24.04.2023 · IWW-Abrufnummer 234879
Oberverwaltungsgericht Niedersachsen: Urteil vom 14.03.2023 – 3 LD 7/22
Verstoß gegen § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG durch die konkreten Angaben eines Kriminalhauptkommissars bei Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises und im Zusammenhang mit diesem Antrag; Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht (§ 34 Satz 3 BeamtStG) durch Verbreiten von Verschwörungstheorien; Verstoß gegen die Treue- und Wohlverhaltenspflicht durch Verunglimpfung staatlicher Institutionen und Organe.
Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil vom 14.03.2023
3 LD 7/22
Die Klägerin begehrt die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis.
Der am … 1963 geborene Beklagte trat nach Erwerb des erweiterten Sekundarabschlusses I (1980) im April 1981 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf als Polizeihauptwachtmeister-Anwärter in den Vorbereitungsdienst des vormals mittleren Polizeivollzugsdienstes der Schutzpolizei des Landes Niedersachsen ein (Bl. 23/Beiakte 10, Bd. 2). Mit Wirkung vom … 1983 wurde er unter Verleihung der Eigenschaft eines Beamten auf Probe zum Polizeihauptwachtmeister z. A. (Besoldungsgruppe A 6) ernannt (Bl. 42, 43/Beiakte 10, Bd. 2); die Ernennung zum Polizeihauptwachtmei-ster erfolgte mit Wirkung vom … 1985 (Bl. 58/Beiakte 10, Bd. 2). Am … 1988 wurde er zum Polizeimeister (Besoldungsgruppe A 7) befördert (Bl. 71/Beiakte 10, Bd. 2); die Verleihung der Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit erfolgte im … 1990 (Bl. 90/Beiakte 10, Bd. 2).
Nach einem Laufbahnbahnwechsel in den mittleren Polizeivollzugsdienst der Kriminalpolizei (Bl. 93/Beiakte 10, Bd. 2) wurde der Beklagte im Januar 1991 zum Kriminalobermeister (Besoldungsgruppe A 8) befördert (Bl. 98/Beiakte 10, Bd. 2). Nach erfolgreicher Absolvierung des Aufstiegslehrgangs für den vormals gehobenen Vollzugsdienst der Schutz- und Kriminalpolizei des Landes Niedersachsen wurde er mit Wirkung vom … 1998 zum Kriminalkommissar (Besoldungsgruppe A 9; Bl. 132, 133/Beiakte 10, Bd. 2), mit Wirkung vom … 2004 zum Kriminaloberkommissar (Besoldungsgruppe A 10; Bl. 158/Beiakte 10, Bd. 2) und mit Wirkung vom … 2010 zum Kriminalhauptkommissar (Besoldungsgruppe A 11) befördert (Bl. 164/Beiakte 10, Bd.2). Zuletzt war er als „Sachbearbeiter Prävention“ auf einem nach Besoldungsgruppe A 11 bewerteten Dienstposten (vgl. Bl. 169/Beiakte 10, Bd. 2) im Dezernatsteil … (…) der Klägerin eingesetzt, wo er u. a. auf Anfrage von Bürgern Beratungen zur Sicherung von deren Wohneigentum (…) durchführte.
Der Beklagte ist seit Juni 1999 von seiner ersten Ehefrau geschieden (Bl. 138 bis 142/Beiakte 10, Bd. 2), mit der er drei gemeinsame - mittlerweile erwachsene - Kinder (geboren 1988, 1990 und 1993 [Bl. 73f., 83 f., 110 f./Beiakte 10, Bd. 2]) hat. Im August 2000 heiratete er erneut (Bl. 150/Beiakte 10, Bd.2). Diese Ehe wurde im Jahr 2019 geschieden (Bl. 199 f./Beiakte 10, Bd. 2); aus ihr gingen keine Kinder hervor. Zeitlich vor den hier in Rede stehenden Vorwürfen ist der Beklagte disziplinarrechtlich nicht in Erscheinung getreten. In seiner letzten dienstlichen Beurteilung vor Einleitung des streitgegenständlichen Verfahrens - der Regelbeurteilung zum Stichtag 1. September 2017 (Beurteilungszeitraum: 1. September 2014 bis 31. August 2017) -, erhielt er das Gesamturteil „C“ - entspricht voll den Anforderungen“ (= dritthöchste von insgesamt 5 Notenstufen) mit der Binnendifferenzierung „oberer Bereich“ (höchste von insgesamt 3 Differenzierungsvarianten; Bl. 136 bis 140/Beiakte 10, Bd. 1).
Am 10. August 2020 (Bl. 1/Beiakte 11, Bd. 11) erhielt die Klägerin einen anonymen Hinweis darauf, dass der Beklagte anlässlich einer versammlungsrechtlichen Veranstaltung der Organisation „Querdenken-231“ am 9. August 2020 in G. von einem Podium aus öffentlich gesprochen habe; beigefügt war ein entsprechender Internetlink, unter welchem ein Video mit dem Redebeitrag abrufbar war. Die Veranstaltung mit dem Titel „Festival für Frieden & Freiheit - Wahrung der Grundrechte“ richtete sich insbesondere gegen die staatlicherseits erfolgten Einschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. In diesem Redebeitrag stellte sich der Beklagte dem Publikum mit Namen und Alter vor und gab an, dass er Kriminalhauptkommissar bei der niedersächsischen Polizei sei (Bl. 16/Beiakte 10, Bd. 1 [Screenshot aus dem Video]; Bl. 41/Beiakte 10, Bd. 1 [Wortprotokoll der Rede]). Er äußerte zudem u. a. (Bl. 41 bis 54/Beiakte 10, Bd. 1 [Wortprotokoll der Rede]):
• aus seiner Sicht gebe es schon lange keine Gewaltenteilung mehr, Entscheidungen in Justiz und Polizei seien politisch beeinflusst;
• für die coronapandemiebedingten Einschränkungen gebe es keine Rechtfertigung;
• er als Polizeibeamter sei zur Loyalität gegenüber der Verfassung und seinem Dienstherrn, dem Land Niedersachsen, verpflichtet, aber er sei niemandem zum bedingungslosem Gehorsam verpflichtet. Im dunkelsten Kapitel der Deutschen Geschichte hätten Regierende schon einmal ihre Sicherheitskräfte einem bedingungslosem Gehorsam unterworfen und sie für die abscheulichsten Verbrechen missbraucht, die anderen Menschen je angetan worden seien. Heute habe er Angst, denn sein Bauch sage ihm, dass sich gerade alles wieder in dieselbe Richtung entwickle. Im Dritten Reich habe die große Masse der Bevölkerung geschwiegen und nicht gehandelt und sei damit selbst zu Unterstützern der Gräueltaten der eigentlichen Täter geworden;
• er fordere alle Polizisten auf, sich zu fragen, ob sie „das alles mittragen“ könnten und wollten. Es könnten nicht Millionen von Menschen eingesperrt, überwacht oder Schlimmeres werden. Nur die vollziehende Gewalt könne in dieser Situation ihrem Verfassungsauftrag gerecht werden und die Macht wieder in die Hände des Volkes zurückgeben.
Mit Blick auf diesen Redebeitrag verbot die Klägerin dem Beklagten am 10. August 2020 unter Verweis auf § 39 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) in Verbindung mit § 48 des Niedersächsischen Beamtengesetzes (NBG) und Anordnung der sofortigen Vollziehung bis auf Weiteres die Führung der Dienstgeschäfte (Bl. 25 bis 28/Beiakte 11, Bd. 1).
Am 14. August 2020 (Bl. 73 bis 92/Beiakte 11, Bd. 1) leitete die Klägerin ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagte ein und teilte ihm diesen Umstand mit Schreiben vom selben Tage, ihm zugestellt am 17. August 2020, mit (Bl. 93 bis 97, 159, 163, 165/Beiakte 11, Bd. 1). Er habe am 9. August 2020 an der Anti-Corona-Demonstration „Coronaleugner-Demo Querdenken“ in G. teilgenommen und sei dort unter Angabe seines Namens, seiner Eigenschaft als Polizeibeamter und seines Dienstgrades öffentlich als Redner aufgetreten. Es habe zahlreiche Reaktionen in der Presse und den Sozialen Medien auf diese Rede gegeben. U. a. habe sich eine Bürgerin - Frau H. - bei ihr gemeldet und berichtet, der Beklagte habe bei ihr als der Vertreterin ihrer Hauseigentümergemeinschaft eine technische Sicherheitsberatung durchgeführt, im Rahmen derer er keine Mund-Nasen-Bedeckung getragen und Werbung für die Bewegung der Corona-Leugner gemacht habe. Von diesem Verhalten eines Polizeibeamten sei Frau H. irritiert und befremdet gewesen. Weiterhin sei bekannt geworden, dass der Beklagte gegenüber einer Kollegin des Dezernats … - der Beschäftigten Frau I. - geäußert haben solle, einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragen zu wollen. Er solle ein Buch besitzen, in dem es um die Geschichte und Vorteile dieses Ausweises gehe und solle Frau I. dieses gegeben haben. Es bestehe der Verdacht, dass er durch das beschriebene Verhalten schuldhaft gegen seine beamtenrechtlichen Pflichten aus § 33 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 BeamtStG sowie aus § 34 Satz 3 BeamtStG verstoßen und damit ein Dienstvergehen begangen habe.
Bereits am 13. August 2020 hatte die Klägerin KOR J. zum Ermittlungsführer sowie vier weitere Personen zu „Ermittlungspersonen“ bestellt (Bl. 69/Beiakte 11, Bd. 1); die Bestellung einer weiteren „Ermittlungsperson“ erfolgte am 17. August 2020 (Bl. 120/Beiakte 11, Bd. 1).
Am 17. August 2020 erfuhr die Klägerin von der Abteilungsleiterin K. des Bürgeramtes der Stadt B-Stadt, dass dem Beklagten am 1. Juli 2020 ein Staatsangehörigkeitsausweis ausgestellt worden war, dass er in einer Kopie „Antrag auf Selbstauskunft aus dem Register EStA“ (= Entscheidungen in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten) als Geburtsstaat handschriftlich „Preußen“ angegeben hatte und dass er seinen Personalausweis am 24. Juli 2020 zurückgegeben habe und dieser vernichtet worden sei (Bl. 159 bis 162, 167, 169, 170, 173/Beiakte 11, Bd. 1).
Am 21. August 2020 (Bl. 202 bis 206/Beiakte 11, Bd. 1) dehnte die Klägerin das gegen den Beklagten geführte Disziplinarverfahren unter Verweis auf § 20 Abs. 1 des Niedersächsischen Disziplinargesetzes (NDiszG) aus. Es sei bekannt geworden, dass er einer dienstlichen Weisung der Dezernentin …, bei Außenterminen ein eigens für ihn beschafftes „Spuck-Schutz-Visier“ zu tragen, nicht nachgekommen sei; er habe eine Sicherheitsberatung ohne dieses Visier durchgeführt und schon im Vorfeld der Beratung telefonisch angekündigt, keine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Weiterhin sei bekannt geworden, dass er einen Antrag auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises nach § 30 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) gestellt und am 1. Juli 2020 einen Staatsangehörigkeitsausweis erhalten habe. Am 24. Juni 2020 habe er seinen Personalausweis vernichten lassen; sein Reisepass stehe ihm hingegen weiter zur Verfügung. In einem zur Beglaubigung vorgelegten Antragsformular habe er als Geburtsstaat „Preußen“ angegeben. In diesem Zusammenhang sei auch bekannt geworden, dass er im Mitarbeiterkreis des Dezernatsteils … das Thema Staatsangehörigkeitsausweis angesprochen und dazu Literatur empfohlen habe. Es bestehe der hinreichende Verdacht, dass er durch diese Verhaltensweisen schuldhaft gegen seine beamtenrechtlichen Pflichten aus §§ 35 Satz 2, 33 Abs. 1 Satz 3 und § 34 Satz 3 BeamtStG verstoßen habe.
Ebenfalls unter dem 21. August 2020 (Bl. 214 bis 238/Beiakte 11, Bd. 1) beantragte die Klägerin bei dem Verwaltungsgericht Hannover unter Verweis auf § 28 Abs. 1 des Niedersächsischen Disziplinargesetzes (NDiszG) den Erlass einer Durchsuchungsanordnung in Bezug auf
• die im Allein- oder Miteigentum stehenden Wohn-, Neben- und Firmenräume des Beklagten,
• die in seinem Allein- oder Mitgewahrsam befindlichen Sachen (auf ihn zugelassenen Pkw sowie Kraftrad),
• sein Mobiltelefon/Tablet, seinen Computer und die in privaten E-Mail- und Social-Media-Accounts gespeicherten Kommunikationsinhalte und Daten,
• seine Person sowie seine mitgeführten Sachen sowie
• die von ihm dienstlich genutzten Räume, Schließfächer und Schränke.
Die Durchsuchung solle dazu dienen, schriftliche und auf Datenträgern gespeicherte Unterlagen einschließlich Zeichen und Symbole aufzufinden, die geeignet seien, den Nachweis für einen Verstoß gegen die politische Treuepflicht (Zugehörigkeit „Reichsbürger“ oder „Selbstverwalter“) zu erbringen; für den Fall des Auffindens entsprechender Beweismittel werde zudem beantragt, deren Beschlagnahme anzuordnen. Noch am 21. August 2020 erließ das Verwaltungsgericht Hannover unter dem Aktenzeichen 18 E 4418/20 die beantragte Anordnung (Bl. 239 bis 244/Beiakte 11, Bd. 1), die am 24. August 2020 vollstreckt wurde. Hierbei wurden Datenträger, Gegenstände sowie schriftliche Unterlagen sichergestellt und beschlagnahmt (s. die Durchsuchungsberichte vom 24. August 2020 in Bezug auf die dienstlich genutzten Räume [Bl. 247 bis 257, Bl. 259 bis 260/Beiakte 11, Bd. 1], in Bezug auf die Wohnanschrift des L., mit dem Beklagten Geschäftsführer der M. [Bl. 262 bis 264/Beiakte 11, Bd. 1], sowie in Bezug auf die Wohnanschrift des Beklagten [Bl. 266 bis 338, Bl. 345 bis 348, Bl. 358 bis 364/Beiakte 11, Bd. 1]). Bei der Durchsuchung wurde dem Beklagten die Ausdehnungsverfügung vom 21. August übergeben (Bl. 207 bis 212, Bl. 267/Beiakte 11, Bd. 1). Zwei dienstliche Endgeräte des Beklagten wurden später nachasserviert (Bl. 261/Beiakte 11, Bd. 1). Die gegen die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung gerichtete Beschwerde des Beklagten (Bl. 130 bis 279/Beiakte 11, Bd. 2) blieb ohne Erfolg (Nds. OVG, Beschluss vom 8.10.2020 - 3 ZD 11/20 -).
Mit Verfügung vom 5. November 2020 (Bl. 211 bis 217/Beiakte 1, Bd. 2) dehnte die Klägerin das gegen den Beklagten geführte Disziplinarverfahren wegen des Verdachts datenschutzrechtlicher Verstöße (Abfragen in polizeilichen Systemen ohne dienstlichen Anlass am 29. Juni 2020) weiter aus.
Unter dem 20. November 2020 (Bl. 47 bis 53/Beiakte 1, Bd. 3) erfolgte eine weitere Ausdehnung des Disziplinarverfahrens wegen des Verdachts, dass der Beklagte am 31. Oktober 2020 in N. gegen das Verbot des Verwendens von Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation (Zeigen des „Hitlergrußes“) verstoßen habe; außerdem bestehe der Verdacht, dass er vom 6. auf den 7. November 2020 gegen das in Sachsen zum Schutz vor dem Corona-Virus geltende Beherbergungsverbot zu privaten Zwecken verstoßen habe.
Eine weitere Ausdehnung des Disziplinarverfahrens erfolgte unter dem 4. Dezember 2020 (Bl. 250 bis 252/Beiakte 1, Bd. 3). Insoweit wurde ausgeführt, es bestehe der Verdacht, dass der Beklagte am 29. Juni 2020 nicht nur personenbezogene Daten, auf die er als Amtsträger Zugriff gehabt habe, erhoben, sondern diese auch unbefugt an einen Dritten, nämlich seinen Bekannten O., weitergegeben habe.
Mit - bestandskräftig gewordener - Verfügung vom 28. Dezember 2020 (Bl. 26 bis 36/Beiakte 1, Bd. 4) enthob die Klägerin den Beklagten unter Verweis auf §§ 38 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 NDiszG vorläufig des Dienstes und behielt 50 Prozent seiner Dienstbezüge ein.
Unter dem 29. Dezember 2020 (Bl. 65 bis 68/Beiakte 1, Bd. 4) dehnte die Klägerin das Disziplinarverfahren erneut aus. Der Beklagte sei hinreichend verdächtig, am 7. Dezember 2020 im Rahmen einer öffentlichen Kundgebung in P. zu europaweiten Blockademaßnahmen von Infrastruktur- und Verkehrsknotenpunkten aufgerufen zu haben.
Eine weitere Ausdehnung des Disziplinarverfahrens erfolgte unter dem 19. Februar 2021 (Bl. 9 bis 23/Beiakte 1, Bd. 5). Insoweit wurde ausgeführt, der Beklagte sei hinreichend verdächtig, durch die Nutzung seines dienstlich zugewiesenen Intra- und Internetzugangs „…“ über das dienstliche Endgerät Fujitsu Lifebook (Notebook) gegen die IT-Richtlinien des Landes Niedersachsen und der Klägerin sowie gegen die Dienstvereinbarung „Zur Verhinderung von sexueller Belästigung, Mobbing und Diskriminierung“ im Bereich der Klägerin verstoßen und dadurch ein Dienstvergehen begangen zu haben; bei den aufgefundenen Bilddateien seien insbesondere solche mit z. T. rassistischen, sexistischen und/oder frauenfeindlichen Inhalten aufgefallen.
Schließlich dehnte die Klägerin das Disziplinarverfahren unter dem 25. Februar 2021 (Bl. 40 bis 78 Beiakte 1, Bd. 5) erneut aus. Der Beklagte sei zureichend verdächtig, im Rahmen einer Vielzahl öffentlich gehaltener Reden und veröffentlichter Wort- und Interview- bzw. Diskussionsbeiträge, bei dienstlichen Beratungsgesprächen gegenüber Bürgern sowie gegenüber Kollegen durch eine Fülle von Äußerungen wiederholt Auffassungen verbreitet zu haben, deren Art und Inhalt u. a. ideologische Positionen der Bewegung so genannter Reichsbürger und/oder verschwörungsgläubiger Weltanschauungen entsprächen; die betreffenden Reden, Interviews, Wort- und Diskussionsbeiträge, die Aussagen im Zusammenhang mit Beratungsgesprächen sowie die Aussagen aus dem dienstlichen Umfeld wurden im Einzelnen bezeichnet (Bl. 42, 43/Beiakte 1, Bd. 5; Bl. 70 bis 74/Beiakte 1, Bd. 5; Bl. 75 f./Beiakte 1, Bd. 5).
Im Laufe des behördlichen Disziplinarverfahrens vernahm die Klägerin eine Vielzahl von Zeugen, u. a.:
• den beim Landkreis Q. beschäftigten und dort u. a. für die Bearbeitung von Anträgen auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises zuständigen Kreisamtsinspektor R. (Zeugenvernehmung vom 21. Oktober 2020, Bl. 43 bis 73/Beiakte 1, Bd. 2),
• die beim Bürgeramt der Stadt B-Stadt beschäftigte Verwaltungsfachangestellte S. (Zeugenvernehmung vom 15. Oktober 2020, Bl. 129 bis 151/Beiakte 1, Bd. 2),
• die beim Bürgeramt der Stadt B-Stadt beschäftigte Verwaltungsfachangestellten T. (Zeugenvernehmung vom 15. Oktober 2020, Bl. 113 bis 128/Beiakte 1, Bd. 2),
• die im Dezernat … (…) im Geschäftszimmer beschäftigte I. (Zeugenvernehmung vom 17. August 2020, Bl. 121 bis 129/Beiakte 11, Bd. 1),
• den Rechtsanwalt U., den der Beklagte am 3. August 2020 zum Thema Einbruchsschutz beraten und zu diesem Zweck an dessen Wohnanschrift aufgesucht hatte (Zeugenvernehmung vom 13. Januar 2021, Bl. 138 bis 160/Beiakte 1, Bd. 4),
• den Bekannten des Beklagten aus der Faustballsparte des V., W. (Zeugenvernehmung vom 20. Januar 2021, Bl. 213 bis 244/Beiakte 1, Bd. 4),
• den ebenfalls im Dezernat … (…) der Klägerin eingesetzten, langjährigen Kollegen des Beklagten, PHK X. (Zeugenvernehmung vom 30. September 2020, Bl. 62 bis 99/Beiakte 1, Bd. 1)
• sowie den ebenfalls im Dezernat … (…) der Klägerin eingesetzten Kollegen des Beklagten, PHK Bernd Ingelmann (Zeugenvernehmung vom 1. Oktober 2020, Bl. 140 bis 168/Beiakte 1, Bd. 1).
Wegen der Einzelheiten des Inhalts der jeweiligen Aussagen wird auf die bezeichneten Passagen der Disziplinarvorgänge Bezug genommen.
Unter dem 29. März 2021 (Bl. 40 bis 134/Beiakte 1, Bd. 6) teilte die Klägerin dem Beklagten ihr wesentliches Ermittlungsergebnis mit und gab ihm Gelegenheit zur Äußerung, von der er keinen Gebrauch machte. Ebenfalls unter dem 29. März 2021 (Bl. 135 bis 142/Beiakte 1, Bd. 6) hörte sie ihn zu ihrer Absicht an, die folgenden Vorwürfe gemäß § 20 Abs. 2 NDiszG aus dem Disziplinarverfahren auszuscheiden, weil sie für die zu erwartende Disziplinarmaßnahme voraussichtlich nicht ins Gewicht fielen:
• Verdacht datenschutzrechtlicher Verstöße (Abfragen in polizeilichen Sy-stemen ohne dienstlichen Anlass am 29. Juni 2020; Ausdehnungsverfügungen vom 5. November 2020 [Bl. 211 bis 217/Beiakte 1, Bd. 2] und vom 4. Dezember 2020 [Bl. 250 bis 252/Beiakte 1, Bd. 3]),
• Verdacht des Verstoßes gegen das Verbot des Verwendens von Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation (Zeigen des „Hitlergrußes“) am 31. Oktober 2020 in N. sowie Verdacht des Verstoßes gegen das seinerzeit in Sachsen geltende Beherbergungsverbot zu privaten Zwecken vom 6. auf den 7. November 2020 (Ausdehnungsverfügung vom 20. November 2020 [Bl. 47 bis 53/Beiakte 1, Bd. 3]),
• Verdacht des öffentlichen Aufrufs zu Infrastruktur-Blockademaßnahmen (Ausdehnungsverfügung vom 29. Dezember 2020 [Bl. 65 bis 68/Beiakte 1, Bd. 4]) sowie
• Verdacht des Verstoßes gegen IT-Richtlinien des Landes Niedersachsen und der Klägerin sowie des Verstoßes gegen die Dienstvereinbarung „Zur Verhinderung von sexueller Belästigung, Mobbing und Diskriminierung“ im Bereich der Klägerin (Ausdehnungsverfügung vom 19. Februar 2021 [Bl. 9 bis 23/Beiakte 1, Bd. 5]).
Die Klägerin hat am 12. Mai 2021 bei dem Verwaltungsgericht Hannover Disziplinarklage erhoben und zu deren Begründung im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Das Disziplinarverfahren sei gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 NDiszG im Sinne der Ausführungen in der entsprechenden Anhörung vom 29. März 2021 beschränkt worden. Die verbleibenden Vorwürfe - also der Vorwurf der Zugehörigkeit des Beklagten zur sogenannten „Reichsbürgerbewegung“, des Verbreitens von Verschwörungstheorien, der Verunglimpfung staatlicher Institutionen und deren Organe sowie des Verstoßes gegen dienstliche Weisungen - seien Gegenstand der Disziplinarklage.
Die diesbezügliche Beweiserhebung habe ergeben, dass der Beklagte durch sein jeweiliges Verhalten schuldhaft gegen seine Dienst- und Treuepflicht (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG), gegen das Mäßigungs- und Zurückhaltungsgebot (§ 33 Abs. 2 BeamtStG), gegen die Wohlverhaltenspflicht (§ 34 Satz 3 BeamtStG) und gegen die Folgepflicht (§ 35 Satz 2 BeamtStG) verstoßen und damit ein schwerwiegendes, einheitlich zu bewertendes inner- und außerdienstliches Dienstvergehen begangen habe.
Von zentraler Bedeutung sei der Vorwurf seiner Zugehörigkeit zur sogenannten „Reichsbürgerbewegung“. Hierfür sprächen insbesondere die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises, der Eintrag „Preußen“ als Geburtsstaat in amtlichen Formularen, die Abgabe seines Personalausweises sowie seine Aussagen im Rahmen von öffentlichen Redebeiträgen, im dienstlichen Umfeld - gegenüber Bürgern und Kollegen - sowie im privaten Umfeld. Nach Abschluss der Ermittlungen stehe für sie fest, dass der Beklagte der „Reichsbürgerszene“ angehöre, sich deren grundlegende Ideologie bindend zu eigen gemacht und diese wiederholt und in vielfältiger Weise nach außen vertreten habe. Der Beklagte bestreite die ihm zur Last gelegten Handlungen und Äußerungen letztlich nicht, vertrete aber eine abweichende rechtliche Würdigung. Dadurch, dass er Gedankengut der Reichsbürgerszene aktiv nach außen hin vertreten habe, habe er schuldhaft gegen seine beamtenrechtliche Treuepflicht verstoßen. Darüber hinaus liege hierin ein schuldhafter Verstoß gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes.
Weiterhin stehe für die Klägerin fest, dass der Beklagte bei seinen öffentlichen Auftritten und Interviews gezielt verschiedene Verschwörungsmythen beworben und sogar versucht habe, verschwörungstheoretisches Gedankengut in dienstlichen Beratungssituationen oder sonst im dienstlichen Umfeld zu verbreiten. Damit habe er den Vertrauensvorschuss, der an sein Amt und an das Tragen der Uniform geknüpft sei, missbraucht. Er habe in seinen öffentlichen Reden mehrfach auf das Narrativ eines globalen, weltverschwörerischen Plans, des sog. „great reset“, Bezug genommen und damit zu dessen Verbreitung beigetragen. Verschwörungstheoretisch werde behauptet, hinter der Idee des „great reset“ verberge sich der Plan einer globalen Finanz- und Politikelite, eine neue Weltordnung zu etablieren; um hierfür die Bedingungen zu schaffen, sei das Corona-Virus vorsätzlich verbreitet worden. In diesem Sinne habe sich der Beklagte in öffentlich verbreiteten Redebeiträgen geäußert. Auch habe er vertreten, dass es keine epidemische Lage von nationaler Tragweite gebe und das Infektionsschutzgesetz der Regierung die Möglichkeit eröffne, nach „Gutsherrenart“ zu regieren. In diesem Zusammenhang habe er auch einen Einfluss von Bill Gates auf die weltweite Krankheitspolitik behauptet und dazu aufgerufen, das verpflichtende Maskentragen zu verweigern. Politiker und Medienvertreter habe er als Lügner bezeichnet und unterstellt, beide arbeiteten zusammen, um die Bevölkerungsmeinung zu manipulieren. Die Auswertung der digitalen Medien des Beklagten und Zeugenvernehmungen hätten zudem ergeben, dass er sich intensiv mit verschiedenen Verschwörungstheorien auseinandergesetzt, sich dazu gezielt mit Gleichgesinnten ausgetauscht und rege versucht habe, Freunde und Bekannte davon zu überzeugen. Durch sein Verhalten habe er schuldhaft gegen die Treuepflicht, jedenfalls aber gegen seine Pflicht verstoßen, sich bei politischer Betätigung zu mäßigen (§ 33 Abs. 2 BeamtStG). Außerdem liege hierin ein schuldhafter Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht (§ 34 Satz 3 BeamtStG).
Außerdem habe er staatliche Institutionen und deren Organe verunglimpft, insbesondere das gegenwärtige politische System mit dem NS-Regime in eine Reihe gestellt, etwa im Rahmen seiner Rede in G. am 9. August 2020, in Y. am 3. Oktober 2020 und in Z. am 8. November 2020. Auch habe er Regierungs- und Parlamentshandeln mehrfach abschätzig als Agieren nach „Gutsherrenart“ bezeichnet, so etwa in seiner Rede in AA. am 22. August 2020 oder in A-Stadt am 12. September 2020. Auch habe er Polizeiarbeit als „faschistisch“ bezeichnet (so in seinem Interview in N. am 31. Oktober 2020) und erklärt, die Polizei N. mache sich „gerade zum Honk“ (Rede in N. am 31. Oktober 2020). Dabei habe er immer wieder auf seinen Status als Kriminalhauptkommissar hingewiesen, um seine vermeintlich besondere Kompetenz bei der Beurteilung polizeilichen Handelns deutlich zu machen. Durch sein Verhalten habe er schulhaft gegen seine Pflicht zur Mäßigung (§ 33 Abs. 2 BeamtStG) verstoßen, denn seine verächtlichen Äußerungen lägen zweifelsfrei jenseits zulässiger Kritik. Zugleich habe er schuldhaft gegen seine Wohlverhaltenspflicht verstoßen.
Schließlich stehe fest, dass er wiederholt gegen die dienstliche Weisung seiner Vorgesetzten verstoßen habe, indem er zu Außenberatungsterminen während der Corona-Pandemie keine Mund-Nasen-Bedeckung getragen und während der Beratungstermine die durch das Infektionsgeschehen gebotenen Hygiene- und Abstandsregeln nicht beachtet bzw. nicht eingehalten habe. Damit habe er schuldhaft gegen seine Gehorsamspflicht (§ 35 Satz 2 BeamtStG) verstoßen.
Mit der Verbreitung reichsbürgerideologischen und verschwörungstheoretischen Gedankenguts sowie der Verunglimpfung staatlicher Institutionen habe er das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit in eine loyale, unparteiische, gerechte und gemeinwohlorientierte Aufgabenwahrnehmung zerstört. Schon der schwerwiegende Verstoß gegen die Treuepflicht rechtfertigte die Verhängung der Höchstmaßnahme. Der Beklagte als Repräsentant der Staatsgewalt habe genau diese Staatsgewalt wiederholt angegriffen und Misstrauen gegen sie gesät. Entlastungs- oder Milderungsgründe seien nicht erkennbar. Es bestünden insbesondere keine Hinweise auf eine krankhafte seelische Störung im Sinne der §§ 20, 21 des Strafgesetzbuches (StBG). Sein langjähriges beanstandungsfreies dienstliches Verhalten entlaste ihn nicht. Auch sein Nachtatverhalten lasse nicht erkennen, dass das eingeleitete Disziplinarverfahren ihn zu einer Selbst-reflektion oder einer Abkehr von dem von ihm verbreiteten Gedankengut veranlasst habe. Aus seinen Äußerungen gehe vielmehr hervor, dass er sich gänzlich von seinem Dienstherrn gelöst habe. Der Umstand, dass er sich als Kandidat der Partei „Die Basis“ für die Bundestagswahl habe aufstellen lassen, zeige ebenfalls, dass er nicht nur ein Mitläufer sei, sondern zielorientiert eine Führungsrolle in der Bewegung einnehme. Auch habe er in einer Audio-Botschaft im Telegram-Kanal „…“ vom 22. April 2021 regelrecht zu einem gemeinsamen bewaffneten Putsch von Militär und Polizei aufgerufen. Seine schuldhaften Dienstpflichtverletzungen wögen nach bisherigem Sachstand so schwer, dass eine mildere Maßnahme als seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nicht in Betracht komme.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Disziplinarklage abzuweisen.
Er sei kein „Reichsbürger“, zumal völlig unklar sei, was unter „reichsbürgertypischem Gedankengut“ zu verstehen sei. Die Motivation für die Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises habe darin gelegen, für eine mögliche Auswanderung und einen möglichen Immobilienerwerb im Ausland vorbereitet zu sein. Da man zum Grunderwerb „in vielen außereuropäischen Ländern“ den Nachweis der Staatsangehörigkeit benötige und der Reisepass nur eine Vermutung der deutschen Staatsangehörigkeit begründe, habe er sich dazu entschlossen, dieses amtliche Dokument zu beantragen, das Formular „nach Anleitung aus Videos aus Youtube und der Erläuterung eines Bekannten (O.) auszufüllen und die Ausweise in Empfang zu nehmen“. Dass die bloße Antragstellung mit Angabe des Geburtsstaates „Preußen“ falsch oder gar ein Dienstvergehen im Sinne der „Leugnung“ der Existenz der Bundesrepublik Deutschland sein könnte, obwohl er mit der Antragstellung doch gerade ein förmliches Ausweisdokument der Bundesrepublik Deutschland begehrt habe, welches ihm deren Staatsangehörigkeit beweise, sei ihm damals nicht im Entferntesten in den Sinn gekommen. Er habe im Frühjahr 2020 zwar gewusst, dass schon die Beantragung des Ausweises „bei deutschen staatlichen Stellen kritisch gesehen“ werde, habe aber nicht die leiseste Ahnung gehabt, dass „ihm daraus ein Strick gedreht werden könnte“. Dies sei auch nicht nachvollziehbar. Die Beantragung und der Erhalt eines amtlichen Ausweisdokuments könne „kein verfassungsfeindlicher Akt“ sein.
Er sei seit dem Sommer 2020 lediglich als Privatperson in seiner Freizeit für die Würde des Menschen, für die Unschuldsvermutung, die Selbstbestimmung, das Kindeswohl und die Freiheitsrechte der Verfassung eingetreten. Damit habe er seine Treue zum Grundgesetz gerade verdeutlicht. Er stelle die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland nicht infrage, sondern kritisiere gerade, dass diese von den drei Gewalten in Sachen Corona nicht eingehalten werde. Diese Kritik sei nicht nur von der Meinungsfreiheit gedeckt, sondern in Zeiten, „in denen die Freiheitsrechte, die Würde des Menschen und die Unschuldsvermutung unter dem Vorwand von Corona im Lockdown [seien], […] gleichsam zwingend geboten“. Er stehe mit beiden Füßen auf dem Boden des Grundgesetzes. Die als Anlage beigefügten YouTube-Kommentare in Bezug auf seine G. Rede verdeutlichten, dass seine regierungskritische Haltung in Sachen Corona „bei der Bevölkerung positiv“ ankomme und für das Ansehen der Polizei gerade förderlich sei. Die Corona-Beschränkungen hätten nie zum Ziel gehabt, faktenbasiert die Risikogruppen vor einer gefährlichen Krankheit zu schützen, sondern dienten „illegitimen machtpolitischen und fiskalischen Zielen“.
Auch der Aufruf zur Remonstration und zum demokratischen Widerstand „gegenüber verfassungswidrigen staatlichen Eingriffen“ verdeutliche „nicht etwa eine verfassungswidrige Einstellung, sondern das genaue Gegenteil“. Der „verfassungswidrige Angriff auf die Grundrechte durch den Lockdown der Grundrechte“ verlange doch „verfassungsrechtlich nach demokratischem Widerstand, nachdem das Bundesverfassungsgericht in mehreren 100 Entscheidungen verdeutlicht [habe], dass von ihm leider keine anderweitige Abhilfe erwartet werden“ könne.
Das Verwaltungsgericht hat das Disziplinarverfahren mit Beschluss vom 28. April 2022 unter Verweis auf § 51 NDiszG auf die Vorwürfe der Zugehörigkeit des Beklagten zur Reichsbürgerbewegung, der Verbreitung von Verschwörungstheorien und der Verunglimpfung staatlicher Institutionen und deren Organe beschränkt; den weiteren in der Disziplinarklageschrift erhobenen Vorwurf des Verstoßes gegen dienstliche Weisungen hat es aus dem Verfahren ausgeschieden, weil er für die zu erwartende Disziplinarmaßnahme voraussichtlich nicht ins Gewicht fallen werde.
Mit Urteil vom 28. April 2022 hat das Verwaltungsgericht den Beklagten eines Dienstvergehens schuldig gesprochen und aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Die Disziplinarklage sei zulässig und vollumfänglich begründet.
Die Klägerin habe ihm zu Recht vorgeworfen, sich die Ansichten der sogenannten „Reichsbürgerszene“ zu eigen gemacht und diese öffentlich propagiert zu haben. Durch die Abgabe des Antrags auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises mit den im Antrag konkret gemachten Angaben, durch seine Angaben in der Auskunft an das Bundesverwaltungsamt in Bezug auf das Register „Entscheidungen in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten“, dadurch, dass es für die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises keinen sachlich gerechtfertigten, nachvollziehbaren Grund gegeben habe, durch die Abgabe seines Personalausweises beim Bürgeramt der Stadt B-Stadt mit dem Hinweis, dass er diesen nicht mehr benötige, und schließlich durch verschiedene öffentliche Redebeiträge habe er die Legitimität der Bundesrepublik Deutschland und ihrer staatlichen föderalen Gliederungen öffentlich in Frage gestellt und damit schuldhaft gegen seine Pflicht aus § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG verstoßen. In seinem Verhalten liege zugleich ein Verstoß gegen die Mäßigungspflicht des § 33 Abs. 2 BeamtStG sowie gegen die allgemeine Wohlverhaltenspflicht des § 34 Satz 3 BeamtStG (a. F.).
Weiterhin habe er wiederholt Verschwörungstheorien von einem heimlich geplanten Umsturz verbreitet. Die in der Disziplinarklageschrift im Einzelnen aufgeführten öffentlichen Redebeiträge und Äußerungen sowie die Einlassungen in dienstlichen oder privaten Gesprächen habe der Beklagte nicht in Abrede gestellt; diese seien vollständig in den umfangreichen Disziplinarvorgängen dokumentiert. Hierdurch habe er schuldhaft gegen seine Pflicht zur politischen Mäßigung und Zurückhaltung (§ 33 Abs. 2 BeamtStG) und gegen die Wohlverhaltenspflicht (§ 34 Satz 3 BeamtStG a. F.) verstoßen.
Außerdem habe er seine Dienstpflichten dadurch verletzt, dass er staatliche Institutionen und deren Organe verunglimpft habe. So habe er etwa Parallelen staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie zum Handeln der Nationalsozialisten konstruiert, beispielsweise in seiner Rede in G. am 9. August 2020, in Y. vom 3. Oktober 2020 und in einer BB.Talk-Runde (veröffentlicht am 31. Januar 2021). In dieser Talk-Runde habe er zudem die Polizei als „Statisten“ und in einer weiteren Rede in BB. am 28. März 2021 als „Söldnertruppe“ diffamiert. In einer Rede in P. am 7. Dezember 2020 habe er vertreten, dass es in Deutschland weder Gewaltenteilung noch Rechtsstaatlichkeit, sondern „völlige Willkür“ gebe. All seine Einlassungen, die vollständig in den Disziplinarvorgängen dokumentiert seien und die der Beklagte auch nicht in Zweifel gezogen habe, seien geeignet, die Bundesrepublik Deutschland und ihre föderalen Gliederungen sowie die Organe dieses Staates, denen zu dienen Aufgabe der Beamten sei, herabzuwürdigen. Mit diesen Äußerungen habe er die Grenze der auch einem Beamten zustehenden Meinungsfreiheit weit überschritten und damit schuldhaft gegen seine Pflicht zur politischen Mäßigung und Zurückhaltung (§ 33 Abs. 2 BeamtStG) sowie gegen die Wohlverhaltenspflicht (§ 34 Satz 3 BeamtStG a. F.) verstoßen.
Das einheitliche (inner- und außerdienstliche) Dienstvergehen wiege so schwer, dass seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erforderlich sei. Zu seinen Gunsten sei zwar zu berücksichtigen, dass er zeitlich vor den in Rede stehenden Vorwürfen während seiner gesamten, bis dato zurückgelegten etwa 40-jährigen Dienstzeit nie Grund zur Beanstandung gegeben habe und seine dienstlichen Leistungen immer durchschnittlich, zuletzt sogar überdurchschnittlich, bewertet worden seien. Gleichwohl könne er nicht im Dienst verbleiben, weil er als Polizeibeamter nicht mehr tragbar sei. Weil er in einer Vielzahl von Fällen öffentlich in der zu beanstandenden Weise agiert und dabei immer wieder seine Eigenschaft als Polizeibeamter hervorgehoben habe, habe er das Vertrauensverhältnis zu seinem Dienstherrn endgültig zerstört. Er habe sich von seinen öffentlichen Äußerungen auch in der mündlichen Verhandlung nicht distanziert und letztendlich keine Einsicht in sein Fehlverhalten gezeigt.
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte am 2. Juni 2022 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt er sein erstinstanzliches Vorbringen, insbesondere die Ausführungen seines vormaligen Prozessbevollmächtigten - Rechtsanwalt DD. - in dessen Schriftsatz vom 25. April 2022, dortige Ziffern 2. bis 94, und ergänzt: Er habe lediglich als Privatperson - nicht als Polizist - die coronabedingten Beschränkungen kritisiert. Wer die Politik kritisiere - jedenfalls diejenige, die mit einer angeblichen Krisensituation begründet werde und zur Beschränkung der Freiheitsrechte führe - sei nach Lesart der Klägerin und des Verwaltungsgerichts „per se verfassungsfeindlich aufgestellt“. Diese Schlussfolgerung sei „kein dystopischer Alptraum, sondern gelebte Realität“. Über Verschwörungstheorien zu reden sei kein Propagieren dieser Theorien. Das Verwaltungsgericht habe schon die „dystopische Agenda“ befolgt, „dass derjenige, der Ereignisse nicht zufällig, sondern als Ausfluss einer Planung [sehe] und dies als Privatperson öffentlich [ausspreche], als Beamter mit der Höchststrafe, nämlich der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis, zu züchtigen“ sei.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 28. April 2022 zu ändern und die Disziplinarklage abzuweisen,
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf ihre Disziplinarklageschrift und verteidigt im Übrigen das erstinstanzliche Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Beiakten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass der Beklagte ein Dienstvergehen begangen hat (dazu unter I.), welches den Ausspruch der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme - also der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, § 11 NDiszG) - rechtfertigt (dazu unter II.).
I. Der Beklagte hat ein Dienstvergehen im Sinne des § 47 Abs. 1 BeamtStG begangen, also schuldhaft die ihm obliegenden Dienstpflichten verletzt.
1. Eine schuldhafte Dienstpflichtverletzung ergibt sich zunächst daraus, dass er durch Leugnen der rechtlichen Existenz der Bunderepublik Deutschland im Sinne „reichsbürgertypischen Verhaltens“ schuldhaft gegen seine Verfassungstreuepflicht (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG) verstoßen hat.
a) In tatsächlicher Hinsicht geht der erkennende Senat von Folgendem aus:
Der Beklagte legte beim Landkreis Q. einen vorausgefüllten und mit Datum vom 1. Mai 2020 unterschriebenen Antrag auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises nach § 30 StAG vor, wobei er in die Formularfelder „Geburtsstaat“ und „Wohnsitzstaat“ des Antragsformulars handschriftlich „Preußen“ eingetragen hatte. Den vom Landkreis Q. ausgestellten Staatsangehörigkeitsausweis (s. Kopie, Bl. 170/Beiakte 11, Bd. 1) holte er am Nachmittag des 6. Juli 2020 dort ab. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus der glaubhaften Aussage des beim Landkreis Q. beschäftigten und dort u. a. für die Bearbeitung von Anträgen auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises zuständigen Kreisamtsinspektors R. (Zeugenvernehmung vom 21. Oktober 2020, Bl. 50, 61/Beiakte 1, Bd. 2) und ist vom Beklagten nicht bestritten worden.
Ferner stellte der Beklagte beim Bürgeramt der Stadt B-Stadt einen zur Weiterleitung an das Bundesverwaltungsamt bestimmten und unter dem 24. Juli 2020 von ihm unterzeichneten „Antrag auf Selbstauskunft aus dem Register Entscheidungen in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten (Register EStA)“, in dem er als „Geburtsstaat“ ebenfalls „Preußen“ eingetragen hatte. Hiervon ist der erkennende Senat überzeugt aufgrund der bei den Disziplinarvorgängen befindlichen Antragskopie (Bl. 167, 324/Beiakte 11, Bd. 1) sowie der glaubhaften Aussagen der im Bürgeramt der Stadt B-Stadt beschäftigten Verwaltungsfachangestellten S. (Zeugenvernehmung vom 15. Oktober 2020, Bl. 137 bis 140/Beiakte 1, Bd. 2) und T. (Zeugenvernehmung vom 15. Oktober 2020, Bl. 121 bis 123/Beiakte 1, Bd. 2). Der Beklagte hat auch diesen Sachverhalt nicht bestritten.
Ferner veranlasste der Beklagte am 24. Juli 2020 beim Bürgeramt der Stadt B-Stadt zunächst die Beglaubigung seines Personalausweises und ließ ihn sodann mit dem Hinweis beim Bürgeramt zurück, dass er diesen nicht mehr benötige. Da der Beklagte über einen gültigen Reisepass verfügte (s. Kopie, Bl. 326/Beiakte 11, Bd. 1), machte das Bürgeramt der Stadt B-Stadt den Bundespersonalausweis des Beklagten ungültig. Von diesem Sachverhalt ist der erkennende Senat aufgrund der glaubhaften Schilderung der Frau S. (Zeugenvernehmung vom 15. Oktober 2020, Bl. 143 bis 145/Beiakte 1, Bd. 2) überzeugt; außerdem ist eine Kopie des ungültig gemachten Personalausweises des Beklagten in den Disziplinarvorgängen enthalten (Bl. 173/Beiakte 11, Bd. 1). Der Beklagte hat das Zurücklassen seines Personalausweises mit der Bemerkung, er brauche diesen nicht mehr, ebenfalls nicht bestritten.
Unter dem 12. August 2020 richtete der Beklagte schließlich ein von ihm als „Nachtragsantrag“ zum vorangegangenen Antrag auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises bezeichnetes Schreiben an den Landkreis Q. - Herrn R. - des Inhalts, er habe nach Erhalt seines Staatsangehörigkeitsausweises beim Bundesverwaltungsamt einen Antrag auf Auskunft zu den für ihn erfolgten Eintragungen gestellt. Die dortige Antwort vom 29. Juli 2020 habe er am 4. August 2020 erhalten. Zu seinem Erstaunen habe er festgestellt, „dass bei der Eintragung zum Erwerb der Staatsangehörigkeit der Hinweis auf die gesetzliche Grundlage, nämlich '§ 4 Abs. 1 (Ru)StaG' fehlte, obwohl ich meine Abstammung bis vor 1913 mit Urkunden nachgewiesen habe“. Auf telefonische Nachfrage beim Bundesverwaltungsamt habe er die Auskunft erhalten, dass eine solche Eintragung nicht erfolge. Seine „weiteren diesbezüglichen Recherchen“ hätten ergeben, dass es durchaus sein könne, dass er in seinem Antrag aus Unkenntnis über die Wichtigkeit dieses nicht konkret unter Punkt 3. „Sonstiges“ beantragt habe. Daher stelle er hiermit den Antrag, den Ursprungsantrag „diesbezüglich zu erweitern und bitte um Korrektur wie folgt: '3. …..Sonstiges: Abstammung gemäß § 4, Abs. 1, RuStAG, Stand: 1913'“. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus der Antragskopie (Kopie, Bl. 6/Beiakte 1, Bd. 2) sowie aus der glaubhaften Aussage des Kreisamtsinspektors R. (Zeugenvernehmung vom 21. Oktober 2020, Bl. 70 f./Beiakte 1, Bd. 2). Der Beklagte hat diesen Sachverhalt nicht in Abrede genommen.
Ferner äußerte sich der Beklagte in der Öffentlichkeit u. a. wie folgt:
• „Wer das bislang noch nicht getan hat, dem empfehle ich, sich dringend beispielhaft mit folgenden Themen auseinanderzusetzen. Und zwar mit der deutschen Geschichte, insbesondere mit der Geschichte Preußens. Dem Nachweis der deutschen Staatsangehörigkeit.“
(Verschriftlichung des Redebeitrags des Beklagten auf der Querdenker-Demonstration in EE. am 27. September 2020, Bl. 47 bis 50/Beiakte 1, Bd. 1; hier: Bl. 49/Beiakte 1, Bd. 1),
• „Schnell das Internet gefragt, was ein Reiseausweis ist, mit dem Ergebnis, dass ein Reiseausweis ein vorläufiger Passersatz ist und das hatte ich natürlich nicht, also Personalausweis, also war für mich konkludent, ich bin ein Staatenloser.“
„Bingo, dachte ich mir. Das ist ja ganz einfach, ich besorge mir die erforderlichen Urkunden, beantrage den Staatsangehörigkeitsausweis, bezahle die amtlichen Gebühren und dann kann rechtsverbindlich in allen Angelegenheiten meine deutsche Staatsangehörigkeit nachgewiesen werden. Und weil ich ja keinen Fehler machen wollte, habe ich mir vorher noch ein Buch dazu besorgt und Ausfüllanweise und -hinweise im Internet gesucht und sehr plausibel erschien mir dabei ein Film, den ich bei YouTube gefunden habe. Ein Vortrag von FF., den kann ich nur empfehlen, sich den mal anzusehen. Nach mehreren Wochen erhielt ich dann mein[en] Staatsangehörigkeitsausweis um abzufragen, ob die Eintragung auch korrekt beim Bundesverwaltungsamt in Köln erfolgt sind, muss man einen Antrag auf Auskunft stellen, auch das habe ich dann getan im Bürgerbüro meiner Kommune. […] Ich war ja nun in der Lage, meine deutsche Staatsangehörigkeit mit meinem neuen amtlich ausgestellten Staatsangehörigkeitsausweis rechtsverbindlich in allen Angelegenheiten nachzuweisen und fragte ich mich, wozu ich denn wohl noch meinen Personalausweis brauche, der den Status 'Staatenloser' darstellt? Und ich kam zu dem Ergebnis, dass ich den Perso jetzt nicht mehr benötigen würde, da ich ja im Besitz eines gültigen Reisepasses war.“
(Verschriftlichung der Rede des Beklagten auf der Querdenken-Bühne am 11. Oktober 2020 in Berlin, Bl. 365 bis 371/Beiakte 1, Bd. 1; hier: Bl. 366, 369, 370/Beiakte 1, Bd. 1).
Außerdem wies der Beklagte im Rahmen der Durchsuchung seines Wohnhauses den Ermittlungsführer ungefragt darauf hin, dass auch dieser einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragen solle, weil andernfalls mit Eintritt in den Ruhestand dessen deutsche Staatsangehörigkeit erlöschen und er damit staatenlos sein würde (Aktenvermerk des KOR GG. vom 28. August 2020, Bl. 361/Beiakte 11, Bd. 1). Gegenüber der Zeugin Tiedtke, Mitarbeiterin im Geschäftszimmer des Dezernats … (…), hatte der Beklagte bereits etwa im Mai 2020 (vgl. Zeugenvernehmung der Beschäftigten I. vom 17. August 2020, Bl. 121 bis 129/Beiakte 11, Bd. 1; hier: Bl. 125 f./Beiakte 11, Bd. 1) erklärt, der Staatsangehörigkeitsausweis habe Vorteile, man müsse „bis zum Opa“ zurückverfolgen, dass man deutsch sei, dann könne man das beim Katasteramt hinterlegen, dass einem Immobilien später nicht weggenommen werden könnten.
b) Durch die bezeichneten Verhaltensweisen hat der Beklagte seine Pflicht zur Verfassungstreue (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG) verletzt.
aa) Die Pflicht, sich durch das gesamte Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG; ebenso § 60 Abs. 1 Satz 3 des Bundesbeamtengesetzes - BBG -), gehört zu den Kernpflichten eines jeden Beamten (BVerwG, Urteil vom 2.12.2021 - BVerwG 2 A 7.21 -, juris Rn. 26; Bay. VGH, Urteil vom 16.1.2019 - 16a D 15.2672 -, juris Rn. 25; Nds. OVG, Beschluss vom 8.10.2020 - 3 ZD 11/20 -; Urteil vom 20.4.2021 - 3 LD 1/20 -, juris Rn. 88; Günter, in: Plog/Wiedow, BBG, Stand: Januar 2023, Bd. 1, § 33 BeamtStG Rn. 3). Die Ausübung hoheitlicher Befugnisse und die damit verbundenen Eingriffsrechte des Staates sind durch Art. 33 Abs. 4 GG einem Personenkreis vorbehalten, dessen Rechtsstellung in besonderer Weise Gewähr für Verlässlichkeit und Rechtsstaatlichkeit bietet (BVerwG, Urteil vom 17.11.2017 - BVerwG 2 C 25.17 -, juris Rn. 15). Beamte realisieren die „Machtstellung“ des Staates (BVerfG, Urteil vom 27.4.1959 - 2 BvF 2/58 -, juris Rn. 65), sie haben als „Repräsentanten der Rechtsstaatsidee“ (BVerwG, Urteil vom 11.12.2014 - BVerwG 2 C 51.13 -, juris Rn. 26) dem ganzen Volk zu dienen und ihre Aufgaben im Interesse des Wohls der Allgemeinheit unparteiisch und gerecht zu erfüllen (BVerwG, Urteil vom 17.11.2017 - BVerwG 2 C 25.17 -, juris Rn. 15). Beamte stehen daher in einem besonderen öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis. Aufgrund dieser Treuepflicht gehört es jedenfalls zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG, dass sich der Beamte zu der Verfassungsordnung, auf die er vereidigt ist, bekennt und für sie eintritt (BVerwG, Urteil vom 17.11.2017 - BVerwG 2 C 25.17 -, juris Rn. 15; Nds. OVG, Urteil vom 20.4.2021 - 3 LD 1/20 -, juris Rn. 88).
Der Beamte, der „sozusagen als Staat Befehle geben kann“ (BVerfG, Urteil vom 27.4.1959 - 2 BvF 2/58 - juris Rn. 65), muss sich mit den Prinzipien der verfassungsmäßigen Ordnung ohne innere Distanz identifizieren. Damit ist nicht eine Verpflichtung gemeint, sich die Ziele oder eine bestimmte Politik der jeweiligen Regierungsmehrheit zu eigen zu machen. Gefordert ist aber die Bereitschaft, sich mit der Idee des Staates, dem der Beamte dienen soll, mit der freiheitlich-demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung dieses Staates zu identifizieren und für sie einzutreten. Dies schließt nicht aus, an Erscheinungen dieses Staates Kritik zu üben und für Änderungen der bestehenden Verhältnisse mit den verfassungsrechtlich vorgesehenen Mitteln einzutreten, solange in diesem Gewand nicht eben dieser Staat und seine verfassungsmäßige Grundlage in Frage gestellt werden. An einer „unkritischen“ Beamtenschaft können Staat und Gesellschaft kein Interesse haben. Unverzichtbar ist aber, dass der Beamte den Staat und die geltende verfassungsrechtliche Ordnung bejaht, sie als schützenswert anerkennt, in diesem Sinne sich zu ihnen bekennt und aktiv für sie eintritt (BVerwG, Urteil vom 2.12.2021 - BVerwG 2 A 7.21 -, juris Rn. 28). Der Staat ist darauf angewiesen, dass seine Beamten für ihn einstehen und Partei für ihn ergreifen (BVerfG, Beschluss vom 22.5.1975 - 2 BvL 13/73 -, juris Rn. 42; BVerwG, Urteil vom 17.11.2017 - BVerwG 2 C 25.17 -, juris Rn. 16). Die Grundentscheidung des Grundgesetzes zur Konstituierung einer wehrhaften Demokratie lässt es nicht zu, dass Beamte im Staatsdienst tätig werden, die die freiheitlich-demokratische, rechts- und sozialstaatliche Ordnung ablehnen und bekämpfen. Diesen Personen fehlt die Eignung für die Ausübung eines öffentlichen Amtes (BVerwG, Urteil vom 17.11.2017 - BVerwG 2 C 25.17 -, juris Rn. 18; Urteil vom 2.12.2021 - BVerwG 2 A 7.21 -, juris Rn. 27); ihnen kann von den Bürgern nicht das zur Wahrnehmung des öffentlichen Amtes berufserforderliche Vertrauen entgegengebracht werden (BVerwG, Urteil vom 17.11.2017 - BVerwG 2 C 25.17 -, juris Rn. 18; Nds. OVG, Urteil vom 20.4.2012 - 3 LD 1/20 -, juris Rn. 89).
Das bloße Haben einer Überzeugung und die bloße Mitteilung, dass man diese habe, reichen für die Annahme einer Verletzung der dem Beamten auferlegten Treuepflicht grundsätzlich nicht aus. Ein Dienstvergehen besteht erst, wenn der Beamte aus seiner politischen Überzeugung Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten im Sinne seiner politischen Überzeugung zieht (BVerfG, Beschluss vom 22.5.1975 - 2 BvL 13/73 -, juris Rn. 45; Beschluss vom 6.5.2008 - 2 BvR 337/08 -, juris Rn. 31; BVerwG, Urteil vom 17.11.2017 - BVerwG 2 C 25.17 -, juris Rn. 21; Urteil vom 2.12.2021 - BVerwG 2 A 7.21 -, juris Rn. 28), die entsprechende politische Überzeugung also bewusst und erkennbar nach außen betätigt. Die zu beanstandende Betätigung muss zudem von besonderem Gewicht sein (BVerwG, Urteil vom 2.12.2021 - BVerwG 2 A 7.21 -, juris Rn. 28 m. w. Nw.).
Dabei ist das in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung geforderte „Mehr“ als das bloße Haben und Mitteilen einer bestimmten Überzeugung nicht erst bei einem offensiven Werben des Beamten für eine mit der Verfassungstreuepflicht unvereinbare politische Überzeugung erreicht. Insoweit genügt, wenn der Beamte die entsprechende politische Überzeugung bewusst und erkennbar nach außen betätigt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.5.1977 2 BvL 13/73 , juris Rn. 45; Beschluss vom 6.5.2008 2 BvR 337/08 , juris Rn. 31. So kann ein disziplinarisch zu ahndendes Dienstvergehen etwa darin liegen, dass ein Beamter seine der verfassungsmäßigen Ordnung zuwiderlaufende Einstellung durch das Tragen einer Tätowierung mit verfassungsfeindlichem Inhalt kundtut, und zwar selbst dann, wenn er seine Überzeugung nur unter Gleichgesinnten offenbart, etwa um sich als von den „Anderen“ abgrenzbare Gruppe zu identifizieren und zu solidarisieren (BVerwG, Urteil vom 17.11.2017 - BVerwG 2 C 25.17 -, juris Rn. 22 ff.; Urteil vom 2.12.2021 - BVerwG 2 A 7.21 -, juris Rn. 29).
bb) Dies zugrunde gelegt, hat der Beklagte seine Kernpflicht aus § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG verletzt.
Mit seinen Angaben im Rahmen und im Zusammenhang mit der Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises sowie seines Antrages auf Selbstauskunft aus dem Register Entscheidungen in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten und seines „Nachtragsantrages“ vom 12. August 2020 hat er bewusst nach außen - nämlich gegenüber der Verwaltung des Landkreises Q. und dem Bürgeramt der Stadt B-Stadt - ein Verhalten an den Tag gelegt, das darauf schließen lässt, dass er der „Reichsbürger“- bzw. „Selbstverwalter“-Szene angehört bzw. sich deren Ideologie zu eigen gemacht hat.
Nach der auf der Website des Bundesamtes für Verfassungsschutz enthaltenen Definition (www.verfassungsschutz.de) sind „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Begründungen - unter anderem unter Berufung auf das historische Deutsche Reich, verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht - die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen, den demokratisch gewählten Repräsentanten die Legitimation absprechen oder sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend definieren (diese Definition zugrunde legend auch BVerwG, Beschluss vom 20.12.2019 - BVerwG 2 WDB 5.19 -, juris Rn. 11 sowie Urteil vom 2.12.2021 - BVerwG 2 A 7.21 -, juris Rn. 33; Sächs. OVG, Beschluss vom 3.12.2018 - 3 B 379/18 -, juris Rn. 15; in diesem Sinne der Ablehnung der Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Bundesländer bzw. der Negierung der Existenz der Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland und damit der in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Rechtsordnung auch OVG NRW, Beschluss vom 22.3.2017 - 3d B 296/17.O -, juris Rn. 7; Nds. OVG, Beschluss vom 18.7.2017 - 11 ME 181/17 -, juris Rn. 4, 12; Urteil vom 20.4.2012 - 3 LD 1/20 -, juris Rn. 93; Hess. VGH, Beschluss vom 20.6.2018 - 4 B 1090/18 -, juris Rn. 5; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 23.10.2019 - 7 A 10555/19 -, juris Rn. 33f.; Bay. VGH, Beschluss vom 22.7.2020 - 24 ZB 20.418 -, juris Rn. 9). Dementsprechend verstößt ein Beamter, welcher der „Reichsbürgerszene“ angehört - also aus welchen Motiven auch immer die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnt -, gegen seine Treuepflicht aus § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22.3.2017 - 3d B 296/17.O -, juris Rn. 7), also gegen seine Pflicht, sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhalt einzutreten.
Der Schluss, der Beklagte stelle die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Untergliederungen in Frage, ergibt sich zunächst aus seinen Angaben gegenüber dem Landkreis Q. im Rahmen des Verfahrens auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises und des Nachtragsantrags sowie gegenüber dem Bürgeramt der Stadt B-Stadt im Rahmen des Antrags auf Selbstauskunft. Hierin hat der am … 1963 in HH. (Niedersachsen) geborene Beklagte als „Geburtsstaat“ und „Wohnsitzstaat“ wiederholt „Preußen“ angegeben bzw. geltend gemacht, er habe die deutsche Staatsangehörigkeit per Abstammung gemäß § 4 RuStAG, Stand: 1913, erworben. Damit hat er im Rechtsverkehr gegenüber staatlichen Behörden - und folglich nach außen - objektiv zum Ausdruck gebracht, vom Fortbestehen des Staates/Königreichs Preußen auszugehen und damit die Existenz und die Legitimation der Bundesrepublik Deutschland und seiner föderalen Gliederungen in Abrede gestellt, wie dies - bei allen Unterschieden im Detail - gemeinsames Charakteristikum des Personenkreises der „Reichsbürger“ ist (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 8.10.2020 - 3 ZD 11/20 -; Urteil vom 20.4.2021 - 3 LD 1/20 -, juris Rn. 102). Es ist in der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises ohne nachvollziehbaren Anlass - insbesondere ohne behördlicherseits geltend gemachte Zweifel an der Staatsangehörigkeit des Betreffenden - und
• unter Angabe des Begriffes „Preußen“ oder „Königreich Bayern“ als Wohnsitzstaat, Geburtsstaat oder Staat der Staatsangehörigkeit
• und/oder unter Angabe, neben der deutschen Staatsangehörigkeit als weitere Staatsangehörigkeit die von „Preußen“ seit „Geburt“, erworben durch „Abstammung“ zu besitzen,
• und/oder unter Verweis auf eine „Abstammung gemäß § 4 RuStAG (Stand 1913)“
für eine Zugehörigkeit des Betreffenden zur „Reichsbürgerbewegung“ bzw. dafür spricht, dass sich der Betreffende zumindest die Ideologie der „Reichsbürgerbewegung“ inhaltlich zu eigen gemacht hat und die Existenz der Bundesrepublik Deutschland negiert (BVerwG, Urteil vom 2.12.2021 - BVerwG 2 A 7.21 -, juris Rn. 31 bis 43; OVG NRW, Beschluss vom 22.3.2017 - 3d B 296/17.O -, juris Rn. 7; Hess. VGH, Beschluss vom 20.6.2018 - 4 B 1090/18 -, juris Rn. 7f.; OVG Berl.-Bbg., Beschluss vom 21.3.2019 OVG 11 S 16.19 -, juris Rn. 8; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 23.10.2019 - 7 A 10555/19 -, Rn. 4 bis 7, 36, 38, 45). Die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises durch „Reichsbürger“ beruht darauf, dass in der „Reichsbürgerszene“ die Behauptung kursiert, das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz in seiner Fassung vom 22. Juli 1913 sei unverändert gültig und daher müsse man, um der Staatenlosigkeit zu entgehen, nach den damaligen Gesetzen einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragen (OVG Rh.-Pf., Urteil vom 23.10.2019 - 7 A 10555/19 -, juris Rn. 36). Der dargestellten Rechtsauffassung, dass die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises ohne nachvollziehbaren Grund und unter Verwendung einer oder mehrerer der bezeichneten Angaben dafür spricht, dass der Betreffende „reichsbürgertypisch“ die Existenz der Bundesrepublik Deutschland negiert, ist der erkennende Senat gefolgt (Nds. OVG, Beschluss vom 8.10.2020 - 3 ZD 11/20 -; Urteil vom 20.4.2021 - 3 LD 1/20 -, juris Rn. 106) und hält hieran weiterhin fest. Auch der Beklagte hat unter Verwendung einschlägiger - nämlich „reichsbürgertypischer“ - Formulierungen ohne nachvollziehbaren Grund einen Staatangehörigkeitsausweis beantragt und damit im Rechtsverkehr zum Ausdruck gebracht, die Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland nicht anzuerkennen. Diese Erklärungen sind, weil sie im Rechtsverkehr mit Behörden abgegeben wurden, auch von erheblichem Gewicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 2.12.2021 - BVerwG 2 A 7.21 -, juris Rn. 31).
Soweit er einwendet, die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises als zulässige Handlung im Rechtsverkehr könne kein Dienstvergehen begründen (so etwa Berufungsbegründung - BB - vom 8.9.2022, S. 4, 28, 31 [Bl. 183, 207, 210/GA]; Sitzungsniederschrift vom 14.3.2023, S. 2 [Bl. 271Rs./GA]), lässt diese Argumentation außer Acht, dass die Klägerin - und ihr folgend das Verwaltungsgericht (UA, S. 10) - nicht den Umstand der Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises als solchen für die Schlussfolgerung herangezogen hat, der Beklagte lehne die Existenz der Bundesrepublik Deutschland ab, sondern insoweit auf die von ihm im Antragsformular konkret getätigten Angaben abgehoben hat. Die wiederholte Eintragung “ Preußen als „Geburts- und Wohnsitzstaat“ und der Hinweis auf eine Abstammung gemäß „§ 4 RuStAG, Stand: 1913“ deutet - wie ausgeführt - darauf hin, dass er vom Fortbestehen des Staates Preußen ausgeht und die Gründung der Bundesrepublik Deutschland und deren föderale Untergliederungen in Abrede stellt, wie dies bei allen Unterschieden im Detail gemeinsames Charakteristikum des Personenkreises der „Reichsbürger“ ist.
Diese Schlussfolgerung wird auch nicht durch den Vortrag des Beklagten in Frage gestellt, er habe deshalb als Geburtsstaat „Preußen“ eingetragen, weil er, als er den Antrag gestellt habe, seine Abstammung habe nachweisen müssen (Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 28. April 2022, S. 3 [Bl. 106/GA]). Auch der erkennende Senat hält diese Einlassung für nicht überzeugend, denn in dem Antragsformular ist nach dem Geburtsstaat gefragt, nicht nach einer historisch-geographischen Abstammung. Dies musste dem Beklagten aufgrund seiner Ausbildung und seines beruflichen Werdeganges bewusst sein.
Nicht überzeugend ist der Vortrag des Beklagten, er befasse sich mit allen erdenklichen Themen und daher u. a. auch mit dem Thema deutsche Staatsangehörigkeit, und habe „das Formular nach Anleitungen aus Videos aus YouTube und der Erläuterung eines Bekannten (O.)“ ausgefüllt (BB, S. 23, 32 [Bl. 202,211/GA]). In diesem Sinne hatte er bereits - wie ausgeführt - auch im Rahmen seiner am 11. Oktober 2020 in II. gehaltenen Rede erklärt, er habe bei der Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises „keinen Fehler machen“ wollen und habe sich daher „vorher noch ein Buch dazu besorgt und Ausfüllanweise und -hinweise im Internet gesucht und sehr plausibel erschien mir dabei ein Film, den ich bei YouTube gefunden habe“ (Verschriftlichung der Rede des Beklagten auf der Querdenken-Bühne am 11. Oktober 2020 in II., Bl. 369, 370/Beiakte 1, Bd. 1). Abgesehen davon, dass die Behauptung, der Beklagte habe in Bezug auf die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises „Anregungen“ oder „Informationen“ von einem O. erhalten, nicht näher substantiiert worden ist, ist für den erkennenden Senat nicht ansatzweise nachvollziehbar, warum jemand, der die Existenz der Bundesrepublik Deutschland anerkennt und selbst als Landesbeamter des vormals gehobenen Polizeivollzugsdienstes Teil der Exekutive ist, diesen „Anregungen“ bzw. „Informationen“ Dritter sollte Rechnung tragen wollen. Angesichts des Bildungsgrades des Beklagten und seines beruflichen Werdeganges, der ihn zum Aufstieg in den vormals gehobenen Polizeivollzugsdienst und sogar zur Beförderung in das zweite Beförderungsamt der entsprechenden Laufbahn geführt hat, ist es vollständig unglaubhaft, dass er ohne innere Überzeugung und nur auf Anregung eines Dritten, eines „Ausfüll-Hilfe-Videos“ im Internet oder eines Buches hin einen Staatsangehörigkeitsausweis mit den oben bezeichneten Angaben („Preußen“) und unter Berufung auf § 4 RuStAG (Stand: 1913) beantragt haben will.
Der Beklagte hat zudem nicht glaubhaft gemacht, aus welchem Grund er überhaupt die Notwendigkeit gesehen hat, über einen Staatsangehörigkeitsausweis zu verfügen. Im Zeitpunkt der Antragstellung (Mai 2020) war er unstreitig im Besitz eines bis Juni 2029 gültigen deutschen Reisepasses (vgl. Bl. 326/Beiakte 11, Bd. 1) und eines bis Mai 2022 gültigen Personalausweises (vgl. Bl. 173/Beiakte 11, Bd. 1). Seine deutsche Staatsangehörigkeit war auch nicht von behördlicher Seite - etwa, weil dieser Status aus historischen Gründen zweifelhaft und dies erst im Vorfeld des Antragszeitpunkts behördlicherseits aufgefallen wäre - in Frage gestellt worden (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 8.10.2020 - 3 ZD 11/20 -; Urteil vom 20.4.2021 - 3 LD 1/20 -, juris Rn. 109; auf diesen Gesichtspunkt abstellend auch BVerwG, Urteil vom 2.12.2021 - BVerwG 2 A 7.21 -, juris Rn. 32). Der Erklärungsversuch des Beklagten, er habe sich mit dem Gedanken getragen, nach Curaçao auszuwandern und habe für einen möglichen Immobilienerwerb im Ausland vorbereitet sein wollen (so Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 28. April 2022, S. 3 [Bl. 106/GA], BB vom 8.9.2022, S. 3 f., 31 f. [Bl. 182 f., 210 f./GA]), überzeugt auch den erkennenden Senat nicht. Ungeachtet des Umstandes, dass der Beklagte diese vorgebliche Motivation nicht näher substantiiert hat, wäre selbst mit einem konkreten Auswanderungsplan noch nicht die Notwendigkeit der Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises belegt. Denn dieses amtliche Dokument der Bundesrepublik Deutschland, mit dem der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit dokumentiert wird, wird im deutschen Rechtsverkehr nur in seltenen Fällen als ein über den Personalausweis hinausgehender Beleg der deutschen Staatsangehörigkeit benötigt (OVG NRW, Beschluss vom 26.6.2019 - 20 B 822/18 -, juris Rn. 49; Nds. OVG, Beschluss vom 8.10.2020 - 3 ZD 11/20 -; Urteil vom 20.4.2012 - 3 LD 1/20 , juris Rn. 109), und auch für das Nicht-EU-Ausland - etwa für die Auswanderung in die USA - reicht u. a. ein gültiger Reisepass aus (s. telefonische Auskunft der Deutschen Botschaft in Washington, Bl. 40/Beiakte 1 Bd.1). Vor diesem Hintergrund ist eine Beantragung dieses Dokuments gleichsam prophylaktisch unglaubhaft. Ungeachtet dessen wäre aber auch im Falle eines konkreten Auswanderungswunsches nicht zu erklären, warum der am … 1963 in HH. (Niedersachsen) geborene Beklagte (s. Geburtsurkunde des Standesamtes HH. Nr. …, Bl. 10/Beiakte 10, Bd. 2), der im April 1981 nicht in das Beamtenverhältnis auf Widerruf hätte berufen werden können, wenn er nicht Deutscher im Sinne Artikels 116 des Grundgesetzes gewesen wäre (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 1 des Beamtenrechtsrahmengesetzes - BRRG - in der seit dem 1. Januar 1980 geltenden Fassung), und an dessen deutscher Staatsangehörigkeit seither von behördlicher Seite niemals gezweifelt worden war, im Rahmen des Antragsverfahrens als Geburtsstaat „Preußen“ angegeben hat. Diese Angabe lässt sich somit allein dahin deuten, dass der Beklagte vom Fortbestand des Staates „Preußen“ - und damit vom Nicht-Bestehen der Bundesrepublik Deutschland als Staat - überzeugt war. Die entsprechende innere Überzeugung wird zudem durch den weiteren Verfahrensgang belegt. Denn der Beklagte hat sich nach Erhalt des Staatsangehörigkeitsausweises sowie nach Erhalt der Auskunft des Bundesverwaltungsamtes erneut an den Landkreis Q. als die zuständige Staatsangehörigkeitsbehörde gewandt und mittels eines als „Nachtragsantrag“ bezeichneten Schreibens versucht, die Aufnahme der Formulierung „Abstammung gemäß § 4 Abs. 1 RuStAG, Stand. 1913“ in seinem Staatsangehörigkeitsausweis zu erwirken. Dies zeigt, dass er mit den dortigen Angaben (Bl. 170/Beiakte 11, Bd. 1):
„[vollständiger Name des Beklagten],
geboren am …1963 in HH. Deutschland,
[Wohnort: …],
ist deutscher Staatsangehöriger“,
inhaltlich nicht einverstanden war.
Der Beklagte hat zudem durch das Zurücklassen seines Personalausweises beim Bürgeramt der Stadt B-Stadt seine Zugehörigkeit zur Bundesrepublik Deutschland negiert. Seine Erklärung - er habe in verschiedenen Publikationen ermittelt, dass Personalausweis und Reisepass die deutsche Staatsangehörigkeit nicht eindeutig belegten, sondern nur die Vermutung dokumentierten, dass man deutscher Staatsbürger sei; als er dann den Staatsangehörigkeitsausweis erhalten habe, habe er gemeint, den Personalausweis nicht mehr zu brauchen, zumal er auch im Besitz eines gültigen Reisepasses sei (Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 28. April 2022, S. 3 [Bl. 106/GA]) -, ist in sich widersprüchlich und daher nicht glaubhaft. Denn auf der Grundlage seiner - unzutreffenden - Rechtsauffassung wäre nicht erklärlich, warum er auf den aus seiner Sicht nicht hinreichend aussagekräftigen Personalausweis verzichten, den aus seiner Sicht ebenfalls nicht hinreichend aussagekräftigen Reisepass jedoch behalten wollte. Dem Beklagten dürfte zwar bewusst gewesen sein, dass ohne jedenfalls eines der von ihm als nicht hinreichend aussagekräftig angesehen Dokumente - Reisepass oder Personalausweis - beispielsweise eine Flugreise nicht möglich wäre. Gleichwohl ist dann aber nicht erklärlich, warum er die Zahl der aus seiner Sicht nicht hinreichend aussagekräftigen, aber gültigen Ausweisdokumente freiwillig von zwei auf eines reduziert hat. Vielmehr lässt sich seine Erklärung, den Personalausweis nicht mehr zu benötigen, nur dahingehend verstehen, dass er seine Zugehörigkeit zur Bundesrepublik Deutschland plakativ - nämlich mittels Rückgabeakt - zu beenden versucht hat. Der Rückgabe eines Personalausweises, nachdem ohne erkennbaren Grund ein Staatsangehörigkeitsausweis beantragt und ausgehändigt worden ist, kommt ebenfalls regelmäßig der objektive Erklärungsgehalt zu, dass die Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland in Abrede gestellt wird und ist daher „reichsbürgertypisch“ (vgl. Sächs. OVG, Urteil vom 10.12.2021 - 12 A 650/19.D -, juris Rn. 37; VG Göttingen, Beschluss vom 29.1.2018 - 1 B 384/17 -, juris Rn. 34). Eine plausible, anderweitige Deutung des Verhaltens des Beklagten ist nicht erkennbar.
Der Beklagte dringt auch nicht mit seinem bei verständiger Würdigung so zu verstehenden Vorhalt durch, die Klägerin - und ihr folgend das Verwaltungsgericht - argumentiere allgemein mit dem Begriff des „reichsbürgertypischen Gedankenguts“, ohne näher darzustellen, was konkret „reichsbürgertypisches Gedankengut“ sei; er könne sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Begriff des „Reichsbürgers“ als eine Art „Kampfbegriff“ herangezogen werde, um kritische Bürger „mundtot“ zu machen (so BB vom 8.9.2022, S. 24 f., 29, 42 [Bl. 203 f., 208, 221/GA]; in diesem Sinne auch Sitzungsniederschrift vom 14.3.2023, S. 2 [Bl. 271 Rs./GA]). Eine einheitliche „Reichsbürgerbewegung“ gibt es zwar - wie ausgeführt - nicht; vielmehr existiert ein heterogenes Spektrum (hierauf hinweisend auch BVerwG, Urteil vom 2.12.2021 - BVerwG 2 A 7/21 -, juris Rn. 33), das von unterschiedlich motivierten Einzelpersonen über Kleinst- und Pseudogruppierungen, einer unüberschaubaren Zahl von Internetpräsenzen, sogenannten Hilfsgemeinschaften für „Justizopfer“, bis hin zu sektenartigen, esoterisch geprägten Organisationen mit vergleichsweise geringer Mitgliederzahl reicht (OVG Rh.-Pf., Urteil vom 23.10.2019 - 7 A 10555/19 -, juris Rn. 35; Nds. OVG, Urteil vom 20.4.2021 - 3 LD 1/20 -, juris 110). Klein-ster gemeinsamer Nenner und gleichsam weltanschauliche Klammer dieses Spektrums ist indes die Leugnung der völkerrechtlichen Legitimität der Bundesrepublik Deutschland und die Nichtanerkennung ihrer Rechtsordnung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.12.2019 - BVerwG 2 WDB 5.19 -, juris Rn. 11; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 23.10.2019 7 A 10555/19 -, juris Rn. 35; Nds. OVG, Urteil vom 20.4.2021- 3 LD 1/20 -, juris 110). Eine solche Position hat der Beklagte durch die bezeichneten Angaben in seinem Antrag auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises, in seinem Antrag auf Selbstauskunft, in seinem Nachtragsantrag und durch das Zurücklassen seines Personalausweises gerade zum Ausdruck gebracht. Sein Verhalten lässt darauf schließen, dass er entsprechend des „reichsbürgertypischen“ kleinsten gemeinsamen Nenners die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Rechtsordnung ablehnt. Hierbei handelt es sich nicht - wie der Beklagte meint (so etwa BB vom 8.9.2022, S. 25 [Bl. 204/GA]) - um die bloße Unterstellung einer entsprechenden Überzeugung“, sondern um die Feststellung einer inneren Einstellung, die sich aus der Würdigung der objektiven, nach außen getragenen Umstände des vorliegenden Streitfalles ergibt. Unterstützt wird dieser Befund durch die Aussagen des Beklagten gegenüber KOR J. anlässlich der Wohnungsdurchsuchung und gegenüber Frau I.. Hieraus wird deutlich, dass der Beklagte die Gefahr sah, staatenlos zu werden und Gefahr zu laufen, bestimmte Rechte zu verlieren. Dies wiederum belegt, dass er der Bundesrepublik Deutschland die Legitimation und die Fähigkeit abspricht, Garantin von Freiheitsrechten zu sein.
Eine plausible anderweitige Deutung des Verhaltens des Beklagten als diejenige, dass er die Existenz der Bundesrepublik Deutschland negiert und deren Rechtsordnung ablehnt, lässt sich auch nicht auf die Ausführungen seines Prozess(-unter-)bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat stützen. Soweit dieser auf vorgeblich rechtshistorisch streitige Fragestellungen hingewiesen und geltend gemacht hat, allein die Diskussion hierüber könne noch keinen Treuepflichtverstoß begründen, ein solcher Verstoß könne allenfalls angenommen werden, wenn der Betroffene zu einem bestimmten Ergebnis gelangt sei und dies entsprechend kundtue (Sitzungsniederschrift vom 14.3.2023, S. 3 [Bl. 272/GA]), geht diese Argumentation an dem hier in tatsächlicher Hinsicht festgestellten Sachverhalt vorbei. Denn der Beklagte hat nicht etwa im Rahmen einer (staats-)rechtshistorischen Diskussion bestimmte Fragen aufgeworfen, sondern hat diese - wie seine Angaben im Rechtsverkehr gegenüber dem Landkreis Q. und dem Bürgeramt seiner Wohnsitzgemeinde zeigen - für sich verbindlich dahingehend beantwortet, dass auch bei Sachverhalten seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Staatsangehörigkeit auf Verhältnisse vor dieser Zeit - hier: auf den Staat Preußen und das zu seiner Zeit geltenden Staatsangehörigkeitsrecht - abzustellen sei. Er ist also gerade zu dem Ergebnis des Fortbestehens des Staates Preußen und des 1913 geltenden Staatsangehörigkeitsrechts des Deutschen Reiches und der hiermit verbundenen Negierung der Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Staatsangehörigkeitsrecht gelangt, denn andernfalls hätte er die bezeichneten Angaben nicht im Rechtsverkehr mit einer Behörde im Rahmen förmlicher Antragstellungen verwendet.
Soweit er schließlich einwendet, es sei zu fragen, worauf sich die Treuepflicht eines Beamten beziehen solle, auf den Staat Bundesrepublik Deutschland als solchen oder auf die Grundsätze der Bundesrepublik Deutschland als solche (so Sitzungsniederschrift vom 14.2.2023, S. 3 [Bl. 272/GA]), ist dem entgegenzuhalten, dass eine entsprechende Trennung schon denklogisch ausscheidet. Die beamtenrechtliche Treuepflicht bezieht sich auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Es ist schlechterdings unmöglich, die rechtliche Existenz dieses Staates zu leugnen und sich zugleich zu dessen Grundordnung zu bekennen und sich für diese einzusetzen, wie § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG es verlangt (vgl. BVerwG, Urteil vom 2.12.2021 - BVerwG 2 A 7.21 -, juris Rn. 30).
Der Verstoß gegen die Pflicht zur Verfassungstreue ist - auch wenn die Angaben und das Verhalten gegenüber dem Landkreis Q. und dem Bürgeramt der Stadt B-Stadt außerdienstlich erfolgt sind - als ein innerdienstliches Fehlverhalten anzusehen. Denn die Pflicht zum Eintreten für die freiheitlich demokratische Grundordnung ist unteilbar und nicht auf den dienstlichen Bereich beschränkt (BVerwG, Urteil vom 12.3.1986 - BVerwG 1 D 103.84 -, juris Rn. 32; Urteil vom 2.12.2021 - BVerwG 2 A 7.21 , juris Rn. 26; Bay. VGH, Urteil vom 28.11.2001 - 16 D 00.2077 -, juris Rn. 155). Der Sinn der politischen Treuepflicht besteht darin, eine verlässliche, den Staat vor allem in Krisenzeiten und in Loyalitätskonflikten verteidigende Beamtenschaft zu garantieren (BVerfG, Beschluss vom 22.5.1975 - 2 BvL 13/73 -, juris Rn. 41; BVerwG, Urteil vom 12.3.1986 - BVerwG 1 D 103.84 -, juris Rn. 32). Dann aber muss von jedem Beamten verlangt werden, dass er auch im außerdienstlichen Bereich von der Unterstützung jeglicher Aktivitäten absieht, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet sind oder die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung diffamieren oder in Frage stellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.3.1986 - BVerwG 1 D 103.84 -, juris Rn. 32).
c) Der Beklagte handelte auch schuldhaft, und zwar vorsätzlich. Von einem vorsätzlichen Handeln ist auszugehen, wenn der Beamte bewusst und gewollt das Verhalten verwirklicht, welches die Pflichtverletzung darstellt (vgl. Günter, in: Plog/Wiedow, a. a. O., § 77 BBG Rn. 22 [zur bundesrechtlichen Parallelvorschrift]). Dies war hier der Fall. Dem Beklagten war bekannt, welche Angaben er im Rahmen der Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises sowie der übrigen Anträge gemacht hatte, und ihm war auch bekannt, dass er seinen gültigen Personalausweis beim Bürgeramt der Stadt B-Stadt zurückgelassen hatte. Das Vorliegen einer Schuldunfähigkeit im Sinne von § 20 des Strafgesetzbuches (StGB), welche auch ein Verschulden im Sinne des Disziplinarrechts ausschlösse (Herrmann/Sandkuhl, Beamtendisziplinarrecht, Beamtenstrafrecht, 2. Auflage 2021, Rn. 109; Günter, in: Plog/Wiedow a. a. O., § 77 BBG Rn. 24), ist weder vorgetragen worden noch ersichtlich.
Wenn der Beklagte einwendet (so BB vom 8.9.2022, S. 4, 32 [Bl. 183, 211/GA]), ihm sei es nicht „im entferntesten Ansatz in dem Sinn gekommen“, dass die Beantragung eines förmlichen Ausweisdokuments der Bundesrepublik Deutschland als ein Dienstvergehen im Sinne der Leugnung der Existenz der Bundesrepublik Deutschland angesehen werden könne, so beruft er sich der Sache nach auf einen Verbotsirrtum (vgl. § 17 StGB). Ein solcher Rechtsirrtum - der Beamte erkennt zutreffend den von ihm verwirklichten Geschehensablauf, der objektiv einen Dienstvergehenstatbestand erfüllt, glaubt aber, nicht pflichtwidrig gehandelt zu haben - kann das Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit (Unrechtsbewusstsein) entfallen lassen, wenn der Irrtum unvermeidbar war (BVerwG, Urteil vom 11.12.1990 - BVerwG 1 D 63.89 -, juris Rn. 24; Urteil vom 11.12.1991 - BVerwG 1 D 75.90 -, juris Rn. 129 ff.; Urteil vom 22.6.2006 - BVerwG 2 C 11.05 -, juris Rn. 30; Herrmann, a. a. O., Rn. 107). Die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums bestimmt sich nach der von dem Beamten nach seiner Amtsstellung (Status, Dienstposten) und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten (Vorbildung, dienstlicher Werdegang) zu fordernden Sorgfalt unter Berücksichtigung ihm zugänglicher Informationsmöglichkeiten (BVerwG, Urteil vom 22.6.2006 - BVerwG 2 C 11.05 -, juris Rn. 30; Herrmann, a. a. O., Rn. 107). Das Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit setzt in der Regel keine juristisch genaue Kenntnis der verletzten Rechtsvorschriften und/oder Verwaltungsanordnungen voraus. Es genügt, wenn der Beamte Umfang und Inhalt seiner auf diesen Regelungen beruhenden Dienstpflichten im weitesten Sinne erfasst (BVerwG, Urteil vom 22.6.2006 BVerwG 2 C 11.05 -, juris Rn. 30). Im Zweifel wird von einem Beamten - im eigenen Interesse - erwartet, dass er sich bei seiner Dienststelle rechtzeitig über Umfang und Inhalt seiner Dienstpflichten erkundigt (BVerwG, Urteil vom 22.6.2006 - BVerwG 2 C 11.05 -, juris Rn. 30).
In Anwendung dieser Maßstäbe erscheint es dem erkennenden Senat bereits nicht glaubhaft, dass der Beklagte nicht gewusst haben will, dass seine konkreten Angaben und sein konkretes Verhalten seinen Dienstpflichten entgegenstehen. Hierfür spricht zunächst, dass er selbst erklärt hat, er habe damals recherchiert und gesehen, dass es bei Beamten „Ärger“ wegen eines entsprechenden Antrags geben könne, habe aber gemeint, dies gelte nur, wenn noch zusätzlich Handlungen erfolgten, mit denen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland in Abrede gestellt werde (BB vom 8.9.2022, S. 4 [Bl. 183/GA]). Schon aus dieser Aussage geht hervor, dass der Beklagte Problembewusstsein hinsichtlich der Frage des Verursachens dienstrechtlichen „Ärgers“ im Zusammenhang mit der Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises hatte. Außerdem hat er gerade „zusätzliche“ Handlungen vorgenommen, denn ihm ist nicht die Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises als solche vorgehalten worden, sondern die Beantragung dieses Ausweises ohne nachvollziehbaren Grund in Verbindung mit den von ihm im Antragsverfahren konkret gemachten Angaben („Preußen“; „§ 4 RuStAG, Stand. 1913“) sowie die Rückgabe des Personalausweises, für die ebenfalls kein nachvollziehbarer Grund ersichtlich ist. Ungeachtet dessen ist er Polizeibeamter des vormals gehobenen Dienstes, mittlerweile im zweiten Beförderungsamt der Laufbahn. Er hat im Zuge seines Eintritts in den niedersächsischen Polizeidienst im Jahr 1981 den folgenden Amtseid geleistet (Bl. 27/Beiakte 10):
„Ich schwöre, dass ich, getreu den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates, meine Kraft dem Volke und dem Lande widmen, das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und die Niedersächsische Verfassung wahren und verteidigen, in Gehorsam gegen die Gesetze meine Amtspflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegenüber jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“,
und hatte im Jahr 2020 nahezu 40 Jahre Berufserfahrung. Es gab für ihn keinerlei objektiven Anlass, an der Existenz der Bundesrepublik Deutschland und insbesondere an seiner eigenen Staatsangehörigkeit zu zweifeln. Jedenfalls aber wäre es für ihn aufgrund seiner Aus- und Vorbildung ein Leichtes gewesen zu erkennen, dass sein - nach eigenem Vortrag insbesondere auf einer Internetrecherche bei YouTube basierendes (so BB vom 8.9.2022, S. 33, 35 [Bl. 212, 214/GA]) - Verhalten den Grundsätzen, auf die er vereidigt worden ist, fundamental entgegensteht, so dass jedenfalls ein - leicht vermeidbarer - Verbotsirrtum vorliegt, der die Schuld unberührt lässt. Einem Beamten des (vormals) gehobene Dienstes, jedenfalls aber einem Polizeivollzugsbeamten, hätte es sich geradezu aufdrängen müssen, diese „Informationen“ unter Zuhilfenahme weiterer Quellen - insbesondere auch dienstlich vorhandener oder zu beschaffender Information zur sog. „Reichsbürgerszene“, kritisch zu hinterfragen.
2. Eine schuldhafte Dienstpflichtverletzung des Beklagten ergibt sich weiterhin daraus, dass der Beklagte durch Verbreiten von Verschwörungstheorien schuldhaft gegen seine beamtenrechtlichen Pflichten verstoßen hat.
a) In tatsächlicher Hinsicht geht der erkennende Senat von Folgendem aus:
aa) Der Beklagte hat im Rahmen von öffentlichen Reden u. a. die folgenden Aussagen getroffen:
• „Zweifellos habe ich in meiner Rede in G. polarisiert und zweifellos habe ich angedeutet, dass aus meiner Sicht hinter dem werthaltigen Wahnsinn viel mehr als nur Zufall steht“
(Wortprotokoll der Rede des Beklagten am 22. August 2020 in AA., Bl. 380 bis 395/Beiakte 11, Bd. 1; hier: Bl. 386/Beiakte 11, Bd. 1),
• „Ja, wer immer noch denkt, dass es um Corona geht, der ist noch nicht wirklich aufgewacht. Hier geht es um 'great reset'“.
(Verschriftlichung des Redebeitrags des Beklagten am 21. November 2020 in A-Stadt, Bl. 130 bis133/Beiakte 1, Bd. 3; hier: Bl. 130/Beiakte 1, Bd. 3),
• Fragesteller: „[…], Sie hatten in A-Stadt am 21.11. ne Rede gehalten 'the great reset'. Das ist ja auch sehr viral gegangen […]. […] halten Sie das für … auf jeden Fall für gegeben, dass das wirklich um diesen 'The great reset' geht, sag ich mal Klaus Schwab Weltwirtschaftsforum?“
[Beklagter]: „Also, ich denke, das steckt ne ganz klare Agenda dahinter, die, wenn man sich die Ereignisse weltweit anguckt, gesteuert sind und, äh, es gibt nicht einzelnen Aktionen oder einzelne Zielrichtungen, es gibt nur eine Zielrichtung, die sich dahinter verbirgt und wer sich mit dem Hintergrund beschäftigt, wird Indizien und Beweise finden, die ganz klar belegen, was die Zielrichtung ist. Es ist nicht ne Krankheit, um die es hier geht, sondern diese Krankheit Corona, die wir nicht verleugnen, die wirklich vorhanden ist und die auch vielleicht schlimme Auswirkungen hat […] ist nur der… der sag ich mal Auslöser, der genutzt wird. Der Hintergrund und die Intention ist ne völlig andere und das ist wichtig, um die Gesellschaft umzukrempeln und völlig andres Gemeinwesen herbeizuführen und die Menschen aus ihrer Freiheit zu holen […]“
(Verschriftlichung eines Interviews des Beklagten, welches über YouTube am 7. Dezember 2020 ausgestrahlt wurde, Bl. 5 bis 6/Beiakte 1, Bd. 4; hier: Bl. 6/Beiakte 1, Bd. 4).
Mit diesen Passagen hat der Beklagte in öffentlichen Reden mehrfach auf das Narrativ eines globalen, weltverschwörerischen Plans, des sog. „great reset“, Bezug genommen. In diesem Zusammenhang wird behauptet, hinter der Idee des „great reset“ verberge sich der Plan einer globalen Finanz- und Politikelite, eine neue Weltordnung zu etablieren und die globale politische und wirtschaftliche Kontrolle zu übernehmen. Um die Bedingungen für eine solche weltweite, umfassende Umstrukturierung zu schaffen, in deren Folge u. a. individuelle Freiheiten der Bevölkerung eingeschränkt werden sollten, sei das Corona-Virus vorsätzlich und mit dem Ziel verbreitet worden, eine Pandemie auszulösen (s. Bl. 151 f./Beiakte 1, Bd. 3 unter Verweis auf die Quelle „Verschwörungstheorien erkennen und entlarven“ der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg als link).
Soweit der Prozess(-unter-)bevollmächtigte des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat darauf hingewiesen hat, die Theorie des „great reset“ stamme vom Leiter des Weltwirtschaftsforums in Davos, Klaus Schwab und es handle sich nicht um eine Verschwörungstheorie, sondern um eine Diskussion darüber, wie die Welt im Anschluss an die Corona-Pandemie neu gestaltet werden könne (Sitzungsniederschrift vom 14.3.2023, S. 3 [Bl. 272/GA]), übersieht er, dass auch die Klägerin in ihrer Disziplinarklageschrift davon ausgegangen ist, der Begriff „great reset“ gehe auf das gleichnamige Buch des Herrn Schwab sowie auf eine Vortragsreihe im Rahmen des Weltwirtschaftsforums 2020 in Davos zurück und bezeichne die Diskussion darüber, wie sich die weltwirtschaftlichen Bedingungen im Anschluss an die Corona-Pandemie verbessern ließen, damit sie sozialer und weniger finanziell ungleich würden (S. 57 [Bl. 29/GA]). Dieser ursprüngliche Inhalt des Begriffs „great reset“ ist jedoch nicht Gegenstand des Disziplinarvorwurfs, sondern vielmehr die verschwörungstheoretische Verwendung desselben in dem Sinne, dass eine globale Finanz- und Politikelite die Übernahme der politischen und wirtschaftlichen Kontrolle über die Weltbevölkerung plane. In diesem - verschwörungstheoretischen - Sinne hat auch der Beklagte den Begriff des „great reset“ gebraucht, wenn er in den wiedergegebenen Passagen seiner öffentlichen Reden geäußert hat, die Corona-Pandemie werde nach einem - der Mehrheit der Bevölkerung - verborgenen Plan durch bestimmte Personen dafür genutzt, die Gesellschaft „umzukrempeln“ und insbesondere der Mehrheit der Bevölkerung ihre Freiheit zu nehmen.
bb) Ferner suchte der Beklagte am 3. August 2020 in seiner Eigenschaft als Sachbearbeiter „technische Prävention“ der Klägerin den Zeugen U. an dessen Wohnanschrift auf und führte bei diesem eine Sicherheitsberatung zum Thema Einbruchschutz durch. Der Beklagte trug bei der Beratung Uniform. Nach Abschluss des Beratungsgesprächs fragte der Beklagte den Zeugen, ob dieser noch kurz Zeit habe, „ein bisschen noch so privat zu quatschen“, was der Zeuge bejahte, weil er nach eigenen Angaben „nicht unhöflich sein wollte, es ist immerhin ein Polizeibeamter“. Daraufhin eröffnete der Beklagte das Gespräch mit der Frage, ob sich der Zeuge schon einmal Gedanken gemacht habe, wie es eigentlich in Deutschland so stehe. Der Beklagte erklärte, am vorvorherigen Wochenende privat an einer Demonstration in II. teilgenommen zu haben, und fragte den Zeugen, ob dieser noch glaube, „dass wir in einem Rechtsstaat“ lebten und in einer Demokratie, er selbst habe das bis vor einem halben Jahr ungefähr noch geglaubt, aber zwischenzeitlich insoweit Zweifel entwickelt. Der Beklagte führte dann weiter aus, dass es tatsächlich eine Oberschicht von Reichen und Schönen gebe, die nur reich und schön blieben, weil sie Kinder entführten und aus dem Blut ein Junggebliebenenelixier gewönnen und dafür „klauten“ sie Kinder von der Straße; als Familienvater solle ihn - den Zeugen - dies doch besorgen und dagegen werde nichts unternommen. Ferner erklärte der Beklagte gegenüber dem Zeugen, dass es anscheinend „eine Schicht von Leuten“ gebe, die „uns und auch die Welt“ regierten, nämlich der chinesische Staatspräsident, Donald Trump und Putin und daneben eben auch noch eine Gruppe von Industriellen und Vertretern aus der Wirtschaft und Banker. Dann zog der Beklagte nach Angabe des Zeugen „irgendwie den Bogen zu den Juden“, wobei er explizit meinte, er sei wirklich kein Antisemit, es sei „nur auffällig, wie viele Juden da oben mitspielen würden, das hätte jetzt mit dem normalen Standard-Juden nichts zu tun, aber das sei halt da oben schon ein bisschen auffällig“. Der Beklagte erklärte sodann weiter, man müsse sich aber keine Sorgen machen, denn „wir gehen ins Licht“; in spätestens zwei Jahren wäre der Umbruch erfolgt und dann „würde hier ein anderes System vorherrschen, nicht nur hier, sondern weltweit“.
Davon, dass der Beklagte die dargestellten Aussagen getätigt hat, ist der erkennende Senat aufgrund der umfänglichen und detailreichen Bekundungen des Zeugen U. überzeugt (Zeugenvernehmung vom 13. Januar 2021, Bl. 138 bis 160/Beiakte 1, Bd. 4; hier: Bl. 147, 148, 149 Beiakte 1, Bd. 4). Dafür, dass die Angaben des Zeugen unglaubhaft sein könnten, sind keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich. Insbesondere ist es aufgrund der Umstände, in denen diese Äußerungen gefallen sind - zunächst abgeschlossene Beratung im Wohnhaus des Zeugen und danach „privates“ Gespräch mit dem in Uniform erschienenen polizeilichen Berater und insbesondere auch aufgrund der Absurdität des Vernommenen - sehr gut nachvollziehbar, dass sich der Zeuge auch mehrere Monate nach dem Beratungsbesuch noch im Detail an den Gesprächsverlauf erinnert hat. Im Übrigen hat der Beklagte weder im behördlichen Disziplinarverfahren noch im erstinstanzlichen Verfahren oder zuletzt im Berufungsverfahren bestritten, die entsprechenden Aussagen so getätigt zu haben.
Die dargestellten Äußerungen des Beklagten beinhalten antisemitische Verschwörungstheorien, wie sie u. a. von der Q-Anon-Bewegung vertreten werden und weisen im Übrigen eine Nähe zu den von der Q-Anon-Bewegung vertretenen Verschwörungstheorien auf (s. Bl. 151/Beiakte 1, Bd. 3 unter Verweis auf die Quelle „Verschwörungstheorien erkennen und entlarven“ der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg als link; vgl. auch Antwort der Deutschen Bundesregierung vom 5. November 2020 auf eine Kleine Anfrage zum Thema „Verbreitung der QAnon-Verschwörungsideologie“, BT-Drs. 19/24084, S. 1 bis 3 [Bl. 1 bis 3/Beiakte 1, Bd. 6]).
cc) Der Beklagte äußerte zudem in einem Interview in II. am 29. August 2020 (Abschrift eines YouTube-Videos mit dem Namen „Im Interview mit [dem Beklagten] und […]“, Bl. 67 bis 76/Beiakte 11, Bd. 2; hier: Bl. 68/Beiakte 11, Bd. 2):
„[Interviewer]: Jetzt hast Du heute Morgen glaube ich auf dem Weg hierher etwas Skurriles erlebt. Du hast mir gesagt, dass du Militärfahrzeuge gesehen hast. Ich dachte immer, das wäre ein Fake, ich konnte mir das nicht vorstellen. Ich hab’s jetzt aber aus einigen Ecken gehört und irgendwann muss man natürlich dann jetzt ja das glauben, vor allen Dingen, wenn das von einer einer Person kommt wie dir.
[Beklagter]: Ja wir, das war wirklich, wir sind gestern angereist, also gestern Nachmittag war das, am frühen Nachmittag. Das war auf der Autobahn, ähm aus Richtung A-Stadt kommend, es war ne Kolonne von 10,12 Fahrzeugen. Mit neuen Bundeswehrkennzeichen und es waren äh definitiv Fahrzeuge, die amerikanischen Ursprungs zu sein schienen. Die hatten ähm auch mit weißer Tafelkreide Aufschriften an der Seite und hinten drauf, und ähm die Deutschen sind ja auch ordentlich, wenn die im Kolonnenverband fahren, dann sind die ja geflaggt, mit Flaggen. Das war da nicht der Fall. Also spricht einiges dafür, dass das ähm unter dem Deckmantel oder unter dem Schafsfell vielleicht ein Wolf ist, dass da irgendwelche Militärkräfte getarnt im Einsatz sind. Mehr kann man da nur spekulieren oder interpretieren, aber irgendwas tut sich auch in diesen Kreisen, ja. Auf militärischer Seite. Was die jetzt gemacht haben oder wozu die eingesetzt sind, da wissen wir nichts drüber.“
Auch hierin kommt der verschwörungstheoretische Gedanke zum Ausdruck, dass das Corona-Virus ein „trojanisches Pferd“, also Teil eines großen Plans, sei, um die Menschen zu unterdrücken, ausgehend von den USA (Bl. 151 f./Beiakte 1, Bd. 3 unter Verweis auf die Quelle „Verschwörungstheorien erkennen und entlarven“ der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg als link), deren Militärkräfte verdeckt auf bundesdeutschem Boden eingebunden seien.
dd) Der Beklagte äußerte zudem gegenüber einem Bekannten - dem Zeugen W., den er vom gemeinsamen Faustballspielen im Sportverein „V.“ kannte -, dass es „geheime Bunker“ gebe, da würden Migranten ausgebildet, um dann irgendwann hervorgeholt zu werden, um gegen das deutsche Volk aufzubegehren“ (so Zeugenvernehmung des Gunter W. vom 20. Januar 2021, Bl. 213 bis 244/Beiakte 1, Bd. 4; hier: Bl. 231/Beiakte 1, Bd. 4).
Anhaltspunkte dafür, dass die entsprechenden Angaben des Herrn W. nicht der Wahrheit entsprechen könnten, sind nicht ersichtlich. Der Beklagte hat während des gesamten Verfahrens nicht in Abrede gestellt, sich in dem von Herrn W. wiedergegebenen Sinne geäußert zu haben.
Der Beklagte hat weiterhin seinem langjährigen Kollegen - dem ebenfalls im Dezernat … (…) eingesetzten PHK X. - unaufgefordert ein Video zugesandt, das der Zeuge X. wenige Minuten lang angesehen hat und das nach seinen Angaben von „irgendwelchen Bunkern in Berlin“ handelte, „wo Flüchtlinge […] ausgebildet oder gehalten werden oder irgendetwas Anderes“ (so Zeugenvernehmung des PHK X. vom 30. September 2020, Bl. 62 bis 99/Beiakte 1, Bd. 1; hier: Bl. 88/Beiakte 1, Bd. 1).
Die Darstellung des Zeugen X., die im Übrigen vom Beklagten inhaltlich nicht angegriffen worden ist, hält der erkennende Senat ebenfalls für glaubhaft. Auch diese Aussage des Beklagten beinhaltet verschwörungstheoretisches Gedankengut (plangesteuerte „Machtübernahme“ durch Dritte).
ee) Ferner hat der ebenfalls im Dezernat … (…) der Klägerin eingesetzte PHK JJ. erklärt, der Kläger habe mehrfach
„- ich nenne es mal freundlich wirre Theorien vorgetragen - im Einzelnen kriege ich sie nicht mehr hundertprozentig zusammen. Es ging darum, dass sich das System ändert, also ich sage mal, dass was man aktuell so aus den Medien nimmt, wenn es um Impfpflicht ging mit Implantieren von Chips[,] von Flüchtlingen, die irgendwann mal wiederauftauchen und die Herrschaft übernehmen[,] so möchte ich das einfach mal als Überschrift hinstellen. Zu solchen Themen[,] ja“.
(so Zeugenvernehmung des PHK JJ. vom 1. Oktober 2020, Bl. 140 bis 168/Beiakte 1, Bd. 1; hier: Bl. 164/Beiakte 1, Bd. 1).
Der erkennende Senat hat auch insoweit keinerlei Zweifel daran, dass der Beklagte die von PHK JJ. überschriftartig dargestellten Themen - „Impfpflicht und Implantieren von Chips“, „verborgene und dann wiederauftauchende Flüchtlinge, die die Herrschaft übernehmen“ - angesprochen hat; dies hat der Beklagte ebenfalls nicht in Abrede gestellt.
Bekanntlich wird in Bezug auf die Corona-Pandemie verschwörungstheoretisch ferner vertreten, der Multimilliardär Bill Gates habe den Plan, die Welt zu regieren und habe hierzu zunächst die Entwicklung des neuen Corona-Virus finanziert, sich sodann finanziell an der Entwicklung von gegen dieses Virus gerichteten Impfstoffen beteiligt und wolle sodann im Kampf gegen den Erreger den Menschen Mikrochips einpflanzen lassen, um dadurch die totale Kontrolle über sie zu erlangen (s. Bl. 152/Beiakte 1, Bd. 3 unter Verweis auf die Quelle „Verschwörungstheorien erkennen und entlarven“ der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg als link; vgl. auch Antwort der Deutschen Bundesregierung vom 5. November 2020 auf eine Kleine Anfrage zum Thema „Verbreitung der QAnon-Verschwörungsideologie“, BT-Drs. 19/24084, S. 1 bis 3).
ff) Nach alledem hat der Beklagte wiederholt Verschwörungstheorien von einer Steuerung der deutschen Staatsgewalt durch „hinter dieser“ stehenden „Kräften“ verbreitet. Soweit er in seiner Berufungsbegründung eingewandt hat, lediglich über Verschwörungstheorien berichtet zu haben, sei (noch) kein Propagieren dieser Theorien (BB vom 8.9.2022, S. 3 [Bl. 182/GA]; in diesem Sinne auch Sitzungsniederschrift vom 14.3.2023, S. 3 [Bl. 272/GA]), entlastet ihn dies nicht. Denn in den angeführten Beispielen hat er sich in keiner Weise von den betreffenden Positionen distanziert, sondern die entsprechenden Äußerungen ohne relativierende Einbindung geäußert und sie damit als eigene Positionen und Schlussfolgerungen gekennzeichnet. Auch soweit der Prozess(-unter-)bevollmächtigte des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat damit argumentiert hat, der Beklagte habe bereits seinerzeit die - nunmehr vermehrt in den Medien zu findende - kritische Frage gestellt, ob einzelne Personen mit großer wirtschaftlicher Macht wie etwa Bill Gates maßgeblichen Einfluss auf politische Entscheidungsfindungsprozesse haben dürften (Sitzungsniederschrift vom 14.3.2023, S. 4 [Bl. 277 Rs./GA]), entspricht diese - abweichende - Sachverhaltsdarstellung nicht der Realität. Denn der Beklagte hat keineswegs sachliche Systemkritik in dem Sinne geäußert, dass Politik zunehmend durch Lobbyismus bestimmt werde, sondern ohne relativierende Einbindung abstruse Behauptungen über eine global agierende Elite mit dem Ziel der Etablierung einer neuen Weltordnung, das Entführen von Kindern zwecks „Gewinnung eines Junggebliebenenelixiers“, das verdeckte Operieren ausländischer Militärkräfte auf bundesdeutschem Boden als Teil eines großen Plans, das „Verstecken von Migranten in Bunkern“ und das Implantieren von Chips durch Impfungen vertreten.
b) Der Beklagte hat durch sein vorstehendes Verhalten seine Plicht aus § 34 Satz 3 BeamtStG verletzt.
Nach § 34 Satz 3 BeamtStG - in der zum Zeitpunkt der jeweiligen Handlungen geltenden Fassung, also der vom 7. Dezember 2018 bis zum 6. Juli 2021 geltenden Fassung vom 29. November 2018 (BGBl. I S. 2232) - muss das Verhalten der Beamten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für das Amt der Beamten bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen (§ 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG).
Ob ein Verhalten als inner- oder außerdienstliches Fehlverhalten zu qualifizieren ist, richtet sich nicht entscheidend nach der formalen Dienstbezogenheit, d. h. nach der engen räumlichen oder zeitlichen Beziehung zum Dienst; vielmehr kommt es in erster Linie auf die materielle Dienstbezogenheit an (BVerwG, Urteil vom 20.2.2001 - BVerwG 1 D 55.99 , juris Rn. 57 [zur inhaltsgleichen Vorschrift des § 77 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BBG a. F.]; Günther, in: Plog/Wiedow, a. a. O., § 47 BeamtStG Rn. 1, 4 in Verbindung mit Günter, in: Plog/Wiedow, a. a. O., § 77 BBG Rn. 26), also darauf, ob das Fehlverhalten in die mit dem Amt des Beamten verbundene dienstliche Tätigkeit kausal und logisch eingebunden war (BVerwG, Urteil vom 25.8.2009 - BVerwG 1 D 1.08 -, juris Rn. 54; Urteil vom 19.8.2010 - BVerwG 2 C 5.10 -, juris Rn. 9). Ist eine solche Einordnung nicht möglich - stellt sich das Verhalten des Beamten also als das einer Privatperson dar -, ist es als außerdienstliches (Fehl-)Verhalten zu qualifizieren (BVerwG, Urteil vom 19.8.2010 - BVerwG 2 C 5.10 -, juris Rn. 54).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist das hier in Rede stehende Verhalten - soweit es während der Freizeit des Beklagten in öffentlichen Reden oder im privaten Bereich gegenüber dem Zeugen W. geäußert worden ist - als außerdienstliches Verhalten zu bewerten, weil es weder formell in sein Amt noch materiell in die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden war. Die Äußerungen gegenüber dem Zeugen U. anlässlich einer zu den Dienstgeschäften des Beklagten gehörenden Beratung in Sachen Einbruchschutz sowie die Äußerungen gegenüber den Kollegen X. und JJ. indes waren in die dienstliche Tätigkeit des Beklagten eingebunden bzw. fanden anlässlich von Gesprächen im Kollegenkreis statt und sind damit dem dienstlichen Bereich zugehörig.
Durch das Äußern von Verschwörungstheorien gegenüber dem Zeugen U. sowie gegen den Zeugen X. und JJ. hat der Kläger gegen seine (innerdienstliche) Wohlverhaltenspflicht verstoßen. Die Wohlverhaltenspflicht ist verletzt, wenn das Verhalten des Beamten die Funktionsfähigkeit der Verwaltung unmittelbar in der Erfüllung der Amtsaufgaben und der Wahrung der dienstlichen Interessen beeinträchtigt (Brinktrine/Schollendorf, BeckOK Beamtenrecht, Stand: 1. Februar 2022, § 61 BBG Rn. 13; Nds. OVG, Urteil vom 13.12.2022 - 6 LD 1/22 -, n.v., UA, S. 99). Die Wohlverhaltenspflicht ist etwa verletzt, wenn Meinungsäußerungen eines Beamten in ihrem jeweiligen Kontext den Bereich sachlicher Kritik verlassen und die Grenze dessen, was im Interesse eines störungsfreien Dienstbetriebs hingenommen werden kann, überschreiten (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - BVerwG 2 A 4.04 -, juris Rn. 58; Nds. OVG, Urteil vom 13.12.2022 - 6 LD 1/22 -, n.v., UA, S. 99). Nach Maßgabe dieser Grundsätze verstößt das Äußern von Verschwörungstheorien gegenüber dem Zeugen U. sowie den Zeugen X. und JJ. gegen § 34 Satz 3 BeamtStG. Denn die Behauptung, hinter der deutschen Staatsgewalt stünden „in Wahrheit andere Kräfte“, die an der Weltherrschaft arbeiteten und die Bürger der Bundesrepublik Deutschland manipulierten und durch geheim gehaltenes Vorgehen täuschten, geht über den Bereich der sachlichen Kritik an der bestehenden Ordnung weit hinaus, unterstellt sie doch, diese Ordnung gebe es nicht mehr, weil diese bereits „unterhöhlt“ worden sei. Dass damit das Vertrauen der bei der Polizei um Einbruchschutz nachsuchenden Bürger sowie das Vertrauen der Kollegen in eine ordnungsgemäße Dienstausübung des Beklagten nachhaltig erschüttert wird, liegt auf der Hand. Kein Bürger will mit einem Polizeibeamten etwaige Sicherheitslücken seiner privaten Immobilie ermitteln und erörtern oder sich dem Schutz eines Kriminalhauptkommissars anvertrauten, bei dem er nicht sicher sein kann, zu welchem Zweck dieser die im dienstlichen Zusammenhang erhaltenen Informationen verwendet. Und kein Polizeikollege kann sich im Rahmen polizeilicher Einsätze - wie es für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwingend erforderlich ist - mit Leib und Leben einem Kollegen anvertrauen, bei dem nicht gewährleistet ist, dass er den erforderlichen Schutz zu leisten bereit ist.
Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte zudem darauf, er habe (jedenfalls) seine in der Freizeit gemachten Äußerungen als Privatperson - und nicht als Polizeibeamter - getätigt. Denn das bezeichnete außerdienstliche Verhalten erfüllt die qualifizierenden Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG.
Mit der Vorgabe, dass ein Verhalten außerhalb des Dienstes nur dann ein Dienstvergehen darstellt, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für das Amt des Beamten bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen, hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, von einem Beamten unterhalb dieser „Erheblichkeitsschwelle“ kein wesentlich anderes Sozialverhalten zu erwarten als von jedem anderen Bürger (BVerwG, Urteil vom 18.6.2015 - BVerwG 2 C 9.14 -, juris Rn. 14 m. w. Nw.; Urteil vom 24.10.2019 - BVerwG 2 C 4.18 -, juris Rn. 11). Ob und in welchem Umfang durch das außerdienstliche Verhalten eines Beamten das für sein Amt erforderliche Vertrauen beeinträchtigt wird, hängt deshalb in maßgeblicher Weise von Art und Intensität der jeweiligen Verfehlung ab (BVerwG, Urteil vom 18.6.2015 - BVerwG 2 C 9.14 -, juris Rn. 15). Dabei kommt vorsätzlichen Straftaten eine besondere Bedeutung zu (BVerwG, Urteil vom 28.7.2011 - BVerwG 2 C 16.10 -, juris Rn. 24; Urteil vom 18.6.2015 - BVerwG 2 C 9.14 -, juris Rn. 15; Urteil vom 24.10.2019 - BVerwG 2 C 4.18 , juris Rn. 12). Maßgeblich ist auch, ob der Pflichtenverstoß des Beamten einen Bezug zu seinem Amt aufweist (BVerwG, Urteil vom 18.6.2015 - BVerwG 2 C 9.14 -, juris Rn. 15). Dabei ist in der älteren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf das konkret-funktionelle Amt des Beamten - also seinen Dienstposten - abgestellt worden (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 8.5.2001 - BVerwG 1 D 20.00 -, juris Rn. 25); in seiner jüngeren Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht hieran jedoch nicht mehr festgehalten und sieht seither das dem Beamten verliehene Amt im statusrechtlichen Sinne als Bezugspunkt des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG an (BVerwG, Urteil vom 18.6.2015 - BVerwG 2 C 9.14 -, juris Rn. 16 ff.; Urteil vom 24.10.2019 - BVerwG 2 C 4.18 -, juris Rn. 13). Aus dem sachlichen Bezug des Dienstvergehens zum konkreten Aufgabenbereich kann sich aber eine Indizwirkung ergeben. Der Beamte wird mit dem ihm übertragenen konkreten Amt identifiziert. Je näher der Bezug des außerdienstlichen Fehlverhaltens eines Beamten zu dem ihm übertragenen Aufgabenbereich ist, umso eher kann davon ausgegangen werden, dass sein Verhalten geeignet ist, das Vertrauen zu beeinträchtigen, welches sein Beruf erfordert (BVerwG, Urteil vom 18.6.2015 - BVerwG 2 C 9.14 -, juris Rn. 20; Urteil vom 24.10.2019 - BVerwG 2 C 4.18 -, juris Rn. 13).
Dies zugrunde gelegt, sind im Streitfall die qualifizierenden Anforderungen des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG erfüllt. Die Behauptung der „Steuerung“ der Bundesrepublik Deutschland durch „dahinter stehende Kräfte“ bzw. eines „großen Plans zur (weiteren) Unterhöhlung der geltenden Ordnung“ weist einen so engen Bezug zu der Tätigkeit des Beklagten als Polizeivollzugsbeamter bzw. zu seinem Statusamt als Kriminalhauptkommissar auf, dass die disziplinarrechtlich relevante „Erheblichkeitsschwelle“ des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG überschritten ist. Denn mit diesen Äußerungen hat der Beklagte deutlich gemacht, nicht mehr uneingeschränkt zu der verfassungsmäßigen Ordnung zu stehen, deren Repräsentant auch er ist. Wenn ein Polizeibeamter - und damit ein Beamter, dessen Dienstpflichten gerade darin bestehen, staatliche Maßnahmen notfalls mit Zwang durchzusetzen - Verschwörungstheorien verbreitet, die teilweise sogar antisemitische Inhalte haben, dann stellt dies dessen persönliche Eignung für seine dienstliche Tätigkeit nachhaltig in Frage und ist deshalb geeignet, das Ansehen der Polizei - aber darüber hinaus auch das Vertrauen der Allgemeinheit in das Beamtentum als Sachwalter einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung - in besonderem Maße zu erschüttern. Denn jeder Bürger, der bei der Polizei um Schutz nachsucht oder von einer polizeilichen Maßnahme betroffen ist, könnte sich bei einem Polizisten, der den beschriebenen Verschwörungstheorien anhängt und diese auch öffentlich verbreitet, nicht mehr sicher sein, ob er den begehrten polizeilichen Schutz von diesem Polizisten tatsächlich erhält oder ob die polizeiliche Maßnahme, von der er betroffen ist, nicht eigentlich der Verfolgung verschwörungstheoretischer - und damit gegen die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland gerichteter - Ziele dient.
Das Verhalten des Beklagten weist auch deshalb den von § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG geforderten Bezug zu seinem (Status-)Amt auf, weil er bei seinen öffentlichen Auftritten immer wieder seine Eigenschaft als Polizeibeamter herausgestellt hat, um seinen Behauptungen ein größeres Gewicht zu verleihen. So hat er bereits in seiner ersten öffentlichen Rede in G. am 9. August 2020 an den Anfang seiner Ausführungen gestellt, dass er Kriminalhauptkommissar bei der niedersächsischen Polizei sei (Bl. 41/Beiakte 11, Bd. 1). Und er hat die von ihm getätigten Äußerungen regelmäßig unter (ausdrücklicher oder impliziter) Bezugnahme auf seine beruflichen Erfahrungen getätigt, so etwa in der Weise, dass er als Polizist „Vertreter für Recht und Gesetz und für Gerechtigkeit“ sei, und „wenn man das als Polizeibeamter im Blut aufgenommen“ habe, dann könne man „Ungerechtigkeiten schwer ertragen“, etwa, wenn - wie von ihm selbst erlebt - versucht worden sei, eine friedliche Demonstration gegen Corona-Maßnahmen mit polizeilichen Mitteln zu beenden, und er dann später in der Zeitung etwas gelesen habe, das nicht zu dem gepasst habe, was er persönlich erlebt habe (Abschrift eines YouTube-Videos mit dem Namen „Im Interview mit [dem Beklagten] und […]“, erfolgt am 29. August 2020, Bl. 67 bis 76/Beiakte 11, Bd. 2; hier: Bl. 70/Beiakte 11, Bd. 2). Auch die Ausführungen des Beklagten, in denen der verschwörungstheoretische Gedanken des verdeckten Operierens ausländischer Militärkräfte auf bundesdeutschem Boden als Teil eines großen Plans zum Ausdruck kommt (s. o.), stehen im Zusammenhang mit einer vorgeblichen besonderen - auf beruflicher Erfahrung beruhenden - Expertise auf diesem Gebiet, sind diese durch den Interviewer doch gerade mit den Worten eingeleitet worden, dass müsse man ja jetzt glauben, „vor allen Dingen, wenn das von einer Person kommt wie dir“.
c) Der Beklagte handelte schuldhaft, und zwar vorsätzlich. Ihm war bewusst, die entsprechenden Äußerungen zu tätigen und wollte dies auch. Soweit er sich mit seinen zahlreichen Verweisen darauf, dass er in seinen Äußerungen „als Privatmann“ gehandelt habe, der Sache nach auf einen Verbotsirrtum sollte berufen wollen, dränge er hiermit nicht durch. Denn angesichts seiner langjährigen Zugehörigkeit zum Polizeivollzugsdienst bzw. Dienst als Kriminalbeamter und seiner Position als im zweiten Beförderungsamt seiner Laufbahn stehender Polizeibeamter war ein solcher Irrtum in jedem Fall vermeidbar.
3. Eine schuldhafte Dienstpflichtverletzung des Beklagten ergibt sich weiterhin daraus, dass er staatliche Institutionen und Organe verunglimpft hat.
a) In tatsächlicher Hinsicht geht der erkennende Senat insoweit von folgendem Sachverhalt aus:
aa) Der Beklagte hat im Rahmen von öffentlichen Reden und Interviews u. a. die folgenden Aussagen getroffen:
• „Im dunkelsten Kapitel unserer Deutschen Geschichte haben Regierende ihre Sicherheitskräfte schon einmal bedingungslosem Gehorsam unterworfen und sie für die abscheulichsten Verbrechen missbraucht, die anderen Menschen je angetan wurden. […] Heute habe ich Angst, denn mein Bauch sagt mir, dass sich grade alles wieder in dieselbe Richtung entwickelt […]““
(Wortprotokoll der Rede des Beklagten am 9. August 2020 in G., Bl. 41 bis 54/Beiakte 11, Bd. 1; hier: Bl. 46, 53/Beiakte 11, Bd. 1),
• „Mir wird vorgehalten, dass ich hier fiese Nazivergleich angestellt habe, ähm, wer meine Rede gehört und dann sieht, was in den Printmedien dazu geschrieben wurde, wird feststellten, dass das nicht so ist. Was ich gemacht habe, ich habe im Internet mal recherchiert, um sich mit Wissen zu versorgen, ist heutzutage aus meiner Sicht eine Holschuld, denn das andere ist nur eine Berieselung und dabei habe ich dann einfach mal solche Begriffe wie, ähm, die SS, die SA oder den SD, den Sicherheitsdienst im Deutschen Reich, im Dritten Reich recherchiert und was dazu geschrieben wurde, das macht mir einfach Angst, weil ich einfach Parallelen erkenne zu dem Sicherheitsapparat, den ich heute hier sehe, für den ich fast 40 Jahre lang tätig war.“
(Verschriftlichung der Rede des Beklagten am 3. Oktober 2020 in Y., Bl. 114 bis 116/Beiakte 1, Bd. 1; hier: Bl. 114 f./Beiakte 1, Bd. 1),
• „Ich stell mir vor, wenn in diesem Land plötzlich 60 Millionen Leute keine Masken mehr tragen würden, wer will dann was machen? Wer will dann was machen? Alle, die die Masken, das sind Co-Unterstützer, die dieses System einfach unterstützen. Und ich sage wie im Dritten Reich waren nicht die Bösen, die wenigen Bösen, die Übel da verübt haben, schuld, sondern das war die breite Masse der Menschen, die einfach nicht aufgestanden sind, die sich nicht dagegen zur Wehr gesetzt haben. Das sind Unterstützer von solchen Maßnahmen und von solchem Regime“.
(Verschriftlichung eines Interviews u. a. mit dem Beklagten am 8. November 2020 in Z., Bl. 262/Beiakte 1, Bd. 2),
• „[Beklagter]: Aber ich hab in meiner ersten Rede gesagt, aus meiner Sicht, haben wir keinen Rechtsstaat mehr. Wir haben keine Demokratie mehr und wir haben keine Gewaltenteilung mehr. Und für mich wird in diesen ganzen Einzelmaßnahmen, wird immer deutlicher, das System demaskiert sich hier selber. […] Wir haben ja die Entwicklung damals in unserer Geschichte gesehen, wie es, sage ich mal, zu der Nazireich gekommen ist. [Wie dies ganzen Verbrechen geschehen konnten und die kann man einfach nicht verleugnen. Da gibt es viele Zeitdokumente. Es gibt Berichte darüber, es gibt Filme darüber.] Und wenn ich mir das in der heutigen Zeit mal vergleiche. Uns wird hier vorgegaukelt oder weisgemacht, das, was jetzt mit uns Menschen alles passiert, weltweit, liegt daran, dass irgend Chinese eine falsche Fledermaus gegessen hat. […]
[Ein Diskussionsteilnehmer]: Die Parallelen sind sichtbar.
[Beklagter]: Die sind sichtbar, ja klar, und ich sage wehret den … wehret den Anfängen. Und für mich steht ganz klar fest, ich lasse das nicht zu bis zu meinem letzten Atemzug, werde ich ein solches System bekämpfen. So etwas werde ich nie wieder zulassen.“
(Verschriftlichung einer Talk-Runde am 31. Januar 2021, Bl. 405 bis 414/Beiakte 1, Bd. 4; hier: Bl. 411, 413/Beiakte 1, Bd. 4),
Damit hat der Beklagte staatliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie mit den planvoll gesteuerten, menschenverachtenden und menschenlebenvernichtenden Maßnahmen während des Nationalsozialismus gleichgesetzt.
bb) Ebenfalls in öffentlichen Reden bezeichnete der Beklagte Polizeibeamte als „Statisten“ bzw. „Söldner“:
• „Und ich hab auch meine Zweifel daran, ganz ehrlich gesagt, bei eigenem Erleben oder bei dem, was ich gesehen habe, dass das Polizisten sind, ausgebildete Polizisten. […] Wenn wir sehen, dass hier von der Polizei solche Maßnahmen getroffen werden, die völlig unverhältnismäßig sind. Die teilweise unrechtmäßig sind, dass hier Menschen in Uniformen rumlaufen, wo man sich wirklich ernsthaft die Frage stellen muss, sind das ausgebildete Polizisten oder wer steht hier als Statist vor mir? Entblößt sich das System immer weiter.“
(Verschriftlichung einer Talk-Runde am 31. Januar 2021, Bl. 405 bis 414/Beiakte 1, Bd. 4; hier: Bl. 411/Beiakte 1, Bd. 4),
• [„Für die Polizei, ist ganz wichtig: es gibt sie. Die guten Polizisten] und ich habe den Eindruck, dass hier viele, viele Kräfte in Polizeiuniformen stecken, die diesen Beruf nicht gelernt haben. Die weder gelernt haben, was Verhältnismäßigkeit ist. Die auch auf Nachfrage keine gesetzlichen Grundlagen angeben können. Für mich sind das gekaufte Söldner. [Die Frage ist, wer steckt dahinter, diese einzusetzen?“]
(Verschriftlichung des Redebeitrags des Beklagten am 21. November 2020 in A-Stadt, Bl. 130 bis 133/Beiakte 1, Bd. 3; hier: Bl. 132/Beiakte 1, Bd. 3),
• [„KK. hat ein wichtiges Wort gesagt, dass vielleicht untergegangen ist. Er hat etwas von Söldnern gesagt und wenn man sich weltweit die Polizeien anguckt in den einheitlichen Uniformen mit der gleichen Vorgehensweise, ich sage mal, das trifft nicht auf alle Polizisten zu, aber diejenigen, die gnadenlos Frauen, Kinder und alte Menschen gewaltsam zusammenknüppeln oder ihnen die Arme verbiegen, fesseln oder] widerrechtlich festnehmen und ihre Maßnahmen nicht begründen können und ihre Namen nicht nennen, [damit man sich nicht gegen sie rechtlich zur Wehr setzen kann], das sind aus meiner Sicht Söldner. Und, wenn sich das herausstellt, es gibt Indizien, [noch keine Beweise für mich, Indizien,] dass das eine Söldnertruppe ist, dann ist ein Söldner von jedem, von jedem Menschen und von jedem Soldaten, darf der getötet werden. Ich möchte das nicht erleben, aber es könnte irgendwann passieren, wenn sie das mit ihrer Gewalt weiter steigern.“
(Verschriftlichung des Redebeitrags des Beklagten am 28. März 2021 in CC., Bl. 15 bis 17/Beiakte 1, Bd. 6; hier: Bl. 16/Beiakte 1, Bd. 6),
• [„Ähm, also, wenn ich in den Augen der Kollegen gucke, ich weiß nicht, was da vorgeht, habe eben schon gesagt in nem anderen Interview, für mich läuft da einiges schief. Entweder in den Köpfen der Kollegen, für mich sind Schutzleute Schutzleute, die für den Schutz des Bürgers da sind und nicht um irgendwelche politischen Interessen durchzusetzen. Das ist absolut nicht die Aufgabe von Polizeibeamten, die müssen zwar neutral sein, aber die dürfen sich auch nicht von irgendwelchen regierenden oder politischen Entscheidungsträgern missbrauchen lassen und das passiert aus meiner Sicht hier gerade und ich denke, dass es ne Aufarbeitung geben wird,] wenn das Ganze hier irgendwann mal durch ist, dann werden sich alle, die dieses Regime hier, sage ich mal, unterstützen, anders kann ich das leider nicht bezeichnen, die werden sich dafür zu verantworten haben und ja, wer sich jetzt noch auf diese Seite stellt und da mitmacht, der macht sich aus meiner Sicht strafbar.“
(Verschriftlichung eines Interviews u. a. mit dem Beklagten am 31. Oktober 2020 auf der Querdenken-Veranstaltung in N., Bl. 245 bis 248/Beiakte 1, Bd. 2; hier: Bl. 246 f./Beiakte 1, Bd. 2).
Anlässlich einer gegen ihn selbst gerichteten polizeilichen Identitätsfeststellung bei einer Versammlung in N. (vgl. Bl. 241 bis 243/Beiakte 1, Bd. 2) äußerte der Beklagte, die einschreitende Polizei habe u. a. „faschistisch“ gehandelt:
[„Für mich ist das so, wenn die Maßnahme unverhältnismäßig lange dauert oder angeblich waren die Maßnahmen nicht abgeschlossen, das geht sehr schnell in den Bereich der Freiheitsberaubung im Amt oder jemanden, der wirklich keine Straftat begangen hat, ähm, das haben viele 1000 Menschen hier gesehen, es gibt Filmdokumente ohne Ende was wir hier gemacht haben und was wir hier geredet haben und dann ein Bild, ein Bild darauszuziehen, um uns wirklich in die Ecke zu drängen, wo uns irgendjemand haben will, nein, mein Gott noch mal,] das muss man doch endlich mal merken, das ist doch Faschismus pur.“
Verschriftlichung eines Interviews u. a. mit dem Beklagten am 31. Oktober 2020 auf der Querdenken-Veranstaltung in N., Bl. 245 bis 248/Beiakte 1, Bd. 2; hier: Bl. 247/Beiakte 1, Bd. 2).
cc) Darüber hinaus warf der Beklagte der Staatsgewalt der Bundesrepublik Deutschland „völlige Willkür“, Rechtsbeugung, Manipulation von Wahlen und Gerichtsentscheidungen und Hochverrat vor:
• „Ich [habe] wirklich bis zum bis zum Einstieg in die Corona-Thematik gedacht, wir haben eine Demokratie, wir haben einen Rechtsstaat. Wir haben leider beides nicht mehr. Wir haben keine Gewaltenteilung mehr, wie ich es in meiner ersten Rede gesagt habe. Wir haben eine völlige Willkür in allen Bereichen des öffentlichen Lebens. Und davon müssen wir wegkommen.“
(Verschriftlichung eines Redebeitrags des Beklagten, gehalten am 7. Dezember 2020 in P., Bl. 3 bis 4/Beiakte 1, Bd. 4; hier: Bl. 3/Beiakte 1, Bd. 4),
• [„Ich selbst war in Maßnahmen in II. betroffen und habe die Kollegen, die gegen mich ne Platzverweisung ausgesprochen haben, nach der Rechtsgrundlage gefragt. Und ich habe auch nach einem Dienstausweis gefragt und beides wurde nicht durchgeführt. Es wird nur geschubst, gedrängelt oder dann entsprechend auch geschimpft und aggressiv gegen die Menschen vorgegangen. Aber es wird weder erklärt, noch begründet, noch dargelegt. Und in einem Rechtsstaat, finde ich, darf man das von einer Polizei, die hier für den Staat das Machtmonopol wahrnimmt, erwarten als Bürger.] Wir haben als Menschen in diesem Staat das Recht, dass der Staat uns vor Willkür beschützt. Das ist seine Pflicht, seine Aufgabe und die wird hier definitiv nicht wahrgenommen, sondern die wird nicht nur nicht wahrgenommen, wird umgedreht. […]
[Redebeitrag eines anderen]: Das hieße ja im Klartext […], dass […] die Polizei hier ein[en] Vertrauensbruch mit der Bevölkerung durchaus in Kauf nimmt. […]
[[Beklagter]: […] Ja, und Auftraggeber sind die politisch Verantwortlichen dafür.“ […] Aber ich hab in meiner ersten Rede gesagt, aus meiner Sicht haben wir keinen Rechtsstaat mehr. Wir haben keine Demokratie mehr und wir haben keine Gewaltenteilung mehr. […]] Wir haben Wahlen, die werden, das Ergebnis wird einfach wunschgemäß verändert. Wir haben richterliche, unabhängige Urteile, die hier verändert werden. Und ich frage mich, wie will man da noch einen Rechtsstaat begründen?“
(Verschriftlichung des Talks „Perspektive“ [Polizeigewalt und Diktatur?] mit u. a. dem Beklagten vom 31. Januar 2021, Teil 1, Bl. 405 bis 414/Beiakte 1, Bd. 4; hier: Bl. 411 f./Beiakte 1, Bd. 4),
• [„[…] wenn meine Informationen stimmen, dann] soll ja Frau Merkel ja schon gesagt haben, [dass das Ding ihnen entglitten ist und sie soll auch selbst gesagt haben,] dass das eine politische Entscheidung ist mit den Corona-Maßnahmen und weder etwas mit wissenschaftlichen noch medizinischen Grundlagen zu tun hat. Und spätestens an dieser Stelle ist für mich als Polizist der Anfangsverdacht des Hochverrats erfüllt und ich frage mich, wann verantwortliche Juristen diesem Anfangsverdacht endlich nachgehen.“
(Verschriftlichung des Talks „Perspektive“ [Polizeigewalt und Diktatur?] mit u. a. dem Beklagten vom 4. Februar 2021, Teil 2, Bl. 415 bis 420/Beiakte 1, Bd. 4; hier: Bl. 418/Beiakte 1, Bd. 4).
b) Die Behauptung des Beklagten, es gebe in Deutschland keinen Rechtsstaat, keine Demokratie, keine Gewaltenteilung, keine freien Wahlen und keine unabhängige Rechtsprechung mehr, stellt die Geltung der verfassungsgemäßen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland grundlegend in Frage und verstößt damit gegen die politische Treue-pflicht (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG). Der Beklagte hat hier unter dem Deckmantel der sachlichen Kritik die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und ihrer verfassungsmäßigen Grundlagen negiert und damit seine beamtenrechtliche Kernpflicht, sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten, verletzt.
Indem der Beklagte staatliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie mit Maßnahmen während des Nationalsozialismus gleichgesetzt hat, hat er der Bundesrepublik Deutschland menschenrechtsverachtendes Handeln vorgeworfen. Die Bezeichnung der im Rahmen von „Querdenker-Demonstrationen“ tätigen Polizisten als Statisten oder Söldner spricht diesen die Bindung an die verfassungsmäßige Ordnung vollständig ab. Diese Äußerungen verlassen in ihrem Kontext die Ebene sachlicher Kritik und verstoßen daher gegen die Wohlverhaltenspflicht (§ 34 Satz 3 BeamtStG). Auch insoweit gilt zwar, dass der Beklagte die in Rede stehenden Äußerungen während seiner Freizeit - und damit außerdienstlich - getätigt hat; insoweit sind jedoch ebenfalls die qualifizierenden Anforderungen des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG erfüllt. Die Behauptung, es gebe Parallelen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem NS-Regime und die für den Staat handelnden Polizeikräfte der Länder hätten sich wie „Statisten“ oder „Söldner“ instrumentalisieren lassen, weist einen so engen Bezug zu der Tätigkeit des Beklagten als Polizeivollzugsbeamter und zu seinem Statusamt als Kriminalhauptkommissar auf, dass die disziplinarrechtlich relevante „Erheblichkeitsschwelle“ des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG überschritten ist. Wenn ein niedersächsischer Polizeibeamter, der staatliche Maßnahmen, notfalls durch Zwang durchsetzen muss, sich in dieser Weise öffentlich gegen die verfassungsmäßige Ordnung, insbesondere gegen das Agieren der Länderpolizeien, positioniert, stellt ein solches Verhalten die persönliche Eignung für seine dienstliche Tätigkeit als Polizeivollzugsbeamter und Kriminalhauptkommissar nachhaltig in Frage und ist deshalb geeignet, dem Ansehen der Polizei - aber darüber hinaus auch dem Vertrauen der Allgemeinheit in das Beamtentum als Sachwalter einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung - in besonderem Maße zu schaden. Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Beklagte regelmäßig betont hat, er habe die vorgeblich bestehenden Missstände gerade „als Polizist“ - also aufgrund seiner beruflichen Erfahrung - erkannt.
Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat durch seinen Prozess(-unter-)bevollmächtigten geltend gemacht hat, er habe möglicherweise in der damaligen, besonderen - coranapandemiebedingten - Situation, sozusagen während einer „Schocksituation“, verbal überreagiert und wäre damit aber auch nicht der Einzige gewesen (Sitzungsniederschrift vom 14.3.2023, S. 5 [Bl. 273/GA]), verkennt diese Argumentation, dass es sich bei dem Beklagten gerade um einen Polizeibeamten handelt, dem - weil er als Repräsentant des Staates auftritt und handelt - besondere beamtenrechtliche Pflichten obliegen. Gegen die Annahme eines unbedachten Verhaltens in einer Ausnahmesituation sprich vor allem, dass sich das dem Beklagten zur Last gelegte Verhalten über einen längeren Zeitraum (mehrere Monate) bei einer Vielzahl von Veranstaltungen erstreckt hat.
c) Der Beklagte handelte insoweit auch schuldhaft, nämlich vorsätzlich (s. o.). Er wusste von den konkreten Inhalten seiner Äußerungen und wollte diese bewusst so treffen. Soweit er meint, dies Art von Äußerungen seien von der Meinungsfreiheit umfasst, ist ein entsprechender Irrtum ohne Weiteres vermeidbar gewesen.
II. Der erkennende Senat ist ebenso wie das Verwaltungsgericht der Auffassung, dass das von dem Beklagten begangene (inner- und außerdienstliche) einheitliches Dienstvergehen den Ausspruch der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme rechtfertigt.
Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall angemessen ist, richtet sich nach der Schwere des Dienstvergehens (§ 14 Abs. 1 Satz 2 NDiszG) unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten (§ 14 Abs. 1 Satz 3 NDiszG) und des Umfangs, in dem der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beschädigt hat (§ 14 Abs. 1 Satz 4 NDiszG). Eine objektive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt voraus, dass diese drei Bemessungskriterien - Schwere des Dienstvergehens, Persönlichkeitsbild, Vertrauensbeeinträchtigung - mit dem ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht ermittelt und in die Entscheidung eingestellt werden. Dieses Erfordernis beruht letztlich auf dem im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot). Danach muss die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.10.2005 - BVerwG 2 C 12.04 -, juris Rn. 22; Nds. OVG, Urteil vom 10.12.2019 - 3 LD 3/19 -, juris Rn. 88). Die Verwaltungsgerichte haben die im Einzelfall bemessungsrelevanten Tatsachen nach Maßgabe der §§ 53 Abs. 1, 60 Abs. 1 NDiszG zu ermitteln und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Bewertung einzubeziehen. Hier findet der Grundsatz „in dubio pro reo“ Anwendung: Insbesondere bei der Bestimmung der Schwere des Dienstvergehens dürfen nur solche belastenden Tatsachen berücksichtigt werden, die zur Überzeugung des Gerichts feststehen; demgegenüber sind entlastende Umstände schon dann beachtlich, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen gegeben sind und eine weitere Sachaufklärung nicht möglich ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.3.2012 - BVerwG 2 A 11.10 -, juris Rn. 72). Oder anders ausgedrückt: Lässt sich nach erschöpfender Sachaufklärung das Vorliegen eines mildernden Umstands nicht ohne vernünftigen Zweifel ausschließen, ist dieser Umstand nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ in die Gesamtwürdigung einzustellen (BVerwG, Urteil vom 20.10.2005 - BVerwG 2 C 12.04 -, juris Rn. 32; Beschluss vom 23.2.2012 BVerwG 2 B 143.11 -, juris Rn. 14; Beschluss vom 6.6.2013 - BVerwG 2 B 50.12 -, juris Rn. 8; Beschluss vom 26.3.2014 - BVerwG 2 B 100.13 -, juris Rn. 7).
Ausgangspunkt der Maßnahmebemessung ist das Kriterium der Schwere des Dienstvergehens. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z. B. Kern- oder Nebenpflichtverletzung, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z. B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte, z. B. materieller Schaden (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.10.2005 - BVerwG 2 C 12.04 -, juris Rn. 24; Urteil vom 11.1.2007 - BVerwG 1 D 16.05 , juris Rn. 55; Urteil vom 3.5.2007 - BVerwG 2 C 9.06 -, juris Rn. 13; Urteil vom 7.2.2008 - BVerwG 1 D 4.07 -, juris Rn. 14; Nds. OVG, Urteil vom 10.12.2019 - 3 LD 3/19 -, juris Rn. 89).
Die angemessene Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten (§ 14 Abs. 1 Satz 3 NDiszG) bedeutet, dass es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme auch auf die persönlichen Verhältnisse und das sonstige dienstliche Verhalten des Beamten vor, bei und nach dem Dienstvergehen ankommt, insbesondere soweit es mit seinem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild übereinstimmt oder etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder einer psychischen Ausnahmesituation davon abweicht (BVerwG, Urteil vom 20.10.2005 - BVerwG 2 C 12.04 -, juris Rn. 25; Urteil vom 3.5.2007 - BVerwG 2 C 9.06 -, juris Rn. 14; Nds. OVG, Urteil vom 10.12.2019 - 3 LD 3/19 -, juris Rn. 89). In diesem Zusammenhang haben die Verwaltungsgerichte ferner der Frage einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB nachzugehen, wenn der Sachverhalt dafür hinreichenden Anlass bietet (BVerwG, Beschluss vom 19.2.2018 - BVerwG 2 B 51.17 -, juris Rn. 7). Ein Aspekt des Persönlichkeitsbildes stellt auch die tätige Reue dar, wie sie durch die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder die Offenbarung des Fehlverhaltens jeweils noch vor der drohenden Entdeckung zum Ausdruck kommt (BVerwG, Urteil vom 3.5.2007 - BVerwG 2 C 9.06 -, juris Rn. 14; Nds. OVG, Urteil vom 10.12.2019 - 3 LD 3/19 -, juris Rn. 89).
Die prognostische Frage nach dem Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit (§ 14 Abs. 1 Satz 4 NDiszG) betrifft die Erwartung, dass sich der Beamte aus der Sicht des Dienstherrn und der Allgemeinheit so verhält, wie es von ihm im Hinblick auf seine Dienstpflichten als berufserforderlich erwartet wird. Ob und ggf. inwieweit eine Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn vorliegt, ist nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen, d. h. es ist die Frage zu stellen, inwieweit der Dienstherr bei objektiver Gewichtung des Dienstvergehens auf der Basis der festgestellten be- und entlastenden Gesichtspunkte noch darauf vertrauen kann, dass der Beamte in Zukunft seinen Dienstpflichten ordnungsgemäß nachkommen wird. Ebenso ist zu fragen, in welchem Umfang die Allgemeinheit dem Beamten noch Vertrauen in eine zukünftig pflichtgemäße Amtsausübung entgegenbringen kann, wenn ihr das Dienstvergehen einschließlich der be- und entlastenden Gesichtspunkte bekannt würde (BVerwG, Urteil vom 20.10.2005 - BVerwG 2 C 12.04 -, juris Rn. 26; Nds. OVG, Urteil vom 10.12.2019 - 3 LD 3/19 -, juris Rn. 89).
Dies zugrunde gelegt, erachtet auch der erkennende Senat die Disziplinarmaßnahme der Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis für angemessen.
a) Das Fehlverhalten wiegt außerordentlich schwer.
Durch sein Verhalten hat der Beklagte wiederholt im Kernbereich seiner dienstlichen Pflichten versagt. Er hat sich aktiv gegen die staatliche Ordnung im Sinne des Grundgesetzes gewandt, zu deren Wahrung und Verteidigung er als Beamter gerade verpflichtet ist. Dabei wiegt besonders schwer, dass der Beklagte als Kriminalbeamter gegenüber der Öffentlichkeit in besonders augenfälliger Weise die Staatsgewalt repräsentiert. Einerseits von Amts wegen auch staatlichen Zwang durchzusetzen, andererseits aber der Bundesrepublik Deutschland und deren Untergliederungen die Legitimation abzusprechen, ihr zu unterstellen, sie sei nur noch eine von dritter Seite gesteuerte „Marionette“ und ihre Organe seien nicht mehr willens und/oder in der Lage, ihrem Verfassungsauftrag nachzukommen, erschüttert das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit in die ordnungsgemäße Amtsausübung des Beklagten und der Beamtenschaft insgesamt in äußerst gravierender Weise. Verstärkt wird dieser Gewichtung noch dadurch, dass die Äußerungen des Beklagten, soweit sie in seiner Freizeit im Rahmen öffentlicher Reden oder Interviews stattfanden, gerade darauf angelegt waren, einer Vielzahl von Personen bekannt gemacht zu werden, und der Beklagte zudem auch seine dienstlichen Kontakte nutzte, um für die von ihm als verbindlich erachteten und gegen die staatliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland gerichteten Thesen ein weiteres Verbreitungsfeld zu erschließen. Weiterhin erschwerend ist der Umstand zu bewerten, dass der Beklagte insbesondere bei seinen öffentlichen Auftritten gerade seine dienstliche Position als Kriminalbeamter betonte, um seinen Behauptungen ein stärkeres Gewicht zu verleihen. Das wiederholte Leugnen der Existenz der Bundesrepublik Deutschland und das Verbreiten von Verschwörungstheorien sowie die Diffamierung von Staatsgewalt und deren Organen gerade durch einen als Polizisten erkennbaren Beamten und gerade gegenüber einem nicht begrenzten Personenkreis ist geeignet, dem Gemeinwesen erheblichen Schaden zuzufügen, indem es das Vertrauen eines erheblichen Teils der Bevölkerung, in die freiheitlich demokratische Grundordnung und deren Institutionen im erheblichen Umfang untergräbt oder gar zerstört. Die Ausführungen des Beklagten im Rahmen seiner öffentlichen Auftritte, die im Nachgang häufig in das Internet eingestellt worden sind und damit einer breiten Öffentlichkeit zugänglich waren, sowie seine im Internet abrufbaren Äußerungen im Rahmen von „Interviews“ und dergleichen sind erkennbar von dem Gedanken getragen, einen möglichst hohen Verbreitungsgrad zu erreichen, um eine Vielzahl weiterer Personen von seinem reichsbürgertypischen, verschwörungstheoretischen, die geltende Staats- und Verfassungsordnung negierenden Gedankengut zu überzeugen.
b) Was das Persönlichkeitsbild der Beklagten betrifft, so vermag der erkennende Senat erheblich entlastende Gesichtspunkte nicht festzustellen.
aa) Der Beklagte ist zwar bis zu den in Rede stehenden Vorwürfen disziplinarrechtlich nicht in Erscheinung getreten und er hat zeitlich vor dem in Rede stehenden Verhalten über lange Jahre hinweg zufriedenstellende dienstliche Leistungen erbracht. Dieser Umstand fällt indes nicht mildernd ins Gewicht. Denn die langjährige pflichtgemäße Dienstausübung ist selbst bei überdurchschnittlicher Leistung für sich genommen regelmäßig nicht geeignet, gravierende Pflichtenverstöße in einem milderen Licht erscheinen zu lassen (BVerwG, Urteil vom 28.2.2013 - BVerwG 2 C 3.12 -, juris Rn. 43 m. w. Nw.; Nds. OVG, Urteil vom 23.2.2016 - 6 LD 3/15 -; Urteil vom 8.3.2016 - 20 LD 6/15 -; Urteil vom 10.12.2019 - 3 LD 3/19 -, juris Rn. 133; Urteil vom 20.4.2021 - 3 LD 1/20 -, juris Rn. 140).
Der Beklagte hat auch während des gesamten disziplinarbehördlichen sowie disizplinargerichtlichen Verfahrens keinerlei Einsicht in sein Fehlerverhalten gezeigt. Er hat sich vielmehr damit verteidigt,
• er habe die von ihm angeprangerten Zustände („Zusammenhänge und Verschwörungen“) erkannt, weil er „hinter die Kulissen“ schaue und die „globalen Zusammenhänge“ recherchiert habe, die Mehrheit der deutschen Bevölkerung inklusive der Vertreter der Staatsgewalt, insbesondere auch die meisten Verwaltungsrichter, hätten die Missstände hingegen nicht erkannt oder trauten sich nicht, sich diesbezüglich zu äußern (vgl. etwa BB vom 8.9.2022, S. 2, 6, 12, 19 [Bl. 181, 185, 191, 198/GA]);
• er könne die Argumentation der Klägerin nicht ansatzweise nachvollziehen (BB vom 8.9.2022, S. 4, 11, 23, 26 [Bl. 183, 190, 202, 205/GA]), weil er doch lediglich „regierungskritische“ Positionen vertreten habe und ein „kritisch agierender Polizist“ sei, der sich „für die Aufklärung und das Grundgesetz“ einsetze (BB vom 8.9.2022, S. 5, 6, 9 [Bl. 184, 185, 188/GA]);
• es gehe der Klägerin primär darum, ihn „als Querdenker medial zu vernichten“ (BB vom 8.9.2022, S. 5 [Bl. 184/GA]).
Der Beklagte betrachtet „mit großer Besorgnis“, dass ihm eine verfassungsfeindliche Gesinnung gerade deshalb vorgeworfen werde, weil er sich für die Einhaltung der Verfassung und der freiheitlich demokratischen Grundordnung einsetze (BB vom 8.9.2022, S. 10 [Bl. 189/GA]), und sieht sich insgesamt als „Opfer“ einer „politisch motivierten Disziplinarklage“ (so BB vom 8.9.2022, S. 1, 23 [Bl. 180, 202/GA]). Dies ist angesichts seines verschwörungstheoretischen und reichsbürgertypischen Gedankenguts zwar konsequent, stellt aber gerade keine - ihn entlastende - Distanzierung zu diesem dar. Vielmehr zeigen die dargestellten Äußerungen, dass er an den von ihm vertretenen Positionen weiterhin überzeugt festhält.
bb) Auch sogenannte anerkannte/klassische Milderungsgründe liegen nicht vor.
Diese Milderungsgründe erfassen typisierend Beweggründe oder Verhaltensweisen des Beamten, die regelmäßig Anlass für eine noch positive Persönlichkeitsprognose geben. Zum einen tragen sie existentiellen wirtschaftlichen Notlagen sowie körperlichen und psychischen Ausnahmesituationen - auch einer etwa verminderten Schuldfähigkeit - Rechnung, in denen ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet werden kann. Zum anderen erfassen sie ein tätiges Abrücken von der Tat, insbesondere durch die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder die Offenbarung des Fehlverhaltens jeweils vor drohender Entdeckung (BVerwG, Urteil vom 3.5.2007 - BVerwG 2 C 9.06 -, juris Rn. 22; Urteil vom 23.2.2012 - BVerwG 2 C 38.10 -, juris Rn. 13).
Anhaltspunkte für ein Eingreifen entsprechender Milderungsgründe sind nicht gegeben.
Der Beklagte kann insbesondere nicht mildernd geltend machen, sein Fehlverhalten stelle sich als persönlichkeitsfremde Tat dar. Der von der Rechtsprechung anerkannte Milderungsgrund der im Grunde persönlichkeitsfremden Augenblicks- bzw. Gelegenheitstat eines ansonsten tadelsfreien und im Dienst bewährten Beamten setzt ein unbedachtes und kurzschlussartiges Verhalten voraus (vgl. BVerwG, Urteil vom 1.3.1977 BVerwG 1 C 99.76 -, juris Rn. 16; Nds. OVG, Urteil vom 22.6.2010 - 20 LD 7/08 -, juris Rn. 54; Urteil vom 10.12.2019 - 3 LD 3/19 -, juris Rn. 101; Urteil vom 14.1.2020 - 3 LD 9/18 -). Dies wird insbesondere in Betracht kommen, wenn der Beamte in einer plötzlich auftretenden besonderen Versuchungssituation gehandelt hat, in der ihm eine echte Motivabwägung nicht möglich war. Hierzu gehören ein gewisses Maß an Spontaneität, Kopflosigkeit und Unüberlegtheit des Handelns (Nds. OVG, Urteil vom 22.6.2010 - 20 LD 7/08 -, juris Rn. 54), woran es hier aber fehlt. Der Beklagte ist bei Ausfüllung der Unterlagen im Zusammenhang mit der Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises, bei seinen öffentlichen Reden und auch bei seinen sonstigen Äußerungen nicht spontan und unüberlegt, sondern vielmehr gerade planvoll und überlegt vorgegangen. Die Angaben im Zusammenhang mit der Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises beruhten nach seinen eigenen Bekundungen auf einer vorherigen Internet- und sonstigen Recherche. Und auch die Häufigkeit und Vielzahl verschwörungstheoretischer Aussagen und Diffamierungen mit den hierzu gegebenen „Begründungen“ sprechen gegen ein spontanes, unüberlegtes Handeln, sondern lassen sich nur als Ergebnis eines längeren Radikalisierungs- und Überzeugungsgewinnungsprozesses verstehen. Aus denselben Gründen dringt der Beklagte auch mit seinem - in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat durch seinen Prozess(-unter-)bevollmächtigten geltend gemachten - Einwand nicht durch, er habe sich möglicherweise in der damaligen, besonderen - coronapandemiebedingten - Situation in einer „Schocksituation“ befunden (Sitzungsniederschrift vom 14.3.2023, S. 5 [Bl. 273/GA]). Eine „Schocksituation“ vermöchte nämlich nicht überzeugend zu erklären, warum der Beklagte über einen derart langen Zeitraum (Sommer 2020 bis Frühjahr 2021) hinweg aktiv in die Öffentlichkeit getreten und dort die Existenz der Bundesrepublik Deutschland negiert, Verschwörungstheorien vertreten und staatliche Institutionen und Organe der Bundesrepublik Deutschland diffamiert hat.
Zugunsten der Beklagten greift ferner nicht der in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelte Milderungsgrund einer „Entgleisung während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase“ (BVerwG, Urteil vom 18.4.1979 BVerwG 1 D 39.78 -, juris Rn. 13; Urteil vom 27.1.2011 - BVerwG 2 A 5.09 -, juris Rn. 39; Beschluss vom 15.6.2016 - BVerwG 2 B 49.15 -, juris Rn. 10; Beschluss vom 8.6.2017 - BVerwG 2 B 5.17 -, juris Rn. 24, 25) ein. Dieser Milderungsgrund setzt außergewöhnlich belastende Umstände voraus, die für die Begehung der konkreten Tat ursächlich geworden, inzwischen aber überwunden sind; der Beamte muss also geradezu „aus der Bahn geworfen“ worden sein (BVerwG, Beschluss vom 15.6.2016 BVerwG 2 B 49.15 -, juris Rn. 10; Nds. OVG, Urteil vom 10.12.2019 - 3 LD 3/19 -, juris Rn. 103). Danach muss es sich um eine persönlich besonders belastende Situation gehandelt haben, die so gravierend gewesen ist, dass die Pflichtverletzung des Beamten in einem milderen Licht erscheint, weil ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten von ihm nicht mehr erwartet und damit nicht mehr vorausgesetzt werden konnte (BVerwG, Beschluss vom 15.6.2016 - BVerwG 2 B 49.15 -, juris Rn. 11).
Dass der Beklagte im betreffenden Zeitraum, also insbesondere ab Beginn des Jahres 2020, außergewöhnlichen persönlichen Umständen ausgesetzt gewesen wäre, hat er selbst nicht geltend gemacht. Anhaltspunkte dafür, dass bei ihm eine persönlich besonders belastende Situation im Sinne der bezeichneten Rechtsprechung vorgelegen haben könnte, sind auch bei Auswertung der Verwaltungsvorgänge nicht erkennbar. Insofern waren weder die Klägerin noch der erkennende Senat gehalten, weitergehende Ermittlungen zur persönlichen Situation des Beklagten im Tatzeitraum zu veranlassen. Vielmehr hätte es ihm oblegen, etwaige, seine eigene Person oder sein persönliches Le-bensumfeld betreffende - also aus seiner Privatsphäre stammende und daher nur ihm selbst bekannte - belastende Umstände im vorliegenden Verfahren zu offenbaren und substantiiert darzutun, dass diese Umstände sein seinerzeitiges Verhalten beeinflusst hätten, nunmehr aber überwunden seien, wenn er hieraus für ihn günstige Rechtsfolgen ableiten wollte (so Nds. OVG, Urteil vom 20.2.2021 - 3 LD 1/20 -, juris Rn. 145). Entsprechende Darlegungen sind indes bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht erfolgt. Anders als der Beklagte meint, vermag die Corona-Pandemie selbst keinen Umstand darzustellen, der so gravierend gewesen wäre, dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten von ihm nicht hätte erwartet werden können. Denn dann hätten sich große Teile der bundesdeutschen Bevölkerung, die - ebenso wie der Beklagte - den coronapandemiebedingten Einschränkungen unterlagen, entsprechend verhalten müssen, was indes bekanntlich nicht der Fall war.
cc) Der Beklagte hat auch außerhalb der klassischen Milderungsgründe keine Gesichtspunkte vorgetragen, die entlastend zu berücksichtigen wären. Die schlichte Behauptung, er stelle in keiner Weise die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und ihrer verfassungsmäßigen Ordnung in Frage (vgl. etwa BB vom 8.9.2022, S. 9 [Bl. 188/GA]), vermag die entsprechende indizielle Wirkung seines Verhaltens nicht zu erschüttern.
Der Beklagte hat sich hiervon insbesondere nicht im Laufe des disziplinarbehördlichen oder des Disziplinarklageverfahrens glaubhaft distanziert.
Er hat nicht etwa nach Bekanntwerden seiner Äußerungen auf der versammlungsrechtlichen Veranstaltung vom 9. August 2020, die bereits am 10. August 2020 zu einem mit Anordnung der sofortigen Vollziehung versehenen beamtenrechtlichen Verbot der Führung der Dienstgeschäfte geführt hatte, von weiteren vergleichbaren öffentlichen Äußerungen Abstand genommen, sondern hat sich insoweit erkennbar als Aufklärer und Mahner, zunehmend auch als eine Art Märtyrer, empfunden und die diesbezügliche Popularität in einschlägigen Kreisen ersichtlich genossen. So hat er etwa erklärt:
• Also, wenn du als Mensch diese Herzensenergie spürst, die von den Menschen ausgestrahlt wird hier, das ist unwahrscheinlich, das ist wie ne Droge sag ich mal, du kommst gar nicht mehr raus aus diesem Kreis. Und ähm, mich haben auf dem Weg hierher zu diesem Veranstaltungsort so viele Menschen angesprochen, in den Arm genommen oder nur den Daumen hochgemacht, ähm, ich wollte nie zum Star werden, das ist überhaupt nicht meine Intention gewesen. Ich bin es scheinbar geworden, warum auch immer.“
(Interview des Beklagten auf der Plattform Twitter am 29.8.2020 in II., Bl. 74/Beiakte 11, Bd. 2)
• „Ich bin anscheinend innerhalb von 20 Minuten eine Person der Zeitgeschichte geworden. Mein Fall wird sicherlich weiterhin öffentlich ausgetragen werden, obwohl ich es sehr begrüßen würde, wenn mein Polizeipräsident mir die Gelegenheit zu einem offenen Gespräch geben würde.“
(Rede des Beklagten in AA. am 22.8.2020, Bl. 386/Beiakte 11, Bd. 1).
• „Wer kennt mich nicht? *schaut sich kurz um, wartet“ … ist erstaunlich, hätte ich mir niemals zu träumen gewagt. […] Aber das, was ich mit der Rede ausgelöst habe, äh, ja ist unglaublich, ist gigantisch und geht glaube ich viral um die ganze Welt. Was ist mit mir passiert? Ich bin als Mensch auf die Bühne gegangen und habe, damit die Menschen mich verstehen und wissen, dass ich kein Friseur bin, der hier über Recht und bestimmte Dinge redet, gesagt, welchen Dienstgrad ich habe und damit man natürlich die Assoziation, dass ich als Polizeibeamter auf die Bühne gekommen bin. […] Ja, eben kam das Wort Staatsfeind, wer den Film kennt, also ich sag mal 40 Jahre loyaler Polizist und dann Staatsfeind Nr. 1 geworden über Nacht, äh, nur, weil man ein Grundrecht wahrnimmt […]“.
(Rede des Beklagten im LL. am 17.10.2020, Bl. 16, 18/Beiakte 1, Bd. 1).
• „Ich muss sagen, dass ich bei der Polizei wirklich den besten Job hab, den man sich vorstellen kann. […] Obwohl ich diesen besten Job hatte, habe ich im Prinzip alles auf eine Karte gesetzt, beim Pokern sagt man All-in, alles zu riskieren, denn, wenn ich jetzt aus dem Dienst entfernt werde, weil ich meine Meinung gesagt habe und weil ich Dinge getan habe, die einigen Menschen nicht zu gefallen scheinen, dann werde ich quasi aus dem Amt entlassen. Werde nach dem Mindestrentensatz nachversichert beim Bund, bei der Bundesversicherungsanstalt und darf dann nicht mit 62, sondern bis 67 arbeiten. Gut, es hört sich jetzt nach Jammerei an. Aber das ist schon ein Privileg, was man da aufs Spiel setzt. Seine Sicherheit, die man sich über 40 Jahre lang aufgebaut hat, wirklich zu riskieren.“
(Podiumsdiskussion mit dem Beklagten in LL. am 17.10.2020 auf der Querdenken-Bühne, Bl. 20/Beiakte 1, Bd. 2).
Hieraus ergibt sich eindrücklich, dass der Beklagte unter Selbsterhöhung der eigenen Person und trotz der bis dato entstandenen dienstrechtlichen Konsequenzen davon ausging, sich auf einer „Mission“ zu befinden und über ein entsprechendes „Sendungsbewusstsein“ verfügt hat.
Ab dem April 2021 - also nachdem dem Beklagten das wesentliche Ermittlungsergebnis bereits mitgeteilt worden war - hat er sich beispielsweise in einer öffentlichen Audio-Botschaft im Telegram-Kanal „…“ am 22. April 2021, 11:00 Uhr (Bl. 97 f./Disziplinarklageschrift [Bl. 49 f./GA]) u. a. wie folgt geäußert:
„[…] Wie viele Kollegen wir sind? Aus einem Gespräch am Brandenburger Tor bei einer Veranstaltung haben wir die Info gekriegt, dass allein in Berlin etwa 50 Prozent der Kollegen auf unserer Seite sind, die - wenn es hart auf hart kommt - sich auch dazu bekennen werden. […] Wenn der Tag kommt, glaube ich, dass viele, der überwiegende Teil, sich auf die Seite des Rechts und der Bevölkerung stellt. Die haben einfach nur Angst in dem Bereich. Sie sind es nicht gewohnt zu kämpfen. […] Ich glaub‘, diese Kollegen haben zu weiten Teilen noch nicht verinnerlicht, dass wir und hier in einem Krieg befinden. […] Für mich ist noch ein wichtiger Punkt, die Kollegen, die noch gar nicht wissen, wenigstens zu informieren. Da müssen wir uns 'ne Strategie überlegen, wie wir das schaffen. Und 'ne Vernetzung hinzubekommen, damit wir als Instanz, die waffenführend ist, einen möglichst friedlichen Verlauf für den Umbruch herbeiführen können. […] Aber wir müssen auch den Zeitpunkt abpassen oder dem Impuls abpassen, dass es nicht eine Revolution aus Teile der Armee ist, die blutig niedergeschlagen wird, sondern wir müssen uns auch sicher sein, dass - wenn quasi die Regierung abgesetzt wird - die militärische Einheit quasi die Kontrolle übernimmt und mit der Polizei zusammen hier für Frieden auf den Straßen sorgt, damit wir dann wirklich das neue System etablieren können. In Bilder gesprochen: Das alte, marode und morsche Gebäude abreißen, auskoffern und dann ein neues Fundament gießen, damit wir was Neues aufbauen können. […]“
Davon, dass der Beklagte diese - von der Klägerin in ihrer Disziplinarklageschrift wiedergegebenen - Ausführungen in der dargestellten Weise getätigt hat, ist der erkennende Senat überzeugt, zumal der Beklagte nicht bestritten hat, die Äußerungen getätigt zu haben. Sie verdeutlichen, dass der Beklagte regelrecht zu einem „Putsch“ der bewaffneten Kräfte von Militär und Polizei aufgerufen hat, um eine neue Ordnung zu etablieren. Dass hierin kein Abrücken von den Positionen liegt, die den Disziplinarvorwürfen zugrunde liegen, sondern der Beklagte sich insoweit sogar zunehmend radikalisiert hat, liegt auf der Hand. Für seine zunehmende Radikalisierung spricht deutlich auch die folgende Textnachricht, veröffentlicht im Telegram-Kanal „ B. Offiziell“ am, 17. April 2021, 22:39 Uhr (Bl. 99 f./Disziplinarklageschrift [Bl. 50 f./GA]):
„DEUTSCHE POLIZEI IST EINE FIRMA! Sie sind Söldner von US-Militär-Konzern Constellis (ACADEMI) und ACADEMI hat sie von Blackwater gekauft die zu Blackrock gehören und da hängt Bill Gates mit drin! GOOGLE BLACK ROCK UND DER KULT DES SATURN = JUDENTUM! BRD GmbH drückt bei jedem Einsatz an ACADEMI ab! Der Deutsche bezahlt über die Steuern für seine Schläge! Sie werden dich niemals schützen, denn es sind Söldner der JWO [Anmerkung: JWO = Abkürzung für 'Jüdische Weltordnung']! Ihr Auftrag: Aufstände mit aller Gewalt auflösen! Die Polizei der BRD ist die Söldnertruppe der BRD-Juden, die Privatarmee Rothschilds, der die BRD 1949 gründete! Sie sind nicht dein Freund und Helfer, es sind Judenknechte, Schläger, Sadisten und Abschaum, die für ein paar Shekel gegen ihr eigenes Volk Krieg führen! Kein Polizei hat einen AMTSAUSWEIS, denn es sind keine Beamten! Sie haben einen DIENSTAUSWEIS, weil es Angestellte der Firma 'Polizei' sind! SIE LÖSCHEN DIESE INFOS ÜBERALL, DIE‘ EINE WEBSEITE VON CONSTELLIS IST SCHON WEG, TEILE DIESE INFOS!“
Auch in Bezug auf diesen - von der Klägerin in ihrer Disziplinarklageschrift niedergelegten - Sachverhalt ergeben sich für den erkennenden Senat keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass er nicht der Wahrheit entspricht, der Beklagte sich also nicht in der beschriebenen Weise öffentlich einsehbar geäußert hätte. Auch diesbezüglich hat der Beklagte nicht in Abrede gestellt, die vorstehenden Ausführungen getätigt zu haben. Eine kritische Auseinandersetzung mit den Disziplinarvorwürfen lässt sich den wiedergegebenen Ausführungen nicht entnehmen; vielmehr ist das Gegenteil - nämlich eine deutliche Radikalisierung und Zuspitzung der betreffenden Positionen - festzustellen.
Der schriftliche Vortrag des Beklagten im Berufungsverfahren, der im Wesentlichen mit seinem erstinstanzlichen Vortrag übereinstimmt, verdeutlicht ebenfalls, dass er sein Verhalten weiterhin für gerechtfertigt und sogar für das aus Gewissensgründen allein zu rechtfertigende hält. Den Ausführungen seines Prozessbevollmächtigten ist zu entnehmen, dass der Beklagte weitgehend in einer „Parallelwelt“ lebt, die durch reichsbürgertypisches und verschwörungstheoretisches Gedankengut und dementsprechend dadurch geprägt ist, dass er für sich selbst beansprucht, die „einzig richtige Wahrheit“ erkannt zu haben, und der andersdenkenden Mehrheit vorhält, sie verharre ihrerseits unerkannt in einer nicht (mehr) existierenden Parallelwelt.
c) Nach alledem liegen entlastende Umstände von erheblichem Gewicht, welche das scherwiegende Dienstvergehen der Beklagten in einem milderen Licht erscheinen lassen könnten, nicht vor.
Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 NDiszG ist ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat, aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Ein solcher Vertrauensverlust ist anzunehmen, wenn aufgrund der prognostischen Gesamtwürdigung auf der Grundlage aller im Einzelfall bedeutsamen be- und entlastenden Gesichtspunkte der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen oder die durch sein Fehlverhalten herbeigeführte Schädigung des Berufsbeamtentums sei bei einer Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht wiedergutzumachen (BVerwG, Urteil vom 29.5.2008 - BVerwG 2 C 59.07 -, juris Rn. 18). Im Streitfall ergibt sich der endgültige Vertrauensverlust in die Person des Beklagten aus einer konkreten Wiederholungsgefahr. Weil das erhebliche Gewicht des vom Beklagten begangenen Dienstvergehens nicht durch in seiner Person liegende Entlastungsgründe von erheblichem Gewicht relativiert wird und er sich insbesondere nicht glaubhaft von dem „reichsbürgertypischen“ und verschwörungstheoretischen Gedankengut sowie von seiner - das sachliche Maß weit überschreitenden - Kritik am Handeln der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Organe distanziert hat, ist davon auszugehen, dass er auch in Zukunft in erheblicher Weise gegen seine Dienstpflichten verstoßen wird. Im Interesse des Ansehens des öffentlichen Dienstes und der Integrität des Berufsbeamtentums, die durch das persönliche Ansehen eines jeden einzelnen Beamten bestimmt werden, muss das Beamtenverhältnis daher beendet werden.
d) Das Verwaltungsgericht ist ferner zu Recht davon ausgegangen (UA, S. 26), dass die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis nicht gegen den auch im
Disziplinarverfahren geltenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt. Insoweit kommt es nicht auf die finanziellen oder sozialen Auswirkungen der Disziplinarmaßnahme für den Beamten an, und auch die Auswirkungen auf dessen Familie sind nicht in den Blick zu nehmen (Nds. OVG, Urteil vom 22.6.2010 - 20 LD 3/08 -, juris Rn. 62; Urteil vom 20.4.2021 - 3 LD 1/20 -, juris Rn. 154). In das Verhältnis zu setzen sind vielmehr die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses, zu der das Fehlverhalten geführt hat, und die beabsichtigte Disziplinarmaßnahme. Ist ein Beamter - wie hier der Beklagte - durch ein ihm vorwerfbares Verhalten vertrauensunwürdig geworden und fehlt ihm damit eine entscheidende Grundlage für die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses, ist seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis die einzige Möglichkeit, das durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Beamtenverhältnis einseitig zu beenden. Die darin liegende Härte für den Betroffenen ist nicht unverhältnismäßig, weil sie auf ihm zurechenbarem Verhalten beruht (BVerwG, Urteil vom 12.2.1992 - BVerwG 1 D 2.91 -, juris Rn. 60; Nds. OVG, Urteil vom 22.6.2010 - 20 LD 3/08 -, juris Rn. 62; Urteil vom 1.12.2014 - 6 LD 5/13 ; Urteil vom 16.4.2021 - 6 LD 4/19 -, juris Rn. 196).
Auch kann bei Anwendung der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme die Dauer des Verfahrens keine Berücksichtigung finden (BVerwG, Beschluss vom 28.10.2008 BVerwG 2 B 53.08 -, juris Rn. 6; Beschluss vom 1.9.2009 - BVerwG 2 B 34.09 -, juris Rn. 3; Nds. OVG, Urteil vom 22.6.2010 - 20 LD 3/08 -, juris Rn. 58; Urteil vom 31.1.2017 - 3 LD 2/17 -).
Dass im Zusammenhang mit dem Disziplinarverfahren in Bezug auf den Beklagten eine mediale Berichterstattung stattgefunden hat (vgl. Beiakte 002), führt ebenfalls nicht dazu, seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als unverhältnismäßig erscheinen zu lassen. Die Frage, ob und ggf. inwieweit der Beamte durch sein Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 3 NDiszG beeinträchtigt hat, ist nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen, d. h. es ist danach zu fragen, wie der Dienstherr oder die Allgemeinheit urteilen würde, wenn das Dienstvergehen einschließlich aller be- und entlastenden Umstände bekannt würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.2.2013 - BVerwG 2 C 62.11 -, juris Rn. 56; Nds. OVG, Urteil vom 10.12.2019 - 3 LD 3/19 -, juris Rn. 141). Für diese gebotene objektive Bewertung der Vertrauensbeeinträchtigung ist es unerheblich, inwieweit das Dienstvergehen im konkreten Einzelfall in der Öffentlichkeit bekannt geworden und inwieweit hierüber berichtet worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.2.2013 - BVerwG 2 C 62.11 -, juris Rn. 56; Nds. OVG, Urteil vom 22.11.2016 - 20 LD 7/15 -; Urteil vom 10.12.2019 - 3 LD 3/19 -, juris Rn. 141). Ergibt eine objektive Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände nach Maßgabe des § 14 Abs. 1 Satz 1 bis 4 NDiszG, dass wegen eines schwerwiegenden Dienstvergehens die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten ist, lässt sich der Verbleib des Betreffenden im Beamtenverhältnis allein aufgrund einer - ggf. auch „reißerischen“ - Berichterstattung in den Medien nicht mit dem Zweck der Disziplinarbefugnis, nämlich dem Schutz der Integrität des Berufsbeamtentums und der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung (BVerwG, Urteil vom 28.2.2013 - BVerwG 2 C 62.11 , juris Rn. 58), vereinbaren. Diese Schutzgüter und der Grundsatz der Gleichbehandlung schließen es aus, dass ein Beamter, der durch ein gravierendes Fehlverhalten im öffentlichen Dienst untragbar geworden ist, weiterhin Dienst leistet und als Repräsentant des Dienstherrn hoheitliche Befugnisse ausüben kann, weil über sein Dienstvergehen öffentlich berichtet worden ist (in diesem Sinne auch Nds. OVG, Urteil vom 22.11.2016 - 20 LD 7/15 -; Urteil vom 31.1.2017 - 3 LD 2/17 -; Urteil vom 10.12.2019 - 3 LD 3/19 -, juris 141). Im Streitfall tritt noch die Besonderheit hinzu, dass sich der Beklagte selbst wiederholt öffentlich zur Sache geäußert und seine Sicht der Dinge - auch in Bezug auf das eingeleitete Disziplinarverfahren - dargestellt hat (vgl. etwa die Rede des Beklagten am 22. August 2020 in Darmstadt, Bl. 380 bis 395/Beiakte 11, Bd. 1: hier: Bl. 381 f., 384/Beiakte 11, Bd. 1; Interview in Berlin am 29. August 2020: Abschrift eines YouTube-Videos mit dem Namen „Im Interview mit [dem Beklagten] und […]“, Bl. 67 bis 76/Beiakte 11, Bd. 2; hier: Bl. 71Beiakte 11, Bd. 2; Redebeitrag des Beklagten, gehalten am 7. Dezember 2020 in Lauenau, Bl. 3 bis 4/Beiakte 1, Bd. 4; hier: Bl. 3/Beiakte 1, Bd. 4). Zudem hat er im Rahmen von zahlreichen Auftritten und „Interviews“ gerade die Öffentlichkeit gesucht, um die von ihm als richtig und absolut verbindlich angesehenen Behauptungen zu verbreiten.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf 69 Abs. 1 NDiszG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 VwGO.
Urteil vom 14.03.2023
3 LD 7/22
Die Klägerin begehrt die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis.
Der am … 1963 geborene Beklagte trat nach Erwerb des erweiterten Sekundarabschlusses I (1980) im April 1981 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf als Polizeihauptwachtmeister-Anwärter in den Vorbereitungsdienst des vormals mittleren Polizeivollzugsdienstes der Schutzpolizei des Landes Niedersachsen ein (Bl. 23/Beiakte 10, Bd. 2). Mit Wirkung vom … 1983 wurde er unter Verleihung der Eigenschaft eines Beamten auf Probe zum Polizeihauptwachtmeister z. A. (Besoldungsgruppe A 6) ernannt (Bl. 42, 43/Beiakte 10, Bd. 2); die Ernennung zum Polizeihauptwachtmei-ster erfolgte mit Wirkung vom … 1985 (Bl. 58/Beiakte 10, Bd. 2). Am … 1988 wurde er zum Polizeimeister (Besoldungsgruppe A 7) befördert (Bl. 71/Beiakte 10, Bd. 2); die Verleihung der Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit erfolgte im … 1990 (Bl. 90/Beiakte 10, Bd. 2).
Nach einem Laufbahnbahnwechsel in den mittleren Polizeivollzugsdienst der Kriminalpolizei (Bl. 93/Beiakte 10, Bd. 2) wurde der Beklagte im Januar 1991 zum Kriminalobermeister (Besoldungsgruppe A 8) befördert (Bl. 98/Beiakte 10, Bd. 2). Nach erfolgreicher Absolvierung des Aufstiegslehrgangs für den vormals gehobenen Vollzugsdienst der Schutz- und Kriminalpolizei des Landes Niedersachsen wurde er mit Wirkung vom … 1998 zum Kriminalkommissar (Besoldungsgruppe A 9; Bl. 132, 133/Beiakte 10, Bd. 2), mit Wirkung vom … 2004 zum Kriminaloberkommissar (Besoldungsgruppe A 10; Bl. 158/Beiakte 10, Bd. 2) und mit Wirkung vom … 2010 zum Kriminalhauptkommissar (Besoldungsgruppe A 11) befördert (Bl. 164/Beiakte 10, Bd.2). Zuletzt war er als „Sachbearbeiter Prävention“ auf einem nach Besoldungsgruppe A 11 bewerteten Dienstposten (vgl. Bl. 169/Beiakte 10, Bd. 2) im Dezernatsteil … (…) der Klägerin eingesetzt, wo er u. a. auf Anfrage von Bürgern Beratungen zur Sicherung von deren Wohneigentum (…) durchführte.
Der Beklagte ist seit Juni 1999 von seiner ersten Ehefrau geschieden (Bl. 138 bis 142/Beiakte 10, Bd. 2), mit der er drei gemeinsame - mittlerweile erwachsene - Kinder (geboren 1988, 1990 und 1993 [Bl. 73f., 83 f., 110 f./Beiakte 10, Bd. 2]) hat. Im August 2000 heiratete er erneut (Bl. 150/Beiakte 10, Bd.2). Diese Ehe wurde im Jahr 2019 geschieden (Bl. 199 f./Beiakte 10, Bd. 2); aus ihr gingen keine Kinder hervor. Zeitlich vor den hier in Rede stehenden Vorwürfen ist der Beklagte disziplinarrechtlich nicht in Erscheinung getreten. In seiner letzten dienstlichen Beurteilung vor Einleitung des streitgegenständlichen Verfahrens - der Regelbeurteilung zum Stichtag 1. September 2017 (Beurteilungszeitraum: 1. September 2014 bis 31. August 2017) -, erhielt er das Gesamturteil „C“ - entspricht voll den Anforderungen“ (= dritthöchste von insgesamt 5 Notenstufen) mit der Binnendifferenzierung „oberer Bereich“ (höchste von insgesamt 3 Differenzierungsvarianten; Bl. 136 bis 140/Beiakte 10, Bd. 1).
Am 10. August 2020 (Bl. 1/Beiakte 11, Bd. 11) erhielt die Klägerin einen anonymen Hinweis darauf, dass der Beklagte anlässlich einer versammlungsrechtlichen Veranstaltung der Organisation „Querdenken-231“ am 9. August 2020 in G. von einem Podium aus öffentlich gesprochen habe; beigefügt war ein entsprechender Internetlink, unter welchem ein Video mit dem Redebeitrag abrufbar war. Die Veranstaltung mit dem Titel „Festival für Frieden & Freiheit - Wahrung der Grundrechte“ richtete sich insbesondere gegen die staatlicherseits erfolgten Einschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. In diesem Redebeitrag stellte sich der Beklagte dem Publikum mit Namen und Alter vor und gab an, dass er Kriminalhauptkommissar bei der niedersächsischen Polizei sei (Bl. 16/Beiakte 10, Bd. 1 [Screenshot aus dem Video]; Bl. 41/Beiakte 10, Bd. 1 [Wortprotokoll der Rede]). Er äußerte zudem u. a. (Bl. 41 bis 54/Beiakte 10, Bd. 1 [Wortprotokoll der Rede]):
• aus seiner Sicht gebe es schon lange keine Gewaltenteilung mehr, Entscheidungen in Justiz und Polizei seien politisch beeinflusst;
• für die coronapandemiebedingten Einschränkungen gebe es keine Rechtfertigung;
• er als Polizeibeamter sei zur Loyalität gegenüber der Verfassung und seinem Dienstherrn, dem Land Niedersachsen, verpflichtet, aber er sei niemandem zum bedingungslosem Gehorsam verpflichtet. Im dunkelsten Kapitel der Deutschen Geschichte hätten Regierende schon einmal ihre Sicherheitskräfte einem bedingungslosem Gehorsam unterworfen und sie für die abscheulichsten Verbrechen missbraucht, die anderen Menschen je angetan worden seien. Heute habe er Angst, denn sein Bauch sage ihm, dass sich gerade alles wieder in dieselbe Richtung entwickle. Im Dritten Reich habe die große Masse der Bevölkerung geschwiegen und nicht gehandelt und sei damit selbst zu Unterstützern der Gräueltaten der eigentlichen Täter geworden;
• er fordere alle Polizisten auf, sich zu fragen, ob sie „das alles mittragen“ könnten und wollten. Es könnten nicht Millionen von Menschen eingesperrt, überwacht oder Schlimmeres werden. Nur die vollziehende Gewalt könne in dieser Situation ihrem Verfassungsauftrag gerecht werden und die Macht wieder in die Hände des Volkes zurückgeben.
Mit Blick auf diesen Redebeitrag verbot die Klägerin dem Beklagten am 10. August 2020 unter Verweis auf § 39 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) in Verbindung mit § 48 des Niedersächsischen Beamtengesetzes (NBG) und Anordnung der sofortigen Vollziehung bis auf Weiteres die Führung der Dienstgeschäfte (Bl. 25 bis 28/Beiakte 11, Bd. 1).
Am 14. August 2020 (Bl. 73 bis 92/Beiakte 11, Bd. 1) leitete die Klägerin ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagte ein und teilte ihm diesen Umstand mit Schreiben vom selben Tage, ihm zugestellt am 17. August 2020, mit (Bl. 93 bis 97, 159, 163, 165/Beiakte 11, Bd. 1). Er habe am 9. August 2020 an der Anti-Corona-Demonstration „Coronaleugner-Demo Querdenken“ in G. teilgenommen und sei dort unter Angabe seines Namens, seiner Eigenschaft als Polizeibeamter und seines Dienstgrades öffentlich als Redner aufgetreten. Es habe zahlreiche Reaktionen in der Presse und den Sozialen Medien auf diese Rede gegeben. U. a. habe sich eine Bürgerin - Frau H. - bei ihr gemeldet und berichtet, der Beklagte habe bei ihr als der Vertreterin ihrer Hauseigentümergemeinschaft eine technische Sicherheitsberatung durchgeführt, im Rahmen derer er keine Mund-Nasen-Bedeckung getragen und Werbung für die Bewegung der Corona-Leugner gemacht habe. Von diesem Verhalten eines Polizeibeamten sei Frau H. irritiert und befremdet gewesen. Weiterhin sei bekannt geworden, dass der Beklagte gegenüber einer Kollegin des Dezernats … - der Beschäftigten Frau I. - geäußert haben solle, einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragen zu wollen. Er solle ein Buch besitzen, in dem es um die Geschichte und Vorteile dieses Ausweises gehe und solle Frau I. dieses gegeben haben. Es bestehe der Verdacht, dass er durch das beschriebene Verhalten schuldhaft gegen seine beamtenrechtlichen Pflichten aus § 33 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 BeamtStG sowie aus § 34 Satz 3 BeamtStG verstoßen und damit ein Dienstvergehen begangen habe.
Bereits am 13. August 2020 hatte die Klägerin KOR J. zum Ermittlungsführer sowie vier weitere Personen zu „Ermittlungspersonen“ bestellt (Bl. 69/Beiakte 11, Bd. 1); die Bestellung einer weiteren „Ermittlungsperson“ erfolgte am 17. August 2020 (Bl. 120/Beiakte 11, Bd. 1).
Am 17. August 2020 erfuhr die Klägerin von der Abteilungsleiterin K. des Bürgeramtes der Stadt B-Stadt, dass dem Beklagten am 1. Juli 2020 ein Staatsangehörigkeitsausweis ausgestellt worden war, dass er in einer Kopie „Antrag auf Selbstauskunft aus dem Register EStA“ (= Entscheidungen in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten) als Geburtsstaat handschriftlich „Preußen“ angegeben hatte und dass er seinen Personalausweis am 24. Juli 2020 zurückgegeben habe und dieser vernichtet worden sei (Bl. 159 bis 162, 167, 169, 170, 173/Beiakte 11, Bd. 1).
Am 21. August 2020 (Bl. 202 bis 206/Beiakte 11, Bd. 1) dehnte die Klägerin das gegen den Beklagten geführte Disziplinarverfahren unter Verweis auf § 20 Abs. 1 des Niedersächsischen Disziplinargesetzes (NDiszG) aus. Es sei bekannt geworden, dass er einer dienstlichen Weisung der Dezernentin …, bei Außenterminen ein eigens für ihn beschafftes „Spuck-Schutz-Visier“ zu tragen, nicht nachgekommen sei; er habe eine Sicherheitsberatung ohne dieses Visier durchgeführt und schon im Vorfeld der Beratung telefonisch angekündigt, keine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Weiterhin sei bekannt geworden, dass er einen Antrag auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises nach § 30 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) gestellt und am 1. Juli 2020 einen Staatsangehörigkeitsausweis erhalten habe. Am 24. Juni 2020 habe er seinen Personalausweis vernichten lassen; sein Reisepass stehe ihm hingegen weiter zur Verfügung. In einem zur Beglaubigung vorgelegten Antragsformular habe er als Geburtsstaat „Preußen“ angegeben. In diesem Zusammenhang sei auch bekannt geworden, dass er im Mitarbeiterkreis des Dezernatsteils … das Thema Staatsangehörigkeitsausweis angesprochen und dazu Literatur empfohlen habe. Es bestehe der hinreichende Verdacht, dass er durch diese Verhaltensweisen schuldhaft gegen seine beamtenrechtlichen Pflichten aus §§ 35 Satz 2, 33 Abs. 1 Satz 3 und § 34 Satz 3 BeamtStG verstoßen habe.
Ebenfalls unter dem 21. August 2020 (Bl. 214 bis 238/Beiakte 11, Bd. 1) beantragte die Klägerin bei dem Verwaltungsgericht Hannover unter Verweis auf § 28 Abs. 1 des Niedersächsischen Disziplinargesetzes (NDiszG) den Erlass einer Durchsuchungsanordnung in Bezug auf
• die im Allein- oder Miteigentum stehenden Wohn-, Neben- und Firmenräume des Beklagten,
• die in seinem Allein- oder Mitgewahrsam befindlichen Sachen (auf ihn zugelassenen Pkw sowie Kraftrad),
• sein Mobiltelefon/Tablet, seinen Computer und die in privaten E-Mail- und Social-Media-Accounts gespeicherten Kommunikationsinhalte und Daten,
• seine Person sowie seine mitgeführten Sachen sowie
• die von ihm dienstlich genutzten Räume, Schließfächer und Schränke.
Die Durchsuchung solle dazu dienen, schriftliche und auf Datenträgern gespeicherte Unterlagen einschließlich Zeichen und Symbole aufzufinden, die geeignet seien, den Nachweis für einen Verstoß gegen die politische Treuepflicht (Zugehörigkeit „Reichsbürger“ oder „Selbstverwalter“) zu erbringen; für den Fall des Auffindens entsprechender Beweismittel werde zudem beantragt, deren Beschlagnahme anzuordnen. Noch am 21. August 2020 erließ das Verwaltungsgericht Hannover unter dem Aktenzeichen 18 E 4418/20 die beantragte Anordnung (Bl. 239 bis 244/Beiakte 11, Bd. 1), die am 24. August 2020 vollstreckt wurde. Hierbei wurden Datenträger, Gegenstände sowie schriftliche Unterlagen sichergestellt und beschlagnahmt (s. die Durchsuchungsberichte vom 24. August 2020 in Bezug auf die dienstlich genutzten Räume [Bl. 247 bis 257, Bl. 259 bis 260/Beiakte 11, Bd. 1], in Bezug auf die Wohnanschrift des L., mit dem Beklagten Geschäftsführer der M. [Bl. 262 bis 264/Beiakte 11, Bd. 1], sowie in Bezug auf die Wohnanschrift des Beklagten [Bl. 266 bis 338, Bl. 345 bis 348, Bl. 358 bis 364/Beiakte 11, Bd. 1]). Bei der Durchsuchung wurde dem Beklagten die Ausdehnungsverfügung vom 21. August übergeben (Bl. 207 bis 212, Bl. 267/Beiakte 11, Bd. 1). Zwei dienstliche Endgeräte des Beklagten wurden später nachasserviert (Bl. 261/Beiakte 11, Bd. 1). Die gegen die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung gerichtete Beschwerde des Beklagten (Bl. 130 bis 279/Beiakte 11, Bd. 2) blieb ohne Erfolg (Nds. OVG, Beschluss vom 8.10.2020 - 3 ZD 11/20 -).
Mit Verfügung vom 5. November 2020 (Bl. 211 bis 217/Beiakte 1, Bd. 2) dehnte die Klägerin das gegen den Beklagten geführte Disziplinarverfahren wegen des Verdachts datenschutzrechtlicher Verstöße (Abfragen in polizeilichen Systemen ohne dienstlichen Anlass am 29. Juni 2020) weiter aus.
Unter dem 20. November 2020 (Bl. 47 bis 53/Beiakte 1, Bd. 3) erfolgte eine weitere Ausdehnung des Disziplinarverfahrens wegen des Verdachts, dass der Beklagte am 31. Oktober 2020 in N. gegen das Verbot des Verwendens von Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation (Zeigen des „Hitlergrußes“) verstoßen habe; außerdem bestehe der Verdacht, dass er vom 6. auf den 7. November 2020 gegen das in Sachsen zum Schutz vor dem Corona-Virus geltende Beherbergungsverbot zu privaten Zwecken verstoßen habe.
Eine weitere Ausdehnung des Disziplinarverfahrens erfolgte unter dem 4. Dezember 2020 (Bl. 250 bis 252/Beiakte 1, Bd. 3). Insoweit wurde ausgeführt, es bestehe der Verdacht, dass der Beklagte am 29. Juni 2020 nicht nur personenbezogene Daten, auf die er als Amtsträger Zugriff gehabt habe, erhoben, sondern diese auch unbefugt an einen Dritten, nämlich seinen Bekannten O., weitergegeben habe.
Mit - bestandskräftig gewordener - Verfügung vom 28. Dezember 2020 (Bl. 26 bis 36/Beiakte 1, Bd. 4) enthob die Klägerin den Beklagten unter Verweis auf §§ 38 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 NDiszG vorläufig des Dienstes und behielt 50 Prozent seiner Dienstbezüge ein.
Unter dem 29. Dezember 2020 (Bl. 65 bis 68/Beiakte 1, Bd. 4) dehnte die Klägerin das Disziplinarverfahren erneut aus. Der Beklagte sei hinreichend verdächtig, am 7. Dezember 2020 im Rahmen einer öffentlichen Kundgebung in P. zu europaweiten Blockademaßnahmen von Infrastruktur- und Verkehrsknotenpunkten aufgerufen zu haben.
Eine weitere Ausdehnung des Disziplinarverfahrens erfolgte unter dem 19. Februar 2021 (Bl. 9 bis 23/Beiakte 1, Bd. 5). Insoweit wurde ausgeführt, der Beklagte sei hinreichend verdächtig, durch die Nutzung seines dienstlich zugewiesenen Intra- und Internetzugangs „…“ über das dienstliche Endgerät Fujitsu Lifebook (Notebook) gegen die IT-Richtlinien des Landes Niedersachsen und der Klägerin sowie gegen die Dienstvereinbarung „Zur Verhinderung von sexueller Belästigung, Mobbing und Diskriminierung“ im Bereich der Klägerin verstoßen und dadurch ein Dienstvergehen begangen zu haben; bei den aufgefundenen Bilddateien seien insbesondere solche mit z. T. rassistischen, sexistischen und/oder frauenfeindlichen Inhalten aufgefallen.
Schließlich dehnte die Klägerin das Disziplinarverfahren unter dem 25. Februar 2021 (Bl. 40 bis 78 Beiakte 1, Bd. 5) erneut aus. Der Beklagte sei zureichend verdächtig, im Rahmen einer Vielzahl öffentlich gehaltener Reden und veröffentlichter Wort- und Interview- bzw. Diskussionsbeiträge, bei dienstlichen Beratungsgesprächen gegenüber Bürgern sowie gegenüber Kollegen durch eine Fülle von Äußerungen wiederholt Auffassungen verbreitet zu haben, deren Art und Inhalt u. a. ideologische Positionen der Bewegung so genannter Reichsbürger und/oder verschwörungsgläubiger Weltanschauungen entsprächen; die betreffenden Reden, Interviews, Wort- und Diskussionsbeiträge, die Aussagen im Zusammenhang mit Beratungsgesprächen sowie die Aussagen aus dem dienstlichen Umfeld wurden im Einzelnen bezeichnet (Bl. 42, 43/Beiakte 1, Bd. 5; Bl. 70 bis 74/Beiakte 1, Bd. 5; Bl. 75 f./Beiakte 1, Bd. 5).
Im Laufe des behördlichen Disziplinarverfahrens vernahm die Klägerin eine Vielzahl von Zeugen, u. a.:
• den beim Landkreis Q. beschäftigten und dort u. a. für die Bearbeitung von Anträgen auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises zuständigen Kreisamtsinspektor R. (Zeugenvernehmung vom 21. Oktober 2020, Bl. 43 bis 73/Beiakte 1, Bd. 2),
• die beim Bürgeramt der Stadt B-Stadt beschäftigte Verwaltungsfachangestellte S. (Zeugenvernehmung vom 15. Oktober 2020, Bl. 129 bis 151/Beiakte 1, Bd. 2),
• die beim Bürgeramt der Stadt B-Stadt beschäftigte Verwaltungsfachangestellten T. (Zeugenvernehmung vom 15. Oktober 2020, Bl. 113 bis 128/Beiakte 1, Bd. 2),
• die im Dezernat … (…) im Geschäftszimmer beschäftigte I. (Zeugenvernehmung vom 17. August 2020, Bl. 121 bis 129/Beiakte 11, Bd. 1),
• den Rechtsanwalt U., den der Beklagte am 3. August 2020 zum Thema Einbruchsschutz beraten und zu diesem Zweck an dessen Wohnanschrift aufgesucht hatte (Zeugenvernehmung vom 13. Januar 2021, Bl. 138 bis 160/Beiakte 1, Bd. 4),
• den Bekannten des Beklagten aus der Faustballsparte des V., W. (Zeugenvernehmung vom 20. Januar 2021, Bl. 213 bis 244/Beiakte 1, Bd. 4),
• den ebenfalls im Dezernat … (…) der Klägerin eingesetzten, langjährigen Kollegen des Beklagten, PHK X. (Zeugenvernehmung vom 30. September 2020, Bl. 62 bis 99/Beiakte 1, Bd. 1)
• sowie den ebenfalls im Dezernat … (…) der Klägerin eingesetzten Kollegen des Beklagten, PHK Bernd Ingelmann (Zeugenvernehmung vom 1. Oktober 2020, Bl. 140 bis 168/Beiakte 1, Bd. 1).
Wegen der Einzelheiten des Inhalts der jeweiligen Aussagen wird auf die bezeichneten Passagen der Disziplinarvorgänge Bezug genommen.
Unter dem 29. März 2021 (Bl. 40 bis 134/Beiakte 1, Bd. 6) teilte die Klägerin dem Beklagten ihr wesentliches Ermittlungsergebnis mit und gab ihm Gelegenheit zur Äußerung, von der er keinen Gebrauch machte. Ebenfalls unter dem 29. März 2021 (Bl. 135 bis 142/Beiakte 1, Bd. 6) hörte sie ihn zu ihrer Absicht an, die folgenden Vorwürfe gemäß § 20 Abs. 2 NDiszG aus dem Disziplinarverfahren auszuscheiden, weil sie für die zu erwartende Disziplinarmaßnahme voraussichtlich nicht ins Gewicht fielen:
• Verdacht datenschutzrechtlicher Verstöße (Abfragen in polizeilichen Sy-stemen ohne dienstlichen Anlass am 29. Juni 2020; Ausdehnungsverfügungen vom 5. November 2020 [Bl. 211 bis 217/Beiakte 1, Bd. 2] und vom 4. Dezember 2020 [Bl. 250 bis 252/Beiakte 1, Bd. 3]),
• Verdacht des Verstoßes gegen das Verbot des Verwendens von Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation (Zeigen des „Hitlergrußes“) am 31. Oktober 2020 in N. sowie Verdacht des Verstoßes gegen das seinerzeit in Sachsen geltende Beherbergungsverbot zu privaten Zwecken vom 6. auf den 7. November 2020 (Ausdehnungsverfügung vom 20. November 2020 [Bl. 47 bis 53/Beiakte 1, Bd. 3]),
• Verdacht des öffentlichen Aufrufs zu Infrastruktur-Blockademaßnahmen (Ausdehnungsverfügung vom 29. Dezember 2020 [Bl. 65 bis 68/Beiakte 1, Bd. 4]) sowie
• Verdacht des Verstoßes gegen IT-Richtlinien des Landes Niedersachsen und der Klägerin sowie des Verstoßes gegen die Dienstvereinbarung „Zur Verhinderung von sexueller Belästigung, Mobbing und Diskriminierung“ im Bereich der Klägerin (Ausdehnungsverfügung vom 19. Februar 2021 [Bl. 9 bis 23/Beiakte 1, Bd. 5]).
Die Klägerin hat am 12. Mai 2021 bei dem Verwaltungsgericht Hannover Disziplinarklage erhoben und zu deren Begründung im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Das Disziplinarverfahren sei gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 NDiszG im Sinne der Ausführungen in der entsprechenden Anhörung vom 29. März 2021 beschränkt worden. Die verbleibenden Vorwürfe - also der Vorwurf der Zugehörigkeit des Beklagten zur sogenannten „Reichsbürgerbewegung“, des Verbreitens von Verschwörungstheorien, der Verunglimpfung staatlicher Institutionen und deren Organe sowie des Verstoßes gegen dienstliche Weisungen - seien Gegenstand der Disziplinarklage.
Die diesbezügliche Beweiserhebung habe ergeben, dass der Beklagte durch sein jeweiliges Verhalten schuldhaft gegen seine Dienst- und Treuepflicht (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG), gegen das Mäßigungs- und Zurückhaltungsgebot (§ 33 Abs. 2 BeamtStG), gegen die Wohlverhaltenspflicht (§ 34 Satz 3 BeamtStG) und gegen die Folgepflicht (§ 35 Satz 2 BeamtStG) verstoßen und damit ein schwerwiegendes, einheitlich zu bewertendes inner- und außerdienstliches Dienstvergehen begangen habe.
Von zentraler Bedeutung sei der Vorwurf seiner Zugehörigkeit zur sogenannten „Reichsbürgerbewegung“. Hierfür sprächen insbesondere die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises, der Eintrag „Preußen“ als Geburtsstaat in amtlichen Formularen, die Abgabe seines Personalausweises sowie seine Aussagen im Rahmen von öffentlichen Redebeiträgen, im dienstlichen Umfeld - gegenüber Bürgern und Kollegen - sowie im privaten Umfeld. Nach Abschluss der Ermittlungen stehe für sie fest, dass der Beklagte der „Reichsbürgerszene“ angehöre, sich deren grundlegende Ideologie bindend zu eigen gemacht und diese wiederholt und in vielfältiger Weise nach außen vertreten habe. Der Beklagte bestreite die ihm zur Last gelegten Handlungen und Äußerungen letztlich nicht, vertrete aber eine abweichende rechtliche Würdigung. Dadurch, dass er Gedankengut der Reichsbürgerszene aktiv nach außen hin vertreten habe, habe er schuldhaft gegen seine beamtenrechtliche Treuepflicht verstoßen. Darüber hinaus liege hierin ein schuldhafter Verstoß gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes.
Weiterhin stehe für die Klägerin fest, dass der Beklagte bei seinen öffentlichen Auftritten und Interviews gezielt verschiedene Verschwörungsmythen beworben und sogar versucht habe, verschwörungstheoretisches Gedankengut in dienstlichen Beratungssituationen oder sonst im dienstlichen Umfeld zu verbreiten. Damit habe er den Vertrauensvorschuss, der an sein Amt und an das Tragen der Uniform geknüpft sei, missbraucht. Er habe in seinen öffentlichen Reden mehrfach auf das Narrativ eines globalen, weltverschwörerischen Plans, des sog. „great reset“, Bezug genommen und damit zu dessen Verbreitung beigetragen. Verschwörungstheoretisch werde behauptet, hinter der Idee des „great reset“ verberge sich der Plan einer globalen Finanz- und Politikelite, eine neue Weltordnung zu etablieren; um hierfür die Bedingungen zu schaffen, sei das Corona-Virus vorsätzlich verbreitet worden. In diesem Sinne habe sich der Beklagte in öffentlich verbreiteten Redebeiträgen geäußert. Auch habe er vertreten, dass es keine epidemische Lage von nationaler Tragweite gebe und das Infektionsschutzgesetz der Regierung die Möglichkeit eröffne, nach „Gutsherrenart“ zu regieren. In diesem Zusammenhang habe er auch einen Einfluss von Bill Gates auf die weltweite Krankheitspolitik behauptet und dazu aufgerufen, das verpflichtende Maskentragen zu verweigern. Politiker und Medienvertreter habe er als Lügner bezeichnet und unterstellt, beide arbeiteten zusammen, um die Bevölkerungsmeinung zu manipulieren. Die Auswertung der digitalen Medien des Beklagten und Zeugenvernehmungen hätten zudem ergeben, dass er sich intensiv mit verschiedenen Verschwörungstheorien auseinandergesetzt, sich dazu gezielt mit Gleichgesinnten ausgetauscht und rege versucht habe, Freunde und Bekannte davon zu überzeugen. Durch sein Verhalten habe er schuldhaft gegen die Treuepflicht, jedenfalls aber gegen seine Pflicht verstoßen, sich bei politischer Betätigung zu mäßigen (§ 33 Abs. 2 BeamtStG). Außerdem liege hierin ein schuldhafter Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht (§ 34 Satz 3 BeamtStG).
Außerdem habe er staatliche Institutionen und deren Organe verunglimpft, insbesondere das gegenwärtige politische System mit dem NS-Regime in eine Reihe gestellt, etwa im Rahmen seiner Rede in G. am 9. August 2020, in Y. am 3. Oktober 2020 und in Z. am 8. November 2020. Auch habe er Regierungs- und Parlamentshandeln mehrfach abschätzig als Agieren nach „Gutsherrenart“ bezeichnet, so etwa in seiner Rede in AA. am 22. August 2020 oder in A-Stadt am 12. September 2020. Auch habe er Polizeiarbeit als „faschistisch“ bezeichnet (so in seinem Interview in N. am 31. Oktober 2020) und erklärt, die Polizei N. mache sich „gerade zum Honk“ (Rede in N. am 31. Oktober 2020). Dabei habe er immer wieder auf seinen Status als Kriminalhauptkommissar hingewiesen, um seine vermeintlich besondere Kompetenz bei der Beurteilung polizeilichen Handelns deutlich zu machen. Durch sein Verhalten habe er schulhaft gegen seine Pflicht zur Mäßigung (§ 33 Abs. 2 BeamtStG) verstoßen, denn seine verächtlichen Äußerungen lägen zweifelsfrei jenseits zulässiger Kritik. Zugleich habe er schuldhaft gegen seine Wohlverhaltenspflicht verstoßen.
Schließlich stehe fest, dass er wiederholt gegen die dienstliche Weisung seiner Vorgesetzten verstoßen habe, indem er zu Außenberatungsterminen während der Corona-Pandemie keine Mund-Nasen-Bedeckung getragen und während der Beratungstermine die durch das Infektionsgeschehen gebotenen Hygiene- und Abstandsregeln nicht beachtet bzw. nicht eingehalten habe. Damit habe er schuldhaft gegen seine Gehorsamspflicht (§ 35 Satz 2 BeamtStG) verstoßen.
Mit der Verbreitung reichsbürgerideologischen und verschwörungstheoretischen Gedankenguts sowie der Verunglimpfung staatlicher Institutionen habe er das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit in eine loyale, unparteiische, gerechte und gemeinwohlorientierte Aufgabenwahrnehmung zerstört. Schon der schwerwiegende Verstoß gegen die Treuepflicht rechtfertigte die Verhängung der Höchstmaßnahme. Der Beklagte als Repräsentant der Staatsgewalt habe genau diese Staatsgewalt wiederholt angegriffen und Misstrauen gegen sie gesät. Entlastungs- oder Milderungsgründe seien nicht erkennbar. Es bestünden insbesondere keine Hinweise auf eine krankhafte seelische Störung im Sinne der §§ 20, 21 des Strafgesetzbuches (StBG). Sein langjähriges beanstandungsfreies dienstliches Verhalten entlaste ihn nicht. Auch sein Nachtatverhalten lasse nicht erkennen, dass das eingeleitete Disziplinarverfahren ihn zu einer Selbst-reflektion oder einer Abkehr von dem von ihm verbreiteten Gedankengut veranlasst habe. Aus seinen Äußerungen gehe vielmehr hervor, dass er sich gänzlich von seinem Dienstherrn gelöst habe. Der Umstand, dass er sich als Kandidat der Partei „Die Basis“ für die Bundestagswahl habe aufstellen lassen, zeige ebenfalls, dass er nicht nur ein Mitläufer sei, sondern zielorientiert eine Führungsrolle in der Bewegung einnehme. Auch habe er in einer Audio-Botschaft im Telegram-Kanal „…“ vom 22. April 2021 regelrecht zu einem gemeinsamen bewaffneten Putsch von Militär und Polizei aufgerufen. Seine schuldhaften Dienstpflichtverletzungen wögen nach bisherigem Sachstand so schwer, dass eine mildere Maßnahme als seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nicht in Betracht komme.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Disziplinarklage abzuweisen.
Er sei kein „Reichsbürger“, zumal völlig unklar sei, was unter „reichsbürgertypischem Gedankengut“ zu verstehen sei. Die Motivation für die Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises habe darin gelegen, für eine mögliche Auswanderung und einen möglichen Immobilienerwerb im Ausland vorbereitet zu sein. Da man zum Grunderwerb „in vielen außereuropäischen Ländern“ den Nachweis der Staatsangehörigkeit benötige und der Reisepass nur eine Vermutung der deutschen Staatsangehörigkeit begründe, habe er sich dazu entschlossen, dieses amtliche Dokument zu beantragen, das Formular „nach Anleitung aus Videos aus Youtube und der Erläuterung eines Bekannten (O.) auszufüllen und die Ausweise in Empfang zu nehmen“. Dass die bloße Antragstellung mit Angabe des Geburtsstaates „Preußen“ falsch oder gar ein Dienstvergehen im Sinne der „Leugnung“ der Existenz der Bundesrepublik Deutschland sein könnte, obwohl er mit der Antragstellung doch gerade ein förmliches Ausweisdokument der Bundesrepublik Deutschland begehrt habe, welches ihm deren Staatsangehörigkeit beweise, sei ihm damals nicht im Entferntesten in den Sinn gekommen. Er habe im Frühjahr 2020 zwar gewusst, dass schon die Beantragung des Ausweises „bei deutschen staatlichen Stellen kritisch gesehen“ werde, habe aber nicht die leiseste Ahnung gehabt, dass „ihm daraus ein Strick gedreht werden könnte“. Dies sei auch nicht nachvollziehbar. Die Beantragung und der Erhalt eines amtlichen Ausweisdokuments könne „kein verfassungsfeindlicher Akt“ sein.
Er sei seit dem Sommer 2020 lediglich als Privatperson in seiner Freizeit für die Würde des Menschen, für die Unschuldsvermutung, die Selbstbestimmung, das Kindeswohl und die Freiheitsrechte der Verfassung eingetreten. Damit habe er seine Treue zum Grundgesetz gerade verdeutlicht. Er stelle die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland nicht infrage, sondern kritisiere gerade, dass diese von den drei Gewalten in Sachen Corona nicht eingehalten werde. Diese Kritik sei nicht nur von der Meinungsfreiheit gedeckt, sondern in Zeiten, „in denen die Freiheitsrechte, die Würde des Menschen und die Unschuldsvermutung unter dem Vorwand von Corona im Lockdown [seien], […] gleichsam zwingend geboten“. Er stehe mit beiden Füßen auf dem Boden des Grundgesetzes. Die als Anlage beigefügten YouTube-Kommentare in Bezug auf seine G. Rede verdeutlichten, dass seine regierungskritische Haltung in Sachen Corona „bei der Bevölkerung positiv“ ankomme und für das Ansehen der Polizei gerade förderlich sei. Die Corona-Beschränkungen hätten nie zum Ziel gehabt, faktenbasiert die Risikogruppen vor einer gefährlichen Krankheit zu schützen, sondern dienten „illegitimen machtpolitischen und fiskalischen Zielen“.
Auch der Aufruf zur Remonstration und zum demokratischen Widerstand „gegenüber verfassungswidrigen staatlichen Eingriffen“ verdeutliche „nicht etwa eine verfassungswidrige Einstellung, sondern das genaue Gegenteil“. Der „verfassungswidrige Angriff auf die Grundrechte durch den Lockdown der Grundrechte“ verlange doch „verfassungsrechtlich nach demokratischem Widerstand, nachdem das Bundesverfassungsgericht in mehreren 100 Entscheidungen verdeutlicht [habe], dass von ihm leider keine anderweitige Abhilfe erwartet werden“ könne.
Das Verwaltungsgericht hat das Disziplinarverfahren mit Beschluss vom 28. April 2022 unter Verweis auf § 51 NDiszG auf die Vorwürfe der Zugehörigkeit des Beklagten zur Reichsbürgerbewegung, der Verbreitung von Verschwörungstheorien und der Verunglimpfung staatlicher Institutionen und deren Organe beschränkt; den weiteren in der Disziplinarklageschrift erhobenen Vorwurf des Verstoßes gegen dienstliche Weisungen hat es aus dem Verfahren ausgeschieden, weil er für die zu erwartende Disziplinarmaßnahme voraussichtlich nicht ins Gewicht fallen werde.
Mit Urteil vom 28. April 2022 hat das Verwaltungsgericht den Beklagten eines Dienstvergehens schuldig gesprochen und aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Die Disziplinarklage sei zulässig und vollumfänglich begründet.
Die Klägerin habe ihm zu Recht vorgeworfen, sich die Ansichten der sogenannten „Reichsbürgerszene“ zu eigen gemacht und diese öffentlich propagiert zu haben. Durch die Abgabe des Antrags auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises mit den im Antrag konkret gemachten Angaben, durch seine Angaben in der Auskunft an das Bundesverwaltungsamt in Bezug auf das Register „Entscheidungen in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten“, dadurch, dass es für die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises keinen sachlich gerechtfertigten, nachvollziehbaren Grund gegeben habe, durch die Abgabe seines Personalausweises beim Bürgeramt der Stadt B-Stadt mit dem Hinweis, dass er diesen nicht mehr benötige, und schließlich durch verschiedene öffentliche Redebeiträge habe er die Legitimität der Bundesrepublik Deutschland und ihrer staatlichen föderalen Gliederungen öffentlich in Frage gestellt und damit schuldhaft gegen seine Pflicht aus § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG verstoßen. In seinem Verhalten liege zugleich ein Verstoß gegen die Mäßigungspflicht des § 33 Abs. 2 BeamtStG sowie gegen die allgemeine Wohlverhaltenspflicht des § 34 Satz 3 BeamtStG (a. F.).
Weiterhin habe er wiederholt Verschwörungstheorien von einem heimlich geplanten Umsturz verbreitet. Die in der Disziplinarklageschrift im Einzelnen aufgeführten öffentlichen Redebeiträge und Äußerungen sowie die Einlassungen in dienstlichen oder privaten Gesprächen habe der Beklagte nicht in Abrede gestellt; diese seien vollständig in den umfangreichen Disziplinarvorgängen dokumentiert. Hierdurch habe er schuldhaft gegen seine Pflicht zur politischen Mäßigung und Zurückhaltung (§ 33 Abs. 2 BeamtStG) und gegen die Wohlverhaltenspflicht (§ 34 Satz 3 BeamtStG a. F.) verstoßen.
Außerdem habe er seine Dienstpflichten dadurch verletzt, dass er staatliche Institutionen und deren Organe verunglimpft habe. So habe er etwa Parallelen staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie zum Handeln der Nationalsozialisten konstruiert, beispielsweise in seiner Rede in G. am 9. August 2020, in Y. vom 3. Oktober 2020 und in einer BB.Talk-Runde (veröffentlicht am 31. Januar 2021). In dieser Talk-Runde habe er zudem die Polizei als „Statisten“ und in einer weiteren Rede in BB. am 28. März 2021 als „Söldnertruppe“ diffamiert. In einer Rede in P. am 7. Dezember 2020 habe er vertreten, dass es in Deutschland weder Gewaltenteilung noch Rechtsstaatlichkeit, sondern „völlige Willkür“ gebe. All seine Einlassungen, die vollständig in den Disziplinarvorgängen dokumentiert seien und die der Beklagte auch nicht in Zweifel gezogen habe, seien geeignet, die Bundesrepublik Deutschland und ihre föderalen Gliederungen sowie die Organe dieses Staates, denen zu dienen Aufgabe der Beamten sei, herabzuwürdigen. Mit diesen Äußerungen habe er die Grenze der auch einem Beamten zustehenden Meinungsfreiheit weit überschritten und damit schuldhaft gegen seine Pflicht zur politischen Mäßigung und Zurückhaltung (§ 33 Abs. 2 BeamtStG) sowie gegen die Wohlverhaltenspflicht (§ 34 Satz 3 BeamtStG a. F.) verstoßen.
Das einheitliche (inner- und außerdienstliche) Dienstvergehen wiege so schwer, dass seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erforderlich sei. Zu seinen Gunsten sei zwar zu berücksichtigen, dass er zeitlich vor den in Rede stehenden Vorwürfen während seiner gesamten, bis dato zurückgelegten etwa 40-jährigen Dienstzeit nie Grund zur Beanstandung gegeben habe und seine dienstlichen Leistungen immer durchschnittlich, zuletzt sogar überdurchschnittlich, bewertet worden seien. Gleichwohl könne er nicht im Dienst verbleiben, weil er als Polizeibeamter nicht mehr tragbar sei. Weil er in einer Vielzahl von Fällen öffentlich in der zu beanstandenden Weise agiert und dabei immer wieder seine Eigenschaft als Polizeibeamter hervorgehoben habe, habe er das Vertrauensverhältnis zu seinem Dienstherrn endgültig zerstört. Er habe sich von seinen öffentlichen Äußerungen auch in der mündlichen Verhandlung nicht distanziert und letztendlich keine Einsicht in sein Fehlverhalten gezeigt.
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte am 2. Juni 2022 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt er sein erstinstanzliches Vorbringen, insbesondere die Ausführungen seines vormaligen Prozessbevollmächtigten - Rechtsanwalt DD. - in dessen Schriftsatz vom 25. April 2022, dortige Ziffern 2. bis 94, und ergänzt: Er habe lediglich als Privatperson - nicht als Polizist - die coronabedingten Beschränkungen kritisiert. Wer die Politik kritisiere - jedenfalls diejenige, die mit einer angeblichen Krisensituation begründet werde und zur Beschränkung der Freiheitsrechte führe - sei nach Lesart der Klägerin und des Verwaltungsgerichts „per se verfassungsfeindlich aufgestellt“. Diese Schlussfolgerung sei „kein dystopischer Alptraum, sondern gelebte Realität“. Über Verschwörungstheorien zu reden sei kein Propagieren dieser Theorien. Das Verwaltungsgericht habe schon die „dystopische Agenda“ befolgt, „dass derjenige, der Ereignisse nicht zufällig, sondern als Ausfluss einer Planung [sehe] und dies als Privatperson öffentlich [ausspreche], als Beamter mit der Höchststrafe, nämlich der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis, zu züchtigen“ sei.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 28. April 2022 zu ändern und die Disziplinarklage abzuweisen,
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf ihre Disziplinarklageschrift und verteidigt im Übrigen das erstinstanzliche Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Beiakten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass der Beklagte ein Dienstvergehen begangen hat (dazu unter I.), welches den Ausspruch der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme - also der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, § 11 NDiszG) - rechtfertigt (dazu unter II.).
I. Der Beklagte hat ein Dienstvergehen im Sinne des § 47 Abs. 1 BeamtStG begangen, also schuldhaft die ihm obliegenden Dienstpflichten verletzt.
1. Eine schuldhafte Dienstpflichtverletzung ergibt sich zunächst daraus, dass er durch Leugnen der rechtlichen Existenz der Bunderepublik Deutschland im Sinne „reichsbürgertypischen Verhaltens“ schuldhaft gegen seine Verfassungstreuepflicht (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG) verstoßen hat.
a) In tatsächlicher Hinsicht geht der erkennende Senat von Folgendem aus:
Der Beklagte legte beim Landkreis Q. einen vorausgefüllten und mit Datum vom 1. Mai 2020 unterschriebenen Antrag auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises nach § 30 StAG vor, wobei er in die Formularfelder „Geburtsstaat“ und „Wohnsitzstaat“ des Antragsformulars handschriftlich „Preußen“ eingetragen hatte. Den vom Landkreis Q. ausgestellten Staatsangehörigkeitsausweis (s. Kopie, Bl. 170/Beiakte 11, Bd. 1) holte er am Nachmittag des 6. Juli 2020 dort ab. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus der glaubhaften Aussage des beim Landkreis Q. beschäftigten und dort u. a. für die Bearbeitung von Anträgen auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises zuständigen Kreisamtsinspektors R. (Zeugenvernehmung vom 21. Oktober 2020, Bl. 50, 61/Beiakte 1, Bd. 2) und ist vom Beklagten nicht bestritten worden.
Ferner stellte der Beklagte beim Bürgeramt der Stadt B-Stadt einen zur Weiterleitung an das Bundesverwaltungsamt bestimmten und unter dem 24. Juli 2020 von ihm unterzeichneten „Antrag auf Selbstauskunft aus dem Register Entscheidungen in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten (Register EStA)“, in dem er als „Geburtsstaat“ ebenfalls „Preußen“ eingetragen hatte. Hiervon ist der erkennende Senat überzeugt aufgrund der bei den Disziplinarvorgängen befindlichen Antragskopie (Bl. 167, 324/Beiakte 11, Bd. 1) sowie der glaubhaften Aussagen der im Bürgeramt der Stadt B-Stadt beschäftigten Verwaltungsfachangestellten S. (Zeugenvernehmung vom 15. Oktober 2020, Bl. 137 bis 140/Beiakte 1, Bd. 2) und T. (Zeugenvernehmung vom 15. Oktober 2020, Bl. 121 bis 123/Beiakte 1, Bd. 2). Der Beklagte hat auch diesen Sachverhalt nicht bestritten.
Ferner veranlasste der Beklagte am 24. Juli 2020 beim Bürgeramt der Stadt B-Stadt zunächst die Beglaubigung seines Personalausweises und ließ ihn sodann mit dem Hinweis beim Bürgeramt zurück, dass er diesen nicht mehr benötige. Da der Beklagte über einen gültigen Reisepass verfügte (s. Kopie, Bl. 326/Beiakte 11, Bd. 1), machte das Bürgeramt der Stadt B-Stadt den Bundespersonalausweis des Beklagten ungültig. Von diesem Sachverhalt ist der erkennende Senat aufgrund der glaubhaften Schilderung der Frau S. (Zeugenvernehmung vom 15. Oktober 2020, Bl. 143 bis 145/Beiakte 1, Bd. 2) überzeugt; außerdem ist eine Kopie des ungültig gemachten Personalausweises des Beklagten in den Disziplinarvorgängen enthalten (Bl. 173/Beiakte 11, Bd. 1). Der Beklagte hat das Zurücklassen seines Personalausweises mit der Bemerkung, er brauche diesen nicht mehr, ebenfalls nicht bestritten.
Unter dem 12. August 2020 richtete der Beklagte schließlich ein von ihm als „Nachtragsantrag“ zum vorangegangenen Antrag auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises bezeichnetes Schreiben an den Landkreis Q. - Herrn R. - des Inhalts, er habe nach Erhalt seines Staatsangehörigkeitsausweises beim Bundesverwaltungsamt einen Antrag auf Auskunft zu den für ihn erfolgten Eintragungen gestellt. Die dortige Antwort vom 29. Juli 2020 habe er am 4. August 2020 erhalten. Zu seinem Erstaunen habe er festgestellt, „dass bei der Eintragung zum Erwerb der Staatsangehörigkeit der Hinweis auf die gesetzliche Grundlage, nämlich '§ 4 Abs. 1 (Ru)StaG' fehlte, obwohl ich meine Abstammung bis vor 1913 mit Urkunden nachgewiesen habe“. Auf telefonische Nachfrage beim Bundesverwaltungsamt habe er die Auskunft erhalten, dass eine solche Eintragung nicht erfolge. Seine „weiteren diesbezüglichen Recherchen“ hätten ergeben, dass es durchaus sein könne, dass er in seinem Antrag aus Unkenntnis über die Wichtigkeit dieses nicht konkret unter Punkt 3. „Sonstiges“ beantragt habe. Daher stelle er hiermit den Antrag, den Ursprungsantrag „diesbezüglich zu erweitern und bitte um Korrektur wie folgt: '3. …..Sonstiges: Abstammung gemäß § 4, Abs. 1, RuStAG, Stand: 1913'“. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus der Antragskopie (Kopie, Bl. 6/Beiakte 1, Bd. 2) sowie aus der glaubhaften Aussage des Kreisamtsinspektors R. (Zeugenvernehmung vom 21. Oktober 2020, Bl. 70 f./Beiakte 1, Bd. 2). Der Beklagte hat diesen Sachverhalt nicht in Abrede genommen.
Ferner äußerte sich der Beklagte in der Öffentlichkeit u. a. wie folgt:
• „Wer das bislang noch nicht getan hat, dem empfehle ich, sich dringend beispielhaft mit folgenden Themen auseinanderzusetzen. Und zwar mit der deutschen Geschichte, insbesondere mit der Geschichte Preußens. Dem Nachweis der deutschen Staatsangehörigkeit.“
(Verschriftlichung des Redebeitrags des Beklagten auf der Querdenker-Demonstration in EE. am 27. September 2020, Bl. 47 bis 50/Beiakte 1, Bd. 1; hier: Bl. 49/Beiakte 1, Bd. 1),
• „Schnell das Internet gefragt, was ein Reiseausweis ist, mit dem Ergebnis, dass ein Reiseausweis ein vorläufiger Passersatz ist und das hatte ich natürlich nicht, also Personalausweis, also war für mich konkludent, ich bin ein Staatenloser.“
„Bingo, dachte ich mir. Das ist ja ganz einfach, ich besorge mir die erforderlichen Urkunden, beantrage den Staatsangehörigkeitsausweis, bezahle die amtlichen Gebühren und dann kann rechtsverbindlich in allen Angelegenheiten meine deutsche Staatsangehörigkeit nachgewiesen werden. Und weil ich ja keinen Fehler machen wollte, habe ich mir vorher noch ein Buch dazu besorgt und Ausfüllanweise und -hinweise im Internet gesucht und sehr plausibel erschien mir dabei ein Film, den ich bei YouTube gefunden habe. Ein Vortrag von FF., den kann ich nur empfehlen, sich den mal anzusehen. Nach mehreren Wochen erhielt ich dann mein[en] Staatsangehörigkeitsausweis um abzufragen, ob die Eintragung auch korrekt beim Bundesverwaltungsamt in Köln erfolgt sind, muss man einen Antrag auf Auskunft stellen, auch das habe ich dann getan im Bürgerbüro meiner Kommune. […] Ich war ja nun in der Lage, meine deutsche Staatsangehörigkeit mit meinem neuen amtlich ausgestellten Staatsangehörigkeitsausweis rechtsverbindlich in allen Angelegenheiten nachzuweisen und fragte ich mich, wozu ich denn wohl noch meinen Personalausweis brauche, der den Status 'Staatenloser' darstellt? Und ich kam zu dem Ergebnis, dass ich den Perso jetzt nicht mehr benötigen würde, da ich ja im Besitz eines gültigen Reisepasses war.“
(Verschriftlichung der Rede des Beklagten auf der Querdenken-Bühne am 11. Oktober 2020 in Berlin, Bl. 365 bis 371/Beiakte 1, Bd. 1; hier: Bl. 366, 369, 370/Beiakte 1, Bd. 1).
Außerdem wies der Beklagte im Rahmen der Durchsuchung seines Wohnhauses den Ermittlungsführer ungefragt darauf hin, dass auch dieser einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragen solle, weil andernfalls mit Eintritt in den Ruhestand dessen deutsche Staatsangehörigkeit erlöschen und er damit staatenlos sein würde (Aktenvermerk des KOR GG. vom 28. August 2020, Bl. 361/Beiakte 11, Bd. 1). Gegenüber der Zeugin Tiedtke, Mitarbeiterin im Geschäftszimmer des Dezernats … (…), hatte der Beklagte bereits etwa im Mai 2020 (vgl. Zeugenvernehmung der Beschäftigten I. vom 17. August 2020, Bl. 121 bis 129/Beiakte 11, Bd. 1; hier: Bl. 125 f./Beiakte 11, Bd. 1) erklärt, der Staatsangehörigkeitsausweis habe Vorteile, man müsse „bis zum Opa“ zurückverfolgen, dass man deutsch sei, dann könne man das beim Katasteramt hinterlegen, dass einem Immobilien später nicht weggenommen werden könnten.
b) Durch die bezeichneten Verhaltensweisen hat der Beklagte seine Pflicht zur Verfassungstreue (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG) verletzt.
aa) Die Pflicht, sich durch das gesamte Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG; ebenso § 60 Abs. 1 Satz 3 des Bundesbeamtengesetzes - BBG -), gehört zu den Kernpflichten eines jeden Beamten (BVerwG, Urteil vom 2.12.2021 - BVerwG 2 A 7.21 -, juris Rn. 26; Bay. VGH, Urteil vom 16.1.2019 - 16a D 15.2672 -, juris Rn. 25; Nds. OVG, Beschluss vom 8.10.2020 - 3 ZD 11/20 -; Urteil vom 20.4.2021 - 3 LD 1/20 -, juris Rn. 88; Günter, in: Plog/Wiedow, BBG, Stand: Januar 2023, Bd. 1, § 33 BeamtStG Rn. 3). Die Ausübung hoheitlicher Befugnisse und die damit verbundenen Eingriffsrechte des Staates sind durch Art. 33 Abs. 4 GG einem Personenkreis vorbehalten, dessen Rechtsstellung in besonderer Weise Gewähr für Verlässlichkeit und Rechtsstaatlichkeit bietet (BVerwG, Urteil vom 17.11.2017 - BVerwG 2 C 25.17 -, juris Rn. 15). Beamte realisieren die „Machtstellung“ des Staates (BVerfG, Urteil vom 27.4.1959 - 2 BvF 2/58 -, juris Rn. 65), sie haben als „Repräsentanten der Rechtsstaatsidee“ (BVerwG, Urteil vom 11.12.2014 - BVerwG 2 C 51.13 -, juris Rn. 26) dem ganzen Volk zu dienen und ihre Aufgaben im Interesse des Wohls der Allgemeinheit unparteiisch und gerecht zu erfüllen (BVerwG, Urteil vom 17.11.2017 - BVerwG 2 C 25.17 -, juris Rn. 15). Beamte stehen daher in einem besonderen öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis. Aufgrund dieser Treuepflicht gehört es jedenfalls zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG, dass sich der Beamte zu der Verfassungsordnung, auf die er vereidigt ist, bekennt und für sie eintritt (BVerwG, Urteil vom 17.11.2017 - BVerwG 2 C 25.17 -, juris Rn. 15; Nds. OVG, Urteil vom 20.4.2021 - 3 LD 1/20 -, juris Rn. 88).
Der Beamte, der „sozusagen als Staat Befehle geben kann“ (BVerfG, Urteil vom 27.4.1959 - 2 BvF 2/58 - juris Rn. 65), muss sich mit den Prinzipien der verfassungsmäßigen Ordnung ohne innere Distanz identifizieren. Damit ist nicht eine Verpflichtung gemeint, sich die Ziele oder eine bestimmte Politik der jeweiligen Regierungsmehrheit zu eigen zu machen. Gefordert ist aber die Bereitschaft, sich mit der Idee des Staates, dem der Beamte dienen soll, mit der freiheitlich-demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung dieses Staates zu identifizieren und für sie einzutreten. Dies schließt nicht aus, an Erscheinungen dieses Staates Kritik zu üben und für Änderungen der bestehenden Verhältnisse mit den verfassungsrechtlich vorgesehenen Mitteln einzutreten, solange in diesem Gewand nicht eben dieser Staat und seine verfassungsmäßige Grundlage in Frage gestellt werden. An einer „unkritischen“ Beamtenschaft können Staat und Gesellschaft kein Interesse haben. Unverzichtbar ist aber, dass der Beamte den Staat und die geltende verfassungsrechtliche Ordnung bejaht, sie als schützenswert anerkennt, in diesem Sinne sich zu ihnen bekennt und aktiv für sie eintritt (BVerwG, Urteil vom 2.12.2021 - BVerwG 2 A 7.21 -, juris Rn. 28). Der Staat ist darauf angewiesen, dass seine Beamten für ihn einstehen und Partei für ihn ergreifen (BVerfG, Beschluss vom 22.5.1975 - 2 BvL 13/73 -, juris Rn. 42; BVerwG, Urteil vom 17.11.2017 - BVerwG 2 C 25.17 -, juris Rn. 16). Die Grundentscheidung des Grundgesetzes zur Konstituierung einer wehrhaften Demokratie lässt es nicht zu, dass Beamte im Staatsdienst tätig werden, die die freiheitlich-demokratische, rechts- und sozialstaatliche Ordnung ablehnen und bekämpfen. Diesen Personen fehlt die Eignung für die Ausübung eines öffentlichen Amtes (BVerwG, Urteil vom 17.11.2017 - BVerwG 2 C 25.17 -, juris Rn. 18; Urteil vom 2.12.2021 - BVerwG 2 A 7.21 -, juris Rn. 27); ihnen kann von den Bürgern nicht das zur Wahrnehmung des öffentlichen Amtes berufserforderliche Vertrauen entgegengebracht werden (BVerwG, Urteil vom 17.11.2017 - BVerwG 2 C 25.17 -, juris Rn. 18; Nds. OVG, Urteil vom 20.4.2012 - 3 LD 1/20 -, juris Rn. 89).
Das bloße Haben einer Überzeugung und die bloße Mitteilung, dass man diese habe, reichen für die Annahme einer Verletzung der dem Beamten auferlegten Treuepflicht grundsätzlich nicht aus. Ein Dienstvergehen besteht erst, wenn der Beamte aus seiner politischen Überzeugung Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten im Sinne seiner politischen Überzeugung zieht (BVerfG, Beschluss vom 22.5.1975 - 2 BvL 13/73 -, juris Rn. 45; Beschluss vom 6.5.2008 - 2 BvR 337/08 -, juris Rn. 31; BVerwG, Urteil vom 17.11.2017 - BVerwG 2 C 25.17 -, juris Rn. 21; Urteil vom 2.12.2021 - BVerwG 2 A 7.21 -, juris Rn. 28), die entsprechende politische Überzeugung also bewusst und erkennbar nach außen betätigt. Die zu beanstandende Betätigung muss zudem von besonderem Gewicht sein (BVerwG, Urteil vom 2.12.2021 - BVerwG 2 A 7.21 -, juris Rn. 28 m. w. Nw.).
Dabei ist das in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung geforderte „Mehr“ als das bloße Haben und Mitteilen einer bestimmten Überzeugung nicht erst bei einem offensiven Werben des Beamten für eine mit der Verfassungstreuepflicht unvereinbare politische Überzeugung erreicht. Insoweit genügt, wenn der Beamte die entsprechende politische Überzeugung bewusst und erkennbar nach außen betätigt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.5.1977 2 BvL 13/73 , juris Rn. 45; Beschluss vom 6.5.2008 2 BvR 337/08 , juris Rn. 31. So kann ein disziplinarisch zu ahndendes Dienstvergehen etwa darin liegen, dass ein Beamter seine der verfassungsmäßigen Ordnung zuwiderlaufende Einstellung durch das Tragen einer Tätowierung mit verfassungsfeindlichem Inhalt kundtut, und zwar selbst dann, wenn er seine Überzeugung nur unter Gleichgesinnten offenbart, etwa um sich als von den „Anderen“ abgrenzbare Gruppe zu identifizieren und zu solidarisieren (BVerwG, Urteil vom 17.11.2017 - BVerwG 2 C 25.17 -, juris Rn. 22 ff.; Urteil vom 2.12.2021 - BVerwG 2 A 7.21 -, juris Rn. 29).
bb) Dies zugrunde gelegt, hat der Beklagte seine Kernpflicht aus § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG verletzt.
Mit seinen Angaben im Rahmen und im Zusammenhang mit der Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises sowie seines Antrages auf Selbstauskunft aus dem Register Entscheidungen in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten und seines „Nachtragsantrages“ vom 12. August 2020 hat er bewusst nach außen - nämlich gegenüber der Verwaltung des Landkreises Q. und dem Bürgeramt der Stadt B-Stadt - ein Verhalten an den Tag gelegt, das darauf schließen lässt, dass er der „Reichsbürger“- bzw. „Selbstverwalter“-Szene angehört bzw. sich deren Ideologie zu eigen gemacht hat.
Nach der auf der Website des Bundesamtes für Verfassungsschutz enthaltenen Definition (www.verfassungsschutz.de) sind „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Begründungen - unter anderem unter Berufung auf das historische Deutsche Reich, verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht - die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen, den demokratisch gewählten Repräsentanten die Legitimation absprechen oder sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend definieren (diese Definition zugrunde legend auch BVerwG, Beschluss vom 20.12.2019 - BVerwG 2 WDB 5.19 -, juris Rn. 11 sowie Urteil vom 2.12.2021 - BVerwG 2 A 7.21 -, juris Rn. 33; Sächs. OVG, Beschluss vom 3.12.2018 - 3 B 379/18 -, juris Rn. 15; in diesem Sinne der Ablehnung der Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Bundesländer bzw. der Negierung der Existenz der Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland und damit der in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Rechtsordnung auch OVG NRW, Beschluss vom 22.3.2017 - 3d B 296/17.O -, juris Rn. 7; Nds. OVG, Beschluss vom 18.7.2017 - 11 ME 181/17 -, juris Rn. 4, 12; Urteil vom 20.4.2012 - 3 LD 1/20 -, juris Rn. 93; Hess. VGH, Beschluss vom 20.6.2018 - 4 B 1090/18 -, juris Rn. 5; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 23.10.2019 - 7 A 10555/19 -, juris Rn. 33f.; Bay. VGH, Beschluss vom 22.7.2020 - 24 ZB 20.418 -, juris Rn. 9). Dementsprechend verstößt ein Beamter, welcher der „Reichsbürgerszene“ angehört - also aus welchen Motiven auch immer die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnt -, gegen seine Treuepflicht aus § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22.3.2017 - 3d B 296/17.O -, juris Rn. 7), also gegen seine Pflicht, sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhalt einzutreten.
Der Schluss, der Beklagte stelle die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Untergliederungen in Frage, ergibt sich zunächst aus seinen Angaben gegenüber dem Landkreis Q. im Rahmen des Verfahrens auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises und des Nachtragsantrags sowie gegenüber dem Bürgeramt der Stadt B-Stadt im Rahmen des Antrags auf Selbstauskunft. Hierin hat der am … 1963 in HH. (Niedersachsen) geborene Beklagte als „Geburtsstaat“ und „Wohnsitzstaat“ wiederholt „Preußen“ angegeben bzw. geltend gemacht, er habe die deutsche Staatsangehörigkeit per Abstammung gemäß § 4 RuStAG, Stand: 1913, erworben. Damit hat er im Rechtsverkehr gegenüber staatlichen Behörden - und folglich nach außen - objektiv zum Ausdruck gebracht, vom Fortbestehen des Staates/Königreichs Preußen auszugehen und damit die Existenz und die Legitimation der Bundesrepublik Deutschland und seiner föderalen Gliederungen in Abrede gestellt, wie dies - bei allen Unterschieden im Detail - gemeinsames Charakteristikum des Personenkreises der „Reichsbürger“ ist (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 8.10.2020 - 3 ZD 11/20 -; Urteil vom 20.4.2021 - 3 LD 1/20 -, juris Rn. 102). Es ist in der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises ohne nachvollziehbaren Anlass - insbesondere ohne behördlicherseits geltend gemachte Zweifel an der Staatsangehörigkeit des Betreffenden - und
• unter Angabe des Begriffes „Preußen“ oder „Königreich Bayern“ als Wohnsitzstaat, Geburtsstaat oder Staat der Staatsangehörigkeit
• und/oder unter Angabe, neben der deutschen Staatsangehörigkeit als weitere Staatsangehörigkeit die von „Preußen“ seit „Geburt“, erworben durch „Abstammung“ zu besitzen,
• und/oder unter Verweis auf eine „Abstammung gemäß § 4 RuStAG (Stand 1913)“
für eine Zugehörigkeit des Betreffenden zur „Reichsbürgerbewegung“ bzw. dafür spricht, dass sich der Betreffende zumindest die Ideologie der „Reichsbürgerbewegung“ inhaltlich zu eigen gemacht hat und die Existenz der Bundesrepublik Deutschland negiert (BVerwG, Urteil vom 2.12.2021 - BVerwG 2 A 7.21 -, juris Rn. 31 bis 43; OVG NRW, Beschluss vom 22.3.2017 - 3d B 296/17.O -, juris Rn. 7; Hess. VGH, Beschluss vom 20.6.2018 - 4 B 1090/18 -, juris Rn. 7f.; OVG Berl.-Bbg., Beschluss vom 21.3.2019 OVG 11 S 16.19 -, juris Rn. 8; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 23.10.2019 - 7 A 10555/19 -, Rn. 4 bis 7, 36, 38, 45). Die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises durch „Reichsbürger“ beruht darauf, dass in der „Reichsbürgerszene“ die Behauptung kursiert, das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz in seiner Fassung vom 22. Juli 1913 sei unverändert gültig und daher müsse man, um der Staatenlosigkeit zu entgehen, nach den damaligen Gesetzen einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragen (OVG Rh.-Pf., Urteil vom 23.10.2019 - 7 A 10555/19 -, juris Rn. 36). Der dargestellten Rechtsauffassung, dass die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises ohne nachvollziehbaren Grund und unter Verwendung einer oder mehrerer der bezeichneten Angaben dafür spricht, dass der Betreffende „reichsbürgertypisch“ die Existenz der Bundesrepublik Deutschland negiert, ist der erkennende Senat gefolgt (Nds. OVG, Beschluss vom 8.10.2020 - 3 ZD 11/20 -; Urteil vom 20.4.2021 - 3 LD 1/20 -, juris Rn. 106) und hält hieran weiterhin fest. Auch der Beklagte hat unter Verwendung einschlägiger - nämlich „reichsbürgertypischer“ - Formulierungen ohne nachvollziehbaren Grund einen Staatangehörigkeitsausweis beantragt und damit im Rechtsverkehr zum Ausdruck gebracht, die Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland nicht anzuerkennen. Diese Erklärungen sind, weil sie im Rechtsverkehr mit Behörden abgegeben wurden, auch von erheblichem Gewicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 2.12.2021 - BVerwG 2 A 7.21 -, juris Rn. 31).
Soweit er einwendet, die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises als zulässige Handlung im Rechtsverkehr könne kein Dienstvergehen begründen (so etwa Berufungsbegründung - BB - vom 8.9.2022, S. 4, 28, 31 [Bl. 183, 207, 210/GA]; Sitzungsniederschrift vom 14.3.2023, S. 2 [Bl. 271Rs./GA]), lässt diese Argumentation außer Acht, dass die Klägerin - und ihr folgend das Verwaltungsgericht (UA, S. 10) - nicht den Umstand der Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises als solchen für die Schlussfolgerung herangezogen hat, der Beklagte lehne die Existenz der Bundesrepublik Deutschland ab, sondern insoweit auf die von ihm im Antragsformular konkret getätigten Angaben abgehoben hat. Die wiederholte Eintragung “ Preußen als „Geburts- und Wohnsitzstaat“ und der Hinweis auf eine Abstammung gemäß „§ 4 RuStAG, Stand: 1913“ deutet - wie ausgeführt - darauf hin, dass er vom Fortbestehen des Staates Preußen ausgeht und die Gründung der Bundesrepublik Deutschland und deren föderale Untergliederungen in Abrede stellt, wie dies bei allen Unterschieden im Detail gemeinsames Charakteristikum des Personenkreises der „Reichsbürger“ ist.
Diese Schlussfolgerung wird auch nicht durch den Vortrag des Beklagten in Frage gestellt, er habe deshalb als Geburtsstaat „Preußen“ eingetragen, weil er, als er den Antrag gestellt habe, seine Abstammung habe nachweisen müssen (Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 28. April 2022, S. 3 [Bl. 106/GA]). Auch der erkennende Senat hält diese Einlassung für nicht überzeugend, denn in dem Antragsformular ist nach dem Geburtsstaat gefragt, nicht nach einer historisch-geographischen Abstammung. Dies musste dem Beklagten aufgrund seiner Ausbildung und seines beruflichen Werdeganges bewusst sein.
Nicht überzeugend ist der Vortrag des Beklagten, er befasse sich mit allen erdenklichen Themen und daher u. a. auch mit dem Thema deutsche Staatsangehörigkeit, und habe „das Formular nach Anleitungen aus Videos aus YouTube und der Erläuterung eines Bekannten (O.)“ ausgefüllt (BB, S. 23, 32 [Bl. 202,211/GA]). In diesem Sinne hatte er bereits - wie ausgeführt - auch im Rahmen seiner am 11. Oktober 2020 in II. gehaltenen Rede erklärt, er habe bei der Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises „keinen Fehler machen“ wollen und habe sich daher „vorher noch ein Buch dazu besorgt und Ausfüllanweise und -hinweise im Internet gesucht und sehr plausibel erschien mir dabei ein Film, den ich bei YouTube gefunden habe“ (Verschriftlichung der Rede des Beklagten auf der Querdenken-Bühne am 11. Oktober 2020 in II., Bl. 369, 370/Beiakte 1, Bd. 1). Abgesehen davon, dass die Behauptung, der Beklagte habe in Bezug auf die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises „Anregungen“ oder „Informationen“ von einem O. erhalten, nicht näher substantiiert worden ist, ist für den erkennenden Senat nicht ansatzweise nachvollziehbar, warum jemand, der die Existenz der Bundesrepublik Deutschland anerkennt und selbst als Landesbeamter des vormals gehobenen Polizeivollzugsdienstes Teil der Exekutive ist, diesen „Anregungen“ bzw. „Informationen“ Dritter sollte Rechnung tragen wollen. Angesichts des Bildungsgrades des Beklagten und seines beruflichen Werdeganges, der ihn zum Aufstieg in den vormals gehobenen Polizeivollzugsdienst und sogar zur Beförderung in das zweite Beförderungsamt der entsprechenden Laufbahn geführt hat, ist es vollständig unglaubhaft, dass er ohne innere Überzeugung und nur auf Anregung eines Dritten, eines „Ausfüll-Hilfe-Videos“ im Internet oder eines Buches hin einen Staatsangehörigkeitsausweis mit den oben bezeichneten Angaben („Preußen“) und unter Berufung auf § 4 RuStAG (Stand: 1913) beantragt haben will.
Der Beklagte hat zudem nicht glaubhaft gemacht, aus welchem Grund er überhaupt die Notwendigkeit gesehen hat, über einen Staatsangehörigkeitsausweis zu verfügen. Im Zeitpunkt der Antragstellung (Mai 2020) war er unstreitig im Besitz eines bis Juni 2029 gültigen deutschen Reisepasses (vgl. Bl. 326/Beiakte 11, Bd. 1) und eines bis Mai 2022 gültigen Personalausweises (vgl. Bl. 173/Beiakte 11, Bd. 1). Seine deutsche Staatsangehörigkeit war auch nicht von behördlicher Seite - etwa, weil dieser Status aus historischen Gründen zweifelhaft und dies erst im Vorfeld des Antragszeitpunkts behördlicherseits aufgefallen wäre - in Frage gestellt worden (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 8.10.2020 - 3 ZD 11/20 -; Urteil vom 20.4.2021 - 3 LD 1/20 -, juris Rn. 109; auf diesen Gesichtspunkt abstellend auch BVerwG, Urteil vom 2.12.2021 - BVerwG 2 A 7.21 -, juris Rn. 32). Der Erklärungsversuch des Beklagten, er habe sich mit dem Gedanken getragen, nach Curaçao auszuwandern und habe für einen möglichen Immobilienerwerb im Ausland vorbereitet sein wollen (so Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 28. April 2022, S. 3 [Bl. 106/GA], BB vom 8.9.2022, S. 3 f., 31 f. [Bl. 182 f., 210 f./GA]), überzeugt auch den erkennenden Senat nicht. Ungeachtet des Umstandes, dass der Beklagte diese vorgebliche Motivation nicht näher substantiiert hat, wäre selbst mit einem konkreten Auswanderungsplan noch nicht die Notwendigkeit der Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises belegt. Denn dieses amtliche Dokument der Bundesrepublik Deutschland, mit dem der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit dokumentiert wird, wird im deutschen Rechtsverkehr nur in seltenen Fällen als ein über den Personalausweis hinausgehender Beleg der deutschen Staatsangehörigkeit benötigt (OVG NRW, Beschluss vom 26.6.2019 - 20 B 822/18 -, juris Rn. 49; Nds. OVG, Beschluss vom 8.10.2020 - 3 ZD 11/20 -; Urteil vom 20.4.2012 - 3 LD 1/20 , juris Rn. 109), und auch für das Nicht-EU-Ausland - etwa für die Auswanderung in die USA - reicht u. a. ein gültiger Reisepass aus (s. telefonische Auskunft der Deutschen Botschaft in Washington, Bl. 40/Beiakte 1 Bd.1). Vor diesem Hintergrund ist eine Beantragung dieses Dokuments gleichsam prophylaktisch unglaubhaft. Ungeachtet dessen wäre aber auch im Falle eines konkreten Auswanderungswunsches nicht zu erklären, warum der am … 1963 in HH. (Niedersachsen) geborene Beklagte (s. Geburtsurkunde des Standesamtes HH. Nr. …, Bl. 10/Beiakte 10, Bd. 2), der im April 1981 nicht in das Beamtenverhältnis auf Widerruf hätte berufen werden können, wenn er nicht Deutscher im Sinne Artikels 116 des Grundgesetzes gewesen wäre (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 1 des Beamtenrechtsrahmengesetzes - BRRG - in der seit dem 1. Januar 1980 geltenden Fassung), und an dessen deutscher Staatsangehörigkeit seither von behördlicher Seite niemals gezweifelt worden war, im Rahmen des Antragsverfahrens als Geburtsstaat „Preußen“ angegeben hat. Diese Angabe lässt sich somit allein dahin deuten, dass der Beklagte vom Fortbestand des Staates „Preußen“ - und damit vom Nicht-Bestehen der Bundesrepublik Deutschland als Staat - überzeugt war. Die entsprechende innere Überzeugung wird zudem durch den weiteren Verfahrensgang belegt. Denn der Beklagte hat sich nach Erhalt des Staatsangehörigkeitsausweises sowie nach Erhalt der Auskunft des Bundesverwaltungsamtes erneut an den Landkreis Q. als die zuständige Staatsangehörigkeitsbehörde gewandt und mittels eines als „Nachtragsantrag“ bezeichneten Schreibens versucht, die Aufnahme der Formulierung „Abstammung gemäß § 4 Abs. 1 RuStAG, Stand. 1913“ in seinem Staatsangehörigkeitsausweis zu erwirken. Dies zeigt, dass er mit den dortigen Angaben (Bl. 170/Beiakte 11, Bd. 1):
„[vollständiger Name des Beklagten],
geboren am …1963 in HH. Deutschland,
[Wohnort: …],
ist deutscher Staatsangehöriger“,
inhaltlich nicht einverstanden war.
Der Beklagte hat zudem durch das Zurücklassen seines Personalausweises beim Bürgeramt der Stadt B-Stadt seine Zugehörigkeit zur Bundesrepublik Deutschland negiert. Seine Erklärung - er habe in verschiedenen Publikationen ermittelt, dass Personalausweis und Reisepass die deutsche Staatsangehörigkeit nicht eindeutig belegten, sondern nur die Vermutung dokumentierten, dass man deutscher Staatsbürger sei; als er dann den Staatsangehörigkeitsausweis erhalten habe, habe er gemeint, den Personalausweis nicht mehr zu brauchen, zumal er auch im Besitz eines gültigen Reisepasses sei (Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 28. April 2022, S. 3 [Bl. 106/GA]) -, ist in sich widersprüchlich und daher nicht glaubhaft. Denn auf der Grundlage seiner - unzutreffenden - Rechtsauffassung wäre nicht erklärlich, warum er auf den aus seiner Sicht nicht hinreichend aussagekräftigen Personalausweis verzichten, den aus seiner Sicht ebenfalls nicht hinreichend aussagekräftigen Reisepass jedoch behalten wollte. Dem Beklagten dürfte zwar bewusst gewesen sein, dass ohne jedenfalls eines der von ihm als nicht hinreichend aussagekräftig angesehen Dokumente - Reisepass oder Personalausweis - beispielsweise eine Flugreise nicht möglich wäre. Gleichwohl ist dann aber nicht erklärlich, warum er die Zahl der aus seiner Sicht nicht hinreichend aussagekräftigen, aber gültigen Ausweisdokumente freiwillig von zwei auf eines reduziert hat. Vielmehr lässt sich seine Erklärung, den Personalausweis nicht mehr zu benötigen, nur dahingehend verstehen, dass er seine Zugehörigkeit zur Bundesrepublik Deutschland plakativ - nämlich mittels Rückgabeakt - zu beenden versucht hat. Der Rückgabe eines Personalausweises, nachdem ohne erkennbaren Grund ein Staatsangehörigkeitsausweis beantragt und ausgehändigt worden ist, kommt ebenfalls regelmäßig der objektive Erklärungsgehalt zu, dass die Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland in Abrede gestellt wird und ist daher „reichsbürgertypisch“ (vgl. Sächs. OVG, Urteil vom 10.12.2021 - 12 A 650/19.D -, juris Rn. 37; VG Göttingen, Beschluss vom 29.1.2018 - 1 B 384/17 -, juris Rn. 34). Eine plausible, anderweitige Deutung des Verhaltens des Beklagten ist nicht erkennbar.
Der Beklagte dringt auch nicht mit seinem bei verständiger Würdigung so zu verstehenden Vorhalt durch, die Klägerin - und ihr folgend das Verwaltungsgericht - argumentiere allgemein mit dem Begriff des „reichsbürgertypischen Gedankenguts“, ohne näher darzustellen, was konkret „reichsbürgertypisches Gedankengut“ sei; er könne sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Begriff des „Reichsbürgers“ als eine Art „Kampfbegriff“ herangezogen werde, um kritische Bürger „mundtot“ zu machen (so BB vom 8.9.2022, S. 24 f., 29, 42 [Bl. 203 f., 208, 221/GA]; in diesem Sinne auch Sitzungsniederschrift vom 14.3.2023, S. 2 [Bl. 271 Rs./GA]). Eine einheitliche „Reichsbürgerbewegung“ gibt es zwar - wie ausgeführt - nicht; vielmehr existiert ein heterogenes Spektrum (hierauf hinweisend auch BVerwG, Urteil vom 2.12.2021 - BVerwG 2 A 7/21 -, juris Rn. 33), das von unterschiedlich motivierten Einzelpersonen über Kleinst- und Pseudogruppierungen, einer unüberschaubaren Zahl von Internetpräsenzen, sogenannten Hilfsgemeinschaften für „Justizopfer“, bis hin zu sektenartigen, esoterisch geprägten Organisationen mit vergleichsweise geringer Mitgliederzahl reicht (OVG Rh.-Pf., Urteil vom 23.10.2019 - 7 A 10555/19 -, juris Rn. 35; Nds. OVG, Urteil vom 20.4.2021 - 3 LD 1/20 -, juris 110). Klein-ster gemeinsamer Nenner und gleichsam weltanschauliche Klammer dieses Spektrums ist indes die Leugnung der völkerrechtlichen Legitimität der Bundesrepublik Deutschland und die Nichtanerkennung ihrer Rechtsordnung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.12.2019 - BVerwG 2 WDB 5.19 -, juris Rn. 11; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 23.10.2019 7 A 10555/19 -, juris Rn. 35; Nds. OVG, Urteil vom 20.4.2021- 3 LD 1/20 -, juris 110). Eine solche Position hat der Beklagte durch die bezeichneten Angaben in seinem Antrag auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises, in seinem Antrag auf Selbstauskunft, in seinem Nachtragsantrag und durch das Zurücklassen seines Personalausweises gerade zum Ausdruck gebracht. Sein Verhalten lässt darauf schließen, dass er entsprechend des „reichsbürgertypischen“ kleinsten gemeinsamen Nenners die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Rechtsordnung ablehnt. Hierbei handelt es sich nicht - wie der Beklagte meint (so etwa BB vom 8.9.2022, S. 25 [Bl. 204/GA]) - um die bloße Unterstellung einer entsprechenden Überzeugung“, sondern um die Feststellung einer inneren Einstellung, die sich aus der Würdigung der objektiven, nach außen getragenen Umstände des vorliegenden Streitfalles ergibt. Unterstützt wird dieser Befund durch die Aussagen des Beklagten gegenüber KOR J. anlässlich der Wohnungsdurchsuchung und gegenüber Frau I.. Hieraus wird deutlich, dass der Beklagte die Gefahr sah, staatenlos zu werden und Gefahr zu laufen, bestimmte Rechte zu verlieren. Dies wiederum belegt, dass er der Bundesrepublik Deutschland die Legitimation und die Fähigkeit abspricht, Garantin von Freiheitsrechten zu sein.
Eine plausible anderweitige Deutung des Verhaltens des Beklagten als diejenige, dass er die Existenz der Bundesrepublik Deutschland negiert und deren Rechtsordnung ablehnt, lässt sich auch nicht auf die Ausführungen seines Prozess(-unter-)bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat stützen. Soweit dieser auf vorgeblich rechtshistorisch streitige Fragestellungen hingewiesen und geltend gemacht hat, allein die Diskussion hierüber könne noch keinen Treuepflichtverstoß begründen, ein solcher Verstoß könne allenfalls angenommen werden, wenn der Betroffene zu einem bestimmten Ergebnis gelangt sei und dies entsprechend kundtue (Sitzungsniederschrift vom 14.3.2023, S. 3 [Bl. 272/GA]), geht diese Argumentation an dem hier in tatsächlicher Hinsicht festgestellten Sachverhalt vorbei. Denn der Beklagte hat nicht etwa im Rahmen einer (staats-)rechtshistorischen Diskussion bestimmte Fragen aufgeworfen, sondern hat diese - wie seine Angaben im Rechtsverkehr gegenüber dem Landkreis Q. und dem Bürgeramt seiner Wohnsitzgemeinde zeigen - für sich verbindlich dahingehend beantwortet, dass auch bei Sachverhalten seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Staatsangehörigkeit auf Verhältnisse vor dieser Zeit - hier: auf den Staat Preußen und das zu seiner Zeit geltenden Staatsangehörigkeitsrecht - abzustellen sei. Er ist also gerade zu dem Ergebnis des Fortbestehens des Staates Preußen und des 1913 geltenden Staatsangehörigkeitsrechts des Deutschen Reiches und der hiermit verbundenen Negierung der Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Staatsangehörigkeitsrecht gelangt, denn andernfalls hätte er die bezeichneten Angaben nicht im Rechtsverkehr mit einer Behörde im Rahmen förmlicher Antragstellungen verwendet.
Soweit er schließlich einwendet, es sei zu fragen, worauf sich die Treuepflicht eines Beamten beziehen solle, auf den Staat Bundesrepublik Deutschland als solchen oder auf die Grundsätze der Bundesrepublik Deutschland als solche (so Sitzungsniederschrift vom 14.2.2023, S. 3 [Bl. 272/GA]), ist dem entgegenzuhalten, dass eine entsprechende Trennung schon denklogisch ausscheidet. Die beamtenrechtliche Treuepflicht bezieht sich auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Es ist schlechterdings unmöglich, die rechtliche Existenz dieses Staates zu leugnen und sich zugleich zu dessen Grundordnung zu bekennen und sich für diese einzusetzen, wie § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG es verlangt (vgl. BVerwG, Urteil vom 2.12.2021 - BVerwG 2 A 7.21 -, juris Rn. 30).
Der Verstoß gegen die Pflicht zur Verfassungstreue ist - auch wenn die Angaben und das Verhalten gegenüber dem Landkreis Q. und dem Bürgeramt der Stadt B-Stadt außerdienstlich erfolgt sind - als ein innerdienstliches Fehlverhalten anzusehen. Denn die Pflicht zum Eintreten für die freiheitlich demokratische Grundordnung ist unteilbar und nicht auf den dienstlichen Bereich beschränkt (BVerwG, Urteil vom 12.3.1986 - BVerwG 1 D 103.84 -, juris Rn. 32; Urteil vom 2.12.2021 - BVerwG 2 A 7.21 , juris Rn. 26; Bay. VGH, Urteil vom 28.11.2001 - 16 D 00.2077 -, juris Rn. 155). Der Sinn der politischen Treuepflicht besteht darin, eine verlässliche, den Staat vor allem in Krisenzeiten und in Loyalitätskonflikten verteidigende Beamtenschaft zu garantieren (BVerfG, Beschluss vom 22.5.1975 - 2 BvL 13/73 -, juris Rn. 41; BVerwG, Urteil vom 12.3.1986 - BVerwG 1 D 103.84 -, juris Rn. 32). Dann aber muss von jedem Beamten verlangt werden, dass er auch im außerdienstlichen Bereich von der Unterstützung jeglicher Aktivitäten absieht, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet sind oder die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung diffamieren oder in Frage stellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.3.1986 - BVerwG 1 D 103.84 -, juris Rn. 32).
c) Der Beklagte handelte auch schuldhaft, und zwar vorsätzlich. Von einem vorsätzlichen Handeln ist auszugehen, wenn der Beamte bewusst und gewollt das Verhalten verwirklicht, welches die Pflichtverletzung darstellt (vgl. Günter, in: Plog/Wiedow, a. a. O., § 77 BBG Rn. 22 [zur bundesrechtlichen Parallelvorschrift]). Dies war hier der Fall. Dem Beklagten war bekannt, welche Angaben er im Rahmen der Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises sowie der übrigen Anträge gemacht hatte, und ihm war auch bekannt, dass er seinen gültigen Personalausweis beim Bürgeramt der Stadt B-Stadt zurückgelassen hatte. Das Vorliegen einer Schuldunfähigkeit im Sinne von § 20 des Strafgesetzbuches (StGB), welche auch ein Verschulden im Sinne des Disziplinarrechts ausschlösse (Herrmann/Sandkuhl, Beamtendisziplinarrecht, Beamtenstrafrecht, 2. Auflage 2021, Rn. 109; Günter, in: Plog/Wiedow a. a. O., § 77 BBG Rn. 24), ist weder vorgetragen worden noch ersichtlich.
Wenn der Beklagte einwendet (so BB vom 8.9.2022, S. 4, 32 [Bl. 183, 211/GA]), ihm sei es nicht „im entferntesten Ansatz in dem Sinn gekommen“, dass die Beantragung eines förmlichen Ausweisdokuments der Bundesrepublik Deutschland als ein Dienstvergehen im Sinne der Leugnung der Existenz der Bundesrepublik Deutschland angesehen werden könne, so beruft er sich der Sache nach auf einen Verbotsirrtum (vgl. § 17 StGB). Ein solcher Rechtsirrtum - der Beamte erkennt zutreffend den von ihm verwirklichten Geschehensablauf, der objektiv einen Dienstvergehenstatbestand erfüllt, glaubt aber, nicht pflichtwidrig gehandelt zu haben - kann das Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit (Unrechtsbewusstsein) entfallen lassen, wenn der Irrtum unvermeidbar war (BVerwG, Urteil vom 11.12.1990 - BVerwG 1 D 63.89 -, juris Rn. 24; Urteil vom 11.12.1991 - BVerwG 1 D 75.90 -, juris Rn. 129 ff.; Urteil vom 22.6.2006 - BVerwG 2 C 11.05 -, juris Rn. 30; Herrmann, a. a. O., Rn. 107). Die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums bestimmt sich nach der von dem Beamten nach seiner Amtsstellung (Status, Dienstposten) und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten (Vorbildung, dienstlicher Werdegang) zu fordernden Sorgfalt unter Berücksichtigung ihm zugänglicher Informationsmöglichkeiten (BVerwG, Urteil vom 22.6.2006 - BVerwG 2 C 11.05 -, juris Rn. 30; Herrmann, a. a. O., Rn. 107). Das Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit setzt in der Regel keine juristisch genaue Kenntnis der verletzten Rechtsvorschriften und/oder Verwaltungsanordnungen voraus. Es genügt, wenn der Beamte Umfang und Inhalt seiner auf diesen Regelungen beruhenden Dienstpflichten im weitesten Sinne erfasst (BVerwG, Urteil vom 22.6.2006 BVerwG 2 C 11.05 -, juris Rn. 30). Im Zweifel wird von einem Beamten - im eigenen Interesse - erwartet, dass er sich bei seiner Dienststelle rechtzeitig über Umfang und Inhalt seiner Dienstpflichten erkundigt (BVerwG, Urteil vom 22.6.2006 - BVerwG 2 C 11.05 -, juris Rn. 30).
In Anwendung dieser Maßstäbe erscheint es dem erkennenden Senat bereits nicht glaubhaft, dass der Beklagte nicht gewusst haben will, dass seine konkreten Angaben und sein konkretes Verhalten seinen Dienstpflichten entgegenstehen. Hierfür spricht zunächst, dass er selbst erklärt hat, er habe damals recherchiert und gesehen, dass es bei Beamten „Ärger“ wegen eines entsprechenden Antrags geben könne, habe aber gemeint, dies gelte nur, wenn noch zusätzlich Handlungen erfolgten, mit denen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland in Abrede gestellt werde (BB vom 8.9.2022, S. 4 [Bl. 183/GA]). Schon aus dieser Aussage geht hervor, dass der Beklagte Problembewusstsein hinsichtlich der Frage des Verursachens dienstrechtlichen „Ärgers“ im Zusammenhang mit der Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises hatte. Außerdem hat er gerade „zusätzliche“ Handlungen vorgenommen, denn ihm ist nicht die Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises als solche vorgehalten worden, sondern die Beantragung dieses Ausweises ohne nachvollziehbaren Grund in Verbindung mit den von ihm im Antragsverfahren konkret gemachten Angaben („Preußen“; „§ 4 RuStAG, Stand. 1913“) sowie die Rückgabe des Personalausweises, für die ebenfalls kein nachvollziehbarer Grund ersichtlich ist. Ungeachtet dessen ist er Polizeibeamter des vormals gehobenen Dienstes, mittlerweile im zweiten Beförderungsamt der Laufbahn. Er hat im Zuge seines Eintritts in den niedersächsischen Polizeidienst im Jahr 1981 den folgenden Amtseid geleistet (Bl. 27/Beiakte 10):
„Ich schwöre, dass ich, getreu den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates, meine Kraft dem Volke und dem Lande widmen, das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und die Niedersächsische Verfassung wahren und verteidigen, in Gehorsam gegen die Gesetze meine Amtspflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegenüber jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“,
und hatte im Jahr 2020 nahezu 40 Jahre Berufserfahrung. Es gab für ihn keinerlei objektiven Anlass, an der Existenz der Bundesrepublik Deutschland und insbesondere an seiner eigenen Staatsangehörigkeit zu zweifeln. Jedenfalls aber wäre es für ihn aufgrund seiner Aus- und Vorbildung ein Leichtes gewesen zu erkennen, dass sein - nach eigenem Vortrag insbesondere auf einer Internetrecherche bei YouTube basierendes (so BB vom 8.9.2022, S. 33, 35 [Bl. 212, 214/GA]) - Verhalten den Grundsätzen, auf die er vereidigt worden ist, fundamental entgegensteht, so dass jedenfalls ein - leicht vermeidbarer - Verbotsirrtum vorliegt, der die Schuld unberührt lässt. Einem Beamten des (vormals) gehobene Dienstes, jedenfalls aber einem Polizeivollzugsbeamten, hätte es sich geradezu aufdrängen müssen, diese „Informationen“ unter Zuhilfenahme weiterer Quellen - insbesondere auch dienstlich vorhandener oder zu beschaffender Information zur sog. „Reichsbürgerszene“, kritisch zu hinterfragen.
2. Eine schuldhafte Dienstpflichtverletzung des Beklagten ergibt sich weiterhin daraus, dass der Beklagte durch Verbreiten von Verschwörungstheorien schuldhaft gegen seine beamtenrechtlichen Pflichten verstoßen hat.
a) In tatsächlicher Hinsicht geht der erkennende Senat von Folgendem aus:
aa) Der Beklagte hat im Rahmen von öffentlichen Reden u. a. die folgenden Aussagen getroffen:
• „Zweifellos habe ich in meiner Rede in G. polarisiert und zweifellos habe ich angedeutet, dass aus meiner Sicht hinter dem werthaltigen Wahnsinn viel mehr als nur Zufall steht“
(Wortprotokoll der Rede des Beklagten am 22. August 2020 in AA., Bl. 380 bis 395/Beiakte 11, Bd. 1; hier: Bl. 386/Beiakte 11, Bd. 1),
• „Ja, wer immer noch denkt, dass es um Corona geht, der ist noch nicht wirklich aufgewacht. Hier geht es um 'great reset'“.
(Verschriftlichung des Redebeitrags des Beklagten am 21. November 2020 in A-Stadt, Bl. 130 bis133/Beiakte 1, Bd. 3; hier: Bl. 130/Beiakte 1, Bd. 3),
• Fragesteller: „[…], Sie hatten in A-Stadt am 21.11. ne Rede gehalten 'the great reset'. Das ist ja auch sehr viral gegangen […]. […] halten Sie das für … auf jeden Fall für gegeben, dass das wirklich um diesen 'The great reset' geht, sag ich mal Klaus Schwab Weltwirtschaftsforum?“
[Beklagter]: „Also, ich denke, das steckt ne ganz klare Agenda dahinter, die, wenn man sich die Ereignisse weltweit anguckt, gesteuert sind und, äh, es gibt nicht einzelnen Aktionen oder einzelne Zielrichtungen, es gibt nur eine Zielrichtung, die sich dahinter verbirgt und wer sich mit dem Hintergrund beschäftigt, wird Indizien und Beweise finden, die ganz klar belegen, was die Zielrichtung ist. Es ist nicht ne Krankheit, um die es hier geht, sondern diese Krankheit Corona, die wir nicht verleugnen, die wirklich vorhanden ist und die auch vielleicht schlimme Auswirkungen hat […] ist nur der… der sag ich mal Auslöser, der genutzt wird. Der Hintergrund und die Intention ist ne völlig andere und das ist wichtig, um die Gesellschaft umzukrempeln und völlig andres Gemeinwesen herbeizuführen und die Menschen aus ihrer Freiheit zu holen […]“
(Verschriftlichung eines Interviews des Beklagten, welches über YouTube am 7. Dezember 2020 ausgestrahlt wurde, Bl. 5 bis 6/Beiakte 1, Bd. 4; hier: Bl. 6/Beiakte 1, Bd. 4).
Mit diesen Passagen hat der Beklagte in öffentlichen Reden mehrfach auf das Narrativ eines globalen, weltverschwörerischen Plans, des sog. „great reset“, Bezug genommen. In diesem Zusammenhang wird behauptet, hinter der Idee des „great reset“ verberge sich der Plan einer globalen Finanz- und Politikelite, eine neue Weltordnung zu etablieren und die globale politische und wirtschaftliche Kontrolle zu übernehmen. Um die Bedingungen für eine solche weltweite, umfassende Umstrukturierung zu schaffen, in deren Folge u. a. individuelle Freiheiten der Bevölkerung eingeschränkt werden sollten, sei das Corona-Virus vorsätzlich und mit dem Ziel verbreitet worden, eine Pandemie auszulösen (s. Bl. 151 f./Beiakte 1, Bd. 3 unter Verweis auf die Quelle „Verschwörungstheorien erkennen und entlarven“ der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg als link).
Soweit der Prozess(-unter-)bevollmächtigte des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat darauf hingewiesen hat, die Theorie des „great reset“ stamme vom Leiter des Weltwirtschaftsforums in Davos, Klaus Schwab und es handle sich nicht um eine Verschwörungstheorie, sondern um eine Diskussion darüber, wie die Welt im Anschluss an die Corona-Pandemie neu gestaltet werden könne (Sitzungsniederschrift vom 14.3.2023, S. 3 [Bl. 272/GA]), übersieht er, dass auch die Klägerin in ihrer Disziplinarklageschrift davon ausgegangen ist, der Begriff „great reset“ gehe auf das gleichnamige Buch des Herrn Schwab sowie auf eine Vortragsreihe im Rahmen des Weltwirtschaftsforums 2020 in Davos zurück und bezeichne die Diskussion darüber, wie sich die weltwirtschaftlichen Bedingungen im Anschluss an die Corona-Pandemie verbessern ließen, damit sie sozialer und weniger finanziell ungleich würden (S. 57 [Bl. 29/GA]). Dieser ursprüngliche Inhalt des Begriffs „great reset“ ist jedoch nicht Gegenstand des Disziplinarvorwurfs, sondern vielmehr die verschwörungstheoretische Verwendung desselben in dem Sinne, dass eine globale Finanz- und Politikelite die Übernahme der politischen und wirtschaftlichen Kontrolle über die Weltbevölkerung plane. In diesem - verschwörungstheoretischen - Sinne hat auch der Beklagte den Begriff des „great reset“ gebraucht, wenn er in den wiedergegebenen Passagen seiner öffentlichen Reden geäußert hat, die Corona-Pandemie werde nach einem - der Mehrheit der Bevölkerung - verborgenen Plan durch bestimmte Personen dafür genutzt, die Gesellschaft „umzukrempeln“ und insbesondere der Mehrheit der Bevölkerung ihre Freiheit zu nehmen.
bb) Ferner suchte der Beklagte am 3. August 2020 in seiner Eigenschaft als Sachbearbeiter „technische Prävention“ der Klägerin den Zeugen U. an dessen Wohnanschrift auf und führte bei diesem eine Sicherheitsberatung zum Thema Einbruchschutz durch. Der Beklagte trug bei der Beratung Uniform. Nach Abschluss des Beratungsgesprächs fragte der Beklagte den Zeugen, ob dieser noch kurz Zeit habe, „ein bisschen noch so privat zu quatschen“, was der Zeuge bejahte, weil er nach eigenen Angaben „nicht unhöflich sein wollte, es ist immerhin ein Polizeibeamter“. Daraufhin eröffnete der Beklagte das Gespräch mit der Frage, ob sich der Zeuge schon einmal Gedanken gemacht habe, wie es eigentlich in Deutschland so stehe. Der Beklagte erklärte, am vorvorherigen Wochenende privat an einer Demonstration in II. teilgenommen zu haben, und fragte den Zeugen, ob dieser noch glaube, „dass wir in einem Rechtsstaat“ lebten und in einer Demokratie, er selbst habe das bis vor einem halben Jahr ungefähr noch geglaubt, aber zwischenzeitlich insoweit Zweifel entwickelt. Der Beklagte führte dann weiter aus, dass es tatsächlich eine Oberschicht von Reichen und Schönen gebe, die nur reich und schön blieben, weil sie Kinder entführten und aus dem Blut ein Junggebliebenenelixier gewönnen und dafür „klauten“ sie Kinder von der Straße; als Familienvater solle ihn - den Zeugen - dies doch besorgen und dagegen werde nichts unternommen. Ferner erklärte der Beklagte gegenüber dem Zeugen, dass es anscheinend „eine Schicht von Leuten“ gebe, die „uns und auch die Welt“ regierten, nämlich der chinesische Staatspräsident, Donald Trump und Putin und daneben eben auch noch eine Gruppe von Industriellen und Vertretern aus der Wirtschaft und Banker. Dann zog der Beklagte nach Angabe des Zeugen „irgendwie den Bogen zu den Juden“, wobei er explizit meinte, er sei wirklich kein Antisemit, es sei „nur auffällig, wie viele Juden da oben mitspielen würden, das hätte jetzt mit dem normalen Standard-Juden nichts zu tun, aber das sei halt da oben schon ein bisschen auffällig“. Der Beklagte erklärte sodann weiter, man müsse sich aber keine Sorgen machen, denn „wir gehen ins Licht“; in spätestens zwei Jahren wäre der Umbruch erfolgt und dann „würde hier ein anderes System vorherrschen, nicht nur hier, sondern weltweit“.
Davon, dass der Beklagte die dargestellten Aussagen getätigt hat, ist der erkennende Senat aufgrund der umfänglichen und detailreichen Bekundungen des Zeugen U. überzeugt (Zeugenvernehmung vom 13. Januar 2021, Bl. 138 bis 160/Beiakte 1, Bd. 4; hier: Bl. 147, 148, 149 Beiakte 1, Bd. 4). Dafür, dass die Angaben des Zeugen unglaubhaft sein könnten, sind keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich. Insbesondere ist es aufgrund der Umstände, in denen diese Äußerungen gefallen sind - zunächst abgeschlossene Beratung im Wohnhaus des Zeugen und danach „privates“ Gespräch mit dem in Uniform erschienenen polizeilichen Berater und insbesondere auch aufgrund der Absurdität des Vernommenen - sehr gut nachvollziehbar, dass sich der Zeuge auch mehrere Monate nach dem Beratungsbesuch noch im Detail an den Gesprächsverlauf erinnert hat. Im Übrigen hat der Beklagte weder im behördlichen Disziplinarverfahren noch im erstinstanzlichen Verfahren oder zuletzt im Berufungsverfahren bestritten, die entsprechenden Aussagen so getätigt zu haben.
Die dargestellten Äußerungen des Beklagten beinhalten antisemitische Verschwörungstheorien, wie sie u. a. von der Q-Anon-Bewegung vertreten werden und weisen im Übrigen eine Nähe zu den von der Q-Anon-Bewegung vertretenen Verschwörungstheorien auf (s. Bl. 151/Beiakte 1, Bd. 3 unter Verweis auf die Quelle „Verschwörungstheorien erkennen und entlarven“ der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg als link; vgl. auch Antwort der Deutschen Bundesregierung vom 5. November 2020 auf eine Kleine Anfrage zum Thema „Verbreitung der QAnon-Verschwörungsideologie“, BT-Drs. 19/24084, S. 1 bis 3 [Bl. 1 bis 3/Beiakte 1, Bd. 6]).
cc) Der Beklagte äußerte zudem in einem Interview in II. am 29. August 2020 (Abschrift eines YouTube-Videos mit dem Namen „Im Interview mit [dem Beklagten] und […]“, Bl. 67 bis 76/Beiakte 11, Bd. 2; hier: Bl. 68/Beiakte 11, Bd. 2):
„[Interviewer]: Jetzt hast Du heute Morgen glaube ich auf dem Weg hierher etwas Skurriles erlebt. Du hast mir gesagt, dass du Militärfahrzeuge gesehen hast. Ich dachte immer, das wäre ein Fake, ich konnte mir das nicht vorstellen. Ich hab’s jetzt aber aus einigen Ecken gehört und irgendwann muss man natürlich dann jetzt ja das glauben, vor allen Dingen, wenn das von einer einer Person kommt wie dir.
[Beklagter]: Ja wir, das war wirklich, wir sind gestern angereist, also gestern Nachmittag war das, am frühen Nachmittag. Das war auf der Autobahn, ähm aus Richtung A-Stadt kommend, es war ne Kolonne von 10,12 Fahrzeugen. Mit neuen Bundeswehrkennzeichen und es waren äh definitiv Fahrzeuge, die amerikanischen Ursprungs zu sein schienen. Die hatten ähm auch mit weißer Tafelkreide Aufschriften an der Seite und hinten drauf, und ähm die Deutschen sind ja auch ordentlich, wenn die im Kolonnenverband fahren, dann sind die ja geflaggt, mit Flaggen. Das war da nicht der Fall. Also spricht einiges dafür, dass das ähm unter dem Deckmantel oder unter dem Schafsfell vielleicht ein Wolf ist, dass da irgendwelche Militärkräfte getarnt im Einsatz sind. Mehr kann man da nur spekulieren oder interpretieren, aber irgendwas tut sich auch in diesen Kreisen, ja. Auf militärischer Seite. Was die jetzt gemacht haben oder wozu die eingesetzt sind, da wissen wir nichts drüber.“
Auch hierin kommt der verschwörungstheoretische Gedanke zum Ausdruck, dass das Corona-Virus ein „trojanisches Pferd“, also Teil eines großen Plans, sei, um die Menschen zu unterdrücken, ausgehend von den USA (Bl. 151 f./Beiakte 1, Bd. 3 unter Verweis auf die Quelle „Verschwörungstheorien erkennen und entlarven“ der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg als link), deren Militärkräfte verdeckt auf bundesdeutschem Boden eingebunden seien.
dd) Der Beklagte äußerte zudem gegenüber einem Bekannten - dem Zeugen W., den er vom gemeinsamen Faustballspielen im Sportverein „V.“ kannte -, dass es „geheime Bunker“ gebe, da würden Migranten ausgebildet, um dann irgendwann hervorgeholt zu werden, um gegen das deutsche Volk aufzubegehren“ (so Zeugenvernehmung des Gunter W. vom 20. Januar 2021, Bl. 213 bis 244/Beiakte 1, Bd. 4; hier: Bl. 231/Beiakte 1, Bd. 4).
Anhaltspunkte dafür, dass die entsprechenden Angaben des Herrn W. nicht der Wahrheit entsprechen könnten, sind nicht ersichtlich. Der Beklagte hat während des gesamten Verfahrens nicht in Abrede gestellt, sich in dem von Herrn W. wiedergegebenen Sinne geäußert zu haben.
Der Beklagte hat weiterhin seinem langjährigen Kollegen - dem ebenfalls im Dezernat … (…) eingesetzten PHK X. - unaufgefordert ein Video zugesandt, das der Zeuge X. wenige Minuten lang angesehen hat und das nach seinen Angaben von „irgendwelchen Bunkern in Berlin“ handelte, „wo Flüchtlinge […] ausgebildet oder gehalten werden oder irgendetwas Anderes“ (so Zeugenvernehmung des PHK X. vom 30. September 2020, Bl. 62 bis 99/Beiakte 1, Bd. 1; hier: Bl. 88/Beiakte 1, Bd. 1).
Die Darstellung des Zeugen X., die im Übrigen vom Beklagten inhaltlich nicht angegriffen worden ist, hält der erkennende Senat ebenfalls für glaubhaft. Auch diese Aussage des Beklagten beinhaltet verschwörungstheoretisches Gedankengut (plangesteuerte „Machtübernahme“ durch Dritte).
ee) Ferner hat der ebenfalls im Dezernat … (…) der Klägerin eingesetzte PHK JJ. erklärt, der Kläger habe mehrfach
„- ich nenne es mal freundlich wirre Theorien vorgetragen - im Einzelnen kriege ich sie nicht mehr hundertprozentig zusammen. Es ging darum, dass sich das System ändert, also ich sage mal, dass was man aktuell so aus den Medien nimmt, wenn es um Impfpflicht ging mit Implantieren von Chips[,] von Flüchtlingen, die irgendwann mal wiederauftauchen und die Herrschaft übernehmen[,] so möchte ich das einfach mal als Überschrift hinstellen. Zu solchen Themen[,] ja“.
(so Zeugenvernehmung des PHK JJ. vom 1. Oktober 2020, Bl. 140 bis 168/Beiakte 1, Bd. 1; hier: Bl. 164/Beiakte 1, Bd. 1).
Der erkennende Senat hat auch insoweit keinerlei Zweifel daran, dass der Beklagte die von PHK JJ. überschriftartig dargestellten Themen - „Impfpflicht und Implantieren von Chips“, „verborgene und dann wiederauftauchende Flüchtlinge, die die Herrschaft übernehmen“ - angesprochen hat; dies hat der Beklagte ebenfalls nicht in Abrede gestellt.
Bekanntlich wird in Bezug auf die Corona-Pandemie verschwörungstheoretisch ferner vertreten, der Multimilliardär Bill Gates habe den Plan, die Welt zu regieren und habe hierzu zunächst die Entwicklung des neuen Corona-Virus finanziert, sich sodann finanziell an der Entwicklung von gegen dieses Virus gerichteten Impfstoffen beteiligt und wolle sodann im Kampf gegen den Erreger den Menschen Mikrochips einpflanzen lassen, um dadurch die totale Kontrolle über sie zu erlangen (s. Bl. 152/Beiakte 1, Bd. 3 unter Verweis auf die Quelle „Verschwörungstheorien erkennen und entlarven“ der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg als link; vgl. auch Antwort der Deutschen Bundesregierung vom 5. November 2020 auf eine Kleine Anfrage zum Thema „Verbreitung der QAnon-Verschwörungsideologie“, BT-Drs. 19/24084, S. 1 bis 3).
ff) Nach alledem hat der Beklagte wiederholt Verschwörungstheorien von einer Steuerung der deutschen Staatsgewalt durch „hinter dieser“ stehenden „Kräften“ verbreitet. Soweit er in seiner Berufungsbegründung eingewandt hat, lediglich über Verschwörungstheorien berichtet zu haben, sei (noch) kein Propagieren dieser Theorien (BB vom 8.9.2022, S. 3 [Bl. 182/GA]; in diesem Sinne auch Sitzungsniederschrift vom 14.3.2023, S. 3 [Bl. 272/GA]), entlastet ihn dies nicht. Denn in den angeführten Beispielen hat er sich in keiner Weise von den betreffenden Positionen distanziert, sondern die entsprechenden Äußerungen ohne relativierende Einbindung geäußert und sie damit als eigene Positionen und Schlussfolgerungen gekennzeichnet. Auch soweit der Prozess(-unter-)bevollmächtigte des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat damit argumentiert hat, der Beklagte habe bereits seinerzeit die - nunmehr vermehrt in den Medien zu findende - kritische Frage gestellt, ob einzelne Personen mit großer wirtschaftlicher Macht wie etwa Bill Gates maßgeblichen Einfluss auf politische Entscheidungsfindungsprozesse haben dürften (Sitzungsniederschrift vom 14.3.2023, S. 4 [Bl. 277 Rs./GA]), entspricht diese - abweichende - Sachverhaltsdarstellung nicht der Realität. Denn der Beklagte hat keineswegs sachliche Systemkritik in dem Sinne geäußert, dass Politik zunehmend durch Lobbyismus bestimmt werde, sondern ohne relativierende Einbindung abstruse Behauptungen über eine global agierende Elite mit dem Ziel der Etablierung einer neuen Weltordnung, das Entführen von Kindern zwecks „Gewinnung eines Junggebliebenenelixiers“, das verdeckte Operieren ausländischer Militärkräfte auf bundesdeutschem Boden als Teil eines großen Plans, das „Verstecken von Migranten in Bunkern“ und das Implantieren von Chips durch Impfungen vertreten.
b) Der Beklagte hat durch sein vorstehendes Verhalten seine Plicht aus § 34 Satz 3 BeamtStG verletzt.
Nach § 34 Satz 3 BeamtStG - in der zum Zeitpunkt der jeweiligen Handlungen geltenden Fassung, also der vom 7. Dezember 2018 bis zum 6. Juli 2021 geltenden Fassung vom 29. November 2018 (BGBl. I S. 2232) - muss das Verhalten der Beamten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für das Amt der Beamten bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen (§ 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG).
Ob ein Verhalten als inner- oder außerdienstliches Fehlverhalten zu qualifizieren ist, richtet sich nicht entscheidend nach der formalen Dienstbezogenheit, d. h. nach der engen räumlichen oder zeitlichen Beziehung zum Dienst; vielmehr kommt es in erster Linie auf die materielle Dienstbezogenheit an (BVerwG, Urteil vom 20.2.2001 - BVerwG 1 D 55.99 , juris Rn. 57 [zur inhaltsgleichen Vorschrift des § 77 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BBG a. F.]; Günther, in: Plog/Wiedow, a. a. O., § 47 BeamtStG Rn. 1, 4 in Verbindung mit Günter, in: Plog/Wiedow, a. a. O., § 77 BBG Rn. 26), also darauf, ob das Fehlverhalten in die mit dem Amt des Beamten verbundene dienstliche Tätigkeit kausal und logisch eingebunden war (BVerwG, Urteil vom 25.8.2009 - BVerwG 1 D 1.08 -, juris Rn. 54; Urteil vom 19.8.2010 - BVerwG 2 C 5.10 -, juris Rn. 9). Ist eine solche Einordnung nicht möglich - stellt sich das Verhalten des Beamten also als das einer Privatperson dar -, ist es als außerdienstliches (Fehl-)Verhalten zu qualifizieren (BVerwG, Urteil vom 19.8.2010 - BVerwG 2 C 5.10 -, juris Rn. 54).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist das hier in Rede stehende Verhalten - soweit es während der Freizeit des Beklagten in öffentlichen Reden oder im privaten Bereich gegenüber dem Zeugen W. geäußert worden ist - als außerdienstliches Verhalten zu bewerten, weil es weder formell in sein Amt noch materiell in die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden war. Die Äußerungen gegenüber dem Zeugen U. anlässlich einer zu den Dienstgeschäften des Beklagten gehörenden Beratung in Sachen Einbruchschutz sowie die Äußerungen gegenüber den Kollegen X. und JJ. indes waren in die dienstliche Tätigkeit des Beklagten eingebunden bzw. fanden anlässlich von Gesprächen im Kollegenkreis statt und sind damit dem dienstlichen Bereich zugehörig.
Durch das Äußern von Verschwörungstheorien gegenüber dem Zeugen U. sowie gegen den Zeugen X. und JJ. hat der Kläger gegen seine (innerdienstliche) Wohlverhaltenspflicht verstoßen. Die Wohlverhaltenspflicht ist verletzt, wenn das Verhalten des Beamten die Funktionsfähigkeit der Verwaltung unmittelbar in der Erfüllung der Amtsaufgaben und der Wahrung der dienstlichen Interessen beeinträchtigt (Brinktrine/Schollendorf, BeckOK Beamtenrecht, Stand: 1. Februar 2022, § 61 BBG Rn. 13; Nds. OVG, Urteil vom 13.12.2022 - 6 LD 1/22 -, n.v., UA, S. 99). Die Wohlverhaltenspflicht ist etwa verletzt, wenn Meinungsäußerungen eines Beamten in ihrem jeweiligen Kontext den Bereich sachlicher Kritik verlassen und die Grenze dessen, was im Interesse eines störungsfreien Dienstbetriebs hingenommen werden kann, überschreiten (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - BVerwG 2 A 4.04 -, juris Rn. 58; Nds. OVG, Urteil vom 13.12.2022 - 6 LD 1/22 -, n.v., UA, S. 99). Nach Maßgabe dieser Grundsätze verstößt das Äußern von Verschwörungstheorien gegenüber dem Zeugen U. sowie den Zeugen X. und JJ. gegen § 34 Satz 3 BeamtStG. Denn die Behauptung, hinter der deutschen Staatsgewalt stünden „in Wahrheit andere Kräfte“, die an der Weltherrschaft arbeiteten und die Bürger der Bundesrepublik Deutschland manipulierten und durch geheim gehaltenes Vorgehen täuschten, geht über den Bereich der sachlichen Kritik an der bestehenden Ordnung weit hinaus, unterstellt sie doch, diese Ordnung gebe es nicht mehr, weil diese bereits „unterhöhlt“ worden sei. Dass damit das Vertrauen der bei der Polizei um Einbruchschutz nachsuchenden Bürger sowie das Vertrauen der Kollegen in eine ordnungsgemäße Dienstausübung des Beklagten nachhaltig erschüttert wird, liegt auf der Hand. Kein Bürger will mit einem Polizeibeamten etwaige Sicherheitslücken seiner privaten Immobilie ermitteln und erörtern oder sich dem Schutz eines Kriminalhauptkommissars anvertrauten, bei dem er nicht sicher sein kann, zu welchem Zweck dieser die im dienstlichen Zusammenhang erhaltenen Informationen verwendet. Und kein Polizeikollege kann sich im Rahmen polizeilicher Einsätze - wie es für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwingend erforderlich ist - mit Leib und Leben einem Kollegen anvertrauen, bei dem nicht gewährleistet ist, dass er den erforderlichen Schutz zu leisten bereit ist.
Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte zudem darauf, er habe (jedenfalls) seine in der Freizeit gemachten Äußerungen als Privatperson - und nicht als Polizeibeamter - getätigt. Denn das bezeichnete außerdienstliche Verhalten erfüllt die qualifizierenden Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG.
Mit der Vorgabe, dass ein Verhalten außerhalb des Dienstes nur dann ein Dienstvergehen darstellt, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für das Amt des Beamten bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen, hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, von einem Beamten unterhalb dieser „Erheblichkeitsschwelle“ kein wesentlich anderes Sozialverhalten zu erwarten als von jedem anderen Bürger (BVerwG, Urteil vom 18.6.2015 - BVerwG 2 C 9.14 -, juris Rn. 14 m. w. Nw.; Urteil vom 24.10.2019 - BVerwG 2 C 4.18 -, juris Rn. 11). Ob und in welchem Umfang durch das außerdienstliche Verhalten eines Beamten das für sein Amt erforderliche Vertrauen beeinträchtigt wird, hängt deshalb in maßgeblicher Weise von Art und Intensität der jeweiligen Verfehlung ab (BVerwG, Urteil vom 18.6.2015 - BVerwG 2 C 9.14 -, juris Rn. 15). Dabei kommt vorsätzlichen Straftaten eine besondere Bedeutung zu (BVerwG, Urteil vom 28.7.2011 - BVerwG 2 C 16.10 -, juris Rn. 24; Urteil vom 18.6.2015 - BVerwG 2 C 9.14 -, juris Rn. 15; Urteil vom 24.10.2019 - BVerwG 2 C 4.18 , juris Rn. 12). Maßgeblich ist auch, ob der Pflichtenverstoß des Beamten einen Bezug zu seinem Amt aufweist (BVerwG, Urteil vom 18.6.2015 - BVerwG 2 C 9.14 -, juris Rn. 15). Dabei ist in der älteren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf das konkret-funktionelle Amt des Beamten - also seinen Dienstposten - abgestellt worden (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 8.5.2001 - BVerwG 1 D 20.00 -, juris Rn. 25); in seiner jüngeren Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht hieran jedoch nicht mehr festgehalten und sieht seither das dem Beamten verliehene Amt im statusrechtlichen Sinne als Bezugspunkt des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG an (BVerwG, Urteil vom 18.6.2015 - BVerwG 2 C 9.14 -, juris Rn. 16 ff.; Urteil vom 24.10.2019 - BVerwG 2 C 4.18 -, juris Rn. 13). Aus dem sachlichen Bezug des Dienstvergehens zum konkreten Aufgabenbereich kann sich aber eine Indizwirkung ergeben. Der Beamte wird mit dem ihm übertragenen konkreten Amt identifiziert. Je näher der Bezug des außerdienstlichen Fehlverhaltens eines Beamten zu dem ihm übertragenen Aufgabenbereich ist, umso eher kann davon ausgegangen werden, dass sein Verhalten geeignet ist, das Vertrauen zu beeinträchtigen, welches sein Beruf erfordert (BVerwG, Urteil vom 18.6.2015 - BVerwG 2 C 9.14 -, juris Rn. 20; Urteil vom 24.10.2019 - BVerwG 2 C 4.18 -, juris Rn. 13).
Dies zugrunde gelegt, sind im Streitfall die qualifizierenden Anforderungen des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG erfüllt. Die Behauptung der „Steuerung“ der Bundesrepublik Deutschland durch „dahinter stehende Kräfte“ bzw. eines „großen Plans zur (weiteren) Unterhöhlung der geltenden Ordnung“ weist einen so engen Bezug zu der Tätigkeit des Beklagten als Polizeivollzugsbeamter bzw. zu seinem Statusamt als Kriminalhauptkommissar auf, dass die disziplinarrechtlich relevante „Erheblichkeitsschwelle“ des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG überschritten ist. Denn mit diesen Äußerungen hat der Beklagte deutlich gemacht, nicht mehr uneingeschränkt zu der verfassungsmäßigen Ordnung zu stehen, deren Repräsentant auch er ist. Wenn ein Polizeibeamter - und damit ein Beamter, dessen Dienstpflichten gerade darin bestehen, staatliche Maßnahmen notfalls mit Zwang durchzusetzen - Verschwörungstheorien verbreitet, die teilweise sogar antisemitische Inhalte haben, dann stellt dies dessen persönliche Eignung für seine dienstliche Tätigkeit nachhaltig in Frage und ist deshalb geeignet, das Ansehen der Polizei - aber darüber hinaus auch das Vertrauen der Allgemeinheit in das Beamtentum als Sachwalter einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung - in besonderem Maße zu erschüttern. Denn jeder Bürger, der bei der Polizei um Schutz nachsucht oder von einer polizeilichen Maßnahme betroffen ist, könnte sich bei einem Polizisten, der den beschriebenen Verschwörungstheorien anhängt und diese auch öffentlich verbreitet, nicht mehr sicher sein, ob er den begehrten polizeilichen Schutz von diesem Polizisten tatsächlich erhält oder ob die polizeiliche Maßnahme, von der er betroffen ist, nicht eigentlich der Verfolgung verschwörungstheoretischer - und damit gegen die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland gerichteter - Ziele dient.
Das Verhalten des Beklagten weist auch deshalb den von § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG geforderten Bezug zu seinem (Status-)Amt auf, weil er bei seinen öffentlichen Auftritten immer wieder seine Eigenschaft als Polizeibeamter herausgestellt hat, um seinen Behauptungen ein größeres Gewicht zu verleihen. So hat er bereits in seiner ersten öffentlichen Rede in G. am 9. August 2020 an den Anfang seiner Ausführungen gestellt, dass er Kriminalhauptkommissar bei der niedersächsischen Polizei sei (Bl. 41/Beiakte 11, Bd. 1). Und er hat die von ihm getätigten Äußerungen regelmäßig unter (ausdrücklicher oder impliziter) Bezugnahme auf seine beruflichen Erfahrungen getätigt, so etwa in der Weise, dass er als Polizist „Vertreter für Recht und Gesetz und für Gerechtigkeit“ sei, und „wenn man das als Polizeibeamter im Blut aufgenommen“ habe, dann könne man „Ungerechtigkeiten schwer ertragen“, etwa, wenn - wie von ihm selbst erlebt - versucht worden sei, eine friedliche Demonstration gegen Corona-Maßnahmen mit polizeilichen Mitteln zu beenden, und er dann später in der Zeitung etwas gelesen habe, das nicht zu dem gepasst habe, was er persönlich erlebt habe (Abschrift eines YouTube-Videos mit dem Namen „Im Interview mit [dem Beklagten] und […]“, erfolgt am 29. August 2020, Bl. 67 bis 76/Beiakte 11, Bd. 2; hier: Bl. 70/Beiakte 11, Bd. 2). Auch die Ausführungen des Beklagten, in denen der verschwörungstheoretische Gedanken des verdeckten Operierens ausländischer Militärkräfte auf bundesdeutschem Boden als Teil eines großen Plans zum Ausdruck kommt (s. o.), stehen im Zusammenhang mit einer vorgeblichen besonderen - auf beruflicher Erfahrung beruhenden - Expertise auf diesem Gebiet, sind diese durch den Interviewer doch gerade mit den Worten eingeleitet worden, dass müsse man ja jetzt glauben, „vor allen Dingen, wenn das von einer Person kommt wie dir“.
c) Der Beklagte handelte schuldhaft, und zwar vorsätzlich. Ihm war bewusst, die entsprechenden Äußerungen zu tätigen und wollte dies auch. Soweit er sich mit seinen zahlreichen Verweisen darauf, dass er in seinen Äußerungen „als Privatmann“ gehandelt habe, der Sache nach auf einen Verbotsirrtum sollte berufen wollen, dränge er hiermit nicht durch. Denn angesichts seiner langjährigen Zugehörigkeit zum Polizeivollzugsdienst bzw. Dienst als Kriminalbeamter und seiner Position als im zweiten Beförderungsamt seiner Laufbahn stehender Polizeibeamter war ein solcher Irrtum in jedem Fall vermeidbar.
3. Eine schuldhafte Dienstpflichtverletzung des Beklagten ergibt sich weiterhin daraus, dass er staatliche Institutionen und Organe verunglimpft hat.
a) In tatsächlicher Hinsicht geht der erkennende Senat insoweit von folgendem Sachverhalt aus:
aa) Der Beklagte hat im Rahmen von öffentlichen Reden und Interviews u. a. die folgenden Aussagen getroffen:
• „Im dunkelsten Kapitel unserer Deutschen Geschichte haben Regierende ihre Sicherheitskräfte schon einmal bedingungslosem Gehorsam unterworfen und sie für die abscheulichsten Verbrechen missbraucht, die anderen Menschen je angetan wurden. […] Heute habe ich Angst, denn mein Bauch sagt mir, dass sich grade alles wieder in dieselbe Richtung entwickelt […]““
(Wortprotokoll der Rede des Beklagten am 9. August 2020 in G., Bl. 41 bis 54/Beiakte 11, Bd. 1; hier: Bl. 46, 53/Beiakte 11, Bd. 1),
• „Mir wird vorgehalten, dass ich hier fiese Nazivergleich angestellt habe, ähm, wer meine Rede gehört und dann sieht, was in den Printmedien dazu geschrieben wurde, wird feststellten, dass das nicht so ist. Was ich gemacht habe, ich habe im Internet mal recherchiert, um sich mit Wissen zu versorgen, ist heutzutage aus meiner Sicht eine Holschuld, denn das andere ist nur eine Berieselung und dabei habe ich dann einfach mal solche Begriffe wie, ähm, die SS, die SA oder den SD, den Sicherheitsdienst im Deutschen Reich, im Dritten Reich recherchiert und was dazu geschrieben wurde, das macht mir einfach Angst, weil ich einfach Parallelen erkenne zu dem Sicherheitsapparat, den ich heute hier sehe, für den ich fast 40 Jahre lang tätig war.“
(Verschriftlichung der Rede des Beklagten am 3. Oktober 2020 in Y., Bl. 114 bis 116/Beiakte 1, Bd. 1; hier: Bl. 114 f./Beiakte 1, Bd. 1),
• „Ich stell mir vor, wenn in diesem Land plötzlich 60 Millionen Leute keine Masken mehr tragen würden, wer will dann was machen? Wer will dann was machen? Alle, die die Masken, das sind Co-Unterstützer, die dieses System einfach unterstützen. Und ich sage wie im Dritten Reich waren nicht die Bösen, die wenigen Bösen, die Übel da verübt haben, schuld, sondern das war die breite Masse der Menschen, die einfach nicht aufgestanden sind, die sich nicht dagegen zur Wehr gesetzt haben. Das sind Unterstützer von solchen Maßnahmen und von solchem Regime“.
(Verschriftlichung eines Interviews u. a. mit dem Beklagten am 8. November 2020 in Z., Bl. 262/Beiakte 1, Bd. 2),
• „[Beklagter]: Aber ich hab in meiner ersten Rede gesagt, aus meiner Sicht, haben wir keinen Rechtsstaat mehr. Wir haben keine Demokratie mehr und wir haben keine Gewaltenteilung mehr. Und für mich wird in diesen ganzen Einzelmaßnahmen, wird immer deutlicher, das System demaskiert sich hier selber. […] Wir haben ja die Entwicklung damals in unserer Geschichte gesehen, wie es, sage ich mal, zu der Nazireich gekommen ist. [Wie dies ganzen Verbrechen geschehen konnten und die kann man einfach nicht verleugnen. Da gibt es viele Zeitdokumente. Es gibt Berichte darüber, es gibt Filme darüber.] Und wenn ich mir das in der heutigen Zeit mal vergleiche. Uns wird hier vorgegaukelt oder weisgemacht, das, was jetzt mit uns Menschen alles passiert, weltweit, liegt daran, dass irgend Chinese eine falsche Fledermaus gegessen hat. […]
[Ein Diskussionsteilnehmer]: Die Parallelen sind sichtbar.
[Beklagter]: Die sind sichtbar, ja klar, und ich sage wehret den … wehret den Anfängen. Und für mich steht ganz klar fest, ich lasse das nicht zu bis zu meinem letzten Atemzug, werde ich ein solches System bekämpfen. So etwas werde ich nie wieder zulassen.“
(Verschriftlichung einer Talk-Runde am 31. Januar 2021, Bl. 405 bis 414/Beiakte 1, Bd. 4; hier: Bl. 411, 413/Beiakte 1, Bd. 4),
Damit hat der Beklagte staatliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie mit den planvoll gesteuerten, menschenverachtenden und menschenlebenvernichtenden Maßnahmen während des Nationalsozialismus gleichgesetzt.
bb) Ebenfalls in öffentlichen Reden bezeichnete der Beklagte Polizeibeamte als „Statisten“ bzw. „Söldner“:
• „Und ich hab auch meine Zweifel daran, ganz ehrlich gesagt, bei eigenem Erleben oder bei dem, was ich gesehen habe, dass das Polizisten sind, ausgebildete Polizisten. […] Wenn wir sehen, dass hier von der Polizei solche Maßnahmen getroffen werden, die völlig unverhältnismäßig sind. Die teilweise unrechtmäßig sind, dass hier Menschen in Uniformen rumlaufen, wo man sich wirklich ernsthaft die Frage stellen muss, sind das ausgebildete Polizisten oder wer steht hier als Statist vor mir? Entblößt sich das System immer weiter.“
(Verschriftlichung einer Talk-Runde am 31. Januar 2021, Bl. 405 bis 414/Beiakte 1, Bd. 4; hier: Bl. 411/Beiakte 1, Bd. 4),
• [„Für die Polizei, ist ganz wichtig: es gibt sie. Die guten Polizisten] und ich habe den Eindruck, dass hier viele, viele Kräfte in Polizeiuniformen stecken, die diesen Beruf nicht gelernt haben. Die weder gelernt haben, was Verhältnismäßigkeit ist. Die auch auf Nachfrage keine gesetzlichen Grundlagen angeben können. Für mich sind das gekaufte Söldner. [Die Frage ist, wer steckt dahinter, diese einzusetzen?“]
(Verschriftlichung des Redebeitrags des Beklagten am 21. November 2020 in A-Stadt, Bl. 130 bis 133/Beiakte 1, Bd. 3; hier: Bl. 132/Beiakte 1, Bd. 3),
• [„KK. hat ein wichtiges Wort gesagt, dass vielleicht untergegangen ist. Er hat etwas von Söldnern gesagt und wenn man sich weltweit die Polizeien anguckt in den einheitlichen Uniformen mit der gleichen Vorgehensweise, ich sage mal, das trifft nicht auf alle Polizisten zu, aber diejenigen, die gnadenlos Frauen, Kinder und alte Menschen gewaltsam zusammenknüppeln oder ihnen die Arme verbiegen, fesseln oder] widerrechtlich festnehmen und ihre Maßnahmen nicht begründen können und ihre Namen nicht nennen, [damit man sich nicht gegen sie rechtlich zur Wehr setzen kann], das sind aus meiner Sicht Söldner. Und, wenn sich das herausstellt, es gibt Indizien, [noch keine Beweise für mich, Indizien,] dass das eine Söldnertruppe ist, dann ist ein Söldner von jedem, von jedem Menschen und von jedem Soldaten, darf der getötet werden. Ich möchte das nicht erleben, aber es könnte irgendwann passieren, wenn sie das mit ihrer Gewalt weiter steigern.“
(Verschriftlichung des Redebeitrags des Beklagten am 28. März 2021 in CC., Bl. 15 bis 17/Beiakte 1, Bd. 6; hier: Bl. 16/Beiakte 1, Bd. 6),
• [„Ähm, also, wenn ich in den Augen der Kollegen gucke, ich weiß nicht, was da vorgeht, habe eben schon gesagt in nem anderen Interview, für mich läuft da einiges schief. Entweder in den Köpfen der Kollegen, für mich sind Schutzleute Schutzleute, die für den Schutz des Bürgers da sind und nicht um irgendwelche politischen Interessen durchzusetzen. Das ist absolut nicht die Aufgabe von Polizeibeamten, die müssen zwar neutral sein, aber die dürfen sich auch nicht von irgendwelchen regierenden oder politischen Entscheidungsträgern missbrauchen lassen und das passiert aus meiner Sicht hier gerade und ich denke, dass es ne Aufarbeitung geben wird,] wenn das Ganze hier irgendwann mal durch ist, dann werden sich alle, die dieses Regime hier, sage ich mal, unterstützen, anders kann ich das leider nicht bezeichnen, die werden sich dafür zu verantworten haben und ja, wer sich jetzt noch auf diese Seite stellt und da mitmacht, der macht sich aus meiner Sicht strafbar.“
(Verschriftlichung eines Interviews u. a. mit dem Beklagten am 31. Oktober 2020 auf der Querdenken-Veranstaltung in N., Bl. 245 bis 248/Beiakte 1, Bd. 2; hier: Bl. 246 f./Beiakte 1, Bd. 2).
Anlässlich einer gegen ihn selbst gerichteten polizeilichen Identitätsfeststellung bei einer Versammlung in N. (vgl. Bl. 241 bis 243/Beiakte 1, Bd. 2) äußerte der Beklagte, die einschreitende Polizei habe u. a. „faschistisch“ gehandelt:
[„Für mich ist das so, wenn die Maßnahme unverhältnismäßig lange dauert oder angeblich waren die Maßnahmen nicht abgeschlossen, das geht sehr schnell in den Bereich der Freiheitsberaubung im Amt oder jemanden, der wirklich keine Straftat begangen hat, ähm, das haben viele 1000 Menschen hier gesehen, es gibt Filmdokumente ohne Ende was wir hier gemacht haben und was wir hier geredet haben und dann ein Bild, ein Bild darauszuziehen, um uns wirklich in die Ecke zu drängen, wo uns irgendjemand haben will, nein, mein Gott noch mal,] das muss man doch endlich mal merken, das ist doch Faschismus pur.“
Verschriftlichung eines Interviews u. a. mit dem Beklagten am 31. Oktober 2020 auf der Querdenken-Veranstaltung in N., Bl. 245 bis 248/Beiakte 1, Bd. 2; hier: Bl. 247/Beiakte 1, Bd. 2).
cc) Darüber hinaus warf der Beklagte der Staatsgewalt der Bundesrepublik Deutschland „völlige Willkür“, Rechtsbeugung, Manipulation von Wahlen und Gerichtsentscheidungen und Hochverrat vor:
• „Ich [habe] wirklich bis zum bis zum Einstieg in die Corona-Thematik gedacht, wir haben eine Demokratie, wir haben einen Rechtsstaat. Wir haben leider beides nicht mehr. Wir haben keine Gewaltenteilung mehr, wie ich es in meiner ersten Rede gesagt habe. Wir haben eine völlige Willkür in allen Bereichen des öffentlichen Lebens. Und davon müssen wir wegkommen.“
(Verschriftlichung eines Redebeitrags des Beklagten, gehalten am 7. Dezember 2020 in P., Bl. 3 bis 4/Beiakte 1, Bd. 4; hier: Bl. 3/Beiakte 1, Bd. 4),
• [„Ich selbst war in Maßnahmen in II. betroffen und habe die Kollegen, die gegen mich ne Platzverweisung ausgesprochen haben, nach der Rechtsgrundlage gefragt. Und ich habe auch nach einem Dienstausweis gefragt und beides wurde nicht durchgeführt. Es wird nur geschubst, gedrängelt oder dann entsprechend auch geschimpft und aggressiv gegen die Menschen vorgegangen. Aber es wird weder erklärt, noch begründet, noch dargelegt. Und in einem Rechtsstaat, finde ich, darf man das von einer Polizei, die hier für den Staat das Machtmonopol wahrnimmt, erwarten als Bürger.] Wir haben als Menschen in diesem Staat das Recht, dass der Staat uns vor Willkür beschützt. Das ist seine Pflicht, seine Aufgabe und die wird hier definitiv nicht wahrgenommen, sondern die wird nicht nur nicht wahrgenommen, wird umgedreht. […]
[Redebeitrag eines anderen]: Das hieße ja im Klartext […], dass […] die Polizei hier ein[en] Vertrauensbruch mit der Bevölkerung durchaus in Kauf nimmt. […]
[[Beklagter]: […] Ja, und Auftraggeber sind die politisch Verantwortlichen dafür.“ […] Aber ich hab in meiner ersten Rede gesagt, aus meiner Sicht haben wir keinen Rechtsstaat mehr. Wir haben keine Demokratie mehr und wir haben keine Gewaltenteilung mehr. […]] Wir haben Wahlen, die werden, das Ergebnis wird einfach wunschgemäß verändert. Wir haben richterliche, unabhängige Urteile, die hier verändert werden. Und ich frage mich, wie will man da noch einen Rechtsstaat begründen?“
(Verschriftlichung des Talks „Perspektive“ [Polizeigewalt und Diktatur?] mit u. a. dem Beklagten vom 31. Januar 2021, Teil 1, Bl. 405 bis 414/Beiakte 1, Bd. 4; hier: Bl. 411 f./Beiakte 1, Bd. 4),
• [„[…] wenn meine Informationen stimmen, dann] soll ja Frau Merkel ja schon gesagt haben, [dass das Ding ihnen entglitten ist und sie soll auch selbst gesagt haben,] dass das eine politische Entscheidung ist mit den Corona-Maßnahmen und weder etwas mit wissenschaftlichen noch medizinischen Grundlagen zu tun hat. Und spätestens an dieser Stelle ist für mich als Polizist der Anfangsverdacht des Hochverrats erfüllt und ich frage mich, wann verantwortliche Juristen diesem Anfangsverdacht endlich nachgehen.“
(Verschriftlichung des Talks „Perspektive“ [Polizeigewalt und Diktatur?] mit u. a. dem Beklagten vom 4. Februar 2021, Teil 2, Bl. 415 bis 420/Beiakte 1, Bd. 4; hier: Bl. 418/Beiakte 1, Bd. 4).
b) Die Behauptung des Beklagten, es gebe in Deutschland keinen Rechtsstaat, keine Demokratie, keine Gewaltenteilung, keine freien Wahlen und keine unabhängige Rechtsprechung mehr, stellt die Geltung der verfassungsgemäßen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland grundlegend in Frage und verstößt damit gegen die politische Treue-pflicht (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG). Der Beklagte hat hier unter dem Deckmantel der sachlichen Kritik die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und ihrer verfassungsmäßigen Grundlagen negiert und damit seine beamtenrechtliche Kernpflicht, sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten, verletzt.
Indem der Beklagte staatliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie mit Maßnahmen während des Nationalsozialismus gleichgesetzt hat, hat er der Bundesrepublik Deutschland menschenrechtsverachtendes Handeln vorgeworfen. Die Bezeichnung der im Rahmen von „Querdenker-Demonstrationen“ tätigen Polizisten als Statisten oder Söldner spricht diesen die Bindung an die verfassungsmäßige Ordnung vollständig ab. Diese Äußerungen verlassen in ihrem Kontext die Ebene sachlicher Kritik und verstoßen daher gegen die Wohlverhaltenspflicht (§ 34 Satz 3 BeamtStG). Auch insoweit gilt zwar, dass der Beklagte die in Rede stehenden Äußerungen während seiner Freizeit - und damit außerdienstlich - getätigt hat; insoweit sind jedoch ebenfalls die qualifizierenden Anforderungen des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG erfüllt. Die Behauptung, es gebe Parallelen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem NS-Regime und die für den Staat handelnden Polizeikräfte der Länder hätten sich wie „Statisten“ oder „Söldner“ instrumentalisieren lassen, weist einen so engen Bezug zu der Tätigkeit des Beklagten als Polizeivollzugsbeamter und zu seinem Statusamt als Kriminalhauptkommissar auf, dass die disziplinarrechtlich relevante „Erheblichkeitsschwelle“ des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG überschritten ist. Wenn ein niedersächsischer Polizeibeamter, der staatliche Maßnahmen, notfalls durch Zwang durchsetzen muss, sich in dieser Weise öffentlich gegen die verfassungsmäßige Ordnung, insbesondere gegen das Agieren der Länderpolizeien, positioniert, stellt ein solches Verhalten die persönliche Eignung für seine dienstliche Tätigkeit als Polizeivollzugsbeamter und Kriminalhauptkommissar nachhaltig in Frage und ist deshalb geeignet, dem Ansehen der Polizei - aber darüber hinaus auch dem Vertrauen der Allgemeinheit in das Beamtentum als Sachwalter einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung - in besonderem Maße zu schaden. Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Beklagte regelmäßig betont hat, er habe die vorgeblich bestehenden Missstände gerade „als Polizist“ - also aufgrund seiner beruflichen Erfahrung - erkannt.
Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat durch seinen Prozess(-unter-)bevollmächtigten geltend gemacht hat, er habe möglicherweise in der damaligen, besonderen - coranapandemiebedingten - Situation, sozusagen während einer „Schocksituation“, verbal überreagiert und wäre damit aber auch nicht der Einzige gewesen (Sitzungsniederschrift vom 14.3.2023, S. 5 [Bl. 273/GA]), verkennt diese Argumentation, dass es sich bei dem Beklagten gerade um einen Polizeibeamten handelt, dem - weil er als Repräsentant des Staates auftritt und handelt - besondere beamtenrechtliche Pflichten obliegen. Gegen die Annahme eines unbedachten Verhaltens in einer Ausnahmesituation sprich vor allem, dass sich das dem Beklagten zur Last gelegte Verhalten über einen längeren Zeitraum (mehrere Monate) bei einer Vielzahl von Veranstaltungen erstreckt hat.
c) Der Beklagte handelte insoweit auch schuldhaft, nämlich vorsätzlich (s. o.). Er wusste von den konkreten Inhalten seiner Äußerungen und wollte diese bewusst so treffen. Soweit er meint, dies Art von Äußerungen seien von der Meinungsfreiheit umfasst, ist ein entsprechender Irrtum ohne Weiteres vermeidbar gewesen.
II. Der erkennende Senat ist ebenso wie das Verwaltungsgericht der Auffassung, dass das von dem Beklagten begangene (inner- und außerdienstliche) einheitliches Dienstvergehen den Ausspruch der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme rechtfertigt.
Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall angemessen ist, richtet sich nach der Schwere des Dienstvergehens (§ 14 Abs. 1 Satz 2 NDiszG) unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten (§ 14 Abs. 1 Satz 3 NDiszG) und des Umfangs, in dem der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beschädigt hat (§ 14 Abs. 1 Satz 4 NDiszG). Eine objektive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt voraus, dass diese drei Bemessungskriterien - Schwere des Dienstvergehens, Persönlichkeitsbild, Vertrauensbeeinträchtigung - mit dem ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht ermittelt und in die Entscheidung eingestellt werden. Dieses Erfordernis beruht letztlich auf dem im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot). Danach muss die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.10.2005 - BVerwG 2 C 12.04 -, juris Rn. 22; Nds. OVG, Urteil vom 10.12.2019 - 3 LD 3/19 -, juris Rn. 88). Die Verwaltungsgerichte haben die im Einzelfall bemessungsrelevanten Tatsachen nach Maßgabe der §§ 53 Abs. 1, 60 Abs. 1 NDiszG zu ermitteln und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Bewertung einzubeziehen. Hier findet der Grundsatz „in dubio pro reo“ Anwendung: Insbesondere bei der Bestimmung der Schwere des Dienstvergehens dürfen nur solche belastenden Tatsachen berücksichtigt werden, die zur Überzeugung des Gerichts feststehen; demgegenüber sind entlastende Umstände schon dann beachtlich, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen gegeben sind und eine weitere Sachaufklärung nicht möglich ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.3.2012 - BVerwG 2 A 11.10 -, juris Rn. 72). Oder anders ausgedrückt: Lässt sich nach erschöpfender Sachaufklärung das Vorliegen eines mildernden Umstands nicht ohne vernünftigen Zweifel ausschließen, ist dieser Umstand nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ in die Gesamtwürdigung einzustellen (BVerwG, Urteil vom 20.10.2005 - BVerwG 2 C 12.04 -, juris Rn. 32; Beschluss vom 23.2.2012 BVerwG 2 B 143.11 -, juris Rn. 14; Beschluss vom 6.6.2013 - BVerwG 2 B 50.12 -, juris Rn. 8; Beschluss vom 26.3.2014 - BVerwG 2 B 100.13 -, juris Rn. 7).
Ausgangspunkt der Maßnahmebemessung ist das Kriterium der Schwere des Dienstvergehens. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z. B. Kern- oder Nebenpflichtverletzung, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z. B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte, z. B. materieller Schaden (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.10.2005 - BVerwG 2 C 12.04 -, juris Rn. 24; Urteil vom 11.1.2007 - BVerwG 1 D 16.05 , juris Rn. 55; Urteil vom 3.5.2007 - BVerwG 2 C 9.06 -, juris Rn. 13; Urteil vom 7.2.2008 - BVerwG 1 D 4.07 -, juris Rn. 14; Nds. OVG, Urteil vom 10.12.2019 - 3 LD 3/19 -, juris Rn. 89).
Die angemessene Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten (§ 14 Abs. 1 Satz 3 NDiszG) bedeutet, dass es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme auch auf die persönlichen Verhältnisse und das sonstige dienstliche Verhalten des Beamten vor, bei und nach dem Dienstvergehen ankommt, insbesondere soweit es mit seinem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild übereinstimmt oder etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder einer psychischen Ausnahmesituation davon abweicht (BVerwG, Urteil vom 20.10.2005 - BVerwG 2 C 12.04 -, juris Rn. 25; Urteil vom 3.5.2007 - BVerwG 2 C 9.06 -, juris Rn. 14; Nds. OVG, Urteil vom 10.12.2019 - 3 LD 3/19 -, juris Rn. 89). In diesem Zusammenhang haben die Verwaltungsgerichte ferner der Frage einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB nachzugehen, wenn der Sachverhalt dafür hinreichenden Anlass bietet (BVerwG, Beschluss vom 19.2.2018 - BVerwG 2 B 51.17 -, juris Rn. 7). Ein Aspekt des Persönlichkeitsbildes stellt auch die tätige Reue dar, wie sie durch die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder die Offenbarung des Fehlverhaltens jeweils noch vor der drohenden Entdeckung zum Ausdruck kommt (BVerwG, Urteil vom 3.5.2007 - BVerwG 2 C 9.06 -, juris Rn. 14; Nds. OVG, Urteil vom 10.12.2019 - 3 LD 3/19 -, juris Rn. 89).
Die prognostische Frage nach dem Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit (§ 14 Abs. 1 Satz 4 NDiszG) betrifft die Erwartung, dass sich der Beamte aus der Sicht des Dienstherrn und der Allgemeinheit so verhält, wie es von ihm im Hinblick auf seine Dienstpflichten als berufserforderlich erwartet wird. Ob und ggf. inwieweit eine Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn vorliegt, ist nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen, d. h. es ist die Frage zu stellen, inwieweit der Dienstherr bei objektiver Gewichtung des Dienstvergehens auf der Basis der festgestellten be- und entlastenden Gesichtspunkte noch darauf vertrauen kann, dass der Beamte in Zukunft seinen Dienstpflichten ordnungsgemäß nachkommen wird. Ebenso ist zu fragen, in welchem Umfang die Allgemeinheit dem Beamten noch Vertrauen in eine zukünftig pflichtgemäße Amtsausübung entgegenbringen kann, wenn ihr das Dienstvergehen einschließlich der be- und entlastenden Gesichtspunkte bekannt würde (BVerwG, Urteil vom 20.10.2005 - BVerwG 2 C 12.04 -, juris Rn. 26; Nds. OVG, Urteil vom 10.12.2019 - 3 LD 3/19 -, juris Rn. 89).
Dies zugrunde gelegt, erachtet auch der erkennende Senat die Disziplinarmaßnahme der Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis für angemessen.
a) Das Fehlverhalten wiegt außerordentlich schwer.
Durch sein Verhalten hat der Beklagte wiederholt im Kernbereich seiner dienstlichen Pflichten versagt. Er hat sich aktiv gegen die staatliche Ordnung im Sinne des Grundgesetzes gewandt, zu deren Wahrung und Verteidigung er als Beamter gerade verpflichtet ist. Dabei wiegt besonders schwer, dass der Beklagte als Kriminalbeamter gegenüber der Öffentlichkeit in besonders augenfälliger Weise die Staatsgewalt repräsentiert. Einerseits von Amts wegen auch staatlichen Zwang durchzusetzen, andererseits aber der Bundesrepublik Deutschland und deren Untergliederungen die Legitimation abzusprechen, ihr zu unterstellen, sie sei nur noch eine von dritter Seite gesteuerte „Marionette“ und ihre Organe seien nicht mehr willens und/oder in der Lage, ihrem Verfassungsauftrag nachzukommen, erschüttert das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit in die ordnungsgemäße Amtsausübung des Beklagten und der Beamtenschaft insgesamt in äußerst gravierender Weise. Verstärkt wird dieser Gewichtung noch dadurch, dass die Äußerungen des Beklagten, soweit sie in seiner Freizeit im Rahmen öffentlicher Reden oder Interviews stattfanden, gerade darauf angelegt waren, einer Vielzahl von Personen bekannt gemacht zu werden, und der Beklagte zudem auch seine dienstlichen Kontakte nutzte, um für die von ihm als verbindlich erachteten und gegen die staatliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland gerichteten Thesen ein weiteres Verbreitungsfeld zu erschließen. Weiterhin erschwerend ist der Umstand zu bewerten, dass der Beklagte insbesondere bei seinen öffentlichen Auftritten gerade seine dienstliche Position als Kriminalbeamter betonte, um seinen Behauptungen ein stärkeres Gewicht zu verleihen. Das wiederholte Leugnen der Existenz der Bundesrepublik Deutschland und das Verbreiten von Verschwörungstheorien sowie die Diffamierung von Staatsgewalt und deren Organen gerade durch einen als Polizisten erkennbaren Beamten und gerade gegenüber einem nicht begrenzten Personenkreis ist geeignet, dem Gemeinwesen erheblichen Schaden zuzufügen, indem es das Vertrauen eines erheblichen Teils der Bevölkerung, in die freiheitlich demokratische Grundordnung und deren Institutionen im erheblichen Umfang untergräbt oder gar zerstört. Die Ausführungen des Beklagten im Rahmen seiner öffentlichen Auftritte, die im Nachgang häufig in das Internet eingestellt worden sind und damit einer breiten Öffentlichkeit zugänglich waren, sowie seine im Internet abrufbaren Äußerungen im Rahmen von „Interviews“ und dergleichen sind erkennbar von dem Gedanken getragen, einen möglichst hohen Verbreitungsgrad zu erreichen, um eine Vielzahl weiterer Personen von seinem reichsbürgertypischen, verschwörungstheoretischen, die geltende Staats- und Verfassungsordnung negierenden Gedankengut zu überzeugen.
b) Was das Persönlichkeitsbild der Beklagten betrifft, so vermag der erkennende Senat erheblich entlastende Gesichtspunkte nicht festzustellen.
aa) Der Beklagte ist zwar bis zu den in Rede stehenden Vorwürfen disziplinarrechtlich nicht in Erscheinung getreten und er hat zeitlich vor dem in Rede stehenden Verhalten über lange Jahre hinweg zufriedenstellende dienstliche Leistungen erbracht. Dieser Umstand fällt indes nicht mildernd ins Gewicht. Denn die langjährige pflichtgemäße Dienstausübung ist selbst bei überdurchschnittlicher Leistung für sich genommen regelmäßig nicht geeignet, gravierende Pflichtenverstöße in einem milderen Licht erscheinen zu lassen (BVerwG, Urteil vom 28.2.2013 - BVerwG 2 C 3.12 -, juris Rn. 43 m. w. Nw.; Nds. OVG, Urteil vom 23.2.2016 - 6 LD 3/15 -; Urteil vom 8.3.2016 - 20 LD 6/15 -; Urteil vom 10.12.2019 - 3 LD 3/19 -, juris Rn. 133; Urteil vom 20.4.2021 - 3 LD 1/20 -, juris Rn. 140).
Der Beklagte hat auch während des gesamten disziplinarbehördlichen sowie disizplinargerichtlichen Verfahrens keinerlei Einsicht in sein Fehlerverhalten gezeigt. Er hat sich vielmehr damit verteidigt,
• er habe die von ihm angeprangerten Zustände („Zusammenhänge und Verschwörungen“) erkannt, weil er „hinter die Kulissen“ schaue und die „globalen Zusammenhänge“ recherchiert habe, die Mehrheit der deutschen Bevölkerung inklusive der Vertreter der Staatsgewalt, insbesondere auch die meisten Verwaltungsrichter, hätten die Missstände hingegen nicht erkannt oder trauten sich nicht, sich diesbezüglich zu äußern (vgl. etwa BB vom 8.9.2022, S. 2, 6, 12, 19 [Bl. 181, 185, 191, 198/GA]);
• er könne die Argumentation der Klägerin nicht ansatzweise nachvollziehen (BB vom 8.9.2022, S. 4, 11, 23, 26 [Bl. 183, 190, 202, 205/GA]), weil er doch lediglich „regierungskritische“ Positionen vertreten habe und ein „kritisch agierender Polizist“ sei, der sich „für die Aufklärung und das Grundgesetz“ einsetze (BB vom 8.9.2022, S. 5, 6, 9 [Bl. 184, 185, 188/GA]);
• es gehe der Klägerin primär darum, ihn „als Querdenker medial zu vernichten“ (BB vom 8.9.2022, S. 5 [Bl. 184/GA]).
Der Beklagte betrachtet „mit großer Besorgnis“, dass ihm eine verfassungsfeindliche Gesinnung gerade deshalb vorgeworfen werde, weil er sich für die Einhaltung der Verfassung und der freiheitlich demokratischen Grundordnung einsetze (BB vom 8.9.2022, S. 10 [Bl. 189/GA]), und sieht sich insgesamt als „Opfer“ einer „politisch motivierten Disziplinarklage“ (so BB vom 8.9.2022, S. 1, 23 [Bl. 180, 202/GA]). Dies ist angesichts seines verschwörungstheoretischen und reichsbürgertypischen Gedankenguts zwar konsequent, stellt aber gerade keine - ihn entlastende - Distanzierung zu diesem dar. Vielmehr zeigen die dargestellten Äußerungen, dass er an den von ihm vertretenen Positionen weiterhin überzeugt festhält.
bb) Auch sogenannte anerkannte/klassische Milderungsgründe liegen nicht vor.
Diese Milderungsgründe erfassen typisierend Beweggründe oder Verhaltensweisen des Beamten, die regelmäßig Anlass für eine noch positive Persönlichkeitsprognose geben. Zum einen tragen sie existentiellen wirtschaftlichen Notlagen sowie körperlichen und psychischen Ausnahmesituationen - auch einer etwa verminderten Schuldfähigkeit - Rechnung, in denen ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet werden kann. Zum anderen erfassen sie ein tätiges Abrücken von der Tat, insbesondere durch die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder die Offenbarung des Fehlverhaltens jeweils vor drohender Entdeckung (BVerwG, Urteil vom 3.5.2007 - BVerwG 2 C 9.06 -, juris Rn. 22; Urteil vom 23.2.2012 - BVerwG 2 C 38.10 -, juris Rn. 13).
Anhaltspunkte für ein Eingreifen entsprechender Milderungsgründe sind nicht gegeben.
Der Beklagte kann insbesondere nicht mildernd geltend machen, sein Fehlverhalten stelle sich als persönlichkeitsfremde Tat dar. Der von der Rechtsprechung anerkannte Milderungsgrund der im Grunde persönlichkeitsfremden Augenblicks- bzw. Gelegenheitstat eines ansonsten tadelsfreien und im Dienst bewährten Beamten setzt ein unbedachtes und kurzschlussartiges Verhalten voraus (vgl. BVerwG, Urteil vom 1.3.1977 BVerwG 1 C 99.76 -, juris Rn. 16; Nds. OVG, Urteil vom 22.6.2010 - 20 LD 7/08 -, juris Rn. 54; Urteil vom 10.12.2019 - 3 LD 3/19 -, juris Rn. 101; Urteil vom 14.1.2020 - 3 LD 9/18 -). Dies wird insbesondere in Betracht kommen, wenn der Beamte in einer plötzlich auftretenden besonderen Versuchungssituation gehandelt hat, in der ihm eine echte Motivabwägung nicht möglich war. Hierzu gehören ein gewisses Maß an Spontaneität, Kopflosigkeit und Unüberlegtheit des Handelns (Nds. OVG, Urteil vom 22.6.2010 - 20 LD 7/08 -, juris Rn. 54), woran es hier aber fehlt. Der Beklagte ist bei Ausfüllung der Unterlagen im Zusammenhang mit der Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises, bei seinen öffentlichen Reden und auch bei seinen sonstigen Äußerungen nicht spontan und unüberlegt, sondern vielmehr gerade planvoll und überlegt vorgegangen. Die Angaben im Zusammenhang mit der Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises beruhten nach seinen eigenen Bekundungen auf einer vorherigen Internet- und sonstigen Recherche. Und auch die Häufigkeit und Vielzahl verschwörungstheoretischer Aussagen und Diffamierungen mit den hierzu gegebenen „Begründungen“ sprechen gegen ein spontanes, unüberlegtes Handeln, sondern lassen sich nur als Ergebnis eines längeren Radikalisierungs- und Überzeugungsgewinnungsprozesses verstehen. Aus denselben Gründen dringt der Beklagte auch mit seinem - in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat durch seinen Prozess(-unter-)bevollmächtigten geltend gemachten - Einwand nicht durch, er habe sich möglicherweise in der damaligen, besonderen - coronapandemiebedingten - Situation in einer „Schocksituation“ befunden (Sitzungsniederschrift vom 14.3.2023, S. 5 [Bl. 273/GA]). Eine „Schocksituation“ vermöchte nämlich nicht überzeugend zu erklären, warum der Beklagte über einen derart langen Zeitraum (Sommer 2020 bis Frühjahr 2021) hinweg aktiv in die Öffentlichkeit getreten und dort die Existenz der Bundesrepublik Deutschland negiert, Verschwörungstheorien vertreten und staatliche Institutionen und Organe der Bundesrepublik Deutschland diffamiert hat.
Zugunsten der Beklagten greift ferner nicht der in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelte Milderungsgrund einer „Entgleisung während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase“ (BVerwG, Urteil vom 18.4.1979 BVerwG 1 D 39.78 -, juris Rn. 13; Urteil vom 27.1.2011 - BVerwG 2 A 5.09 -, juris Rn. 39; Beschluss vom 15.6.2016 - BVerwG 2 B 49.15 -, juris Rn. 10; Beschluss vom 8.6.2017 - BVerwG 2 B 5.17 -, juris Rn. 24, 25) ein. Dieser Milderungsgrund setzt außergewöhnlich belastende Umstände voraus, die für die Begehung der konkreten Tat ursächlich geworden, inzwischen aber überwunden sind; der Beamte muss also geradezu „aus der Bahn geworfen“ worden sein (BVerwG, Beschluss vom 15.6.2016 BVerwG 2 B 49.15 -, juris Rn. 10; Nds. OVG, Urteil vom 10.12.2019 - 3 LD 3/19 -, juris Rn. 103). Danach muss es sich um eine persönlich besonders belastende Situation gehandelt haben, die so gravierend gewesen ist, dass die Pflichtverletzung des Beamten in einem milderen Licht erscheint, weil ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten von ihm nicht mehr erwartet und damit nicht mehr vorausgesetzt werden konnte (BVerwG, Beschluss vom 15.6.2016 - BVerwG 2 B 49.15 -, juris Rn. 11).
Dass der Beklagte im betreffenden Zeitraum, also insbesondere ab Beginn des Jahres 2020, außergewöhnlichen persönlichen Umständen ausgesetzt gewesen wäre, hat er selbst nicht geltend gemacht. Anhaltspunkte dafür, dass bei ihm eine persönlich besonders belastende Situation im Sinne der bezeichneten Rechtsprechung vorgelegen haben könnte, sind auch bei Auswertung der Verwaltungsvorgänge nicht erkennbar. Insofern waren weder die Klägerin noch der erkennende Senat gehalten, weitergehende Ermittlungen zur persönlichen Situation des Beklagten im Tatzeitraum zu veranlassen. Vielmehr hätte es ihm oblegen, etwaige, seine eigene Person oder sein persönliches Le-bensumfeld betreffende - also aus seiner Privatsphäre stammende und daher nur ihm selbst bekannte - belastende Umstände im vorliegenden Verfahren zu offenbaren und substantiiert darzutun, dass diese Umstände sein seinerzeitiges Verhalten beeinflusst hätten, nunmehr aber überwunden seien, wenn er hieraus für ihn günstige Rechtsfolgen ableiten wollte (so Nds. OVG, Urteil vom 20.2.2021 - 3 LD 1/20 -, juris Rn. 145). Entsprechende Darlegungen sind indes bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht erfolgt. Anders als der Beklagte meint, vermag die Corona-Pandemie selbst keinen Umstand darzustellen, der so gravierend gewesen wäre, dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten von ihm nicht hätte erwartet werden können. Denn dann hätten sich große Teile der bundesdeutschen Bevölkerung, die - ebenso wie der Beklagte - den coronapandemiebedingten Einschränkungen unterlagen, entsprechend verhalten müssen, was indes bekanntlich nicht der Fall war.
cc) Der Beklagte hat auch außerhalb der klassischen Milderungsgründe keine Gesichtspunkte vorgetragen, die entlastend zu berücksichtigen wären. Die schlichte Behauptung, er stelle in keiner Weise die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und ihrer verfassungsmäßigen Ordnung in Frage (vgl. etwa BB vom 8.9.2022, S. 9 [Bl. 188/GA]), vermag die entsprechende indizielle Wirkung seines Verhaltens nicht zu erschüttern.
Der Beklagte hat sich hiervon insbesondere nicht im Laufe des disziplinarbehördlichen oder des Disziplinarklageverfahrens glaubhaft distanziert.
Er hat nicht etwa nach Bekanntwerden seiner Äußerungen auf der versammlungsrechtlichen Veranstaltung vom 9. August 2020, die bereits am 10. August 2020 zu einem mit Anordnung der sofortigen Vollziehung versehenen beamtenrechtlichen Verbot der Führung der Dienstgeschäfte geführt hatte, von weiteren vergleichbaren öffentlichen Äußerungen Abstand genommen, sondern hat sich insoweit erkennbar als Aufklärer und Mahner, zunehmend auch als eine Art Märtyrer, empfunden und die diesbezügliche Popularität in einschlägigen Kreisen ersichtlich genossen. So hat er etwa erklärt:
• Also, wenn du als Mensch diese Herzensenergie spürst, die von den Menschen ausgestrahlt wird hier, das ist unwahrscheinlich, das ist wie ne Droge sag ich mal, du kommst gar nicht mehr raus aus diesem Kreis. Und ähm, mich haben auf dem Weg hierher zu diesem Veranstaltungsort so viele Menschen angesprochen, in den Arm genommen oder nur den Daumen hochgemacht, ähm, ich wollte nie zum Star werden, das ist überhaupt nicht meine Intention gewesen. Ich bin es scheinbar geworden, warum auch immer.“
(Interview des Beklagten auf der Plattform Twitter am 29.8.2020 in II., Bl. 74/Beiakte 11, Bd. 2)
• „Ich bin anscheinend innerhalb von 20 Minuten eine Person der Zeitgeschichte geworden. Mein Fall wird sicherlich weiterhin öffentlich ausgetragen werden, obwohl ich es sehr begrüßen würde, wenn mein Polizeipräsident mir die Gelegenheit zu einem offenen Gespräch geben würde.“
(Rede des Beklagten in AA. am 22.8.2020, Bl. 386/Beiakte 11, Bd. 1).
• „Wer kennt mich nicht? *schaut sich kurz um, wartet“ … ist erstaunlich, hätte ich mir niemals zu träumen gewagt. […] Aber das, was ich mit der Rede ausgelöst habe, äh, ja ist unglaublich, ist gigantisch und geht glaube ich viral um die ganze Welt. Was ist mit mir passiert? Ich bin als Mensch auf die Bühne gegangen und habe, damit die Menschen mich verstehen und wissen, dass ich kein Friseur bin, der hier über Recht und bestimmte Dinge redet, gesagt, welchen Dienstgrad ich habe und damit man natürlich die Assoziation, dass ich als Polizeibeamter auf die Bühne gekommen bin. […] Ja, eben kam das Wort Staatsfeind, wer den Film kennt, also ich sag mal 40 Jahre loyaler Polizist und dann Staatsfeind Nr. 1 geworden über Nacht, äh, nur, weil man ein Grundrecht wahrnimmt […]“.
(Rede des Beklagten im LL. am 17.10.2020, Bl. 16, 18/Beiakte 1, Bd. 1).
• „Ich muss sagen, dass ich bei der Polizei wirklich den besten Job hab, den man sich vorstellen kann. […] Obwohl ich diesen besten Job hatte, habe ich im Prinzip alles auf eine Karte gesetzt, beim Pokern sagt man All-in, alles zu riskieren, denn, wenn ich jetzt aus dem Dienst entfernt werde, weil ich meine Meinung gesagt habe und weil ich Dinge getan habe, die einigen Menschen nicht zu gefallen scheinen, dann werde ich quasi aus dem Amt entlassen. Werde nach dem Mindestrentensatz nachversichert beim Bund, bei der Bundesversicherungsanstalt und darf dann nicht mit 62, sondern bis 67 arbeiten. Gut, es hört sich jetzt nach Jammerei an. Aber das ist schon ein Privileg, was man da aufs Spiel setzt. Seine Sicherheit, die man sich über 40 Jahre lang aufgebaut hat, wirklich zu riskieren.“
(Podiumsdiskussion mit dem Beklagten in LL. am 17.10.2020 auf der Querdenken-Bühne, Bl. 20/Beiakte 1, Bd. 2).
Hieraus ergibt sich eindrücklich, dass der Beklagte unter Selbsterhöhung der eigenen Person und trotz der bis dato entstandenen dienstrechtlichen Konsequenzen davon ausging, sich auf einer „Mission“ zu befinden und über ein entsprechendes „Sendungsbewusstsein“ verfügt hat.
Ab dem April 2021 - also nachdem dem Beklagten das wesentliche Ermittlungsergebnis bereits mitgeteilt worden war - hat er sich beispielsweise in einer öffentlichen Audio-Botschaft im Telegram-Kanal „…“ am 22. April 2021, 11:00 Uhr (Bl. 97 f./Disziplinarklageschrift [Bl. 49 f./GA]) u. a. wie folgt geäußert:
„[…] Wie viele Kollegen wir sind? Aus einem Gespräch am Brandenburger Tor bei einer Veranstaltung haben wir die Info gekriegt, dass allein in Berlin etwa 50 Prozent der Kollegen auf unserer Seite sind, die - wenn es hart auf hart kommt - sich auch dazu bekennen werden. […] Wenn der Tag kommt, glaube ich, dass viele, der überwiegende Teil, sich auf die Seite des Rechts und der Bevölkerung stellt. Die haben einfach nur Angst in dem Bereich. Sie sind es nicht gewohnt zu kämpfen. […] Ich glaub‘, diese Kollegen haben zu weiten Teilen noch nicht verinnerlicht, dass wir und hier in einem Krieg befinden. […] Für mich ist noch ein wichtiger Punkt, die Kollegen, die noch gar nicht wissen, wenigstens zu informieren. Da müssen wir uns 'ne Strategie überlegen, wie wir das schaffen. Und 'ne Vernetzung hinzubekommen, damit wir als Instanz, die waffenführend ist, einen möglichst friedlichen Verlauf für den Umbruch herbeiführen können. […] Aber wir müssen auch den Zeitpunkt abpassen oder dem Impuls abpassen, dass es nicht eine Revolution aus Teile der Armee ist, die blutig niedergeschlagen wird, sondern wir müssen uns auch sicher sein, dass - wenn quasi die Regierung abgesetzt wird - die militärische Einheit quasi die Kontrolle übernimmt und mit der Polizei zusammen hier für Frieden auf den Straßen sorgt, damit wir dann wirklich das neue System etablieren können. In Bilder gesprochen: Das alte, marode und morsche Gebäude abreißen, auskoffern und dann ein neues Fundament gießen, damit wir was Neues aufbauen können. […]“
Davon, dass der Beklagte diese - von der Klägerin in ihrer Disziplinarklageschrift wiedergegebenen - Ausführungen in der dargestellten Weise getätigt hat, ist der erkennende Senat überzeugt, zumal der Beklagte nicht bestritten hat, die Äußerungen getätigt zu haben. Sie verdeutlichen, dass der Beklagte regelrecht zu einem „Putsch“ der bewaffneten Kräfte von Militär und Polizei aufgerufen hat, um eine neue Ordnung zu etablieren. Dass hierin kein Abrücken von den Positionen liegt, die den Disziplinarvorwürfen zugrunde liegen, sondern der Beklagte sich insoweit sogar zunehmend radikalisiert hat, liegt auf der Hand. Für seine zunehmende Radikalisierung spricht deutlich auch die folgende Textnachricht, veröffentlicht im Telegram-Kanal „ B. Offiziell“ am, 17. April 2021, 22:39 Uhr (Bl. 99 f./Disziplinarklageschrift [Bl. 50 f./GA]):
„DEUTSCHE POLIZEI IST EINE FIRMA! Sie sind Söldner von US-Militär-Konzern Constellis (ACADEMI) und ACADEMI hat sie von Blackwater gekauft die zu Blackrock gehören und da hängt Bill Gates mit drin! GOOGLE BLACK ROCK UND DER KULT DES SATURN = JUDENTUM! BRD GmbH drückt bei jedem Einsatz an ACADEMI ab! Der Deutsche bezahlt über die Steuern für seine Schläge! Sie werden dich niemals schützen, denn es sind Söldner der JWO [Anmerkung: JWO = Abkürzung für 'Jüdische Weltordnung']! Ihr Auftrag: Aufstände mit aller Gewalt auflösen! Die Polizei der BRD ist die Söldnertruppe der BRD-Juden, die Privatarmee Rothschilds, der die BRD 1949 gründete! Sie sind nicht dein Freund und Helfer, es sind Judenknechte, Schläger, Sadisten und Abschaum, die für ein paar Shekel gegen ihr eigenes Volk Krieg führen! Kein Polizei hat einen AMTSAUSWEIS, denn es sind keine Beamten! Sie haben einen DIENSTAUSWEIS, weil es Angestellte der Firma 'Polizei' sind! SIE LÖSCHEN DIESE INFOS ÜBERALL, DIE‘ EINE WEBSEITE VON CONSTELLIS IST SCHON WEG, TEILE DIESE INFOS!“
Auch in Bezug auf diesen - von der Klägerin in ihrer Disziplinarklageschrift niedergelegten - Sachverhalt ergeben sich für den erkennenden Senat keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass er nicht der Wahrheit entspricht, der Beklagte sich also nicht in der beschriebenen Weise öffentlich einsehbar geäußert hätte. Auch diesbezüglich hat der Beklagte nicht in Abrede gestellt, die vorstehenden Ausführungen getätigt zu haben. Eine kritische Auseinandersetzung mit den Disziplinarvorwürfen lässt sich den wiedergegebenen Ausführungen nicht entnehmen; vielmehr ist das Gegenteil - nämlich eine deutliche Radikalisierung und Zuspitzung der betreffenden Positionen - festzustellen.
Der schriftliche Vortrag des Beklagten im Berufungsverfahren, der im Wesentlichen mit seinem erstinstanzlichen Vortrag übereinstimmt, verdeutlicht ebenfalls, dass er sein Verhalten weiterhin für gerechtfertigt und sogar für das aus Gewissensgründen allein zu rechtfertigende hält. Den Ausführungen seines Prozessbevollmächtigten ist zu entnehmen, dass der Beklagte weitgehend in einer „Parallelwelt“ lebt, die durch reichsbürgertypisches und verschwörungstheoretisches Gedankengut und dementsprechend dadurch geprägt ist, dass er für sich selbst beansprucht, die „einzig richtige Wahrheit“ erkannt zu haben, und der andersdenkenden Mehrheit vorhält, sie verharre ihrerseits unerkannt in einer nicht (mehr) existierenden Parallelwelt.
c) Nach alledem liegen entlastende Umstände von erheblichem Gewicht, welche das scherwiegende Dienstvergehen der Beklagten in einem milderen Licht erscheinen lassen könnten, nicht vor.
Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 NDiszG ist ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat, aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Ein solcher Vertrauensverlust ist anzunehmen, wenn aufgrund der prognostischen Gesamtwürdigung auf der Grundlage aller im Einzelfall bedeutsamen be- und entlastenden Gesichtspunkte der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen oder die durch sein Fehlverhalten herbeigeführte Schädigung des Berufsbeamtentums sei bei einer Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht wiedergutzumachen (BVerwG, Urteil vom 29.5.2008 - BVerwG 2 C 59.07 -, juris Rn. 18). Im Streitfall ergibt sich der endgültige Vertrauensverlust in die Person des Beklagten aus einer konkreten Wiederholungsgefahr. Weil das erhebliche Gewicht des vom Beklagten begangenen Dienstvergehens nicht durch in seiner Person liegende Entlastungsgründe von erheblichem Gewicht relativiert wird und er sich insbesondere nicht glaubhaft von dem „reichsbürgertypischen“ und verschwörungstheoretischen Gedankengut sowie von seiner - das sachliche Maß weit überschreitenden - Kritik am Handeln der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Organe distanziert hat, ist davon auszugehen, dass er auch in Zukunft in erheblicher Weise gegen seine Dienstpflichten verstoßen wird. Im Interesse des Ansehens des öffentlichen Dienstes und der Integrität des Berufsbeamtentums, die durch das persönliche Ansehen eines jeden einzelnen Beamten bestimmt werden, muss das Beamtenverhältnis daher beendet werden.
d) Das Verwaltungsgericht ist ferner zu Recht davon ausgegangen (UA, S. 26), dass die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis nicht gegen den auch im
Disziplinarverfahren geltenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt. Insoweit kommt es nicht auf die finanziellen oder sozialen Auswirkungen der Disziplinarmaßnahme für den Beamten an, und auch die Auswirkungen auf dessen Familie sind nicht in den Blick zu nehmen (Nds. OVG, Urteil vom 22.6.2010 - 20 LD 3/08 -, juris Rn. 62; Urteil vom 20.4.2021 - 3 LD 1/20 -, juris Rn. 154). In das Verhältnis zu setzen sind vielmehr die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses, zu der das Fehlverhalten geführt hat, und die beabsichtigte Disziplinarmaßnahme. Ist ein Beamter - wie hier der Beklagte - durch ein ihm vorwerfbares Verhalten vertrauensunwürdig geworden und fehlt ihm damit eine entscheidende Grundlage für die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses, ist seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis die einzige Möglichkeit, das durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Beamtenverhältnis einseitig zu beenden. Die darin liegende Härte für den Betroffenen ist nicht unverhältnismäßig, weil sie auf ihm zurechenbarem Verhalten beruht (BVerwG, Urteil vom 12.2.1992 - BVerwG 1 D 2.91 -, juris Rn. 60; Nds. OVG, Urteil vom 22.6.2010 - 20 LD 3/08 -, juris Rn. 62; Urteil vom 1.12.2014 - 6 LD 5/13 ; Urteil vom 16.4.2021 - 6 LD 4/19 -, juris Rn. 196).
Auch kann bei Anwendung der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme die Dauer des Verfahrens keine Berücksichtigung finden (BVerwG, Beschluss vom 28.10.2008 BVerwG 2 B 53.08 -, juris Rn. 6; Beschluss vom 1.9.2009 - BVerwG 2 B 34.09 -, juris Rn. 3; Nds. OVG, Urteil vom 22.6.2010 - 20 LD 3/08 -, juris Rn. 58; Urteil vom 31.1.2017 - 3 LD 2/17 -).
Dass im Zusammenhang mit dem Disziplinarverfahren in Bezug auf den Beklagten eine mediale Berichterstattung stattgefunden hat (vgl. Beiakte 002), führt ebenfalls nicht dazu, seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als unverhältnismäßig erscheinen zu lassen. Die Frage, ob und ggf. inwieweit der Beamte durch sein Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 3 NDiszG beeinträchtigt hat, ist nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen, d. h. es ist danach zu fragen, wie der Dienstherr oder die Allgemeinheit urteilen würde, wenn das Dienstvergehen einschließlich aller be- und entlastenden Umstände bekannt würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.2.2013 - BVerwG 2 C 62.11 -, juris Rn. 56; Nds. OVG, Urteil vom 10.12.2019 - 3 LD 3/19 -, juris Rn. 141). Für diese gebotene objektive Bewertung der Vertrauensbeeinträchtigung ist es unerheblich, inwieweit das Dienstvergehen im konkreten Einzelfall in der Öffentlichkeit bekannt geworden und inwieweit hierüber berichtet worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.2.2013 - BVerwG 2 C 62.11 -, juris Rn. 56; Nds. OVG, Urteil vom 22.11.2016 - 20 LD 7/15 -; Urteil vom 10.12.2019 - 3 LD 3/19 -, juris Rn. 141). Ergibt eine objektive Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände nach Maßgabe des § 14 Abs. 1 Satz 1 bis 4 NDiszG, dass wegen eines schwerwiegenden Dienstvergehens die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten ist, lässt sich der Verbleib des Betreffenden im Beamtenverhältnis allein aufgrund einer - ggf. auch „reißerischen“ - Berichterstattung in den Medien nicht mit dem Zweck der Disziplinarbefugnis, nämlich dem Schutz der Integrität des Berufsbeamtentums und der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung (BVerwG, Urteil vom 28.2.2013 - BVerwG 2 C 62.11 , juris Rn. 58), vereinbaren. Diese Schutzgüter und der Grundsatz der Gleichbehandlung schließen es aus, dass ein Beamter, der durch ein gravierendes Fehlverhalten im öffentlichen Dienst untragbar geworden ist, weiterhin Dienst leistet und als Repräsentant des Dienstherrn hoheitliche Befugnisse ausüben kann, weil über sein Dienstvergehen öffentlich berichtet worden ist (in diesem Sinne auch Nds. OVG, Urteil vom 22.11.2016 - 20 LD 7/15 -; Urteil vom 31.1.2017 - 3 LD 2/17 -; Urteil vom 10.12.2019 - 3 LD 3/19 -, juris 141). Im Streitfall tritt noch die Besonderheit hinzu, dass sich der Beklagte selbst wiederholt öffentlich zur Sache geäußert und seine Sicht der Dinge - auch in Bezug auf das eingeleitete Disziplinarverfahren - dargestellt hat (vgl. etwa die Rede des Beklagten am 22. August 2020 in Darmstadt, Bl. 380 bis 395/Beiakte 11, Bd. 1: hier: Bl. 381 f., 384/Beiakte 11, Bd. 1; Interview in Berlin am 29. August 2020: Abschrift eines YouTube-Videos mit dem Namen „Im Interview mit [dem Beklagten] und […]“, Bl. 67 bis 76/Beiakte 11, Bd. 2; hier: Bl. 71Beiakte 11, Bd. 2; Redebeitrag des Beklagten, gehalten am 7. Dezember 2020 in Lauenau, Bl. 3 bis 4/Beiakte 1, Bd. 4; hier: Bl. 3/Beiakte 1, Bd. 4). Zudem hat er im Rahmen von zahlreichen Auftritten und „Interviews“ gerade die Öffentlichkeit gesucht, um die von ihm als richtig und absolut verbindlich angesehenen Behauptungen zu verbreiten.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf 69 Abs. 1 NDiszG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 VwGO.
VorschriftenBeamtStG33 I 3; BeamtStG34 Satz 3; StAG30