20.09.2012 · IWW-Abrufnummer 122858
Europäischer Gerichtshof: Urteil vom 19.04.2012 – C-115/10
Die Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 2019/93, (EG) Nr. 1452/2001, (EG) Nr. 1453/2001, (EG) Nr. 1454/2001, (EG) Nr. 1868/94, (EG) Nr. 1251/1999, (EG) Nr. 1254/1999, (EG) Nr. 1673/2000, (EWG) Nr. 2358/71 und (EG) Nr. 2529/2001 in der Fassung des Beschlusses 2004/281/EG des Rates vom 22. März 2004 ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegensteht, die juristische Personen, die im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausüben, von der ergänzenden nationalen Beihilfe ausschließt, weil sie Gegenstand eines Verfahrens der freiwilligen Liquidation sind, wenn eine Bedingung bezüglich des Nichtvorliegens eines solchen Verfahrens nicht zuvor von der Europäischen Kommission genehmigt wurde.
C-115/10
In der Rechtssache C-115/10
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Fõvárosi Bíróság (Ungarn) mit Entscheidung vom 31. August 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 3. März 2010, in dem Verfahren
BábolnaMezõgazdaságiTermelõ, FejlesztõésKereskedelmiZrt.
gegen
MezõgazdaságiésVidékfejlesztésiHivatalKözpontiSzerve
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter A. Borg Barthet (Berichterstatter), M. Ilesi und M. Safjan sowie der Richterin M. Berger,
Generalanwalt: J. Mazák,
Kanzler: A. Calot Escobar,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér und K. Szíjjártó als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch H. Tserepa-Lacombe und A. Sipos als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 10. Februar 2011
folgendes
Urteil
Tenor:
Die Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 2019/93, (EG) Nr. 1452/2001, (EG) Nr. 1453/2001, (EG) Nr. 1454/2001, (EG) Nr. 1868/94, (EG) Nr. 1251/1999, (EG) Nr. 1254/1999, (EG) Nr. 1673/2000, (EWG) Nr. 2358/71 und (EG) Nr. 2529/2001 in der Fassung des Beschlusses 2004/281/EG des Rates vom 22. März 2004 ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegensteht, die juristische Personen, die im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausüben, von der ergänzenden nationalen Beihilfe ausschließt, weil sie Gegenstand eines Verfahrens der freiwilligen Liquidation sind, wenn eine Bedingung bezüglich des Nichtvorliegens eines solchen Verfahrens nicht zuvor von der Europäischen Kommission genehmigt wurde.
Entscheidungsgründe
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnung (EWG) Nr. 3508/92 des Rates vom 27. November 1992 zur Einführung eines integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen (ABl. L 355, S. 1) und der Verordnung (EG) Nr. 1259/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 zur Festlegung von Gemeinschaftsregeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. L 160, S. 113).
1
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der BábolnaMezõgazdaságiTermelõ, FejlesztõésKereskedelmiZrt. (im Folgenden: Bábolna) und der MezõgazdaságiésVidékfejlesztésiHivatalKözpontiSzerve (Zentrale Behörde des Amtes für Landwirtschaft und Entwicklung des ländlichen Raums, im Folgenden: Hivatal) über die Gewährung der ergänzenden nationalen Beihilfe an Bábolna für das Jahr 2004.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Der Beschluss 2004/281/EG
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Der Beschluss 2004/281/EG des Rates vom 22. März 2004 zur Anpassung der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge infolge der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. L 93, S. 1) wurde gemäß Art. 2 Abs. 3 des am 16. April 2003 in Athen unterzeichneten Vertrags über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union (ABl. L 236, S. 17) und Art. 23 der dazugehörigen Beitrittsakte (ABl. L 236, S. 33, im Folgenden: Beitrittsakte) erlassen.
3
Mit Art. 1 Nr. 5 dieses Beschlusses wurde u. a. die Nr. 27 des Anhangs II Kapitel 6 Abschnitt A der Beitrittsakte, die Änderungen der Verordnung Nr. 1259/1999 enthielt, durch Bestimmungen zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 2019/93, (EG) Nr. 1452/2001, (EG) Nr. 1453/2001, (EG) Nr. 1454/2001, (EG) Nr. 1868/94, (EG) Nr. 1251/1999, (EG) Nr. 1254/1999, (EG) Nr. 1673/2000, (EWG) Nr. 2358/71 und (EG) Nr. 2529/2001 (ABl. L 270, S. 1, und Berichtigung ABl. 2004, L 94, S. 70) ersetzt, um die Anpassungen zu berücksichtigen, die nach Unterzeichnung der Beitrittsurkunden durch den Erlass der letztgenannten Verordnung an den Rechtsvorschriften über die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) vorgenommen worden waren.
4
Der zehnte Erwägungsgrund des Beschlusses 2004/281 lautet:
"Nach der Einführung der Betriebsprämienregelung müssen einige Anpassungen vorgenommen werden, um die Kohärenz der ergänzenden einzelstaatlichen Direktzahlungen zu wahren. So müssen insbesondere die Vereinbarungen in der Beitrittsakte angepasst werden, damit sichergestellt ist, dass derartige Ergänzungszahlungen wie geplant unter drei verschiedenen Rahmenbedingungen funktionieren können: erstens der 'klassischen‘ Direktzahlung, zweitens der regionalen Option der neuen einheitlichen Betriebsprämienregelung und drittens der Regelung für die einheitliche Flächenzahlung."
Die Verordnung Nr. 1782/2003
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Die Verordnung Nr. 1782/2003 hob die Verordnungen Nrn. 3508/92 und 1259/1999 mit Wirkung vom 1. Mai 2004 auf.
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Im 21. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1782/2003 heißt es:
"Die Stützungsregelungen im Rahmen der [GAP] sehen direkte Einkommensbeihilfen vor allem vor, um der landwirtschaftlichen Bevölkerung eine angemessene Lebenshaltung zu gewährleisten. Dieses Ziel ist eng verknüpft mit der Erhaltung ländlicher Gebiete. ..."
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Art. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003 in der Fassung des Beschlusses 2004/281 (im Folgenden: Verordnung Nr. 1782/2003) bestimmt:
"Diese Verordnung enthält
- gemeinsame Regeln für die in Anhang I aufgeführten Direktzahlungen im Rahmen von Einkommensstützungsregelungen der [GAP], die aus dem EAGFL, Abteilung Garantie, finanziert werden, ausgenommen Direktzahlungen im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 1257/1999;
- eine Einkommensstützungsregelung für Betriebsinhaber in Form einer einheitlichen Betriebsprämie (im Folgenden 'Betriebsprämienregelung‘ genannt);
- eine Übergangsregelung für eine vereinfachte Einkommensstützung zugunsten der Betriebsinhaber in den neuen Mitgliedstaaten (im Folgenden 'Regelung für die einheitliche Flächenzahlung‘);
..."
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In Art. 2 der Verordnung Nr. 1782/2003 heißt es:
"... bezeichnet der Ausdruck
a) 'Betriebsinhaber‘ eine natürliche oder juristische Person oder eine Vereinigung natürlicher oder juristischer Personen, unabhängig davon, welchen rechtlichen Status die Vereinigung und ihre Mitglieder aufgrund nationalen Rechts haben, deren Betrieb sich im Gebiet der Gemeinschaft im Sinne des Artikels 299 [EG] befindet und die eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausübt;
b) 'Betrieb‘ die Gesamtheit der vom Betriebsinhaber verwalteten Produktionseinheiten, die sich im Gebiet eines Mitgliedstaates befinden;
c) 'landwirtschaftliche Tätigkeit‘ die Erzeugung, die Zucht oder den Anbau landwirtschaftlicher Erzeugnisse, einschließlich Ernten, Melken, Zucht von Tieren und Haltung von Tieren für landwirtschaftliche Zwecke, oder die Erhaltung von Flächen in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand gemäß Artikel 5".
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In Titel II ("Allgemeine Bestimmungen") der Verordnung Nr. 1782/2003 sieht Art. 22 ("Beihilfeanträge") Abs. 1 vor:
"Soweit anwendbar muss jeder Betriebsinhaber für die unter das integrierte System fallenden Direktzahlungen jedes Jahr einen Antrag mit gegebenenfalls folgenden Angaben einreichen:
- alle landwirtschaftlichen Parzellen des Betriebs,
- Anzahl und Höhe der Zahlungsansprüche,
- alle sonstigen Angaben, die in dieser Verordnung oder von dem betreffenden Mitgliedstaat vorgesehen sind."
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Art. 28 ("Zahlungen") dieser Verordnung bestimmt in Abs. 1:
"Soweit in dieser Verordnung nichts anderes geregelt ist, werden die Zahlungen im Rahmen der in Anhang I aufgeführten Stützungsregelungen in voller Höhe an die Endempfänger getätigt."
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In Titel III der Verordnung Nr. 1782/2003 ist die einheitliche Betriebsprämie geregelt. Art. 44 Abs. 1 bis 3 dieser Verordnung lautet:
"(1) Jeder Zahlungsanspruch gibt zusammen mit je einem Hektar beihilfefähiger Fläche Anspruch auf Zahlung des mit dem Zahlungsanspruch festgesetzten Betrags.
(2) Eine 'beihilfefähige Fläche‘ ist jede landwirtschaftliche Fläche des Betriebs, die als Ackerland oder Dauergrünland genutzt wird, ausgenommen die für Dauerkulturen, Wälder oder nicht landwirtschaftliche Tätigkeiten genutzten Flächen.
(3) Der Betriebsinhaber meldet die Parzellen an, die der beihilfefähigen Fläche für jeden Zahlungsanspruch entsprechen. Außer im Falle höherer Gewalt oder außergewöhnlichen Umständen stehen diese Parzellen dem Betriebsinhaber für einen Zeitraum von mindestens zehn Monaten zur Verfügung, beginnend an einem von den Mitgliedstaaten festzulegenden Zeitpunkt, der jedoch nicht vor dem 1. September des Kalenderjahres liegt, das dem Jahr, in dem der Antrag auf Gewährung der einheitlichen Betriebsprämie gestellt wurde, vorausgeht."
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Titel IVa der Verordnung Nr. 1782/2003 trägt die Überschrift "Durchführung von Stützungsregelungen in den neuen Mitgliedstaaten".
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Art. 143a dieser Verordnung lautet:
"In den neuen Mitgliedstaaten werden die Direktzahlungen nach folgendem Schema eingeführt, in dem die Steigerungsstufen als Prozentsatz der Höhe derartiger Zahlungen in der Gemeinschaft in ihrer Zusammensetzung am 30. April 2004 ausgedrückt werden:
- 2004: 25 %,
- 2005: 30 %,
- 2006: 35 %,
- 2007: 40 %,
- 2008: 50 %,
- 2009: 60 %,
- 2010: 70 %,
- 2011: 80 %,
- 2012: 90 %,
- ab 2013: 100 %."
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Art. 143b ("Regelung für die einheitliche Flächenzahlung") der Verordnung Nr. 1782/2003 sieht in Abs. 1 bis 3 vor:
"(1) Die neuen Mitgliedstaaten können spätestens am Tag des Beitritts beschließen, die Direktzahlungen während des in Absatz 9 genannten Anwendungszeitraums durch eine einheitliche Flächenzahlung zu ersetzen, die nach Absatz 2 berechnet wird.
(2) Die einheitliche Flächenzahlung erfolgt einmal jährlich. Sie wird berechnet, indem der nach Absatz 3 festgelegte jährliche Finanzrahmen durch die nach Absatz 4 festgelegte landwirtschaftliche Fläche jedes neuen Mitgliedstaats dividiert wird.
(3) Die Kommission legt den jährlichen Finanzrahmen für jeden neuen Mitgliedstaat wie folgt fest:
- als die Summe der in dem betreffenden Kalenderjahr für Direktzahlungen in dem neuen Mitgliedstaat verfügbaren Mittel,
- nach den einschlägigen Gemeinschaftsvorschriften auf der Grundlage der in der Beitrittsakte und in späteren gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für jede Direktzahlung festgelegten quantitativen Parameter, wie z. B. Grundflächen, Prämienobergrenzen und garantierte Höchstmengen (GHM) sowie
- korrigiert durch die Anwendung der einschlägigen Prozentsätze für die schrittweise Einführung von Direktzahlungen gemäß Artikel 143a."
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Art. 143c ("Ergänzende einzelstaatliche Direktzahlungen und Direktzahlungen") dieser Verordnung bestimmt:
"...
(2) Vorbehaltlich der Genehmigung durch die Kommission haben die neuen Mitgliedstaaten die Möglichkeit, die Direktzahlungen wie folgt aufzustocken:
...
Der Gesamtbetrag der Direktbeihilfe, die einem Betriebsinhaber in dem neuen Mitgliedstaat nach dem Beitritt im Rahmen der einschlägigen Direktzahlungen einschließlich aller ergänzenden staatlichen Direktzahlungen gewährt werden kann, darf nicht die Höhe der Direktbeihilfe überschreiten, auf die er im Rahmen der jeweiligen Direktzahlung Anspruch hätte, die zu diesem Zeitpunkt in den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft in ihrer Zusammensetzung am 30. April 2004 gilt.
...
(4) Ein neuer Mitgliedstaat, der sich für die Regelung für die einheitliche Flächenzahlung entscheidet, kann unter den in den Absätzen 5 und 8 genannten Bedingungen ergänzende einzelstaatliche Direktbeihilfen gewähren.
(5) Für das Jahr 2004 wird der Gesamtbetrag der bei Anwendung der Regelung für die einheitlichen Flächenzahlung in diesem Jahr pro (Teil)sektor gewährten ergänzenden staatlichen Direktbeihilfen für jeden (Teil)sektor durch einen besonderen Finanzrahmen begrenzt. Dieser Rahmen entspricht der Differenz zwischen
- dem aus der Anwendung von Absatz 2 Buchstabe a oder b für die einzelnen (Teil)sektoren resultierenden Gesamtbetrag und
- dem Gesamtbetrag der Direktbeihilfe, der in dem betreffenden neuen Mitgliedstaat für denselben (Teil)sektor in dem jeweiligen Jahr im Rahmen der Regelung für die einheitliche Flächenzahlung zur Verfügung stehen würde.
Für die Jahre ab 2005 braucht die oben genannte Begrenzung nicht länger durch Anwendung von (teil)sektorspezifischen Finanzrahmen vorgenommen zu werden. Die neuen Mitgliedstaaten behalten jedoch das Recht, (teil)sektorspezifische Finanzrahmen anzuwenden, wobei sich ein solcher (teil)sektorspezifischer Finanzrahmen jedoch nur beziehen darf auf
- die mit der Betriebsprämienregelung kombinierten Direktzahlungen und/oder
- eine oder mehrere der Direktzahlungen, die gemäß Artikel 70 Absatz 2 aus der Betriebsprämienregelung ausgeschlossen werden bzw. ausgeschlossen werden können oder für die eine partielle Durchführung gemäß Artikel 64 Absatz 2 möglich ist.
(6) Der neue Mitgliedstaat kann anhand objektiver Kriterien nach Genehmigung durch die Kommission die Beträge der ergänzenden staatlichen Beihilfe festlegen.
(7) Die Kommission
- nennt in ihren Genehmigungen in den Fällen, in denen Absatz 2 Buchstabe b) Anwendung findet, die mit der GAP vergleichbaren nationalen Regelungen für Direktzahlungen,
- legt in ihren Genehmigungen fest, bis zu welcher Höhe die ergänzende staatliche Beihilfe gewährt werden kann, welchen Prozentsatz die ergänzende staatliche Beihilfe ausmacht sowie gegebenenfalls, unter welchen Bedingungen sie gewährt werden darf,
- erteilt ihre Genehmigungen vorbehaltlich aller aufgrund der Entwicklung der [GAP] gegebenenfalls erforderlichen Anpassungen.
(8) Landwirtschaftliche Tätigkeiten, für die in der Gemeinschaft in ihrer Zusammensetzung am 30. April 2004 keine Direktzahlungen vorgesehen sind, kommen für ergänzende einzelstaatliche Zahlungen oder für eine Beihilfe nicht in Betracht.
..."
Nationales Recht
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Art. 3 Abs. 1 Buchst. a des Dekrets Nr. 6/2004 der Regierung vom 22. Januar 2004 über die allgemeinen Bedingungen für die Gewährung von Agrarbeihilfen der Europäischen Union, von diese ergänzenden und aus dem Staatshaushalt finanzierten Beihilfen und von Agrarbeihilfen, die der nationalen Zuständigkeit unterliegen (Magyar Közlöny, Nr. 2004/7) sieht vor, dass die in den Anwendungsbereich dieses Dekrets fallenden Beihilfen, darunter die ergänzende nationale Beihilfe, juristischen Personen oder Handelsgesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit gewährt werden können, die sich nicht im Vergleichsverfahren ("csõdeljárás"), im Konkursverfahren ("felszámolás"), in Absprachen mit den Gläubigern ("adósságrendezés") oder in freiwilliger Liquidation ("végelszámolás") befinden.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
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Bábolna stellte am 28. Mai 2004 bei der Hivatal einen Antrag auf einheitliche Flächenzahlung und auf eine davon abhängige ergänzende nationale Beihilfe.
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Am 1. September 2004 wurde gemäß der Entscheidung Nr. 2186/2004 der Regierung vom 22. Juli 2004 zur Umstrukturierung des Kapitals und zur Privatisierung der Gesellschaft BábolnaMezõgazdaságiTermelõ, FejlesztõésKereskedelmiZrt. (HatározatokTára, Nr. 2004/33 [22. Juli]) das Verfahren der freiwilligen Liquidation von Bábolna eröffnet.
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Mit Entscheidung vom 17. Mai 2005 gab die Hivatal dem Antrag von Bábolna teilweise statt und gewährte ihr 174 410 400 HUF als einheitliche Flächenzahlung und 70 677 810 HUF als ergänzende nationale Beihilfe für Ackerland.
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Als die Hivatal jedoch feststellte, dass am 1. September 2004 gegen Bábolna ein Verfahren der freiwilligen Liquidation eröffnet worden war, erließ sie eine neue Entscheidung zur Änderung der Entscheidung vom 17. Mai 2005. Mit dieser Änderungsentscheidung wies sie den Antrag auf ergänzende nationale Beihilfe für Ackerland auf der Grundlage des Art. 3 Abs. 1 Buchst. a des Dekrets Nr. 6/2004 der Regierung ab und verpflichtete Bábolna zur Erstattung des Betrags von 15 829 789 HUF, der ihr insoweit bereits gezahlt worden war.
21
Bábolna erhob Klage auf Aufhebung dieser Änderungsentscheidung und auf Aufrechterhaltung der Entscheidung vom 17. Mai 2005.
22
Vor dem FõvárosiBíróság (Gerichtshof von Budapest) macht sie geltend, dass in den im vorliegenden Fall anwendbaren Gemeinschaftsbestimmungen die Möglichkeit des Ausschlusses aufgrund einer freiwilligen Liquidation nicht vorgesehen sei. Einzige Voraussetzung für die Gewährung der Beihilfe sei, dass sich der betreffende Betrieb im Gebiet der Gemeinschaft befinde, wobei die Rechtsstellung des Antragstellers nach nationalem Recht unerheblich sei.
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Die Hivatal beantragt, die Klage abzuweisen.
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Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass es zur Entscheidung in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit notwendig sei, zu bestimmen, ob eine Handelsgesellschaft, die in einem Mitgliedstaat eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausübe, Anspruch auf ergänzende nationale Beihilfe habe, wenn sie sich in freiwilliger Liquidation befinde.
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Dem FõvárosiBíróság stellt sich insbesondere die Frage, ob die ergänzende nationale Beihilfe autonom und unabhängig von den Grundsätzen und Bestimmungen des Unionsrechts geregelt werden könne. Dieses Gericht möchte somit wissen, ob ein Mitgliedstaat für die Gewährung ergänzender nationaler Beihilfen strengere Voraussetzungen einführen könne, als sie das Unionsrecht für die Regelung für die einheitliche Flächenzahlung vorsehe.
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Das genannte Gericht weist außerdem in Bezug auf die fünfte von ihm zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage darauf hin, dass das ungarische Recht verschiedene Regelungen für das Vergleichsverfahren, das Konkursverfahren und die freiwillige Liquidation vorsehe.
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Da der FõvárosiBíróság der Auffassung ist, dass die Entscheidung in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit von der Auslegung des anwendbaren Unionsrechts abhänge, hat er beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Können die Voraussetzungen für Beihilfen der Union im Bereich der GAP (EAGFL) von den Voraussetzungen für ergänzende nationale Beihilfen abweichen, d. h., können für ergänzende nationale Beihilfen gegenüber durch den EAGFL finanzierten Beihilfen andere, strengere Voraussetzungen vorgesehen werden?
2. Kann der in Art. 1 Abs. 4 der Verordnung Nr. 3508/92 und in Art. 10 Buchst. a der Verordnung Nr. 1259/1999 festgelegte subjektive Anwendungsbereich im Hinblick auf die Empfänger der Beihilfen dahin ausgelegt werden, dass auf der subjektiven Seite nur zwei Voraussetzungen für die Beihilfen bestehen: Es muss sich a) um eine Gemeinschaft landwirtschaftlicher Erzeuger (oder eine Einzelperson) handeln, b) deren Betrieb sich im Gebiet der Gemeinschaft befindet?
3. Können die genannten Verordnungen dahin ausgelegt werden, dass ein landwirtschaftlicher Erzeuger, dessen Betrieb sich zwar im Gebiet der Gemeinschaft befindet, der aber seine Tätigkeit künftig einstellen will (nachdem er die Beihilfe in Anspruch genommen hat), keinen Anspruch auf die Beihilfe hat?
4. Wie ist auf der Grundlage der genannten Verordnungen die Regelung durch die nationalen Rechtsvorschriften auszulegen?
5. Umfasst die Regelung durch die nationalen Rechtsvorschriften die Regelung der Modalitäten, nach denen der landwirtschaftliche Erzeuger (oder die Gemeinschaft) seine Tätigkeit einstellt?
6. Können die Voraussetzungen für einen Antrag auf (gemeinschaftliche) einheitliche Flächenzahlung und die Voraussetzungen für einen Antrag auf ergänzende nationale Beihilfen unterschiedlich und voneinander völlig unabhängig geregelt werden? Welcher Zusammenhang besteht (kann bestehen) zwischen den systematischen und objektiven Grundsätzen beider Arten von Beihilfen?
7. Kann eine Gemeinschaft (Person) von den ergänzenden nationalen Beihilfen ausgeschlossen werden, wenn sie die Voraussetzungen für die einheitlichen Flächenzahlungen im Übrigen erfüllt?
8. Erstreckt sich angesichts dessen, dass das, was der EAGFL nur zum Teil finanziert, konsequenterweise durch ergänzende nationale Beihilfen finanziert wird, der in Art. 1 definierte Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1259/1999 auch auf die ergänzenden nationalen Beihilfen?
9. Hat ein landwirtschaftlicher Erzeuger, dessen legal und tatsächlich funktionierender Betrieb sich im Gebiet der Gemeinschaft befindet, einen Anspruch auf ergänzende nationale Beihilfen?
10. Ist eine im nationalen Recht vorgesehene spezifische Regelung des Verfahrens der Beendigung einer Handelsgesellschaft im Hinblick auf die Gemeinschaftsbeihilfen (und die daran anknüpfenden nationalen Beihilfen) erheblich?
11. Können die gemeinschaftlichen und nationalen Bestimmungen zur Funktionsweise der GAP dahin ausgelegt werden, dass durch diese Bestimmungen ein komplexes Rechtssystem geschaffen wird, das einheitlich ausgelegt werden kann und auf der Grundlage identischer Grundsätze und Erfordernisse funktioniert?
12. Kann der in Art. 1 Abs. 4 der Verordnung Nr. 3508/92 und in Art. 10 Buchst. a der Verordnung Nr. 1259/1999 festgelegte subjektive Anwendungsbereich dahin ausgelegt werden, dass sowohl die Absicht des landwirtschaftlichen Erzeugers, seine Tätigkeit künftig einzustellen, als auch die darauf anzuwendende Regelung im Hinblick auf die Beihilfen völlig irrelevant sind?
Zu den Vorlagefragen
Vorbemerkung
28
Im Rahmen der 2004 vollzogenen Erweiterung der Europäischen Union sah die Beitrittsakte vor, Bestimmungen über die Einführung der Direktzahlungen in den neuen Mitgliedstaaten und über die Regelung für die einheitliche Flächenzahlung in die Verordnung Nr. 1259/1999 aufzunehmen. Diese Bestimmungen wurden in der Folge durch den Beschluss 2004/281 in die Verordnung Nr. 1782/2003 integriert, die die Verordnungen Nrn. 3508/92 und 1259/1999 mit Wirkung vom 1. Mai 2004 aufhob.
29
Infolgedessen gilt für das Ausgangsverfahren wegen des Zeitraums, in den der Sachverhalt fällt, die Verordnung Nr. 1782/2003.
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Da es Aufgabe des Gerichtshofs ist, alle Bestimmungen des Unionsrechts auszulegen, die die staatlichen Gerichte benötigen, um die bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden, auch wenn diese Bestimmungen in den dem Gerichtshof von diesen Gerichten vorgelegten Fragen nicht ausdrücklich genannt sind (vgl. insbesondere Urteil vom 8. März 2007, Campina, C-45/06, Slg. 2007, I-2089, Randnr. 31), sind die Vorlagefragen so zu verstehen, dass sie die Verordnung Nr. 1782/2003 betreffen oder mit dieser Verordnung in Zusammenhang stehen.
Zu sämtlichen Fragen
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Mit seinen zwölf Fragen, die zusammen zu behandeln sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Verordnung Nr. 1782/2003 einer nationalen Regelung entgegensteht, die juristische Personen, die im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausüben, von der ergänzenden nationalen Beihilfe ausschließt, wenn sie Gegenstand eines Verfahrens der freiwilligen Liquidation sind.
32
Die Verordnung Nr. 1782/2003 enthält nach ihrem Art. 1 insbesondere gemeinsame Regeln für Direktzahlungen im Rahmen von Einkommensstützungsregelungen der GAP, eine Einkommensstützungsregelung für Betriebsinhaber (die Betriebsprämienregelung) und eine Übergangsregelung für eine vereinfachte Einkommensstützung zugunsten der Betriebsinhaber in den neuen Mitgliedstaaten (die Regelung für die einheitliche Flächenzahlung).
33
Gemäß den Art. 143a und 143b der Verordnung Nr. 1782/2003 werden die Direktzahlungen oder gegebenenfalls die Regelung für die einheitliche Flächenzahlung schrittweise in den neuen Mitgliedstaaten eingeführt. Diese schrittweise Einführung der Beihilferegelungen der Union in den neuen Mitgliedstaaten zielt darauf ab, die erforderliche Umstrukturierung des Agrarsektors dieser Mitgliedstaaten nicht zu verlangsamen und keine signifikanten Einkommensunterschiede und sozialen Spannungen hervorzurufen, indem Beihilfen gewährt würden, die gemessen am Einkommensniveau der Landwirte und der allgemeinen Bevölkerung unverhältnismäßig wären (vgl. entsprechend Urteil vom 23. Oktober 2007, Polen/Rat, C-273/04, Slg. 2007, I-8925, Randnr. 69).
34
Nach Art. 143c Abs. 2 und 4 der Verordnung Nr. 1782/2003 haben die neuen Mitgliedstaaten jedoch die Möglichkeit, die Direktzahlungen oder die einheitliche Flächenzahlung durch eine ergänzende nationale Beihilfe aufzustocken, die zumindest teilweise aus ihrem nationalen Haushalt finanziert wird.
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In diesem Zusammenhang gewährt die Verordnung Nr. 1782/2003 diesen Mitgliedstaaten einen gewissen Ermessensspielraum bei der Durchführung der ergänzenden nationalen Beihilfe. Insbesondere sieht Art. 143c Abs. 6 dieser Verordnung vor, dass die neuen Mitgliedstaaten anhand objektiver Kriterien nach Genehmigung durch die Kommission die Beträge der ergänzenden staatlichen Beihilfe festlegen können.
36
Jedoch darf eine nationale Regelung, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede steht, in Anbetracht des Umstands, dass ihre Einführung im Rahmen der GAP erfolgt, nicht so festgelegt oder angewandt werden, dass die mit dieser Politik verfolgten Ziele beeinträchtigt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Mai 2011, Kurt und Thomas Etling u. a., C-230/09 und C-231/09, Slg. 2011, I-0000, Randnr. 75), und speziell die Ziele, die mit den von der Verordnung Nr. 1782/2003 vorgesehenen Beihilferegelungen verfolgt werden.
37
Das Ermessen, über das die neuen Mitgliedstaaten verfügen, ist außerdem insofern beschränkt, als gemäß Art. 143c Abs. 7 der Verordnung Nr. 1782/2003 der Betrag, bis zu dessen Höhe - innerhalb der in Abs. 2 oder gegebenenfalls Abs. 5 dieses Artikels festgesetzten Grenzen - die erg änzende nationale Beihilfe gewährt werden kann, der Prozentsatz dieser Hilfe und gegebenenfalls die Bedingungen für ihre Gewährung vorher von der Kommission genehmigt werden müssen.
38
Im vorliegenden Fall ist jedoch festzustellen, dass sich aus den Akten ergibt, dass das Programm der Republik Ungarn vom 18. Mai 2004 über die ergänzenden nationalen Direktzahlungen, das von der Kommission mit Entscheidung vom 29. Juni 2004 (C[2004] 2295) genehmigt wurde, nicht die Bedingung enthielt, dass die ergänzende nationale Beihilfe nur an Betriebsinhaber im Sinne der Verordnung Nr. 1782/2003 gewährt werden kann, die nicht Gegenstand eines Verfahrens der freiwilligen Liquidation sind.
39
Daher genügt im vorliegenden Fall die Feststellung, dass die Verordnung Nr. 1782/2003 im Hinblick auf die Gewährung einer ergänzenden nationalen Beihilfe wie der im Ausgangsverfahren fraglichen einer Bedingung entgegensteht, die nicht von der Kommission genehmigt wurde, ohne dass dar über entschieden zu werden braucht, ob diese Bedingung mit den Zielen dieser Verordnung und ganz allgemein mit den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts, die die Mitgliedstaaten ebenfalls zu beachten haben, vereinbar ist (vgl. Urteil Kurt und Thomas Etling u. a., Randnr. 74).
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Nach alledem ist auf die vorgelegten Fragen zu antworten, dass die Verordnung Nr. 1782/2003 dahin auszulegen ist, dass sie einer nationalen Regelung entgegensteht, die juristische Personen, die im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausüben, von der ergänzenden nationalen Beihilfe ausschließt, weil sie Gegenstand eines Verfahrens der freiwilligen Liquidation sind, wenn eine Bedingung bezüglich des Nichtvorliegens eines solchen Verfahrens nicht zuvor von der Kommission genehmigt wurde.
Kosten
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Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:
Die Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 2019/93, (EG) Nr. 1452/2001, (EG) Nr. 1453/2001, (EG) Nr. 1454/2001, (EG) Nr. 1868/94, (EG) Nr. 1251/1999, (EG) Nr. 1254/1999, (EG) Nr. 1673/2000, (EWG) Nr. 2358/71 und (EG) Nr. 2529/2001 in der Fassung des Beschlusses 2004/281/EG des Rates vom 22. März 2004 ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegensteht, die juristische Personen, die im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausüben, von der ergänzenden nationalen Beihilfe ausschließt, weil sie Gegenstand eines Verfahrens der freiwilligen Liquidation sind, wenn eine Bedingung bezüglich des Nichtvorliegens eines solchen Verfahrens nicht zuvor von der Europäischen Kommission genehmigt wurde.