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  • 14.08.2024 · IWW-Abrufnummer 243217

    Arbeitsgericht Arnsberg: Urteil vom 14.12.2023 – 2 Ca 559/23

    Die Neuausschreibung einer Stelle ist für sich genommen kein Indiz für eine Diskriminieurng auf Grund des Alters oder des Geschlechts.


    Arbeitsgericht Arnsberg 

    Urteil vom 14.12.2023


    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

    Der Streitwert wird auf 14.245,35 € festgesetzt.

    Tatbestand

    Die Klägerin begehrt eine Entschädigung nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz wegen einer behaupteten Diskriminierung wegen des Alters und / oder des Geschlechts.

    Die am 18.12.1965 geborene Klägerin war bereits in der Vergangenheit als Lehrkraft für das beklagte Land tätig. Am 03.08.2023 bewarb sich die Klägerin auf ein im Online-Portal C.NRW eingestelltes Stellenangebot am A in B als Vertretungskraft.

    Ohne vorherige Einladung zum Auswahlgespräch erhielt die Klägerin mit E-Mail vom 22.08.2023 durch das Sekretariat des A eine Absage.

    Am 01.09.2023 war die Stelle sodann erneut im Online-Portal C.NRW ausgeschrieben.

    Mit ihrer am 07.09.2023 bei Gericht eingegangenen Zahlungsklage begehrt die Klägerin eine Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG im Umfang von drei Monatsentgelten der Entgeltgruppe 13 Stufe 3 TV-L.

    Die Klägerin ist der Auffassung, dass aus der erneuten Ausschreibung der Stelle auf eine Diskriminierung ihrer Person aufgrund ihres Alters und / oder ihres Geschlechtes geschlossen werden könne.

    Da eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch nicht erfolgt sei, habe der Grund für die Ablehnung nicht in einer in der persönlichen Begegnung aufgedeckten fehlenden charakterlichen oder fachlichen Eignung gelegen haben können. Eine solche sei auch aus den Bewerbungsunterlagen nicht ersichtlich. Die Klägerin verweist auf den Umstand, dass sie Erfüllerin mit zwei Staatsprüfungen sei und eine 23-jährige Unterrichtserfahrung habe.

    Des Weiteren verweist die Klägerin darauf, dass sich das A auf seiner Homepage als Schule in einem "jungen und dynamischen Umfeld" darstelle.

    Dieser Darstellung würde die Einstellung älterer Lehrerinnen und Lehrer widersprechen, da sich das Gymnasium als Einrichtung sehe, die auf die Bedürfnisse der jungen Klientel und des jungen Umfeldes eingehen möchte. Dies impliziere, dass dies am besten mit jungen Lehrern gehe, die schon aufgrund ihres jugendlichen Alters die gleiche Sprache sprächen wie das junge Umfeld.

    Darüber hinaus verweist die Klägerin darauf, dass das beklagte Land bei Lehrkräften ab dem 55. Lebensjahr grundsätzlich eine verringerte Leistungsfähigkeit unterstelle. Dies finde seinen Niederschlag in entsprechenden Pflichtstunden-Ermäßigungen, die zu einer verringerten Einsatzmöglichkeit an der Schule führten. Dementsprechend hätte eine Einstellung für das A bedeutet, dass ihre Einstellung mit einer Pflichtstundenermäßigung und somit einer geringeren Einsatzmöglichkeit verbunden gewesen wäre.

    Ferner liege der Anteil von Lehrkräften über 50 an allgemeinbildenden Schulen in NRW im Schuljahr 2021/22 mit 31,1 % unter dem bundesweiten Durchschnitt. Dies zeige, dass eine Verjüngung der Kollegien vom Land NRW gewünscht sei. Naheliegend sei, so führt die Klägerin weiter aus, dass sie aufgrund ihres Alters benachteiligt worden sei. Es sei naheliegend, dass sie nicht eingestellt worden sei, weil sie zu alt sei.

    Die Klägerin bestreitet, dass sie aufgrund eines Ablagefehlers von der Schulsekretärin die Absage bekommen habe. Die Bezirksregierung lege nicht dar, zu welchem Zeitpunkt dem Schulleiter aufgefallen sein soll, dass die Bewerbung zu Unrecht nicht berücksichtigt worden sei. Es sei nicht klar, warum sie über einen solchen Fehler nicht informiert worden sei.

    Die Klägerin beantragt,

    das beklagte Land zu verurteilen, der Klägerin eine Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von 14.245,35 € zu zahlen.

    Das beklagte Land beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Das beklagte Land erklärt, dass die Ablehnung der Einstellung der Klägerin als Vertretungskraft am A frei von einer Diskriminierung wegen des Alters und / oder des Geschlechts erfolgt sei.

    Die Bewerbung der Klägerin sei am letzten Tag der Ausschreibungsfrist per E-Mail nach 22.00 Uhr eingegangen. Aufgrund eines Ablagefehlers sei die Bewerbung der Klägerin übersehen worden. Deshalb habe sich der Schulleiter entschlossen, die Stelle erneut auszuschreiben. Die Stelle sei noch immer nicht besetzt. Der Schulleiter sei bereit, die Klägerin einzustellen.

    Das beklagte Land verweist darauf, dass der Klägerin eine Stelle am D in E angeboten worden sei. Diese Stelle habe sie aber abgelehnt. Sie habe eine Stelle im Regierungsbezirk der Bezirksregierung Münster am F in H angenommen.

    Indizien im Sinne des § 22 AGG für eine Verletzung des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes seien nicht ersichtlich. Dies gelte insbesondere für die zweite Ausschreibung der Stelle.

    Aus der Selbstdarstellung des A ginge eine bevorzugte Einstellung von jüngeren Lehrkräften nicht hervor. Auch das Ziel, auf die Bedürfnisse der Schüler*innen eingehen zu wollen, impliziere keine bevorzugte Einstellung jüngerer Lehrkräfte.

    Das beklagte Land verweist darauf, dass die Pflichtstundenermäßigung auf einer Verordnung zum Schulgesetz beruhe und keine Diskriminierung darstelle. Vielmehr ginge es um den Schutz aus Fürsorgegründen.

    Auch die Behauptung, dass eine Verjüngung der Kollegien gewünscht sei, sei nicht richtig. So werbe das Ministerium für Schule und Bildung in den letzten Jahren mit der Möglichkeit des Hinausschiebens des Ruhestandes.

    Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    Die Klägerin unterliegt.

    I.

    Die zulässige Klage ist unbegründet.

    Es ist keine Diskriminierung aufgrund des Alters oder des Geschlechts im Sinne von § 15 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 S. 1 AGG erkennbar.

    Eine Benachteiligung im Sinne des AGG setzt vorliegend voraus, dass die Klägerin aufgrund ihres Alters oder ihres Geschlechtes oder eines anderen in § 1 AGG genannten Merkmals gegenüber anderen Bewerbern unmittelbar oder mittelbar benachteiligt wurde.

    Für das Vorliegen einer solchen Benachteiligung ist grundsätzlich der Arbeitnehmer darlegungs- und beweisbelastet, der sich auf die Benachteiligung beruft. Allerdings kommt es gem. § 22 AGG zu einer Beweislasterleichterung im Sinne einer Kausalitätsvermutung, sofern der Arbeitnehmer Indizien nachweisen kann, welche eine Benachteiligung vermuten lassen (BAG, Urteil vom 26.01.2017 - 8 AZR 848/13).

    Vorliegend hat die Klägerin keine Indizien benannt, aus denen geschlossen werden könnte, dass die Absage kausal auf ihr Alter oder ihr Geschlecht zurückzuführen ist.

    1.

    Es liegen keine Indizien vor, die eine Diskriminierung aufgrund von Alter indizieren.

    a)

    Es ist der Kammer nicht verständlich, warum der Umstand, dass die Stelle erneut ausgeschrieben wurde, ein Indiz für die Diskriminierung aufgrund des Alters der Klägerin sein soll. Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass die erneute Ausschreibung der Stelle aus der Perspektive der Klägerin die Frage aufwarf, warum sie eine Ablehnung erhalten hatte, obwohl sie als Erfüllerin grundsätzlich für die Stelle in Frage kam.

    Nicht nachvollziehen kann die Kammer aber, warum die Klägerin meint, dass sie gerade aufgrund ihres Alters nicht berücksichtigt wurde. Genauso gut vorstellbar war aus der Perspektive der Klägerin schließlich, dass die Bewerbung aus anderen Gründen nicht überzeugte. Denkbar war etwa, dass der Gesamteindruck der schriftlichen Bewerbung bei der Schule negativ gewesen war. Ebenso war es vorstellbar, dass sich die Vertretungsplanung der Schule mehrfach geändert hatte.

    Alleine die Umstände, dass das beklagte Land, vertreten durch das A, das Alter der Klägerin aus der Bewerbung ersehen konnte, die Klägerin eine Absage erhielt und die Stelle dann erneut ausgeschrieben wurde, lässt nicht die Vermutung zu, dass die Schule die Klägerin aufgrund ihres Alters nicht als Lehrkraft wünschte. Dies ist nur eine von vielen denkbaren Erklärungen für die Ablehnung der Klägerin. Die Vorstellung der Klägerin, die Stelle wegen ihres Alters nicht erhalten zu haben, ist eine höchst spekulative Mutmaßung und damit kein Indiz im Sinne des § 22 AGG.

    Dementsprechend kommt es nicht darauf an, ob die Einlassung des beklagten Landes, dass die Absage an die Klägerin aufgrund eines Fehlers geschehen sei, zutreffend ist oder nicht.

    b)

    Ebenfalls nicht nachvollziehbar ist für die Kammer, dass die Klägerin den Internetauftritt der Schule, in welchem von einem "jungen und dynamischen Umfeld" gesprochen werden soll, so versteht, dass nur junge Lehrkräfte eingestellt werden sollen. Der Hinweis der Schule auf die Altersstruktur ihres Einzugssprengels bzw. ihrer unmittelbaren Umgebung lässt nicht den Rückschluss zu, dass ältere Lehrkräfte nicht gewollt waren.

    Da das Umfeld der Schule etwas anderes ist als das Kollegium der Lehrkräfte ist die Überlegung der Klägerin, dass die Schule gerade junge Lehrkräfte ansprechen wolle, nicht verständlich.

    c)

    Die durch Verordnung geregelte Pflichtstundenermäßigung für Lehrkräfte ab dem 55. Lebensjahr gilt in ganz NRW, so dass jeder konkrete Bezug zum Bewerbungsverfahren der Klägerin hinsichtlich der Stelle am A fehlt.

    Dass aufgrund der Verordnung generell bei allen Bewerbungen von Lehrkräften mit einem Lebensalter von mindestens 55 ein Indiz für eine Altersdiskriminierung im Falle einer Ablehnung bestehen soll, hält die Kammer für abwägig. Zwar weist die Klägerin zutreffend darauf hin, dass eine Lehrkraft mit dem Lebensalter 55 oder höher aufgrund der Pflichtstundenermäßigung in einem etwas geringeren Umfang unterrichtet. Die Schlussfolgerung der Klägerin, dass deshalb aber zu befürchten sei, dass die Schulleitung die ausgeschriebene Stelle lieber unbesetzt lassen wollte als sie einzustellen, ist völlig lebensfern.

    Ein Indiz für eine Altersdiskriminierung ist daher auch insoweit nicht ersichtlich.

    d)

    Völlig unnachvollziehbar ist für die Kammer, warum der Umstand, dass der Anteil von Lehrkräften über 50 an allgemeinbildenden Schulen in NRW unter dem Durchschnitt der Bundesländer liegen soll, die Absicht belege, dass eine Verjüngung von Kollegien gewünscht sei.

    Abgesehen davon, dass es in der Natur eines Durchschnittswertes liegt, dass es immer Einzelwerte über und unter dem Durchschnitt gibt, aus dem sich der Durchschnitt errechnet, hält es die Kammer für rein spekulativ, dass die Schulleitung des A eine politisch gewollte Verjüngung der Landesregierung umzusetzen versucht und aus diesem Grund eine Stelle lieber unbesetzt lässt, als sie mit einer 57-jährigen Lehrkraft zu besetzen.

    e)

    Folglich liegen keinerlei Indizien für eine Altersdiskriminierung vor.

    2.

    Es liegen auch keine Indizien für eine Diskriminierung der Klägerin aufgrund ihres weiblichen Geschlechts vor.

    a)

    Eine Geschlechtsdiskriminierung wird zunächst nicht durch die erneute Ausschreibung der Stelle durch das A indiziert.

    Auf die Ausführungen oben im Zusammenhang mit der von der Klägerin geltend gemachten Altersdiskriminierung kann in diesem Zusammenhang Bezug genommen werden. Genauso wenig wie erkennbar ist, dass die Klägerin aufgrund ihres Alters diskriminiert wurde, weil genügend andere Gründe für die Ablehnung der Bewerbung denkbar sind, kann die Klägerin aus der Ablehnung schließen, dass sie als Frau nicht gewollt war.

    Genauso wie es rein spekulativ ist, im Alter der Klägerin einen Grund für die Absage im schriftlichen Verfahren zu sehen, ist es auch höchst willkürlich insofern zu vermuten, dass die Klägerin gerade aufgrund ihres Geschlechts nicht genommen wurde.

    b)

    Die Erwähnung eines jungen und dynamischen Umfeldes steht in keinerlei Bezug zum Geschlecht. Ein Indiz für eine Geschlechtsdiskriminierung liegt folglich nicht vor.

    c)

    Da sich die Pflichtstundenermäßigung an Menschen aller Geschlechter richtet, kommt auch die Pflichtstundenermäßigung nicht als Indiz für eine Geschlechtsdiskriminierung in Betracht.

    d)

    Gleiches gilt für die von der Klägerin angenommene politisch gewollte Verjüngung. Insoweit fehlt wiederum jeder Bezug zum Geschlecht, so dass eine Diskriminierung wegen des Geschlechts insoweit schon von vornherein ausscheidet.

    e)

    Es sind folglich auch keine Indizien erkennbar, die eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts nahelegen würden.

    3.

    Es ist nicht erkennbar, dass die Klägerin aufgrund eines verbotenen Merkmals im Sinne des § 1 AGG benachteiligt wurde. Die Klage ist daher abzuweisen.

    II.

    Da die Klägerin unterliegt, hat sie gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Der Streitwert entspricht dem eingeklagten Betrag.

    RechtsgebietAGGVorschriften§ 22 AGG