08.01.2010
Finanzgericht München: Beschluss vom 29.11.2002 – 4 V 3829/02
1. Im Rahmen der Mindestbewertung zur Bedarfswertermittlung ist ein Abschlag vom Bodenrichtwert gerechtfertigt, wenn das Grundstück durch eine Erhaltungssatzung beeinträchtigt ist, der die vom Gutachterausschuss zugrunde gelegten, von Alter und Struktur vergleichbaren Grundstücke nicht unterliegen.
2. Das Grundstück ist im Rahmen der Mindestbewertung so zu bewerten, als wäre es unbebaut. Aus diesem Grunde kann ein Wertgutachten, in dem vom Grundstückswert ein Abschlag wegen Bebauung vorgenommen wird, nicht zum Nachweis eines niedrigeren Verkehrswerts zum Stichtag herangezogen werden.
BESCHLUSS
In der Streitsache
wegen
Aussetzung der Vollziehung in Sachen
Feststellung des Grundstückswertes zum 05.02.2001
hat der 4. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung
des Vizepräsidenten des Finanzgerichts …
des Richters am Finanzgericht … und des Richters am Finanzgericht
ohne mündliche Verhandlung am 29. November 2002 beschlossen:
1. Die Vollziehung des Feststellungsbescheids vom 8. Juli 2002 wird für die Dauer des Einspruchsverfahrens ausgesetzt. Über den vom Finanzamt bereits ausgesetzten Betrag insoweit ausgesetzt als der Bedarfswert den Betrag von 2.184.000 DM übersteigt.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller zu 3/4 der Antragsgegner zu 1/4.
Tatbestand
I.
Streitig ist im Einspruchsverfahren die Höhe des für ein bebautes Grundstück festgestellten Bedarfswertes.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
Der Antragsteller betragt,
die Vollziehung des Feststellungsbescheides vom 08.07.2002 in Höhe von 2.140,00 DM wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit und wegen einer unbilligen, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotenen Härte auszusetzen.
Der Antragsgegner (Finanzamt) beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Gründe
II.
Der Antrag ist teilweise begründet.
Der Senat bejaht bei der in diesem Verfahren gebotenen und ausreichenden Überprüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides.
Bei der Bewertung im sog. Mindestwertverfahren nach § 146 Abs. 6 BewG ist der Wert nach § 145 Abs. 3 BewG zu bestimmen. Hiernach bestimmt sich der Wert nach dem um 20 v.H. ermäßigten Bodenrichtwert. In der Streitsache existiert für das zu bewertende Grundstück jedoch kein brauchbarer plausibler Bodenwert (vgl. FG Nürnberg vom 27.01.2000, IV 261/1999, EFG 2000, 610). Aus dem vorgelegten Gutachten des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen … ist ersichtlich, dass der Gutachterausschuss nur Objekte ähnlichen Alters und Struktur angeben konnte, die nicht den erheblichen Beschränkungen einer Erhaltungssatzung unterliegen und damit nicht direkt vergleichbar sind (S. 13 d. Gutachtens) und deshalb der Richtwert angepasst werden muss (vgl. BewRL R 160 Abs. 1 sowie Rössler/Troll, BewG, Anm. 18 zu § 145 und Gürsching/Stenger, BewG, Anm. 63 zu § 145).
Der Senat hält neben der vom Finanzamt vorgenommenen Anpassung aufgrund der wegen der Erhaltungssatzung nicht zu erhöhenden Bebauung wegen der darüber hinaus gehenden Beeinträchtigungen durch diese Erhaltungssatzung einen weiteren Abschlag für gerechtfertigt. Bei summarischer Prüfung erscheint dem Senat eine zusätzliche Ermäßigung des Richtwerts um 20 v. H. den Besonderheiten der Streitsache am ehesten gerechtfertigt. Dies würde zu einem Bedarfswert von 2.184.000 DM führen.
Nach § 146 Abs. 7 BewG hat der Steuerpflichtige auch die Möglichkeit einen niedrigeren Verkehrswert zum Stichtag nachzuweisen. Der Senat hält das vom Antragsteller vorgelegte Gutachten in seiner jetzigen Form nicht für geeignet einen niedrigeren Verkehrswert des bebauten Grundstücks nachzuweisen. Dies beruht insbesondere darauf, dass der Gutachter den erheblichen von ihm festgestellten Sachwert völlig unberücksichtigt läßt. Dies erscheint trotz der Beschränkungen durch die Erhaltungssatzung unter keinem Gesichtspunkt gerechtfertigt. Zulässig wäre allenfalls bei der auf Ertrag- und Sachwert beruhenden Wertfindung dem Ertragswert ein erheblich höheres Gewicht als dem Sachwert einzuräumen. Wie dieses Verhältnis im Einzelnen zu bestimmen ist, ist wegen der Nachweispflicht des Steuerpflichtigen zunächst nicht vom Gericht zu entscheiden. Ferner bestehen an der Ertragswertermittlung des Gutachters ganz erhebliche Zweifel. Dies schon deshalb, weil der Gutachter die im Gebäude vorhandenen vier Ladeneinheiten nicht gesondert berücksichtigt hat, sondern bei der Ermittlung der üblichen Miete einheitlich von einer wegen Möblierung geminderten Wohnraummiete ausgegangen ist.
Neben der Möglichkeit nach § 146 Abs. 7 BewG einen niedrigeren Verkehrswert für das bebaute Grundstück nachzuweisen, hat der Steuerpflichtige jedoch nach § 146 Abs. 6 i.V.m. § 145 Abs. 3 S. 3 BewG die Möglichkeit nachzuweisen, dass der Verkehrswert des unbebauten Grundstücks unter dem maßgeblichen Mindestwert liegt.
Der vom Gutachter festgestellte Bodenwert von 1.843.000 DM beinhaltet keinen Nachweis für einen unter dem oben dargestellten Mindestwert von 2.184.000 DM liegenden Verkehrswert. Von dem vom Gutachter angesetzten Ausgangswert von 4.500 DM/m² kann zwar ein Abschlag gemacht werden, wenn die mögliche bauplanungsrechtliche Ausnutzung die an sich zugrundegelegte GFZ nicht erreichen kann. Dies führt jedoch nur zu einem Wert von 3.073.100 DM. Ein zusätzlicher Abschlag wegen Bebauung, wie vom Gutachter angesetzt, ist dagegen nicht zulässig, weil das Grundstück so zu bewerten ist, als wäre es unbebaut.
Selbst wenn man diesen Wert wegen der durch die Erhaltungssatzung bedingten zusätzlichen Beeinträchtigungen – w. o. ausgeführt – um weitere 20 v.H. ermäßigen wollte, käme man zu einem über den genannten 2.184,00 DM liegenden Wert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 i.V.m. § 135 Abs. 1 FGO.