochschule erworbenen Masterabschluss die Voraussetzungen für den höheren Dienst erfüllt sind. Der Studiengang Luftfahrttechnik/Luftfahrtlogistik an der TH W. wurde am 30. Juni 2014 akkreditiert.



    Nach der für die Beklagte geltenden Entgeltordnung (Anlage 1 zum Tarifvertrag über die Entgeltordnung des Bundes (TV EntgO Bund)) ist nach dem für den Verwaltungsdienst geltenden Teil I für eine Eingruppierung in der Entgeltgruppe 14 unter anderem ein abgeschlossenes wissenschaftliches Hochschulstudium erforderlich. Nach § 7 Absatz 2 Satz 3 des TV EntgO Bund in der bis zum 30. September 2019 geltenden Fassung war ein an einer Fachhochschule erworbener Masterabschluss einem wissenschaftlichen Hochschulabschluss unter der Voraussetzung gleichgestellt, dass er den Zugang zur Laufbahn des höheren Dienstes eröffnet. Durch Änderungstarifvertrag Nr. 7 vom 9. September 2019 wurde § 7 des TV EntgO Bund mit Wirkung ab dem 1. Oktober 2019 neu gefasst. Dabei wurde das Akkreditierungserfordernis für an (Fach-) Hochschulen erworbene Masterabschlüsse in § 7 Satz 1 und 5 TV EntgO Bund grundsätzlich beibehalten, aber nach der Protokollerklärung zum Satz 5 des § 7 TV EntgO Bund befristet bis zum 31. Dezember 2024 ausgesetzt. Mit Rundschreiben vom 13. Januar 2020 (Blatt 129 ff. (fortfolgende) der Akten) wurde die Änderung des Tarifvertrages durch das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI), ehemals Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, den obersten Bundesbehörden bekannt gegeben.



    Mit an das LBA gerichtetem Schreiben vom 11. Oktober 2019 (Blatt 15 ff. der Akten) bewarb sich der Kläger auf die ausgeschriebene Stelle unter Hinweis auf seine Schwerbehinderung und fügte seiner Bewerbung unter anderem ein Schreiben der TH W. vom 10. Dezember 2015 (Blatt 26 der Akten) bei, in dem Prof. P. dem Kläger bestätigt, dass die vom ihm erfolgreich absolvierten Studiengänge Luftfahrttechnik/Luftfahrtlogistik (Bachelor und Master) programmakkreditiert seien und die TH W. systemakkreditiert sei.



    Mit Schreiben vom 4. Februar 2020 (Blatt 35 der Akten) teilte das BAV dem Kläger mit, dass seine Bewerbung für die ausgeschriebene Stelle leider nicht habe berücksichtigt werden können. Die Auswahl sei auf einen oder eine andere* Bewerber*in gefallen. Mit an die BAV gerichtetem anwaltlichem Schreiben vom 23. März 2020 (Blatt 36 der Akten) verlangte der Kläger unter Hinweis auf die Verpflichtung, schwerbehinderte Bewerber*innen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, Auskunft über die Gründe für die Ablehnung. Mit Schreiben vom 2. April 2020 (Blatt 37 der Akten) antwortete das LBA darauf auszugsweise Folgendes:



    "...



    Weder besitzt Ihr Mandant die Laufbahnbefähigung zum höheren nichttechnischen oder technischen Verwaltungsdienst, noch verfügt er über ein erfolgreich abgeschlossenes wissenschaftliches Masterstudium. Denn entgegen der seinen Bewerbungsunterlagen beigefügten Bescheinigung eines Herrn Prof. P., hat Ihr Mandant keinen akkreditierten Studiengang absolviert. Da bereits anhand der eingereichten Bewerbungsunterlagen mangels Erfüllung der zwingenden Anforderungskriterien die offensichtliche fachliche Ungeeignetheit festgestellt werden konnte, durfte vorliegend auf eine Einladung zu einem Bewerbungsgespräch verzichtet werden.



    Darüber hinaus teilen wir mit, dass die Ablehnung Ihres Mandanten nicht näher zu begründen war, da die Beschäftigungsquote schwerbehinderter und gleichgestellter Menschen im Geschäftsbereich des BMVI mit einer Quote von 9,67 % im Jahr 2019 die gesetzlich geforderte Quote übertroffen hat."



    Daraufhin machte der Kläger gegenüber dem LBA mit anwaltlichem Schreiben vom 23. April 2020 (Blatt 38 ff. der Akten) einen "Schmerzensgeldanspruch in Höhe von mindestens 30.000,00 Euro" wegen Diskriminierung aufgrund seiner Behinderung und seines Alters geltend. Mit Schreiben vom 7. Mai 2020 (Blatt 41 der Akten) wies das LBA die Forderung zurück.



    Mit der am 26. Mai 2020 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen, der Beklagten am 9. Juni 2020 zugestellten Klage hat der Kläger den geltend gemachten Anspruch weiterverfolgt.



    Der Kläger hat gemeint, aufgrund der erst nach seinem Masterabschluss erfolgten Akkreditierung seines Studiengangs könne ihm die fachliche Eignung für die ausgeschriebene Stelle nicht abgesprochen werden. Er hätte deshalb zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden müssen. Außerdem gebe es auch noch weitere Indizien, dass seine Bewerbung wegen seiner Behinderung und vermutlich auch deshalb abgelehnt worden sei, weil die Behindertenquote im Geschäftsbereich des BMVI bereits erfüllt gewesen sei. Die von der Beklagten eingereichte Bewerberliste sei nicht geeignet, den Diskriminierungsverdacht zu widerlegen, da sie Lücken aufweise, im Laufe der Zeit wohl vielfach handschriftlich geändert worden sei und erhebliche Widersprüche bestünden. Zudem stelle der Verweis auf die fehlende Akkreditierung eine Diskriminierung wegen des Alters dar, da er seinen Hochschulabschluss erlangt habe, als das System der Akkreditierungswesens noch nicht voll etabliert gewesen sei. Er sei zumindest gleich geeignet wie der eingestellte Herr K.. Daher hätte er bei benachteiligungsfreier Auswahl eingestellt werden müssen.



    Der Kläger hat beantragt,



    die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine Entschädigung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. Mai 2020.



    Die Beklagte hat beantragt,



    die Klage abzuweisen.



    Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, das LBA sei nicht verpflichtet gewesen, den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, da er aufgrund der fehlenden Akkreditierung seines Masterabschlusses die Mindestanforderungen an die Besetzung der ausgeschriebenen Stelle nicht erfüllt habe und damit offensichtlich fachlich ungeeignet gewesen sei. Zwar sei das Erfordernis der Akkreditierung bis zum 31. Dezember 2024 ausgesetzt. Da dem LBA dies jedoch erst im Januar 2020 bekannt gegeben worden sei, habe für das Auswahlverfahren noch die alte Regelung gegolten. Aus der von der Personalsachbearbeiterin des LBA Frau S. (jetzt: B.) mit handschriftlichen Notizen versehenen Bewerberliste (Blatt 49 f. der Akten) gehe eindeutig hervor, dass der Kläger allein wegen der fehlenden Akkreditierung seines Masterabschlusses und nicht wegen seiner Schwerbehinderung keine Einladung zum Vorstellungsgespräch erhalten habe. Der Kläger sei genauso wie alle anderen Bewerber*innen, die über keinen akkreditierten Masterabschluss verfügt haben, behandelt worden. Ob es sich dabei um eine rechtlich zulässige Eingrenzung des Bewerberkreises gehandelt habe, sei nicht relevant. Jedenfalls aber wäre der Kläger nicht eingestellt worden, da er anders als der eingestellte Herr K. nicht über die notwendige Personalführungserfahrung verfügt habe.



    Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 25. Mai 2020 (Blatt 7 - 12 der Akten), 29. Oktober 2020 (Blatt 77 - 83 der Akten) und 25. Februar 2021 (Blatt 141 der Akten) sowie auf die Schriftsätze der Beklagten vom 18. Juni 2020 (Blatt 45 - 48 der Akten) und 1. Februar 2021 (Blatt 116 - 120 der Akten) verwiesen.



    Mit Urteil vom 27. Oktober 2021 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, ein Anspruch auf eine Entschädigung in Höhe von mindestens 30.000,00 Euro bestehe nicht. Es fehle an der erforderlichen Kausalbeziehung zwischen der unmittelbaren Benachteiligung des Klägers im Verhältnis zu Herrn K. und dem Status des Klägers als schwerbehinderter Mensch. Zwar sei der Kläger für die ausgeschriebene Stelle aus objektiver Sicht nicht als offensichtlich ungeeignet anzusehen, da die Akkreditierung des erfolgreich absolvierten Studiengangs als Auswahlkriterium nach Artikel 33 Absatz 2 GG (Grundgesetz) rechtlich zweifelhaft sei, weil sie alle Bewerber*innen, die Ihren Fachhochschulabschluss zu einem Zeitpunkt absolviert haben, zu dem das System noch nicht bestanden habe, ausschließe. Jedoch ließen die von der Beklagten vorgetragenen äußeren Tatsachen und insbesondere die von Frau S. auf der Bewerberliste schriftlich verfasste Vorauswahl in ihrer Gesamtschau darauf schließen, dass der Ausschluss des Klägers aus dem Auswahlverfahren allein auf der fehlenden Akkreditierung und nicht auf einer schwerbehindertendiskriminierenden Motivlage beruht habe.



    Ob aufgrund des Schreibens des Klägers vom 23. März 2020 die materiellrechtliche Ausschlussfrist des § 15 Absatz 4 Satz 1 und 2 AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) gewahrt sei, sei fraglich, könne aber dahinstehen. Sofern man das Schreiben als Geltendmachungsschreiben werte, sei die Klagefrist des § 61b Absatz 1 ArbGG jedenfalls eingehalten.



    Soweit die Klageforderung drei Entgelte nach der Entgeltgruppe 14 Erfahrungsstufe 1 TVöD Bund überschreite, sei die Klage schon deshalb unbegründet, weil nicht festgestellt werden könne, dass der Kläger im Fall seiner diskriminierungsfreien weiteren Einbeziehung in das Stellenbesetzungserfahren eingestellt worden wäre, da Herr K. dem Kläger im Hinblick auf das "wichtige Anforderungskriterium" einer "mehrjährigen Erfahrung in Personalführung" überlegen erscheine.



    Soweit der Kläger Zinszahlungen begehre, sei die Klage unbegründet, weil die Hauptforderung nicht zum Entstehen gelangt sei.



    Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (Blatt 169 - 176 der Akten) verwiesen.



    Gegen dieses dem Kläger am 16. März 2022 zugestellte Urteil richtet sich die am 22. März 2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangene Berufung des Klägers, welche er nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 16. Juni 2022 mit am 31. Mai 2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet hat.



    Der Kläger bleibt dabei, dass die Berufung des LBA auf die fehlende Akkreditierung des von ihm absolvierten Studiengangs eine Altersdiskriminierung, insbesondere aber eine Diskriminierung wegen seiner Schwerbehinderung darstelle. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts habe die Beklagte den Vorwurf der Schwerbehindertendiskriminierung nicht ausreichend entkräftet. Insbesondere habe das Arbeitsgericht seine Auffassung nicht auf die von der Beklagten eingereichte Bewerberliste stützen dürfen, da er die Echtheit der Liste als ersichtlich manipuliert bestritten und die Beklagte deren inhaltliche Echtheit bis heute nicht nachgewiesen habe. Außerdem sei die Liste als Beweismittel für ein ordentliches Auswahlverfahren unter Beachtung der Schwerbehindertenrechte auch deshalb untauglich, weil sie durch die Streichung des schließlich eingestellten Herr K. das Bewerbungsverfahren nicht widerspiegele. Zudem habe das LBA Herrn M., der ebenfalls über keinen akkreditierten Studienabschluss verfüge, zum Bewerbungsgespräch eingeladen. Dadurch dränge sich der Vorwurf der Diskriminierung geradezu auf.



    Der Kläger beantragt zuletzt,



    das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 27. Oktober 2022 - 60 Ca 6792/20 - abzuändern und



    die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine Entschädigung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. Mai 2020.



    Die Beklagte beantragt,



    die Berufung zurückzuweisen.



    Die Beklagte meint, die Berufungsbegründung genüge nicht den Anforderungen an eine ordentliche Berufungsbegründung. Im Übrigen verteidigt die Beklagte das angefochtene Urteil. Selbst wenn die offensichtliche fachliche Ungeeignetheit des Klägers aus objektiver Sicht nicht auf die fehlende Vorlage eines Akkreditierungsnachweises gestützt werden könne, ergebe sich daraus kein Indiz für eine Alters- oder Schwerbehindertendiskriminierung. Sämtliche handschriftlichen Notizen auf der nunmehr als Farbdruck erneut eingereichten Bewerberliste (Blatt 208a der Akten) stammten von Frau B. (vormals S.) und seien zu unterschiedlichen Zeitpunkten mit unterschiedlichen Stiften angebracht worden. Es handele sich um eine Arbeitsunterlage, die neben der Abarbeitung der Auswahlkriterien auch als Gedankenstütze gedient habe und nicht dazu geeignet sei, den gesamten Ablauf und Inhalt der Bewerberauswahlverfahrens zu dokumentieren. Ihr Prozessbevollmächtigter habe die Liste im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht im Original vorgelegt und könne sich nicht daran erinnern, dass noch Einwände erhoben worden seien. Im Hinblick auf Herrn K. sei es zunächst zu der Fehleinschätzung gekommen, dass er ebenso wie der Kläger das Erfordernis eines akkreditierten Studiengangs nicht erfülle. Herr M. sei lediglich in einem früheren, jedoch nicht im streitgegenständlichen Auswahlverfahren zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden. Ergänzend verweist die Beklagte darauf, dass das Schreiben vom 23. März 2020 die Ausschlussfrist des § 15 Absatz 4 Satz 1 AGG auch schon deshalb nicht habe wahren können, weil es an das BAV gerichtet gewesen sein, gleichwohl für den Kläger jederzeit erkennbar gewesen sei, dass das BAV das Bewerberauswahlverfahren im Namen und im Auftrag des LBA durchführt habe, und er auch sein Bewerbungsschreiben an das LBA adressiert habe.



    Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 31. Mai 2022 (Blatt 193 - 195 der Akten) und den Schriftsatz der Beklagten vom 21. Juni 2022 (Blatt 202 - 206 der Akten) verwiesen.



    Entscheidungsgründe



    Die Berufung hat keinen Erfolg.



    I. Soweit der Kläger eine Entschädigung in Höhe von mehr als drei Bruttomonatsentgelten der Entgeltgruppe 14 Stufe 1 TVöD begehrt, ist die Berufung bereits unzulässig. Im Übrigen ist die Berufung zulässig.



    1. Die Berufung ist nach § 8 Absatz 2, § 64 Absatz 1 und 2 Buchstabe b ArbGG statthaft sowie form- und fristgerecht im Sinne von § 64 Absatz 6 Satz 1, § 66 Absatz 1 Satz 1 und 2 ArbGG, § 519 ZPO eingelegt worden.



    2. Die Berufung ist auch form- und fristgerecht im Sinne von § 64 Absatz 6 Satz 1, § 66 Absatz 1 Satz 1, 2 und 5 ArbGG, § 520 Absatz 3 Satz 1 ZPO begründet worden. Jedoch genügt sie den inhaltlichen Anforderungen des § 520 Absatz 3 Satz 2 Nr. 2 bis 4 ZPO an eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung nur im Hinblick auf eine Entschädigung von bis zu drei Bruttomonatsentgelten auf der in Aussicht genommenen Stelle. Das ist bei einer Eingruppierung in der Entgeltgruppe 14, Erfahrungsstufe 1 TVöD Bund und einer nach dem Verlauf des Bewerbungsverfahrens voraussichtlichen Besetzung der Stelle zum 1. März 2020 ein Betrag von 13.203,12 Euro (3 x 4.401,04 Euro). Im Hinblick auf die Geltendmachung einer höheren Entschädigung von mindestens 30.000,00 Euro hat sich der Kläger mit der erstinstanzlichen Entscheidung nicht auseinandergesetzt. Deshalb ist die Berufung insoweit unzulässig.



    a) Nach § 520 Absatz 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Sie muss erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht der berufungsklagenden Partei unrichtig ist und auf welchen Gründen die Ansicht im Einzelnen beruht. Eine schlüssige, rechtlich haltbare Begründung kann zwar nicht verlangt werden, doch muss die Berufungsbegründung auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen und tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung des Arbeitsgerichts in formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (ständige Rechtsprechung des BAG siehe zum Beispiel BAG (Bundesarbeitsgericht) 19. Oktober 2010 - 6 AZR 118/10 - Rn. (Randnummer) 7; ähnlich auch BAG 26. April 2017 - 10 AZR 275/16 - Rn. 13 jeweils mwN (mit weiteren Nachweisen)). Andererseits kann von der rechtsmittelführenden Partei nicht mehr an Begründung verlangt werden, als vom Gericht selbst aufgewandt worden ist (BAG 20. November 2019 - 5 AZR 21/19 - Rn. 15; BAG 6. September 2018 - 6 AZR 204/17 - Rn. 16).



    Hat das Erstgericht seine Entscheidung auf mehrere voneinander unabhängige selbstständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung das Urteil in allen diesen Punkten angreifen. Es ist deshalb für jede der rechtlich selbstständig tragenden Erwägungen darzulegen, warum sie nach Auffassung der berufungsklagenden Partei die Entscheidung nicht rechtfertigt. Andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (BAG 26. April 2017 - 10 AZR 275/16 - Rn. 14 mwN). Entsprechendes gilt, wenn sich das Rechtsmittel auf mehrere Ansprüche im prozessualen Sinne bezieht. In diesem Fall ist zu jedem Anspruch eine ausreichende Begründung zu geben. Ein einheitlicher Angriff genügt nur dann, wenn die Entscheidung über den nicht eigens behandelten Anspruch denknotwendig von der ordnungsgemäß angegriffenen Entscheidung über den anderen Anspruch abhängt (vergleiche BAG 24. Oktober 2019 - 8 AZR 528/18 - Rn. 18 mwN).



    b) Danach genügt die Berufungsbegründung den gesetzlichen Anforderungen, soweit der Kläger eine Entschädigung von bis zu 13.203,12 Euro nebst Zinsen begehrt. Im Übrigen hat der Kläger das angefochtene Urteil nicht ausreichend angegriffen.



    aa) Das Arbeitsgericht hat die Abweisung der Klage in erster Linie darauf gestützt, dass sich aus dem Vorbringen der Beklagten, insbesondere der vorgelegten mit handschriftlichen Notizen versehenen Bewerberliste ergebe, dass der Ausschluss des Klägers aus dem Auswahlverfahren allein auf der fehlenden Akkreditierung seines Studiengangs und nicht auf einer schwerbehindertendiskriminierenden Motivlage beruht habe. Damit hat sich der Kläger entgegen der Ansicht der Beklagten in der Berufungsbegründung ausreichend auseinander gesetzt. Zum einen hat er gerügt, das Arbeitsgericht habe sich bei seiner Entscheidung nicht auf die Bewerberliste stützen dürfen, da er die inhaltliche Echtheit der Liste bestritten habe und die Beklagte diese nicht nachgewiesen habe. Zudem sei die Bewerberliste als Beweismittel für die Entkräftung des Diskriminierungsvorwurfs auch schon deshalb untauglich, weil sie das Bewerbungsverfahren nicht widerspiegele. Zum anderen hat er gegen Annahme des Arbeitsgerichts, die Beklagte habe bei der Auswahl allein auf das Akkreditierungserfordernis abgestellt, eingewandt, die Beklagte habe Herrn M., gleichwohl dieser ebenfalls über keinen akkreditierten Studienabschluss verfügt habe, zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Damit hat der Kläger Gründe vorgebracht, die grundsätzlich geeignet sind, das erstinstanzliche Urteil in Frage zu stellen. Darauf, ob die genannten Aspekte im Ergebnis durchgreifend sind, kommt es für die Zulässigkeit der Berufung nicht an.



    bb) Soweit der Kläger eine Entschädigung von mehr als 13.203,12 Euro begehrt, hat das Arbeitsgericht die Klageabweisung ferner darauf gestützt, dass der Kläger, selbst wenn er aus dem Auswahlverfahren nicht ausgeschlossen worden wäre, jedenfalls nicht eingestellt worden wäre. Zu dieser insoweit selbstständig tragende weiteren Erwägung verhält sich die Berufungsbegründung nicht. Daher ist die Berufung bezüglich der 13.203,12 Euro übersteigenden Forderung unzulässig.



    cc) Einer Auseinandersetzung mit den Gründen für die Abweisung der Zinsforderung bedurfte es nicht, da der Zinsanspruch denknotwenig vom Bestehen der Hauptforderung abhängt.



    II. Soweit die Berufung zulässig ist, ist sie jedoch nicht begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf eine Entschädigung nach § 15 Absatz 2 AGG von bis zu drei Bruttomonatsentgelten bzw. 13.203,13 Euro, weder wegen Benachteiligung aufgrund seiner Schwerbehinderung noch wegen Benachteiligung aufgrund seines Alters.



    1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Absatz 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger verfolgt sein Klagebegehren nicht im Wege einer unzulässigen alternativen Klagehäufung.



    a) Eine alternative Klagehäufung, bei der der Kläger ein einheitliches Klagebegehren aus mehreren prozessualen Ansprüchen (Streitgegenständen) herleitet und dem Gericht die Auswahl überlässt, auf welchen Klagegrund es die Verurteilung stützt, verstößt gegen das Gebot des § 253 Absatz 2 Nr. 2 ZPO, den Klagegrund bestimmt zu bezeichnen. Deshalb muss, was auch konkludent möglich ist, eine Rangfolge gebildet werden, in der die Streitgegenstände zur Entscheidung durch das Gericht gestellt werden. Das ist auch noch im Verlauf des weiteren Verfahrens möglich (vergleiche BAG 30. März 2022 - 10 AZR 419/19 - Rn. 23 mwN).



    b) Diesen Anforderungen wird der Antrag gerecht.



    aa) Offenbleiben kann, ob es sich bei der Geltendmachung einer Benachteiligung wegen mehrerer Merkmale im Sinne § 1 AGG stets um mehrere Streitgegenstände handelt (so möglichweise BAG 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 17). Jedenfalls ist hier von zwei Streitgegenständen auszugehen. Der Kläger stützt seine Klageforderung auf verschiedene Lebenssachverhalte und beruft sich nicht etwa auf eine Diskriminierung wegen mehrerer von § 1 AGG erfasster Merkmale durch ein und denselben Lebenssachverhalt (näher dazu HK (Handkommentar)-AGG/Däubler, 5. Auflage § 4 Rn. 8 ff.). Zum einen macht der Kläger geltend, er sei bei der Besetzung der vom LBA ausgeschriebenen Stelle aufgrund seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden, was sich unter anderem daran zeige, dass er entgegen der Verpflichtung der Beklagten nach § 165 SGB IX (Neuntes Buch Sozialgesetzbuch) nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden sei. Zum anderen macht er geltend, sofern er wegen der fehlenden Akkreditierung seines Masterstudiengangs aus dem Auswahlverfahren ausgeschlossen worden sei, liege darin eine Diskriminierung wegen seines Alters, da das System der Akkreditierung zum Zeitpunkt seines Hochschulabschlusses noch nicht voll etabliert gewesen sei.



    bb) Aus der Klageschrift geht hinreichend deutlich hervor, dass der Kläger sein Klagebegehren in erster Linie auf eine Diskriminierung wegen seiner Schwerbehinderung stützt und nur hilfsweise, für den Fall, dass das maßgebliche Ausschlusskriterium tatsächlich die fehlende Akkreditierung seines Masterabschlusses gewesen sei, auf eine Diskriminierung wegen seines Alters. Zwar heißt es in der Klagebegründung, in der von der Beklagten im Schreiben vom 2. April 2020 für die Ablehnung seiner Bewerbung gegebenen Begründung liege eine Diskriminierung wegen seines Alters sowie wegen seiner Schwerbehinderung und durch die Zurückweisung seiner Bewerbung aufgrund fehlender Akkreditierung sei eine weitere Diskriminierung wegen seines Alters erfolgt. Jedoch verweist der Kläger im Anschluss daran ausdrücklich darauf, dass er aufgrund seiner Behinderung abgelehnt worden sei und vermutlich auch deshalb, weil die Behindertenquote im Geschäftsbereich des BMVI bereits erfüllt worden sei. Ferner heißt es in dem in der Klageschrift in Bezug genommenen Geltendmachungsschreiben vom 23. April 2020, durch das Schreiben der Beklagten vom 2. April 2022 sei der Verdacht, dass seine Bewerbung aufgrund seiner Behinderung abgelehnt worden sei, nicht ausgeräumt. Bestätigt wird dieses Verständnis der Klageschrift weiter dadurch, dass der Kläger im weiteren Verlauf des Verfahrens das Vorbringen der Beklagten zur Akkreditierung als maßgebliches Kriterium bestritten hat und daran auch im Berufungsverfahren festgehalten hat. Damit wird deutlich, dass eine Diskriminierung wegen des Alters nur geltend gemacht werden soll, falls der Kläger mit diesem Vorbringen nicht durchdringt.



    2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet.



    a) Dahingestellt bleiben kann, ob unter anderem die Nichteinladung des Klägers zum Vorstellungsgespräch eine Benachteiligung aufgrund seiner Schwerbehinderung bei der Besetzung der ausgeschriebenen Stelle nach § 22 AGG vermuten lässt und ob die Beklagte diese Vermutung widerlegt hat. Ebenso kann offenbleiben, ob der vom LBA verlangte Nachweis eines akkreditieren Masterabschlusses eine mittelbare Altersdiskriminierung darstellt, weil der Kläger sein Masterstudium an der TH W. abgeschlossen hat, als das Akkreditierungssystem noch nicht etabliert war. Schließlich bedarf es auch keiner Entscheidung, welche Bedeutung dem Umstand zukommt, dass das Akkreditierungserfordernis aufgrund der am 1. Oktober 2019 in Kraft getretenen Protokollerklärung zum neu gefassten § 7 Satz 5 TV EntgO Bund bis zum 31. Dezember 2024 ausgesetzt war und das LBA hiervon durch das Rundschreiben des BMI vom 13. Januar 2020, also noch vor der endgültigen Ablehnung der Bewerbung des Klägers mit Schreiben vom 4. Februar 2020 in Kenntnis gesetzt worden war.



    b) Der Kläger hat nach § 15 Absatz 2 AGG schon deshalb keinen Anspruch auf eine Entschädigung wegen unzulässiger Benachteiligung aufgrund seiner Schwerbehinderung oder seines Alters, weil er die Ansprüche nicht rechtzeitig innerhalb der Fristen des § 15 Absatz 4 Satz 1 AGG und § 61b Absatz 1 ArbGG geltend gemacht hat.



    aa) Nach § 15 Absatz 4 Satz 1 AGG muss ein Anspruch nach § 15 Absatz 1 oder 2 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Nach § 15 Absatz 4 Satz 2 AGG beginnt die Frist im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Da erfolglose Bewerber*innen mit der Ablehnung ihrer Bewerbung nicht notwendigerweise Kenntnis von einer Benachteiligung und dem Bestehen einen Anspruchs nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz haben, ist die Vorschrift unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass die Frist im Falle einer erfolglosen Bewerbung oder eines unterbliebenen beruflichen Aufstiegs frühestens mit dem Zeitpunkt beginnt, ab dem die betroffene Person Kenntnis von der Benachteiligung hat (vergleiche BAG 15. März 2012 - 8 AZR 37/11 - Rn. 55 ff.; BAG 21. Januar 2021 - 8 AZR 195/19 - Rn. 81). Dabei kommt es nicht darauf an, dass die betroffene Person positive Kenntnis von den Motiven des oder der (potentiellen) Arbeitgeber*in für die Ablehnung der Bewerbung hat. Aufgrund der Beweislastregel des § 22 AGG genügt es vielmehr, wenn sie ein ausreichendes Indiz für eine solche Benachteiligung kennt (vergleiche BAG 15. März 2012 - 8 AZR 37/11 - Rn. 62 ff.). Ferner bestimmt § 61b Absatz 1 ArbGG, dass eine Klage auf eine Entschädigung nach § 15 AGG innerhalb von drei Monaten, nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht worden ist, erhoben werden muss. Bei beiden Fristen, sowohl der Geltendmachungsfrist als auch der Klagefrist, handelt es sich um materiellrechtliche Ausschlussfristen mit der Folge, dass ein möglicher Entschädigungsanspruch verfällt, wenn eine der Fristen nicht eingehalten wird (vergleiche BAG 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 16).



    bb) Danach ist ein möglicher Entschädigungsanspruch des Klägers wegen Benachteiligung aufgrund seiner Schwerbehinderung oder aufgrund seines Alters verfallen.



    (1) Einen möglichen Anspruch auf eine Entschädigung wegen Benachteiligung aufgrund seiner Schwerbehinderung hat der Kläger nicht innerhalb des Frist des § 15 Absatz 4 Satz 1 AGG geltend gemacht.



    (a) Mit dem Zugang des Ablehnungsschreibens vom 4. Februar 2020 hatte der Kläger Kenntnis von den für den Anspruch maßgeblichen Tatsachen. Er wusste, dass das Auswahlverfahren abgeschlossen und seine Bewerbung nicht berücksichtigt worden war. Er wusste auch, dass er nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden war, gleichwohl er aus seiner Sicht die Anforderungen an die zu besetzende Stelle erfüllte bzw. sogar übererfüllte. Damit kannte er alle notwendigen Umstände, um einen Anspruch auf eine Entschädigung wegen Benachteiligung aufgrund seiner Schwerbehinderung gegenüber der Beklagten geltend zu machen (vergleiche BAG 15. März 2012 - 8 AZR 37/11 - Rn. 68 ff.).



    (b) Er hat den Anspruch gleichwohl erst mit Schreiben vom 23. April 2020 und damit außerhalb der Zweimonatsfrist des § 15 Absatz 4 Satz 1 AGG geltend gemacht. § 37 TVöD Bund, wonach Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten geltend gemacht werden müssen, findet auf die Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses keine Anwendung (vergleiche BAG 15. März 2012 - 8 AZR 37/11 - Rn. 25 ff. zu § 37 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L)).



    (c) Das an die BAV gerichtete Schreiben vom 23. März 2020 genügt den Anforderungen an eine Geltendmachung nicht. Zwar durfte der Kläger die BAV, die das LBA mit der Durchführung des Stellenbesetzungsverfahrens beauftragt hatte, über die der Kläger seine Bewerbung im für das Elektronische Bewerbungsverfahren (EBV) vorgesehenen Portal einstellen sollte und die ihm unter ihrem Briefkopf die Ablehnung der Bewerbung mitgeteilt hatte, für die Entgegennahme der weiteren Korrespondenz im Zusammenhang mit dem Stellenbesetzungsverfahren für zuständig halten, zumindest aber davon ausgehen, dass diese - wie geschehen - eingehende Schreiben an die LBA weiterleitet (vergleiche dazu HK-AGG/Deinert, § 15 Rn. 128). Jedoch hat der Kläger mit dem Schreiben vom 23. März 2020 von der Beklagten keine Entschädigung wegen Diskriminierung als schwerbehinderter Mensch gefordert, sondern lediglich den Verdacht einer solchen Diskriminierung geäußert und Auskunft über die Gründe für die Ablehnung verlangt.



    (2) Einen möglichen Anspruch auf eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung hat der Kläger mit Schreiben vom 23. April 2020 zwar rechtzeitig innerhalb der Frist des § 15 Absatz 4 Satz 1 AGG gegenüber der Beklagten schriftlich geltend gemacht, da er von den hierfür maßgeblichen Tatsachen erst durch das Schreiben der Beklagten vom 2. April 2020 Kenntnis erlangt hat. Auch hatte der Kläger den Anspruch mit der am 6. Mai 2020 erhobenen Klage innerhalb von drei Monaten nach der schriftlichen Geltendmachung gerichtlich anhängig gemacht. Jedoch ist die Anhängigkeit der Klage insoweit nachträglich wieder entfallen. Daher ist die Geltendmachung des Anspruchs im Berufungsverfahren als Klageerweiterung zu verstehen, durch welche die Frist des § 61b Absatz 1 ArbGG aber nicht mehr gewahrt werden konnte.



    (a) Wird ein nach dem ursprünglich festgestellten oder nachträglich berichtigten Tatbestand von einer Partei geltend gemachter Haupt- oder Nebenanspruch ganz oder teilweise übergangen, ist das Urteil nach § 321 Absatz 1 ZPO auf Antrag durch nachträgliche Entscheidung zu ergänzen. Nach § 321 Absatz 2 ZPO muss die Urteilsergänzung innerhalb von zwei Wochen nach der Zustellung des Urteils beantragt werden. Wird der Antrag auf Urteilsergänzung nicht fristgerecht gestellt, entfällt die Rechtshängigkeit des übergangenen Anspruchs. Allerdings kann ein solcher Anspruch in der zweiten Instanz durch eine zulässige Klageerweiterung regelmäßig wieder neu in den Prozess eingeführt werden (vergleiche zum Ganzen BAG 10. November 2021 - 10 AZR 696/19 - Rn. 26; BAG 20. September 2019 - 3 AZR 561/17 - Rn. 40; BAG 29. Juni 2011 - 7 AZR 774/09 - Rn. 38 jeweils mwN; BeckOK (Beck´scher Online-Kommentar) ZPO/Elzer, Stand 1. September 2022, § 321 Rn. 31 f.).



    Übergangen ist ein Anspruch im Sinne des § 321 Absatz 1 ZPO, wenn das Gericht über ihn versehentlich nicht entschieden hat. Hingegen kommt eine Urteilsergänzung nicht in Betracht, wenn das Gericht über einen prozessualen Anspruch rechtsfehlerhaft bewusst nicht entschieden oder das Klagebegehren rechtsirrtümlich zu eng ausgelegt hat, weil das Urteil dann nicht unvollständig, sondern lediglich inhaltlich rechtsfehlerhaft ist (vergleiche BGH 29. Oktober 2020 - V ZR 300/19 - Rn. 12). Solche Mängel müssen mit dem jeweils zulässigen Rechtsmittel angegriffen werden (vergleiche BGH 5. März 2019 - VIII ZR 190/18 - Rn. 20). An einer Urteilslücke im Sinne des § 321 Absatz 1 ZPO fehlt es auch dann, wenn der Urteilstenor den gesamten Streitstoff erfasst und lediglich die Urteilsgründe dahinter zurückbleiben (vergleiche BAG 27. Februar 2018 - 9 AZR 167/17 - Rn. 12; BAG 20. Januar 2016 - 6 AZR 742/14 - Rn. 18; BGH 29. Oktober 2020 - V ZR 300/19 - Rn. 12). Denn Voraussetzung für die Unvollständigkeit eines Urteils ist, dass der nicht beschiedene prozessuale Anspruch nach Rechtskraft des Urteils weder zugesprochen noch abgewiesen ist, die klagende Partei den Anspruch also grundsätzlich erneut einklagen könnte (vergleiche BGH 29. Oktober 2020 - V ZR 300/19 - Rn. 12; BGH 21. Februar 2019 - VII ZR 105/18 - Rn. 39). Dies ist gegebenenfalls durch Auslegung zu ermitteln (Zöller/Vollkommer, ZPO 34. Auflage Vorbemerkungen zu § 322 ZPO Rn. 31).



    Ein Sachurteil, das eine Leistungsklage abweist, stellt regelmäßig fest, dass die erstrebte Rechtsfolge aus dem Lebenssachverhalt unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt hergeleitet werden kann. Das gilt auch dann, wenn das Gericht nicht alle in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen geprüft hat. Dieser Grundsatz gilt nicht, wenn das Gericht bewusst davon absieht, eine umfassende Prüfung vorzunehmen, und einen rechtlichen Gesichtspunkt bewusst ausgespart hat. Abweichendes ist ferner dann anzunehmen, wenn zwar nicht ausdrücklich erklärt wurde, dass der Prüfungsumfang eingeschränkt sei, die Auslegung des Urteils aber ergibt, dass der Urteilsgegenstand gegenüber dem Streitgegenstand zurückbleibt. Beruhen die einzelnen Ansprüche auf unterschiedlichen Lebenssachverhalten und bilden damit verschiedene Streitgegenstände, entfaltet eine klageabweisende Entscheidung über einen Streitgegenstand keine Bindungs- oder Rechtskraftwirkung gegenüber dem anderen Streitgegenstand (BAG 10. November 2021 - 10 AZR 696/19 - Rn. 23 mwN).



    (b) In Anwendung dieser Grundsätze war, da der Kläger keinen Antrag auf Urteilsergänzung gestellt hat, die Rechtshängigkeit eines möglichen Anspruchs auf eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung mit Ablauf von zwei Wochen nach der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 22. März 2022 entfallen. Denn das Arbeitsgericht hat den Anspruch übergangen. Es hat lediglich über den geltend gemachten Anspruch auf Entschädigung wegen Benachteiligung aufgrund der Schwerbehinderung des Klägers entschieden. Das ergibt sich aus der Auslegung des Urteils.



    Zwar hat das Arbeitsgericht nach dem Tenor der Entscheidung die Klage abgewiesen und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt, was - wenn auch nicht zwingend - darauf hindeutet, dass es die Klage vollständig einschließlich des Anspruchs auf eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung abgewiesen hat (vergleiche BGH 29. Oktober 2020 - V ZR 300/19 - Rn. 12). Dafür spricht auch, dass es den vom Kläger im Zusammenhang mit dem Akkreditierungsargument der Beklagten erhobenen Vorwurf der Altersdiskriminierung im Tatbestand erwähnt hat (Seite 8 oben des Urteils, Blatt 167 der Akten) und es unter III. der Entscheidungsgründe (Seite 17 des Urteils, Blatt 176 der Akten) im Zusammenhang mit der Kostenverteilung heißt, der Kläger sei in vollem Umfang unterlegen. Andererseits hat sich das Arbeitsgericht mit dem Anspruch im Übrigen in keiner Weise befasst und das Merkmal "Alter" in den Entscheidungsgründen nicht einmal erwähnt. Dies wiederum könnte dafür sprechen, dass dem Arbeitsgericht dieser Aspekt erst beim Absetzen des Urteils nach dessen Verkündung aufgefallen war (vergleiche BAG 26. April 2018 - 3 AZR 19/17 - Rn. 51; BAG 29. Juni 2011 - 7 AZR 774/09 - Rn. 39; aA (andere Ansicht) möglicherweise BAG 27. Februar 2018 - 9 AZR 167/17 - Rn. 11 und 13) und es sich bei der Formulierung unter III. der Entscheidungsgründe um eine Routineformulierung handelt. Dass das Arbeitsgericht den Anspruch übersehen und es nicht nur versäumt hat, dazu in den Entscheidungsgründen Ausführungen zu machen, wird deutlich, wenn man die Umfänglichkeit der Ausführungen zum Anspruch auf eine Entschädigung aufgrund der Schwerbehinderung des Klägers berücksichtigt.



    Das Arbeitsgericht hat sich mit diesem Anspruch über viele Seiten befasst. Es hat sich dabei auch nicht nur auf das aus seiner Sicht Entscheidungserhebliche beschränkt, sondern, gleichwohl es die Kausalität der Schwerbehinderung des Klägers für die unterlassene Einladung zum Vorstellungsgespräch durch das Vorbringen der Beklagten als widerlegt angesehen hat, darüber hinaus auch noch Ausführungen zur Einhaltung der Geltendmachungs- und der Klagefrist gemacht. Ferner hat es, obwohl es hierauf ebenfalls nicht entscheidend ankam, hinsichtlich des drei Bruttomonatsentgelte übersteigenden Betrages als weiteren Grund für die Abweisung der Klage die fehlende Erfahrung des Klägers in Personalführung angeführt. Schließlich hat es sich in Abrundung der Entscheidungsgründe auch noch zum Zinsanspruch geäußert. In Anbetracht dessen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Tenor des Urteils auch den geltend gemachten Entschädigungsanspruch wegen Altersdiskriminierung erfasst und das Arbeitsgericht die Klageabweisung insoweit lediglich nicht begründet hat. Denn es deutet nichts darauf hin, dass das Arbeitsgericht davon abgesehen hätte, die vielfältigen Rechtsfragen, die mit diesem Streitgegenstand verbunden sind, in den Entscheidungsgründen zu behandeln, wenn es sich dessen bei der Entscheidung bewusst gewesen wäre.



    III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Absatz 1 ZPO. Danach hat der Kläger die Kosten seines erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen.



    IV. Soweit die Berufung zurückgewiesen worden ist, wird die Revision nach § 72 Absatz 2 Nr. 1 wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Im Übrigen liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vor.

    Verkündet am 27. Oktober 2022

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