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  • 20.02.2013 · IWW-Abrufnummer 130538

    Arbeitsgericht Berlin: Urteil vom 02.11.2012 – 28 Ca 13586/12

    I. Hat sich der Anspruchsteller im Rechtsstreit um die Vergütung von Mehr-/Überarbeit zur Entgegennahme und Befolgung von Arbeitsanweisungen (§ 106 GewO) im Betrieb aufgehalten, so ist es Sache des Arbeitgebers, näheren Aufschluss darüber zu verschaffen, warum es sich entgegen erstem Anschein nicht um vergütungspflichtige Anwesenheitszeiten gehandelt haben sollte (vgl. BAG 16.5.2012 – 5 AZR 347/11NZA 2012, 939 = MDR 2012, 1170). Die betriebliche Anwesenheit eines Arbeitnehmers begründet die Vermutung, dass diese auch jeweils notwendig gewesen sei (LAG Berlin 6.4.1983 – 12 Sa 3/83 – n.v.; LAG Berlin-Brandenburg 23.12.2011 – 6 Sa 1941/11 – EzA-SD 2012 Nr. 2 S. 13; 19.9.2012 – 15 Ta 1766/12 n.v. [„Juris“]).
    II. Soweit es in diesem Zusammenhang noch auf die „Duldung“ entsprechender Mehr-/Überarbeit durch den Arbeitgeber im Sinne der diesbezüglichen Judikatur des Bundesarbeitsgerichts (s. etwa schon BAG 15.6.1961 – 2 AZR 436/60 – AP § 253 ZPO Nr. 7 = SAE 1961, 192) ankommt, kann dieser sich nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe die fraglichen Zustände nicht gekannt, wenn sich die betreffenden Zeiten in vom Arbeitgeber selber geführten Aufstellungen (hier: „Zeiterfassung Journal“) dokumentiert sind. Es gelten insofern die Grundsätze des Bundesgerichtshofs zur sogenannten „Wissenszurechnung“ innerhalb arbeitsteiliger Organisationen (s. namentlich BGH 2.2.1996 – V ZR 239/94BGHZ 132, 30 = NJW 1996, 1339 = MDR 1996, 1003).


    Arbeitsgericht Berlin
    Geschäftszeichen (bitte immer angeben)
    28 Ca 13586/12
    Verkündet am 02.11.2012
    Im Namen des Volkes
    Urteil
    In Sachen
    pp
    hat das Arbeitsgericht Berlin, 28. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 02.11.2012
    durch den Richter am Arbeitsgericht Dr. R. als Vorsitzender
    sowie die ehrenamtlichen Richter Herrn Sch. und Frau B.
    für Recht erkannt:
    I.
    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.446,47 Euro (brutto) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. September 2012 zu zahlen.
    II.
    Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
    III.
    Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.446,47 Euro festgesetzt.
    T a t b e s t a n d
    Es geht um Bezahlung von Mehrarbeit. - Vorgefallen ist folgendes:
    I. Die Klägerin trat mit dem 19. April 2012 gegen ein Monatsgehalt von 2.500,-- Euro (brutto) als „Office Managerin“ in die Dienste der Beklagten, die ein „Unternehmen der Kommunikationsbranche mit dem Schwerpunkt Public Relations“ betreibt. Zu „Arbeitszeit und -ort“ heißt es in Nr. 3 des nach Erscheinungsbild und Diktion von der Beklagten gestellten Vertragstexts :
    „3. Arbeitszeit und -ort
    Arbeitsplatz der Arbeitnehmerin ist das Büro des Arbeitgebers in Berlin. Das Unternehmen behält sich vor, der Arbeitnehmerin im Rahmen des Unternehmens – auch an einem anderen Ort – eine andere oder zusätzliche, der Vorbildung und den Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit zu übertragen.
    Die Regelarbeitszeit beträgt täglich 8 Stunden, wöchentlich 40 Stunden. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen richten sich nach der Übung des Betriebes. Sonnabend, Sonntag sowie gesetzliche Feiertage sind grundsätzlich arbeitsfrei. Bei branchenbedingtem höheren Arbeitsanfall sind auch Termine außerhalb der Arbeitszeit wahrzunehmen.
    Ein Anspruch auf Über- und Mehrarbeitsvergütung besteht nur, wenn diese von der Geschäftsleitung angeordnet oder mit ihr vereinbart worden sind. Die Abgeltung kann sowohl in Geld als auch in Freizeit erfolgen.
    Ein branchenübliches Maß an Überstunden ist mit dem vereinbarten Monatsgehalt abgegolten“.
    II. In welchem Umfange die Klägerin von der Beklagten zeitlich tatsächlich in Anspruch genommen wurden ist, stellen die Parteien streckenweise divergierend dar (s. unten, S. 3 [vor IV.]; S. 3-6 [V.]). Fest steht aber, dass die Beklagte diejenigen Zeiten, zu denen ihre Beschäftigten kommen und gehen, in einem als „Zeiterfassung Journal (in Industrieminuten)“ betitelten Formschreiben (Kopie: Urteilsanlage I.) zu dokumentieren pflegt, dessen Aussagekraft die Parteien allerdings unterschiedlich gewürdigt sehen wollen. Fest steht auch, dass die Klägerin mit dem 30. Juni 2012 aus den Diensten der Beklagten ausschied. Fest steht schließlich, dass die Klägerin per 11. Juni 2012 (Urteilsanlage I.) besagtem „Journal“ zufolge einen Arbeitszeitüberhang („Saldo“) gegenüber ihrer „Sollzeit“ von 105,73 aufwies.
    III. Mit ihrer am 5. September 2012 bei Gericht eingereichten und sechs Tage später (11. September 2012) zugestellten Zahlungsklage nimmt sie die Beklagte auf Ausgleich offener Mehrarbeitsvergütung von noch (100,31 [Stunden] zu jeweils 14,42 Euro = ) 1.446,47 Euro (brutto) nebst Prozesszinsen in Anspruch. Sie behauptet, das hohe Mehrarbeitspensum habe sich daraus ergeben, dass sie als Sekretärin für den Geschäftsführer der Beklagten gearbeitet habe, wobei „generell erwartet“ worden sei, „dass die Sekretariatsmitarbeiterinnen parallel zum Geschäftsführer anwesend“ seien .
    IV. Die Klägerin beantragt,
    die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.446,47 Euro (brutto) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
    Die Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.
    V. Sie hält die Forderung der Sache nach für gegenstandslos:
    1. Zunächst bestehe ein Anspruch auf Über- und Mehrarbeitsstundenabgeltung nach dem vertraglichen Reglement (Nr. 3 Abs. 3 ArbV; s. oben, S. 2 [I.]) nur, wenn diese von der Geschäftsleitung angeordnet oder mit ihr vereinbart worden seien . Vorliegend fehle es an jedoch an einer solchen Anordnung oder Vereinbarung . Zudem habe die Klägerin weder schlüssig dargelegt, dass sie tatsächlich Mehrarbeit geleistet, noch dass sie diese ggf. auf ausdrückliche oder konkludente Anordnung der Geschäftsleitung verrichtet habe . Gleiches gelte für eine etwaige Duldung der Mehrarbeit durch ihren Geschäftsführer, Herrn Z. .
    2. Etwas anderes lasse sich auch nicht aus dem „Zeiterfassung Journal“ (s. oben, S. 2 [II.]; Urteilsanlage I.) herleiten . Tatsächlich existiere nämlich bei bisher kein „System“ zur Erfassung von Arbeitszeiten . Zwar stelle das „Zeiterfassung Journal“ den ersten Schritt zu einem solchen System dar, indem es die tatsächlichen Kommens- und Gehenszeiten des Personals erfasse . Dass es indessen nicht darüber hinaus um die Dokumentation der tatsächlichen Arbeitszeiten gehe, zeige sich etwa daran, „dass im ,Zeiterfassung Journal' automatisch eine einstündige Pause abgezogen“ werde, es aber an der Erfassung der tatsächlich in Anspruch genommenen Pausen fehle . Außerdem gebe es die im „Zeiterfassung Journal“ ausgewiesene Kernzeit bei ihr gar nicht . Es handele sich lediglich um eine „systemseitige und letztlich willkürliche Voreinstellung des Programms“ .
    3. Letztlich beschränke sich seine Nutzung derzeit darauf, die morgendlichen Ein- bzw. die abendlichen Auscheckzeiten so zu erfassen, wie sie der Mitarbeiter eingebe . Dazu meldete dieser sich im System an, indem er sich mittels eines Chips beim Betreten des Gebäudes ein- und abends beim Verlassen wieder auslogge . Das Erfassungsterminal befinde sich im Eingangsbereich beim Newscafé (der „Kantine“) . Festgestellt werden könne damit letztlich nur, „ob ein Mitarbeiter überhaupt da war oder gänzlich gefehlt“ habe . Damit sei aus der von der Klägerin vorgelegten Übersicht aber auch nicht mehr als dies zu entnehmen . Es lasse sich hingegen „gerade nicht nachvollziehen, ob, wann und wie lange sie Pausen gemacht“ habe . Das bedeute auch, „dass keinerlei Aussage über geleistete Arbeitszeiten und damit auch nicht über etwaige Überstunden getroffen“ werde .
    4. Überdies werde bestritten, dass die Klägerin überhaupt Mehrarbeit erbracht habe . So habe sie „zu keiner Zeit schlüssig und substantiiert dargelegt, wann sie wie viele Überstunden geleistet“ und „welche Tätigkeiten das längere Arbeiten erforderlich gemacht haben sollen“ . Aus der bewussten Übersicht gehe hingegen lediglich vor, wie lange sich die Klägerin „im Gebäude aufgehalten“ habe, aber „eben gerade nicht, womit sie diese Zeit verbracht“ habe . Aus ihrer bloßen Anwesenheit im Hause allein folge aber keineswegs, dass sie tatsächlich Mehrarbeit geleistet habe .
    5. Unabhängig davon sei sie weder „jemals ausdrücklich aufgefordert“, Überstunden leisten, noch ihr „stillschweigend zu verstehen gegeben“ worden, dass von ihr Mehrarbeit erwartet werde . Selbst wenn sie Mehrarbeit in dem von ihr geleisteten Umfange geleistet haben sollte, habe sie dies freiwillig getan, „weil sie offenbar ihre Arbeit in der dafür vorgesehenen täglichen Arbeitszeit“ nicht geschafft habe . Obwohl ihr später Teile ihres Aufgabengebietes zugunsten einer neu eingestellten Mitarbeiterin (Frau M. P.) entzogen worden seien, sei sie „nichtdestotrotz“ offenbar auch weiterhin deutlich vor 9.00 Uhr zur Arbeit erschienen . Frau P. sei zudem aufgefallen, „dass die Klägerin auch abends häufiger lange im Büro“ geblieben sei . Diese habe die Klägerin „mehrfach darauf“ angesprochen und ihr gesagt, „dies sei nicht nötig und sie könne nach Hause gehen“ . Das habe die Klägerin aber offenbar nicht getan .
    6. Soweit der von ihr vorgelegte Auszug des „Zeiterfassung Journal“ Anwesenheitszeiten vor 9.00 Uhr dokumentiere, legt die Beklagte Wert auf die Feststellung, dass dies unter den Mitarbeiterinnen des Sekretariats „keineswegs üblich und auch von der Klägerin nie erwartet oder gar verlangt worden“ sei . Noch weniger habe ihr Geschäftsführer (Herr Z.) „davon Kenntnis genommen“ . Dieser sei ohnehin regelmäßig an bis zu drei Tagen pro Woche auf Reisen, so dass er „keinen Einblick in die Arbeitszeiten seiner Mitarbeiter“ habe . Selbst wenn er nicht auf Reisen sei, sei er „viel unterwegs“ und habe „täglich diverse Termine“, so dass er die Anwesenheit seiner Mitarbeiter „kaum überprüfen“ könne . Insofern habe er daher auch keine Kenntnis von regelmäßigen Überstunden der Klägerin und diese auch weder angeordnet noch stillschweigend vorausgesetzt oder zumindest gebilligt . Habe er die Klägerin, wenn er abends selbst im Hause gewesen sei, dort deutlich nach Ende der vorgegebenen Arbeitszeiten noch angetroffen, so habe er sie darauf angesprochen . So sei es „mehrfach“ vorgekommen, dass er die Klägerin gefragt habe, was sie so spät noch im Büro mache, und er sie aufgefordert habe, „nach Hause zu gehen“ .
    VI. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und auf deren Anlagen sowie auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften verwiesen.
    E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
    Der Klage ist ihr Erfolg nicht zu versagen.
    Die Klägerin kann von der Beklagten die Bezahlung von Mehrarbeitsstunden in der zuletzt noch mit 1.446,47 Euro (brutto) bezifferten Höhe nebst Prozesszinsen fordern. Das folgt für die Arbeitsvergütung aus den §§ 611 Abs. 1 , 612 Abs. 1 BGB, für die Zinsen aus den §§ 291 , 288 Abs. 1 Satz 2 BGB in Verbindung mit §§ 261 Abs. 1 , 253 Abs. 1 ZPO. - Im Einzelnen:
    I. Was zunächst den normativen Rahmen anbelangt, so ist von den Gerichten für Arbeitssachen seit alters her anerkannt, dass für die Entlohnung von Mehrarbeit eine gesonderte vertragliche Vereinbarung nicht erforderlich ist . Allerdings pflegen die Gerichte es dem Arbeitnehmer als Anspruchsteller vielfach nicht einfach zu machen, wenn er daraus mit ihrer Hilfe im Streit um entsprechende Zahlungen Konsequenzen gezogen will:
    1. Namentlich, um zu verhindern, dass Arbeitnehmer ihre – oft nicht zu Unrecht – als wenig „auskömmlich“ empfundene Arbeitsvergütung einseitig dadurch aufbessern, dass sie unerbeten Mehrarbeit leisten (oder gar: nur behaupten), um diese dem Arbeitgeber dann als vergütungsrelevant in Rechnung zu stellen, besteht die erwähnte Judikatur nicht nur darauf, dass solcher zeitlich überobligatorische Arbeitsaufwand im Streitfall vom Anspruchsteller (Arbeitnehmer) en Detail dargelegt und notfalls nachgewiesen wird, sondern auch und vor allem darauf, dass hiernach etwa erwiesene Mehrarbeit mit dem Willen des Anspruchsgegners (Arbeitgebers) auch in Verbindung gebracht werden kann.
    Danach hat der Anspruchsteller zunächst im Einzelnen darzulegen, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten er über die übliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet habe . In diesem Zusammenhang hat der Arbeitnehmer zudem vorzutragen, von welcher Normalarbeitszeit er ausgeht und dass er tatsächlich gearbeitet habe . Ist streitig, ob Arbeitsleistungen erbracht wurden, sollte er nach jahrelang praktizierter Rechtsprechung weiter darzulegen haben, welche (geschuldete) Tätigkeit er ausgeführt habe , wobei allerdings je nach der Einlassung des Arbeitgebers eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast bestehe . Was darüber hinaus die vorerwähnte „Verbindung“ erbrachter Mehrarbeit mit dem Willen des Arbeitgebers anbelangt, so richte sich diese nach der besagten Judikatur danach, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet wurden oder jedenfalls – auch das ist ein ohne weiteres taugliches Zurechnungskriterium - zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig waren .
    2. Die so konfigurierten Erfolgsbarrieren haben sich in der Praxis als zweifellos effektiv erwiesen, der Erschleichung unverdienter Entgeltaufbesserungen Grenzen zu setzen. Die gutgemeinte Rechtsprechung errichtet allerdings auch vielfach unübersteigbare Hürden gegen die Durchsetzung objektiv vollauf berechtiger Mehrarbeitsansprüche : Sie setzt nämlich beim Anspruchsteller ein Ausmaß an Dokumentationsvorsorge („Tagebuch“) voraus, wie dieses herkömmlich allenfalls bei zutiefst gestörten Arbeitsbeziehungen anempfohlen oder im sogenannten „Enthüllungsjournalismus“ praktiziert wird. Insofern droht die besagte Judikatur – im Bilde gesprochen -, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Denn es kann nicht der Sinn der eingangs (S. 6-7 [I.]) erwähnten Zubilligung eines Anspruchs auf Mehrarbeitsvergütung sein, seine Verwirklichung zugleich mit der Bindung an regelmäßig unerfüllbare Kautelen auszuschalten.
    3. In diesem Licht ist es in der Tat zu begrüßen , wenn der Fünfte Senat des BAG im bereits zitierten Urteil vom 16. Mai 2012 seine bisherige Rechtsprechung nunmehr nach entsprechender Anregung des Hessischen LAG aus dem Juni 2011 behutsam nuanciert: Dort verweist der Senat auf die gesetzliche Wertung des § 106 GewO , wonach die konkret zu leistende Arbeit in der Regel vom Arbeitgeber durch Weisungen zu bestimmen sei . Deshalb genüge der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, indem er vortrage, „er habe sich zur rechten Zeit am rechten Ort bereitgehalten, um Arbeitsanweisungen des Arbeitgebers zu befolgen“ . Kombiniert man dies dann lediglich noch mit dem in Teilen der Instanzgerichtsbarkeit seit annähernd dreißig Jahren anerkannten Erfahrungssatz, wonach bereits die betriebliche Anwesenheit eines Arbeitnehmers eine tatsächliche Vermutung dafür begründe, dass diese „auch jeweils notwendig gewesen“ sei , tendiert die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im „Überstundenprozess“ zur – angesichts des normativen Geltungsanspruchs des § 612 Abs. 1 BGB und zur Vermeidung anderenfalls unlösbarer Aufgaben bitter nötigen - Balance: Es ist dann nämlich Sache des Arbeitgebers, näheren Aufschluss darüber zu verschaffen, warum es sich entgegen erstem Anschein nicht um zu vergütende Mehrarbeitsleistungen des Anspruchstellers gehandelt haben sollte.
    II. Auf diesem Hintergrund erweist sich die hiesige Zahlungsklage als uneingeschränkt berechtigt. Daran können die Einwände der Beklagten nichts ändern. - Der Reihe nach:
    1. Die Klägerin hat zum Beleg dafür, dass ihr betriebliches Dasein im Hause der Beklagten vom 19. April 2012 bis 11. Juni 2012 ihre Sollarbeitszeit um insgesamt 105,73 Stunden überstiegen hat, auf das als „Zeiterfassung Journal“ überschriebene Schriftstück (s. oben, S. 2 [II.]; Urteilsanlage I.) verwiesen, wobei nach den Einlassungen der Beklagten (s. oben, S. 4 [vor 3.]) sogar eine Stunde pro Tag unabhängig davon als „Pause“ abgezogen ist, ob der betreffende Mitarbeiter solche Pause(n) überhaupt eingelegt hat oder nicht. Das genügt nach den vorerwähnten Grundsätzen, der Klägerin zuzubilligen, dass für die Zeit bis 30. Juni 2012 jedenfalls 100,31 Mehrarbeitsstunden als potentiell ausgleichspflichtig (s. oben, S. 2-3 [III.]) dokumentiert sind. - Soweit die Beklagte hiervon schon deshalb nichts wissen will, weil die Bezugnahme der Klägern auf die so geartete Urkunde vermeintlich prozessualen Anforderungen nicht genüge , teilt das Gericht ihre Bedenken nicht: Zwar trifft es zu, dass sich die Ziviljustiz aus begreiflichen Gründen und unter partieller Billigung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) dagegen verwahrt, nicht näher aufbereitete Sammlungen von Anlagen („Konvolute“) zu Schriftsätzen selber danach durchzumustern, ob diese die betreffenden Parteiausführungen stützen oder nicht . Um solche Sucharbeit handelt es sich hier aber nicht. Insbesondere geht es nicht darum, dem Gericht die Aufgabe zuzuschieben, sich aus irgendwelchen Anlagen etwas „zusammenzusuchen“ (BVerfG a.a.O. ; BAG a.a.O. ). Hier geht es vielmehr ausschließlich darum, der Beklagten ihre eigene Dokumentation zur „Zeiterfassung“ in Erinnerung zu rufen, der sich Zusammensetzung und „Saldo“ auf Anhieb entnehmen lassen. Auf solche Verhältnisse ist die zitierte Judikatur zur prozessualen Arbeitsteilung zwischen Gerichten und Parteien im Zivilprozess nicht gemünzt. Insofern wird denn auch zu Recht darauf verwiesen, dass einschlägiger Vortrag immer dann als ausreichend anzusehen sei, wenn er aus sich heraus verständlich bleibt und die ihn betreffenden Anlagen ihn lediglich in Einzelheiten substantiiert erläutere . Danach ist das hiesige „Zeiterfassung Journal“ für die Beurteilung des Präsenzumfangs der Klägerin ohne weiteres verwertbar.
    2. Genügt hiermit schon ein kurzer Blick auf die von der Beklagten stammende Dokumentation, um für den Zeitraum vom 19. April bis 30. Juni 2012 zugunsten der Klägerin die tatsächliche Vermutung zu stiften, dass sie an jedenfalls 100,31 Stunden zur betrieblichen Wertschöpfung beigetragen hat, so war die Beklagte gehalten, diese Vermutung auszuräumen (s. oben, S. 9 [vor II.]). Dass dies zur Genüge geschehen wäre, lässt sich jedoch – bei aller Sorgfalt die sie durch ihre Bevollmächtigten darauf erkennbar verwandt hat - nicht feststellen. - Insofern, nochmals, der Reihe nach:
    a. Soweit sie in rechtlicher Hinsicht zunächst auf die Formularvertragsklausel in Nr. 3 Abs. 3 ArbV verweist (s. oben, S. 3 [V.1.]), wonach Über- oder Mehrarbeit allenfalls dann zu vergüten sei, wenn diese von der Geschäftsleitung „angeordnet oder mit ihr vereinbart worden“ seien, entspringt dem keine Beschränkung der hier verfolgten Rechte der Klägerin. Zwar könnte die Fassung der Klausel den Eindruck erwecken, sie beschneide der Klägerin ihre Rechte aus der langjährigen Judikatur des BAG (s. oben, S. 8 [vor 2.]), wonach schon die „Billigung“ oder „Duldung“ von Mehrarbeit die Vergütungspflicht ihres Nutznießers nach sich ziehe. Das bliebe aber vordergründig. Denn beide Kategorien beschreiben lediglich unterschiedliche Erscheinungsformen rechtsgeschäftlicher Einigungsakte, die sich sämtlichst ihrem gemeinsamen Oberbegriff „Vereinbarung“ zuordnen lassen. Anders könnte es sich zwar verhalten, wenn in der besagten Klausel eine Verfahrenslast etwa dahin erblickt werden sollte, die Zielperson müsse sich etwaige Mehrarbeit jeweils vor deren Erbringung erst gleichsam im voraus „bewilligen“ lassen. Das wäre jedoch durch den Sprachgebrauch im Lichte der §§ 133 , 157 BGB nicht nahe gelegt und anderenfalls im Übrigen mit Rücksicht auf § 305 c Abs. 2 BGB auch unbeachtlich.
    b. Die Beklagte kann ebensowenig mit dem Einwand gehört werden (s. oben, S. 3-4 [V.2.]), es fehle an einem „System“ der Arbeitszeiterfassung, da ihre derzeitige Technik nur reine Präsenzzeiten ihres Personals dokumentiere. Damit stellt sie – im Bilde gesprochen - ihr Licht aber unter den Scheffel. Immerhin ist durch den automatischen Abzug einer täglichen Pause von einer Stunde Vorsorge dafür getroffen, Mitarbeitern bei Bedarf eine Sollzeit-Unterschreitung vorzuhalten. Dann muss sie es sich aber auch gefallen lassen, dass ihr die Dokumentation zum Beleg einer Sollzeit-Überschreitung präsentiert wird. Auf die Frage, welchen sonstigen Gebrauchswert sie den so ermittelten Daten gegenwärtig abgewinnt oder nach etwaigem organisatorischen Ausbau abzugewinnen beabsichtigt, kommt es für deren schon gegenwärtigen Informationsgehalt nicht an.
    c. Nichts anderes gilt im Ergebnis für den Hinweis der Beklagten (s. oben, S. 4 [3.]), anhand ihres Systems ließe sich Antritt und Dauer etwaiger tatsächlicher Pausen „nicht nachvollziehen“. Das ist zwar richtig, spielt aber keine Rolle. Insbesondere, wenn die Beklagte für eigene Zwecke ohne Rücksicht auf tatsächliche Arbeitsunterbrechungen stets eine komplette Stunde in Abzug bringt, statt sich mit organisatorisch unschwer erreichbaren Mitteln um die genauen Details etwaiger Pausen zu kümmern, kann sie den so entstehenden „weißen Fleck“ in ihrer Datenlandschaft nicht mit Erfolg gegen den Plausibilitätsgehalt ihrer im Übrigen minutiös ermittelten Saldenwerte ins Feld führen.
    d. Nicht besser steht es um den weiteren Einwand der Beklagten (s. oben, S. 4-5 [4.]), sie wisse bei aller Erfassung betrieblicher Präsenzen damit ja noch immer nicht, um welche Tätigkeiten es sich währenddessen im einzelnen handele, weil die Daten keine Aufschluss darüber gäben, womit die Klägerin im Hause ihre „Zeit verbracht“ habe. Auch das ist zwar richtig, hilft der Beklagten aber gleichfalls nicht weiter. Hier stellt sie nämlich nicht nur ihr weiter oben schon einmal erwähntes „Licht“ abermals unter den Scheffel, sondern übersieht auch die Konsequenzen der zitierten Neubesinnung der Gerichte für Arbeitssachen (s. oben, S. 8-9 [3.]): Wenn es danach zur Verfolgung von Ansprüchen auf Mehrarbeitsvergütung zunächst einmal ausreicht, die betriebliche Anwesenheit des Anspruchstellers zu objektivieren, um aufseiten des Arbeitgebers die prozessuale Obliegenheit zur substantiierten Erwiderung auszulösen , genügt es offenkundig nicht (länger ), sich kurzerhand auf Unkenntnis des seiner ureigenen Steuerung unterliegenden betrieblichen Geschehens zurückzuziehen.
    e. Soweit die Beklagte das zeitliche Volumen der betrieblichen Präsenz der Klägerin deshalb vorsorglich mit dem Hinweis kommentiert (s. oben, S. 5 [5.]), es sei um ersichtlich „freiwillige“ Mehrarbeit gegangen, weil die Klägerin ihr vertragliches Arbeitspensum „offenbar“ nicht im dafür vorgesehenen täglichen Zeitfenster geschafft habe, schmälert auch das nicht deren Vergütungsrechte. Arbeitsleistung ist bekanntlich in aller Regel und so auch hier nach Zeitaufwand zu vergüten, nicht nach Ergebnis oder Erfolg. Das ist der Ursprung des Konflikts (s. oben, S. 7 [1.]), dessen Konsequenzen der Arbeitgeber allein mit dem trivialen Einwand, der Arbeitnehmer arbeite eben zu langsam, sich nicht entledigen kann . Welche Beobachtungen von Frau P. in diesem Zusammenhang gemacht habe (s. nochmals oben, S. 5 [vor 6.]), die im Übrigen, soweit sie abendlichen „Leerlauf“ bei der Klägerin vermitteln sollen, tendenziell im Widerspruch zur gerade zuvor unterbreiteten Darstellung erhöhten Zeitbedarfs stehen könnten, kann damit in gleicher Weise auf sich beruhen wie der Umstand, dass weder vorgetragen, noch ersichtlich oder auch nahe liegend ist, dass Frau P. gegenüber der Klägerin die Stellung gehabt habe, sie nach eigenem Gutdünken nach Hause zu schicken. Dass das gesamte Vorbringen der Beklagten hier so unsubstantiiert bleibt, dass der Klägerin auf solcher Grundlage nicht einmal nähere Einlassungen abverlangt werden können, ist nach allem nur am Rande zu bemerken.
    f. Wenn die Beklagte schließlich für die Frage rechtlich relevanter „Billigung“ oder „Duldung“ zeitlich überobligatorischen betrieblichen Daseins der Klägerin darauf abgestellt wissen will (s. oben, S. 5-6 [6.]), dass ihr Geschäftsführer angesichts häufiger Ortsabwesenheit und vielfältigster sonstiger Beanspruchungen von allem nichts gewusst habe, so kann auch dies das Blatt nicht wenden: Insofern müsste sich dieser nämlich die Kenntnis des Inhalts der in seiner Organisationsverantwortung als „Zeiterfassung Journal“ geführten Datensammlungen spätestens nach dem Rechtsgedanken des § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen. Das entspricht neuerer Judikatur des Bundesgerichtshofs (BGH), wonach es zur Objektivierung von Kenntnislagen bekanntlich nicht mehr auf die „eigenverantwortliche Erledigung bestimmter Aufgaben“ durch den Geschäftsherrn persönlich ankommt, sondern allein „auf die Verfügbarkeit derjenigen Informationen“, die „typischerweise aktenmäßig festgehalten “ würden . Danach gilt :
    „Nach dieser Ansicht ergibt sich die Kenntnis der juristischen Person daraus, dass sie das Aktenwissen besitzt und seine Nutzung nicht in ihrem Belieben steht, sondern normativen Verkehrsschutz-Anforderungen unterliegt; die Verantwortung für das einmal erlangte Wissen schließe die Verpflichtung ein, seine Verfügbarkeit zu organisieren. Komme die juristische Person dieser Rechtspflicht nicht nach, müsse sie sich materiell-rechtlich so behandeln lassen, als habe sie von der Information Kenntnis“.
    Darauf ist somit auch die hiesige Beklagte zu verweisen.
    g. Muss diese so also die Inhalte des „Zeiterfassung Journal“ im Bezug auf das betriebliche Anwesenheitsvolumen der Klägerin zurechnen lassen, so führt auch an der „Duldung“ des so dokumentierten Zustands im Sinne der Judikatur der Gerichte für Arbeitssachen und folglich einer Vergütungspflicht der Beklagten kein Weg vorbei. Insofern kann in der Tat normstrukturell nichts anderes gelten als im Zusammenhang mit § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG : Dort wird aus guten Gründen im Gleichlauf mit den vorerwähnten Wertungen des BGH auf bloße Verfügbarkeit betrieblich gespeicherter Daten aus Zeiterfassungsgeräten abgestellt . - Wenn die Beklagte dem nur noch entgegen hält (s. oben, S. 6 [vor 6.]), ihr Geschäftsführer habe die Klägerin „mehrfach“ nach Ende der vorgegebenen Arbeitszeiten gefragt, was sie so spät noch im Büro mache, und aufgefordert, „nach Hause zu gehen“, so schmälert auch das nicht ihre hier zur Kontrolle gestellte Vergütungspflicht: Abgesehen davon, dass auch dieses Vorbringen keine konkreten Lebensvorgänge aufzeigt und somit unsubstantiiert bleibt, ist nicht erkennbar, inwiefern sich unter den hier interessierenden 105,73 (100,31) Stunden solche Ausnahmefälle befunden hätten: Schon gar nicht ist damit unterbreitet, dass die Klägerin die konkrete Weisung, ihren Einsatz im Hause an den erwähnten Tagen abzubrechen, missachtet hätte.
    h. Haftet die Beklagte der Klägerin nach allem dem Grunde nach auf entgeltliche Kompensation der im „Zeiterfassung Journal“ dokumentierten Mehrarbeitsstunden, so hat es damit auch insgesamt sein Bewenden. Insofern kann der Beklagten namentlich kein „Abschlag“ mit Rücksicht darauf zugebilligt werden, dass Nr. 3 Abs. 4 ArbV (s. oben, S. 2 [I.]) ein „branchenübliches Maß“ an Überstunden bereits mit der Vergütung abgegolten sehen will. Wie offenbar beiden Parteien vollauf bewusst ist, die die Frage (wohl deshalb) gar nicht erst thematisieren, hält eine solche Pauschalisierung mitentgoltener Mehrarbeit den Anforderungen sogenannte Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB evident nicht stand. Hierzu genüge es daher, auf die diesbezügliche Judikatur des BAG lediglich ergänzend hinzuweisen.
    III. Konnte der Klage ihr Erfolg nach allem nicht verwehrt bleiben, was der Tenor zu I. dieses Urteils daher zum Ausdruck bringt, so lässt es sich für die sogenannten „Nebenentscheidungen“ kurz machen:
    1. Soweit das Gericht auch ohne bekundeten Wunsch der Parteien über die Verpflichtung zur Tragung der Kosten seiner Inanspruchnahme entschieden hat, bedurfte es hierzu keines Antrags (§ 308 Abs. 2 ZPO ). Sie hat das Gericht als unterlegener Partei der Beklagten zuweisen müssen (s. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO ; Tenor zu II.).
    2. Den Wert des Streitgegenstandes hat es aufgrund des § 61 Abs. 1 Ar-bGG im Tenor festgesetzt und mit dem bezifferten Wert der Klageforderungen bemessen. Das macht 1.446,47 Euro und erklärt den Tenor zu III.
    R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g e n
    Gegen dieses Urteil kann von der Beklagten Berufung eingelegt werden.
    Die Berufungsschrift muss von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt oder einem Vertreter einer Gewerkschaft bzw. einer Arbeitgebervereinigung oder eines Zusammenschlusses solcher Verbände eingereicht werden.
    Die Berufungsschrift muss innerhalb
    einer Notfrist von einem Monat
    bei dem
    Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg,
    Magdeburger Platz 1, 10785 Berlin
    eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass die Berufung gegen dieses Urteil eingelegt werde.
    Sie ist gleichzeitig oder innerhalb
    einer Frist von zwei Monaten
    in gleicher Form schriftlich zu begründen.
    Die Schriftform wird auch durch Einreichung eines elektronischen Dokuments im Sinne des § 46 c ArbGG genügt. Nähere Informationen dazu finden sich auf der Internetseite unter www.berlin.de/erv.
    Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgesetzten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
    Dabei ist zu beachten, dass bei einer Zustellung durch Niederlegung bei einer Niederlassung der Deutschen Post AG die Frist bereits mit der Niederlegung und Benachrichtigung in Lauf gesetzt wird, also nicht erst mit der Abholung der Sendung. Das Zustellungsdatum ist auf dem Umschlag vermerkt.
    Für die Klägerin ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
    Von der Begründungsschrift werden zwei zusätzliche Abschriften zur Unterrichtung der ehrenamtlichen Richter erbeten.
    Weitere Statthaftigkeitsvoraussetzungen ergeben sich aus § 64 Abs. 2 ArbGG:
    „Die Berufung kann nur eingelegt werden,
    a) wenn sie in dem Urteil zugelassen worden ist,
    b) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
    c) in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
    d) wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall schuldhafter Versäumung nicht vorgelegen habe“.